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Ein Leben ohne Grenzen
Ein Leben ohne Grenzen
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eBook432 Seiten5 Stunden

Ein Leben ohne Grenzen

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Über dieses E-Book

Das Leben einer Spitzensportlerin ist eine Abenteuerreise durch Raum und Zeit. Chrissie Wellington hat diese gemeistert wie keine andere Athletin: In ihrer Autobiographie erzählt sie über ihre persönliche Reise vom unsportlichen Kind bis zur ausdauerndsten Frau der Welt. Begleitet hat sie dabei der ständige Drang, sich selbst zu verbessern, ein unstillbarer Hunger auf neue Abenteuer auf den Rennstrecken dieser Welt, aber auch in der Abgeschiedenheit Nepals, und das Mantra der Offenheit gegenüber allen Herausforderungen, die das Leben ihr stellt.
Hinter der Sportlerin Chrissie Wellington steckt eine beeindruckende Persönlichkeit mit zwei Universitätsabschlüssen und jahrelanger Arbeit für die britische Regierung – und vor ihr womöglich eine politische Karriere nach Abschluss ihrer sportlichen Laufbahn.
SpracheDeutsch
Herausgeberspomedis
Erscheinungsdatum5. Mai 2014
ISBN9783955900281
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    Buchvorschau

    Ein Leben ohne Grenzen - Chrissie Wellington

    Einleitung

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    Fast 160 Kilometer war ich nun schon mit gleichmäßigem Tempo auf dem Rad unterwegs. Die trostlose Straße schnitt sich ihren Weg durch die dichten schwarzen Lavafelder, die nur wenig keimendes Leben zwischen ­ihren Felsen duldeten. Hier und da wurde die Ödnis durch einen einsamen Bougainvillea-Busch am Wegesrand unterbrochen; davon abgesehen war die lange weiße Linie der Fahrbahnbegrenzung mein einziger Begleiter. Die tropische Sonne stand hoch am Himmel, so hoch, dass mein Schatten fast unter meinem Rad verschwand. Und die Straße dehnte sich vor mir aus – leer, ohne andere Athleten, denn ich lag in Führung.

    Ich gönnte mir einen Augenblick, um dieses Gefühl zu verinnerlichen. Ich war nicht sicher, wer die beiden Mädels gewesen waren, die ich gerade überholt hatte, denn ich kannte so gut wie niemanden in diesem Rennen. Es mochten die Weltmeisterschaften im strapaziösesten Eintages-Wettkampf des Sports sein, für mich war alles neu! Der Pazifik rechts von mir war von königlichem Blau, und zu meiner Linken zeichnete sich der wolkenverhangene Gipfel des hochaufragenden Hualalai-Vulkans ab. An glücklicheren Tagen erstreckt sich die Wolkenschicht schattenspendend hinunter bis zur Küste, aber so gut meinte es das Schicksal nicht mit uns: Die Hitze hing über dem schwarzen Asphalt wie ein böser Geist und ließ die Straße vor unseren Augen verschwimmen.

    Mittag war gerade vorüber. Vor fünfeinhalb Stunden hatte unser Rennen im Ozean begonnen. Falls alles glatt lief, sollte ich in vier Stunden im Ziel sein. Offiziell waren es über 32 Grad im Schatten, aber hier draußen auf diesem schatten- und gnadenlosen Highway waren es über 38. Und der Wind war grausam. Die Böen, die die Hänge des Vulkans ­hinunterfegten, hatten mich schon einmal auf den unbefestigten Seitenstreifen der Straße abgedrängt. Das Radfahren bei solchen Querwinden war furchterregend, aber es fegte auch alles Überflüssige weg. Das Ganze war wie ein Rennen in einem Hochofen. Und in ein paar Stunden würde ich erneut hier unterwegs sein – dann zu Fuß, mitten im ­Marathon, der den Abschluss des Wettkampfs bildete. Dann würde es noch heißer sein. Ob ich das Feld dann auch noch anführte?

    Es war ein Ironman-Triathlon, der Ironman-Triathlon. Jeden Oktober finden in Kona auf Hawaii die World Championships unseres Sports statt. Der Ironman stellt die längste Triathlondistanz dar, die innerhalb eines Tages absolviert wird – 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer auf dem Rad und zum Schluss ein kompletter Marathon.

    Was ich nicht wusste: Vier vormalige Sieger waren an diesem Tag schon ausgestiegen. Ein Ironman stellt selbst die Besten der Welt vor die Herausforderung, überhaupt ins Ziel zu kommen. Und nun war ich in der Poleposition. Das konnte doch einfach nicht wahr sein!

    Ich glaube nicht, dass mir irgendjemand das Zeug zum World Champion zugetraut hat. Das fängt schon mit meinem Spitznamen an: Muppet, der Tollpatsch. Und, ja: Er lautet genau aus dem Grund so, an den Sie jetzt gerade denken. Ich war schon immer ein Bruchpilot und gern unvernünftig. Als Kind war ich verrückt nach Sport, Anzeichen für ein besonderes Talent gab es aber keine.

    Solange ich mich erinnern kann, drängte es mich, das Beste aus mir zu machen, und das auch mit der Welt um mich herum zu versuchen. Vor acht Monaten hatte ich meinen Job im öffentlichen Dienst aufgegeben, um Profi-Triathletin zu werden. Internationale Zusammen­arbeit und Entwicklungspolitik waren meine Leidenschaften. Doch wenn Büro­kratie und Amtsschimmel mich deprimierten, bot sich der Sport als perfekte Methode an, festgefahrene Dinge wieder in Bewegung zu bringen – ­sowohl für meine eigene persönliche Entwicklung als auch für meine Ambi­tionen, anderen zu helfen. Ich habe selbst gesehen, wie der Sport Menschen neue Energie verleihen und die Grenzen überschreiten kann.

    Mir hat er immer Energie gegeben, doch erst jetzt, da sich vor mir die Straße klar bis zum Horizont erstreckte, spürte ich meine große einmalige Chance. Das Mädchen, das aus dem Nichts aufgetaucht war, der Tollpatsch, der die Führung übernommen hatte! Ich musste unbedingt dafür sorgen, dass dies nur der Anfang war. Der Weg, den ich noch zu gehen hatte, war höllisch weit, so viel mehr gab es noch zu bewältigen. Aber wenn ich das schaffen würde …

    Der Ironman

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    Der Ironman. Schon allein der Name reizt mich. Kaum ein Sportereignis flößt größere Ehrfurcht ein. Schon bei meiner ersten Begegnung verliebte ich mich in diesen Wettkampf, und da war ich bloß Zuschauer – weniger als fünf Monate zuvor.

    Es ist eine Frage der Größenordnung. Das Größte ist nicht immer das Beste, sagt man, im Ausdauersport aber schon. Der Marathonlauf ist schon wegen seiner Länge von einem besonderen Nimbus umgeben, doch beim Ironman ist er lediglich die letzte Etappe, die man durch­stehen muss.

    Einen Vorgeschmack auf ein Ironman-Rennen bekam ich im Juni 2007 beim Ironman Switzerland in Zürich. Ich hatte dort tags zuvor an einem Triathlon über die olympische Distanz teilgenommen und ihn auch gewonnen (von der Länge her gerade einmal ein Viertel der Ironman-Distanz). Sofort erkannte ich, dass der Ironman das Hauptereignis an diesem Wochenende war. Die Intensität des Wettkampfs steigt einfach überproportional zu seiner Länge.

    Es hängt eine besondere, fast schon hörbare Energie in der Luft, als wenn das beste Team der Welt in die Stadt kommt. Diese Veranstaltung motiviert die Menschen zu außergewöhnlichen Dingen – außergewöhnliche Aufregung bei den Zuschauern, außergewöhnliche Leistungen bei den Teilnehmern.

    Was jedoch den Ironman von allen anderen sportlichen Wettkämpfen unterscheidet, ist die Körperlichkeit des Kampfes gegen einen felsenfesten und unnachgiebigen Feind: der Kampf gegen das Rennen selbst! Hier lernt man das Menschsein in seiner rohesten, in seiner besten und seiner schrecklichsten Form kennen.

    All das fördert der Ironman in uns zutage. Schon das Finish ist beim Ironman wie ein Sieg: Viele müssen sich am Straßenrand übergeben, manche verlieren die Kontrolle über ihre grundlegenden Körperfunk­tionen, andere kollabieren, laufen sich ins Delirium, stürzen sich in den Endspurt, wenn die Ziellinie manchmal noch meilenweit entfernt ist. Dieser (Wett-)Kampf ruft heftige Emotionen hervor und zwingt einen, tief zu schürfen – physisch und psychisch. Dazu kommt die Euphorie und Erleichterung, wenn man es bis ins Ziel geschafft hat. Inspirierend ist das einzig richtige Wort, um es zu beschreiben. Das können Kricket oder Fußball nicht bieten!

    Der allererste Ironman-Triathlon fand an meinem ersten Geburtstag, dem 18. Februar 1978, statt und entstand aus einem Streit, wer denn die fitteren Sportler wären, Läufer oder Schwimmer. Heiß diskutiert wurde diese Frage an einem Tisch bei der Siegerehrung einer Laufveranstaltung auf Oahu, Hawaii. Navy-Commander John Collins brachte noch Rennradfahrer in die Debatte ein, da er von dem belgischen Radprofi Eddy Merckx gelesen hatte, der über die höchste jemals bei einem ­Athleten gemessene Sauerstoffaufnahmefähigkeit verfügte. Dann überkam ihn die Erkenntnis: Die Kombination des Waikiki Roughwater Swim mit dem Around Oahu Bike Race und dem Honolulu Marathon würde doch den ultimativen Test ergeben, um ihren Streit beizulegen. Der Gesamtsieger sollte dann den Titel „Ironman" tragen. Also sprang Collins auf die Bühne, griff sich das Mikrofon, verkündete seine Idee – und wurde ausgelacht!

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    Der Ironman: Ein unbarmherziger Sport.

    Allem Hohn und Spott zum Trotz wurde ein Jahr später der erste Ironman von Collins und seinen Freunden in Angriff genommen. 15 Athleten versammelten sich an der Startlinie, zwölf kamen ins Ziel. Gewonnen hat damals der Taxifahrer Gordon Haller, der die drei Dis­ziplinen über insgesamt 226 Kilometer in knapp unter zwölf Stunden absolvierte. Collins selbst finishte in 17 Stunden.

    Im Folgejahr erregte das Rennen die Aufmerksamkeit eines Journalisten auf der Durchreise, der in einem Artikel für „Sports Illustrated seine Erfahrungen als Augenzeuge schilderte. Dieser Bericht inspirierte 1980 Hunderte, sich der Herausforderung zu stellen. 1981 wechselte das Rennen von Oahu zu seinem jetzigen Austragungsort, dem weniger dicht bevölkerten Hawaii Island, besser bekannt unter seinem liebevollem Spitznamen „Big Island. Der US-Fernsehsender ABC äußerte Interesse an einer Berichterstattung über den Wettkampf. Und 1982 schließlich war die Legende geboren.

    In jenem Jahr entschloss sich eine junge Studentin namens Julie Moss im Rahmen ihrer Abschlussarbeit für ihr Sportstudium am Ironman teilzunehmen – und sollte Geschichte schreiben! Abgesehen von ihrem leidenschaftlichen Hobby Wellenreiten hatte sie wenig Erfahrung mit dem Wettkampfsport. Doch so unglaublich es klingt, bei Kilometer 13 des Marathonlaufs lag Julie an der Spitze des Frauenfeldes. Je länger sie diese Position verteidigte, umso entschlossener war sie, den Sieg zu erringen – und umso mehr schwanden ihre Kräfte, das auch durchzustehen: Mit jedem Schritt trieb sie weiteren Raubbau an ihren Körper­reserven.

    Das erste Mal brach sie ein paar Hundert Meter vor dem Ziel zusammen. Sie schaffte es wieder auf die Füße und schleppte sich weiter, ihre gefährlichste Konkurrentin lag noch einige Minuten zurück, aber ihr Körper war am Ende seiner Kräfte. Die Zuschauermenge bildete eine Gasse und feuerte sie frenetisch an, während freiwillige Helfer herbeieilten. Doch Julie wehrte sie ab, wohlwissend dass ihr bei der Annahme fremder Hilfe laut Reglement die Disqualifikation drohte. Inzwischen war die Dunkelheit hereingebrochen und im gnadenlosen Scheinwerferlicht hielten die ABC-Kameras ihren Kampf in schonungslosen ­Bildern fest. Nur zwanzig Meter vor dem Ziel kollabierte sie erneut – Helfer versuchten, sie wieder auf die Füße zu stellen, aber sie ließ sich nicht helfen. Zu diesem Zeitpunkt lief die Zweitplatzierte, Kathleen McCartney, in Unkenntnis des Dramas an Julie vorbei und stolperte ins Ziel, wo sie zur Siegerin erklärt wurde. Julie Moss legte die verbleibenden Meter auf allen Vieren zurück und erreichte mit blutenden Händen und aufgeschürften Knien 29 Sekunden später das ersehnte Ziel – nach über elf Stunden Renndauer.

    Das Drama zog Millionen Amerikaner in seinen Bann und ist Teil des Mythos unseres Sports geworden. Heute schießen Ironman-Rennen weltweit wie Pilze aus dem Boden. Das ursprüng­liche Rennen auf ­Hawaii ist zur alljährlichen Weltmeisterschaft geworden, bei der sich 1.800 Athleten vor Tausenden jubelnder Zuschauer am zweiten Wochenende im Oktober miteinander messen. Jedes Jahr wollen sich mehr als 50.000 hoffnungsvolle Kandidaten für dieses Rennen qualifizieren.

    Die Energie eines jeden Ironman, ganz zu schweigen von den World Championships im Pazifik, ist mit Händen greifbar: Nervös fragen sich die Athleten, was wohl vor ihnen liegen mag. Für die Spitzensportler stellt sich natürlich eher die Frage: Werde ich heute gewinnen? Und für alle stellt sich die große Frage: Komme ich überhaupt ins Ziel – und zu welchem Preis? Selbst wenn der Körper nicht aufgrund purer Erschöpfung aufgibt, droht ein breites Spektrum an unerwarteten Verletzungen, sei es im Getümmel auf der Schwimmstrecke, bei hoher Geschwindigkeit auf dem Rennrad oder durch die erbarmungslosen Stöße auf dem harten Asphalt des Marathons. Die Wirkung ansonsten harmloser Erkrankungen vervielfacht sich, wenn wir unseren Körper im Wettkampf bis an seine Grenzen treiben. Und dazu könnte ständig ein mechanischer Defekt am Rad, eine Rebellion des Magen-Darm-Trakts, eine Dehydrierung oder Überhitzung kommen.

    Daher sind die Rituale eines Ironman-Athleten pedantisch. Nach dem Frühstück noch vor der Morgendämmerung geht es zum Startbereich, wo sich bereits Hunderte von anderen Athleten versammelt haben, um dem exzessiven Gebrauch von Vaseline zu frönen. Das hat nicht nur zeremoniellen Charakter, sondern ist durchaus empfehlenswert. Wunde Stellen sind einer der schlimmsten Feinde des Ironman-Athleten. Es zwingt Sie vielleicht nicht zum Stehenbleiben, aber es tut höllisch weh, besonders im Schritt, im Bereich der Achseln und an den Brustwarzen. Diese Bereiche müssen ausgiebig geschmiert werden. Je mehr Sie dabei Ihr Schamgefühl ausblenden, umso besser für Ihren Rennverlauf.

    Idealerweise begeben Sie sich schon 15 Minuten vor dem Start ins Wasser und schwimmen sich ein. Bei Ironman-Wettkämpfen findet das Schwimmen fast immer im offenen Wasser statt. Je nach Wassertemperatur sind Neoprenanzüge zugelassen oder untersagt. In den letzten ­Minuten vor dem Start schwimmen Sie auf der Stelle, bleiben in Bauchlage und möglichst startbereit an der Wasseroberfläche. Bei einigen Veranstaltungen, wie zum Beispiel in den tropischen Gewässern vor Hawaii, kann das Schwimmen zu einem der erhabensten und schönsten Augenblicke des ganzen Jahres, auf jeden Fall aber des Tages werden.

    Sobald der Starter den Abzug gedrückt hat, bricht die Hölle los! Jeder versucht, die Füße der schnellen Schwimmer zu erwischen, um von ihrem Strömungsschatten zu profitieren. Es ist tatsächlich ein Kampf. Gliedmaßen schlagen aus und um sich und können Sie überall treffen. Langsamere Schwimmer werden buchstäblich „überschwommen". Das Wasser kocht und schäumt, das Atmen wird schwer. Bei kabbeliger See im Meer ist die Situation noch schlimmer. Man fühlt sich wie in der Waschmaschine!

    Die Elite der Triathleten erledigt die erste Disziplin in weit unter einer Stunde. Alle anderen, die das Rennen anschließend an Land fortsetzen wollen, haben zwei Stunden und zwanzig Minuten Zeit, sich ans Ufer zu retten. Und hier liegt eine weitere Grausamkeit, mit der Ironman-Starter fertig werden müssen: Zeitlimits (cut-off times), über deren sekundengenaue Einhaltung streng gewacht wird. Da gibt es kein Pardon und kein Vertun! Das Gleiche gilt für die beiden anderen Disziplinen: Wer zehneinhalb Stunden nach dem Start noch mit dem Rad unterwegs ist, wird aus dem Rennen genommen. Und um Mitternacht, lange nach dem letzten Daylight-Finisher und 17 Stunden nach dem Startschuss, machen sich die sogenannten Lumpensammler auf den Weg und holen jene Athleten von der Strecke, die es diesmal nicht geschafft haben.

    Dabei kommt es zu herzzerreißenden Szenen. Die Betroffenen empfinden keineswegs Erleichterung, dass ihnen die weitere Strafe auf der Strecke, die sie so eindeutig besiegt hat, erspart bleibt. Das ist nicht die Denkweise der Ironmänner und -frauen. Sie sind verzweifelt und untröstlich, dass man ihnen das ersehnte Finish verwehrt, dass sie nicht zu Ende bringen dürfen, was sie begonnen haben – nicht nur ein paar Stunden zuvor am Schwimmstart, sondern schon vor Jahren, als sie begannen, davon zu träumen. Jeder Athlet hat seinen eigenen Grund, an einem Ironman teilzunehmen. Da gibt es niemanden, der nicht mit ganzem Herzen bei der Sache wäre!

    Sobald Sie Ihr Rad in der Wechselzone gefunden und in Ihre Rad­klamotten gewechselt haben, was nicht länger als circa zwei Minuten dauern sollte, geht es hinaus auf die Landstraße. Die Besten der Besten kämpfen während der nächsten viereinhalb bis fünf Stunden mit den 180 Kilometern Radstrecke. In dieser Rennphase steigt die Sonne am Himmel immer höher. In heißen Ländern wird das Rennen dann wirklich zur Qual. Doch auch Regen bringt seine ganz eigenen Probleme mit sich, und widrige Winde, insbesondere in Kombination mit Hitze oder Regen, können sämtliche Pläne und Ziele zunichtemachen. Rückenwind ist willkommen, doch Gegenwind macht das Fahren so schwer wie am Berg. Querwinde sind noch übler: Wirklich starke Querwinde sind zermürbend, denn sie erschweren die Kontrolle über das Rad und können ­einen sogar von der Strecke pusten.

    Auf dem Rad entsteht auch zum ersten Mal das Bedürfnis, eine Toilette aufzusuchen. Da darf man nicht zimperlich sein. Natürlich gibt es allenthalben die bekannten Toilettenhäuschen entlang der Strecke, doch die zeitsparendste Lösung ist meines Erachtens die, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte (und die kein Absteigen vom Rad erfordert). Auf der Laufstrecke ist eine schnelle Hocke am Straßenrand ja noch akzeptabel, doch auf der Radstrecke bringt mich nichts aus dem Sattel außer einer Reifenpanne. Bei diesem Szenario erfüllt die zuvor reichlich aufgetragene Vaseline ihre wirklich wichtige Rolle. Und letztlich ist auch die Verwendung von Urin als Waffe nicht zu unterschätzen. Auf dem Rad herrscht ja im Gegensatz zum Schwimmen Windschattenverbot, denn das sogenannte Drafting, also das dichte Auffahren auf den Vordermann bzw. die Vorderfrau, ist nicht nur gefährlich, es ist unsportlicher Betrug und wird durch eine ganze Reihe von offiziellen Strafen (penalties) geahndet. Trotzdem kommt es manchmal vor, unbemerkt von den Kampfrichtern (race marshals). Wenn mir jemand auf dem Rad im Nacken hängt, reicht meist ein warmer Strahl, um ihn oder sie abzuschütteln. Auch hierbei kommt Ihnen eine gute Hydrierung zugute, also ein intakter Flüssigkeitshaushalt des Körpers durch regelmäßiges Trinken.

    Auf dem letzten Rennabschnitt schließlich müssen auch die Besten mit ihren Dämonen kämpfen. Nachdem man 180 Kilometer lang auf ­einem unnachgiebigen Sattel gesessen, sich aerodynamisch optimal über dem Lenker zusammengekrümmt und mit den Beinen gnadenlos gepumpt hat, als gäbe es kein Morgen, kann der Wechsel zum Laufen, noch dazu über die volle Marathonstrecke, eine seltsame Erfahrung sein. Ihre Beine werden sich während der ersten Minuten wie Pudding anfühlen, doch das geht vorüber – bald werden sie sich wie Blei anfühlen!

    Es ist unmöglich, fast den ganzen Tag mit Schwimmen, Radfahren und Laufen zuzubringen und dabei nicht auch Tiefpunkte und Momente der Schwäche zu erleben. Übelkeit, Dehydration und physische Unannehmlichkeiten, ganz zu schweigen von ernsthaften Verletzungen, kommen und gehen die ganze Zeit über. Dazu die mentalen Qualen durch die endlose Ausdehnung der Straße vor Ihnen mit Landmarken, die einfach nicht näher kommen wollen.

    Sie können keine Musik hören. Das Hämmern des Pulsschlags im Kopf ist Ihr einziger Begleiter, und jede unbeseelte Faser Ihres Körpers schreit nach einem Abbruch des Rennens. Das ist der Punkt, an dem der Geist die Kontrolle übernehmen muss. Ironman ist ebenso sehr eine mentale Herausforderung wie eine physische.

    Doch all das wird belohnt durch den Anblick der Zielgeraden. Die vielen Zuschauer mit ihren Anfeuerungen entlang der Strecke richten so manchen ermüdenden Körper und Geist wieder auf, indem sie die ganze Energie auf den letzten Metern bündeln. Ganz gleich ob Sie als Erster oder Eintausendster ins Ziel kommen: Das Publikum macht Sie zum Champion! Mag Ihr Körper noch so zerschunden, Ihre Muskeln verkrampft, die Haut wund gescheuert, die Zehennägel ausgefallen und die Füße voller Blasen sein: Sie sind Mitglied in einer ganz besonderen Gemeinschaft geworden, der Ironman-Community! Für mich ist es nach all meinen Rennen Ehrensache, bis in die Nacht an der Ziellinie zu stehen, um die letzten Finisher zu begrüßen. Da will ich nirgendwo anders sein! Wir Profis sind ja nur mit Essen, Schlafen und Trainieren für diese Events beschäftigt, doch die Tausenden von Finishern, die den Ironman nicht wegen der Endzeit oder Platzierung, sondern aus Liebe zu diesem Wettkampf angehen, inspirieren mich am meisten.

    Julie Moss war die erste große Heldin unseres Sports. Seitdem hat es zahllose weitere gegeben, doch die meisten kommen nicht einmal in die Nähe des Siegerpodests. Athleten, die gegen das Alter, eine Krankheit oder Behinderung kämpfen, all jene, die sich von einer schlimmen Verletzung erholen, und schließlich auch diejenigen, die einfach „nur" neben dem Sport mit den tagtäglichen beruflichen Anforderungen ringen müssen – das sind alles Ironman-Helden.

    Sport verfügt über die einzigartige Fähigkeit, Menschen zu inspirieren und Kraft zu verleihen. Wenn Sport richtig eingesetzt wird, kann er eine enorme Kraft für das Gute in der Welt entwickeln. Triathlon ist eine relativ junge Sportart und trotz der alljährlichen exponentiellen Wachstumsraten ein Minderheitensport. Vielleicht bezieht er aus dieser Frische seine Energie; aber irgendetwas scheint den Strapazen eines Ironman inne­zuwohnen, das die Menschen dazu inspiriert, das Beste aus sich und anderen herauszuholen. Denn, das kann man nicht leugnen, genau das tut dieser Sport. Der Ironman trat ziemlich plötzlich in mein Leben und hat es für immer verändert.

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    Hawaii: Die Sonne geht nach elf Stunden unter, das Ziel schließt nach 17 Stunden.

    Raus aus Norfolk

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    Normalerweise liefern Autobiografen an diesem Punkt einen Abriss ihrer brillanten sportlichen Erfolge in der Jugend, wie sie schon immer dazu prädestiniert waren, Profisportler zu werden. Leider habe ich keine solche Geschichte zu erzählen.

    Immerhin spielte ich als Außenangreiferin im Netzball-Team der Down­ham Market High School, das 1993 die Schulmeisterschaften der ostenglischen Grafschaft Norfolk gewann. Und ich war gar keine so üble Schwimmerin und gewann das denkwürdige Rennen im Thetford Dolphins Swimming Club, obwohl Julie Williams mich normalerweise schlug.

    Und das war’s mit meinen sportlichen Erfolgen in den ersten 25 Jahren meines Lebens. Meine Geschichte ist wirklich die einer Sportlerin durch Zufall. Wenn man schon den Spitznamen Tollpatsch trägt, dann stehen die Chancen schlecht, ein Wunderkind zu sein.

    Was mich als ungewöhnlich auszeichnete, war mein Drive, mein unnachlässiger Antrieb. Ich würde ihn sogar als obsessiv-zwanghaft beschreiben. Ich habe – und hatte schon immer – den alles überwältigenden Drang, das Beste aus mir herauszuholen. Zuweilen konnte ich es nicht kontrollieren, zuweilen hat es mich auch an unerfreuliche Orte geführt, aber es ist auch ein essenzieller Bestandteil meiner Persönlichkeit, für den ich mich nicht entschuldigen kann.

    Meine sportliche Karriere mag bescheiden gewesen sein, meine akademische war hingegen beeindruckender. Ich schreibe das meiner Entschlossenheit zu, genauso wie den Erfolg, den ich vor dem Triathlon in meiner Karriere im Öffentlichen Dienst meines Heimatlandes hatte. Doch da ich eine sensible Seele war und mir immer – und meistens viel zu viele – Sorgen darum machte, was andere wohl von mir dachten, vergeudete ich diese Besessenheit zur Verbesserung meiner selbst oft mit weniger positiven Beschäftigungen.

    Meine Beziehung zu meinem Körper war über Jahre hinweg eine schwierige. Mal liebte ich ihn, mal verzweifelte ich an ihm, manchmal sah ich in ihm nur wenig mehr als ein Spielzeug, das sich meinem Willen zu beugen hatte, als ob es sich um etwas von mir Getrenntes handeln würde.

    Alles dreht sich um Kontrolle. Ich bin im Grunde genommen ein Kontrollfreak. Was gut und schlecht ist. Wenn man etwas in seinem Leben nicht mag, dann ist es für mich vollkommen möglich und logisch, es zu ändern. Das ist die gute Seite. Die schlechte besteht aus diesem schrecklichen Gefühl der Panik und der Wut, wenn man auf etwas stößt, das man nicht kontrollieren kann. Und dann ist da noch die Gefahr, dass die Vorstellung, alles unter Kontrolle zu haben, selbst außer Kontrolle gerät, sodass es zum Selbstzweck wird und einem die Sicht auf alles andere verstellt. Vielleicht kann oder muss man das auch Sucht nennen ...

    Ich bin ein Suchtmensch. Und heute ist Sport meine Droge der Wahl. Unter allen Drogen ist Sport die beste, die Sie bekommen können! Sie hält Sie fit und gesund, auch wenn Sie Ihren Körper wie beim Ironman an seine Grenzen treiben. Der Begriff „Sucht" ist negativ besetzt, aber eine Sucht muss nicht unbedingt ein schädlicher Impuls sein. Letztendlich geht es darum, Ihr suchthaftes Verlangen in etwas Positives zu kanalisieren. Familie, Freunde und Trainer sind unschätzbar wertvolle Quellen der Objektivität, denn sie kennen Sie auf die eine oder andere Art besser als Sie sich selbst – aus dem Blickwinkel des Außenstehenden. Deshalb können sie auch Anzeichen eines negativen Suchtverhaltens erkennen, die Ihnen womöglich entgehen. Doch sobald Sie sich wirklich selbst kennen und verstehen, erlangen auch Sie die Fähigkeit, die Hochs und Tiefs zu modulieren. Das heißt dann: mehr Kontrolle, weniger Freak.

    Heute liebe ich meinen Körper, jedoch nicht wegen meines Spiegelbilds, sondern vielmehr weil ich gar nicht mehr in den Spiegel sehe und mich nicht mehr nur nach fleischlichen Konturen und Hautfarbe beurteile – Äußerlichkeiten, die man inspizieren und manipulieren kann. Heute sehe ich meinen Körper als ein ganzheitliches System, das es mir ermöglicht, das zu tun, was ich tue. Noch wichtiger: Ich sehe ihn als durch und durch mit mir selbst verbunden, er ermöglicht mir, diejenige zu sein, die ich bin. Diese Veränderung geschah allmählich, doch der Sport hat mir geholfen, sie zu beginnen und ganz sicher auch zu festigen. Das ist seltsam – oder vielleicht auch nicht –, weil der Sport, so sehr ich ihn auch immer bewundert habe, einen Bereich meines Lebens darstellte, in dem ich von meinem Hang zur Selbstverbesserung abgelassen habe. Sport war für mich nur ein Vehikel, Freunde zu finden, und gerade das ist das Schöne am Sport, egal wie gut man selbst ist.

    Sportlich gesehen habe ich kaum etwas wie eine Ahnentafel vorzuweisen: Mein Großvater väterlicherseits hieß Harry. Er spielte begeistert ­Cricket und fuhr Rad. Eine Wochenendtour von London nach South­end war nichts Besonderes für ihn. Doch meine Eltern Lin und ­Steve zeigten keinerlei Leidenschaft für den Wettkampfsport. Sie liebten es zwar, im Freien unterwegs zu sein – ein Großteil unseres Familienlebens fand draußen an der frischen Luft statt –, doch sportliche Ambitionen waren ihnen unbekannt. Daran änderte auch die Geburt meines Bruders Matty und meine eigene nichts. Selbst wenn sie solche Leidenschaften gehegt hätten, gab es einfach keine Zeit dafür, da sie ja ständig Matty und mich hierhin und dorthin bringen mussten. Ich zeigte vielleicht kein besonderes Talent, aber ich war verrückt nach Sport. Ich war verrückt nach allem!

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    Meine Mutter Lin mit mir (5 Monate).

    Meine Kindheitserinnerungen sind durch und durch glücklich. Geboren bin ich 1977 im Bury St. Edmunds Hospital und wuchs in dem Haus meiner Eltern auf, in dem sie heute noch leben, in einem Dorf namens Feltwell in Norfolk. Wir waren niemals reich, es herrschte aber auch kein Mangel, insbesondere was Liebe und Unterstützung anging. Mein Dad arbeitete als Drucker und wurde, als ich noch ein kleines Mädchen war, Vertreter und verkaufte gewerbemäßig Druckpapier. Ich kann mich noch gut an die Aufregung erinnern, als er einen Firmenwagen bekam. Der hatte sogar ein Kassettendeck! Mum arbeitete abends auf der US Air Force Base in Lakenheath. Dad kam gewöhnlich um halb sechs nach Hause, und um sechs Uhr machte sich meine Mutter auf den Weg. Das bedeutete, dass sie uns tagsüber zur Schule bringen und von dort abholen konnte und in den Schulferien für uns da war, während sie und Dad genug verdienten, um alles am Laufen zu halten. Für uns Kinder taten sie alles.

    Das alles schuf eine Plattform für mich und Matty, und wir nutzten sie, was das Zeug hielt. Die Stimmung war immer gut, doch auch Dreck, Tränen und leichtere Verletzungen nie fern. Feltwell war eine kleine Gemeinde, aber wir kosteten sie voll aus. Dad leitete den örtlichen Jugendclub, Mum half in der Spielgruppe aus. Unser Haus war das Zentrum verschiedenster Aktivitäten und es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Regelmäßig gab es gut besuchte Partys. Unsere Familien-Grill­feste waren legendär! Die Schnappschüsse dieser Zeit sind in meinem Gedächtnis lebendig und spiegeln eine Idylle wieder: gemeinsame Picknicks, Radtouren in die ländliche Umgebung, Dads Gutenachtgeschichten (einschließlich der Fabel von Mr. Mole, dem Maulwurf, der eines Morgens loszog und abends seinen Bau nicht mehr wiederfinden konnte, weil in der Zwischenzeit so viele neue Maulwurfshügel aus dem Boden geschossen waren), die tollen Kostüme, die Mum uns für das alljährliche Feltwell-Fest machte, Familienurlaube, die Weihnachtsfeste mit meinen Cousins Rob und Tim bei Onkel und Tante. Und Tränen, die gab es natürlich auch: Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, wie ich auf dem Klettergerüst ausrutschte und mir so heftig auf die Zunge biss, dass sie halb abgerissen war. Alles war voller Blut! Nicht so idyllisch, zugegeben, aber auch ein Teil meiner bunten Jugend. Mir passierten als Kind (und als Erwachsener) einfach die lächerlichsten Missgeschicke. Daher mein Spitzname, den ich meinem Cousin Tim verdanke, einem meiner besten Freude.

    Ich genoss eine sehr solide Erziehung, reich und vielfältig. Ich denke, mein unruhiges Wesen, oder zumindest meine jugendliche Art, die daraus entstand, war großartig für mich als Kind. Ich wusste nur, dass die Welt voller toller Dinge war, von denen ich so viele wie möglich probieren musste. Das Objekt meines Strebens spielte dabei gar keine Rolle – Studium, Kunst, Sport, Theater – ich wollte alles voll auskosten.

    Mein drei Jahre jüngerer Bruder hat einen ähnlich Drang, jedoch nicht so obsessiv wie ich. Als Kinder pflegten wir die typische Geschwisterbeziehung voller Liebe und Lachen, unterbrochen von vereinzelten Streits und Kämpfen. Es ist und bleibt unklar, wo mein obsessiver Aktionismus oder auch das Feuer in mir herrührt. Meine Mutter war ziemlich lebhaft und resolut, mein Vater eher der sanfte Typ.

    Wie dem auch sei, die unbedingte Entschlossenheit, so viel wie möglich aus mir zu machen, ist mir wohl angeboren. Zum Teil ist es auch eine Art „Tapferer Held"-Syndrom: Ich will immer stark und erfolgreich erscheinen und, genauso wichtig, keine Schwächen zeigen – aus Angst, die Leute könnten mich negativ beurteilen. Ich kann mich nicht erinnern, dass das jemals anders war.

    In der Schule machte sich mein enormer Antrieb besonders bemerkbar. Meine Grundschule hieß Edmund de Moundeford Primary School und lag direkt um die Ecke meines Elternhauses. Der dortige Direktor, der leider inzwischen verstorbene Mr. Feltwell, inspirierte mich ganz besonders. Dass er und das Dorf denselben Namen trugen, war übrigens nur ein ­Zufall. Auf meinem Weg von der Grund- über die weiterführende Schule bis zur Universität war ich stets fokussiert und hatte eine große Selbstdisziplin, mit dem einen Ziel im Kopf, die Klassenbeste zu sein. Meine Leistungsfähigkeit für harte Arbeit kannte keine Grenzen.

    Nicht dass Sie denken, ich wäre ein langweiliges Kind gewesen! Nur Arbeit und kein Spaß war definitiv nicht mein Stil. Es war eher wie 100 Prozent Arbeit und 100 Prozent Spaß! Ich denke, da kann man schon den Keim meiner Begabung für den Ausdauersport erkennen – alles lief mit 100 Meilen pro Stunde ab, nonstop! Manchmal setzte sich meine Rastlosigkeit selbst im Schlaf noch fort: Als Kind war ich Schlafwandlerin. Einmal wanderte ich ins Zimmer meines Bruders, um ihm ein Kissen zu bringen, und mehrmals versuchte ich auch, das Haus zu verlassen. Doch es gab auch Momente der Ruhe. So nahm ich mir zum Beispiel des Öfteren eine Auszeit und malte die alte Kirche hinter unserem Grundstück. Der Impuls dazu mag gewesen sein, meinem Feldzug der Selbstverbesserung eine weitere Aktivität hinzuzufügen (und den Spuren meines Großvaters Harry zu folgen, der sehr künstlerisch veranlagt war), aber ich genoss auch ganz einfach die Gelegenheit zum Alleinsein und Nachdenken. Solange ich etwas tat, war ich glücklich.

    Nie war ich glücklicher als beim Sporttreiben. Die Schule stand für Erfolg, Sport für Erholung. Es begann mit dem Schwimmen. Schon drei Wochen nach meiner Geburt machte ich die erste Bekanntschaft mit dem Wasser, und von da an brachte man mich Woche für Woche ins Schwimmbad. Ich zeigte nie Zeichen der Angst, und im Alter von drei Jahren konnte ich richtig schwimmen. Etwa zur gleichen Zeit bekam ich mein erstes Dreirad. In der Grundschule folgten weitere Sportarten – Schlagball, Netzball, Crosslauf, Hoch- und Weitsprung. Und natürlich auch Eierlaufen. Der jährliche Sporttag der Schule war ein riesiger Event. Vor Wettkämpfen scheute ich nie zurück. Ich

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