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Wie Schorschel Bopfinger auf Abwege geriet
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Wie Schorschel Bopfinger auf Abwege geriet
eBook136 Seiten1 Stunde

Wie Schorschel Bopfinger auf Abwege geriet

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Über dieses E-Book

Wunderbare Geschichten, die das Leben schreibt, bietet dieses Buch. In der ersten Geschichte wird der Pfarrer eines kleinen Schwarzwalddorfes von seiner Ehefrau zu einer Schweiztour ermutigt. Doch anstatt die vereinbarten Orte anzulaufen, geht es ins Theater. Der Schock sitzt tief, als er nach seiner Rückkehr seiner Frau hiervon berichtet. Und er wird noch größer, als plötzlich eine der Schauspielerinnen bei den Pfarrersleuten vor der Tür steht. Zum Autor: Paul Oskar Höcker, geboren 1865 in Meiningen, gestorben 1944 in Rastatt, war ein deutscher Redakteur und Schriftsteller. Höcker verfasste Lustspiele, Kriminalromane, Unterhaltungsromane, historische Romane und auch etliche Jugenderzählungen. Er galt in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als überaus erfolgreicher Vielschreiber. Einige seiner Romane wurden verfilmt.
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum10. Juli 2015
ISBN9788711445631
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    Buchvorschau

    Wie Schorschel Bopfinger auf Abwege geriet - Paul Oskar Höcker

    Saga

    Wie Schorschel Bopfinger auf Abwege geriet

    Eine Sommergeschichte

    Mit dem schmalen Rücken gegen die Wand der Zweiten Kajüte gelehnt stand der Pfarrer Bopfinger an Bord des „Wilhelm Tell", der ihn von Flüelen nach Luzern bringen sollte, und bemühte sich, die Ortschaften am Südufer des Vierwaldstätter Sees auf seiner zerlesenen Baedekerkarte festzustellen.

    Das Fragen hatte er sich in den anstrengenden Reisetagen seines Schweizer Generalabonnements abgewöhnt. Die Leute verstanden ihn meist gar nicht. Vielleicht sprach er zu leise. Er war eben schüchtern, war auch nie gereist. Die Kleinbürger und Bauern daheim in Gündelrodeck waren den traulichen Dialekt auf der Kanzel schon von seinem Vater her gewohnt. Er war frisch von der Freiburger Universität weg als Hilfsprediger in die Pfarre gekommen, vor zwanzig Jahren, als sein Vater zu kränkeln begann. Nach dessen Tod fiel die Wahl der Gündelrodecker einstimmig auf ihn. So hatte er denn gleich das Sophiele heimgeführt. Versprochen waren sie ja schon seit der Konfirmation. Anderthalb Jahrzehnte sassen sie nun als still zufriedenes Musterehepaar — leider kinderlos — in dem kleinen Schwarzwaldnest. Selten verirrten sich Sommerfremde dahin. Es lag hoch oben im rauhesten Teil des Wutachtales. Wäre nicht das Lehrerseminar dorthin verlegt worden, so hätte es gar keinen geistigen Austausch gegeben. Denn ’s Sophiele war zwar eine kreuzbrave Frau, fleissig, unheimlich fleissig sogar, und gut, ach so herzensgut, — aber grosse Reden konnten sie nicht miteinander führen. Worüber debattieren? Sie waren ja in allem so einig.

    Nun hatte der Missionstag in Basel die Veranlassung zu dieser ersten Trennung gegeben. Es war eine Art Weihnachtsgeschenk der Frau Pfarrer. „Weischt, Schorschel, hatte sie am heiligen Abend gesagt, „fahre mir zusamme auf Basel, nord koscht des e ganz Häufle Batze, und mir habbe keins ebbes davon, weil ich doch als ’s Eisebahnrüttle net vertrage kann. Ha no, denk ich, also gehsch her und nimmsch das Geld, wo ich g’koscht hätt, und fahrsch dafür e bissle durch d’ Schweiz. Gell? Ich freu mich schon arg drauf, wann d’ mir hernach alles verzählsch.

    Ach, so gut hatte sie’s mit ihm gemeint. Er war ihr auch dankbar. Gewiss. Die ganze Zeit bis zum Sommer und auch jetzt auf der Reise selbst. Aber anstrengend war’s, sehr, sehr anstrengend. Dass er das Eisenbahnrütteln ebensowenig wie sie vertragen konnte, das hatte er nämlich gleich am zweiten Tag gemerkt.

    Die Reiseroute war an der Hand der Eisenbahnkarte und des Kursbuches aus dem „Wutacher Hof" bis ins letzte ausgearbeitet. An manchem langen Winterabend hatten sie auf dem Papier die Schweiz nach allen Richtungen hin durchstreift.

    Von Basel ging’s nach Genf, von Genf zum Simplon, vom Simplon nach Neuchâtel (hier versäumte er leider den Zug) — von Neuchâtel zum Bodensee, ins Engadin, nach Zürich, nach Interlaken, zum Rigi, an den Luganer See, zur Aarschlucht, auf den Brünigpass, nach Airolo ...

    An den meisten Punkten blieben ihm freilich nur ein paar Stunden übrig, manchmal noch weniger. Das war recht schade. Und die Strecken waren so gelegt, dass er zweimal das Nachtquartier sparte. Denn billig galt es schon zu reisen. Aber zum Schlafen war er auf diesen weiten, unruhigen Nachtfahrten doch nicht gekommen — und am Tage darauf auch nicht so recht zum Genuss. Nicht einmal die Fahrt durch den Gotthardtunnel hatte die erwartete seelische Erschütterung in ihm ausgelöst. Es war ihm bei der Rückfahrt nur ganz übel im Magen geworden, von dem Kohlendunst. Und selbst der Urner See — über dem nun allerdings bleigraue, föhnschwere Wolken hingen — wollte nicht zu seinem Herzen sprechen. Dabei kannte er seinen Tell fast auswendig. Überhaupt hatte er die Reise aufs sorgfältigste vorbereitet angetreten. Über alle Wasserscheiden auf Schweizer Gebiet, über Schweizer Geschichte und Altertümer, über Industrien, Moränen, Militär, Hotelpreise, Vegetation, Eisenbahnbauten, Trinkgelder, Panoramen hatte er sich aus Doktor Knittels altem Baedeker orientiert. (An diesen ernsten Studien hatte ’s Sophiele redlich teilgenommen.) Und nun fuhr er und fuhr und fuhr — dort drüben lag die gewaltige Alpenwelt, die Schiller, der Ärmste, der dies alles nie gesehen, so klassisch schön geschildert hatte, — und er, der vom Schicksal Begünstigte, der hier Tag und Nacht auf der Eisenbahn und auf dem Dampfschiff all den gewaltigen Naturschönheiten so nahe sein durfte, er musste sich ordentlich zwingen, die Augen aufzuhalten.

    Plötzlich entfiel der Baedeker seiner Hand. Erschrocken sah er sich um.

    Da hob ihm ein junger Herr, der einen goldenen Kneifer trug, den Baedeker auf.

    „Aber nein, sind Sie so gut und bemühen Sie sich nicht!" stiess der Pfarrer hervor, wie auf einer bösen Tat ertappt.

    „E arge Füll’ hier, Herr Superintendent," sagte der junge Herr lächelnd.

    Bopfinger hatte bei dieser Anrede mehrfache Empfindungen: eine wahre Herzensfreude darüber, dass der andre auch badischen Dialekt sprach, und eine tiefe Beschämung, dass er ihm eine unverdiente Würde beimass. Aber vor allem war er glücklich, dass er ein bisschen plaudern konnte. Er lehnte also die Standeserhöhung bescheiden ab.

    „Aber dass Sie ein geischtlicher Herr sind, das hab’ ich gleich gemerkt."

    „So. Woran denn?"

    „An Ihre gute Auge — und an Ihrem Regeschirm. Das gleiche Modell tragt nämlich mein Onkel in Huttersheim."

    „In Huttersheim! Ha, da amtiert doch mein lieber Amtsbruder Storch!"

    „Dem sein ungerat’ner Herr Neveu bin ich."

    Bopfinger gab ihm die Hand. „Ungeraten sehn Sie mir aber nicht aus. Den Schalk haben Sie in Ihrem jungen Gesicht. — Gelt? Und der sucht sich jetzt ein Opfer?" setzte er lächelnd hinzu.

    „A bewahr. Jetzt net. Ausnahmsweis net. Er lachte. Dann näherte er sich dem Pfarrer und sagte in leiserem Tone: „Dort drübe — in der erschte Klass’ — da hab’ ich nämlich Mittag gegesse — und jetzt fehle mir grad neunzig Centimes zum Bezahle. Ich hab’ mich um und um gesehe: bloss Engländer. Da hab’ ich Sie entdeckt, Herr Pfarrer. Zu dem gehsch und pumpsch ihn an, hab’ ich mir da gesagt. Er zog nun kurz den Hut. „Studiosus juris Storch."

    Bopfinger war verlegen und geschmeichelt. Machte sich der junge Herr auch wirklich keinen Witz mit ihm? Sein Huttersheimer Onkel hatte es faustdick hinter den Ohren.

    „Natürlich schick’ ich Ihne das Geld, gleich vom Hotel aus, noch heut’ abend," setzte der junge Herr hinzu, nun selbst etwas aus dem Gleichgewicht gebracht, weil der Pfarrer noch immer schwieg, sich auch nicht vorstellte.

    Aber mit einem Male ging ein wahres Strahlen über das schmale, feine, immer blasse Gesicht des Geistlichen. Er drehte sich um, bückte sich, holte sein Portemonnaie aus der Hosentasche, klimperte darin ein Weilchen, dann sah er sich scheu um, steckte dem jungen Herrn mit der auffälligen Heimlichkeit eines ungeübten Silberdiebs ein Frankstück zu und sagte: „Nein, Herr Studiosus, sehe Sie, das ist meine Bedingung — das Fränkli müsse Sie von mir geschenkt annehme!"

    „Aber Herr Pfarrer —"

    „Sind Sie doch nicht gleich bös. Es ist doch nicht schlimm gemeint. Ein junges Blut. Ich denk’ so dran, wie ich studiert hab!"

    „Ha — Sie mache mich arg verlege, Herr Pfarrer. Sie müsse mir Ihre Adress’ gebe — sonscht kann ich’s ja gar net behalte."

    „Oh, dann täten Sie mich kränken. Ich freu mich doch so, dass ich einem Studentle hab’ aushelfen dürfen."

    „Und Ihre Adress’? Wenigschtens e Poschtkärtle darf ich doch emal schreibe?"

    „Nein, nein, nein, nein!" Bopfinger geriet in eine herzliche Fröhlichkeit über seinen Einfall.

    „Ich erfahr’ sie doch noch, Herr Pfarrer. Vom Onkel Storch."

    Der Student lachte und zog ab. Nach einem Viertelstündchen kehrte er zurück.

    ‚Beckenried!‘ hallte es über das Deck.

    „Wolle Sie hier aussteige, Herr Pfarrer?"

    „Ich? Nein. Warum?"

    „Weil Sie Ihr Handtäschle so krampfhaft ans Herz drücke."

    Bopfinger nahm sie an jeder Station an sich. Nicht aus Misstrauen gegen die Mitreisenden — nur aus einem gewissen Anschlussbedürfnis. Das gestand er dem jungen Herrn treuherzig ein.

    „Sie scheine mir kein Reisevirtuos zu sein, Herr Pfarrer."

    „Ach nein. Und nun kam’s über ihn: er musste sich seine Verzweiflung von der Seele reden. „Ich kann mir jetzt gar nichts mehr behalten. Unglücklich bin ich darüber — aber wenn Sie jetzt sagen: gehn Sie her, Herr Pfarrer, grad eben zwischen den beiden Bergnasen da können Sie den Montblanc sehn, — ich bleib’ sitzen. Er schneuzte sich in sein Taschentuch.

    „Habe Sie den Montblanc überhaupt schon gesehe?" fragte der Student.

    Bopfinger schüttelte den Kopf. „In Genf hat’s grad geregnet. Es war ja oft wüst, das Wetter. Bloss in Grindelwald hat die Sonn’ geschienen. Da hab’ ich drei Stunden Aufenthalt g’habt und bin zu dem Gletscher spaziert. Herr Studiosus — ein Gletscher! Ha, ich sag’ Ihnen, ich hab’ da gestanden, und ich schäm’ mich nicht, grad heulen hätt’ ich mögen! So ebbes Gewaltiges ist’s um die Allmacht Gottes! — Ha no, aber hernach hat’s gleich wieder geregnet. Arg leid hat mir’s getan. So viel Geld kostet’s — und man ist grad das eine Mal da, kommt nie im Leben mehr her — und so ein einzigs bös’ Wölkle giesst vom Himmel ’runter und verhunzt einem die ganze Aussicht! Ist’s nicht schad’?"

    „Gewiss ischt’s schad’!" Der Studentwar ordentlich gerührt. Verstohlen musterte er den geistlichen Herrn von der Seite.

    Man hätte ihn sicher für älter als zweiundvierzig Jahre gehalten. Die schmächtige, ziemlich hoch aufgeschossene Gestalt hatte fast etwas Unentwickeltes. Und in den Augen, den hellblauen, feuchtblinkenden, lag eine Knabensehnsucht. Er war bartlos. Durch die schmale, stark vorspringende Nase bekam sein hübsches, offenes, gütiges Gesicht etwas Auffallendes.

    „Der Sommer ischt überhaupt schlecht gewese, sagte der Student. „Ich war erscht in Chamonix. Dreimal habe mir auf den Montblanc kraxle wolle — und dreimal habe mir umkehre müsse. Immer Schneesturm. Ganz fuchtig bin ich schliesslich von Chamonix fort. Jetzt hock ich schon seit acht Tag da drübe, wo sie das Freilichttheater aufgemacht habe. Morgens mach’ ich Ausflüg’ und nachmittags guck’ ich mir das Spiel an.

    „Ein Freilichttheater? Was ischt jetzt daas?"

    „Ha — so wie bei den alte Grieche. Und jetzt in

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