Ultra-Comeback 3.0
Von Björn Grass
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Buchvorschau
Ultra-Comeback 3.0 - Björn Grass
Rückblick
Im Juni 2011 hatte ich den Wunsch wieder einen Ultralauf zu bestreiten. Mein letzter Ultralauf bis dahin war der Jetty to Jetty Ultramarathon
im Januar 2007 in Florida, der meine Ultralauf-Karriere eigentlich beendet hatte. Mit 35 Meilen ist der „Jetty to Jetty" der längste Strandlauf der Welt. Und Laufen durch Sand mag ich eigentlich nicht, aber gerade das war damals die Herausforderung für mich gewesen.
Ich wollte bei diesem Lauf, bei dem es 56 Kilometer nonstop immer am Strand entlang durch den Sand ging, nur das Ziel erreichen. Völlig überraschend war ich aber am Ende der Gesamtsieger dieses Laufes.
Kann man sich einen schöneren Abschluss nach 77 Ultraläufen in 15 Jahren vorstellen? Sicher nicht, aber das ist im Endeffekt auch nicht wichtig. Jetzt wollte ich nach über vier Jahren Abstinenz wieder zurück auf die ganz langen Trails. Die grosse Frage war nur, welchen Ultralauf ich als Wiedereinstieg wählen sollte.
Ganz unbewusst war ich am 9. Mai 2011 schon eine Ultradistanz gelaufen. An meinem Marathongeburtstag (42 Jahre und 195 Tage) im Jahre 2003, lief ich einen speziell für mich groß organisierten Marathon in meiner Heimatstadt Fürstenwalde. Und knapp acht Jahre später, an meinem 50. Geburtstag, lief ich aus gegebenem Anlass in einem kleinen Rahmen 50 Kilometer, die ich vor dem Geburtstags-Frühstück absolvierte.
Nach langem Überlegen entschied ich mich, mein Ultra-Comeback bei dem 52 Kilometer langen Linzer-Bergmarathon 2011, einem Lauf mit über 2.000 Höhenmetern, zu geben.
Am 11.09.2004 wurde dieser außergewöhnliche Lauf zum ersten Mal durchgeführt. Eine Welle der Verwunderung ist dem Veranstalter bei der Präsentation dieses Konzeptes damals entgegengebracht worden. Ein Bergmarathon in Linz? Geht das überhaupt?
Welche Berge? Das Erstaunen war unübersehbar. Denn wenn man mitten in Linz im Start- und Zielbereich im Schillerpark steht, sieht man keine großen Berge.
Doch im Nachhinein kann ich behaupten, einen wunderschönen, sehr anspruchsvollen Ultra-Berglauf mit 52 Kilometern Länge gelaufen zu sein. Insgesamt waren vier Berge und viele kleine, knackige Steigungen zwischendurch mit ungefähr 2.000 Höhenmetern zu bewältigen.
Als ich am Vorabend gegen 20 Uhr in Linz eintraf, waren noch über 30 Grad Celsius in Oberösterreich, also genau mein Wetter.
Aber am nächsten Morgen hatte sich (wie so oft in letzter Zeit) der Hochsommer wieder verabschiedet. Das Wetter sollte sich im Laufe des Tages immer mehr verschlechtern, es wurde kälter und nasser, sodass auch ich die letzte Stunde des Rennens im Regen laufen musste.
Nach dem Start um 9 Uhr liefen wir erst einmal durch die Innenstadt von Linz und dann an der Donau entlang, demnach hatten die ersten sieben Kilometer noch nichts mit einem Berglauf zu tun. Aber dann ging es zur Sache, denn der erste der vier Berge war erreicht. Als ich nach drei Kilometern bergauf zum Pfenningberg plötzlich vor einer Wand
mit einer Steigung von 45-50 Prozent stand, war das nur noch gehend zu bewältigen. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Der Königsberg dieses Laufes war der Lichtenberg, auf dessen höchstem Punkt (927 m ü.NN) sich die Giselawarte befindet, nach welcher der Berg auch GIS genannt wird.
Für uns ging es sieben Kilometer bergauf, in denen immerhin 600 Höhenmeter zurückgelegt werden mussten. Nach der folgenden langen Bergab-Passage war die Marathondistanz fast erreicht. Aber bevor man sich versah, war schon der nächste steile Anstieg auf den Pöstlingberg zu erklimmen.
Vom Gipfel des Berges liefen wir eine lange Strecke ins Tal und danach einige Zeit am Ufer der Donau, also am tiefsten Punkt des Rennens.
Jetzt fehlte nur noch die letzte der vier großen Steigungen. Diese führte auf die Franz Josef Warte auf den Freinberg und die hatte es noch einmal in sich. Auf nur einem Kilometer mussten 170 Höhenmeter bewältigt werden. Das war nur möglich, weil es 127 Stufen hinauf ging. Nach 49 gelaufenen Kilometern war das genau das, was man sich kurz vor dem Ziel noch wünscht.
Oben angekommen waren es noch drei Kilometer bergab zum Ziel im Schillerpark in Linz. Also alles in allem ein sehr anspruchsvoller Lauf, der von Anfang bis Ende perfekt organisiert war. Auch an den Verpflegungsstellen gab es alles, was man sich bei einem Ultralauf nur wünschen kann. Im Zielbereich konnten Sauna und fachmännische Massagen genutzt werden, damit man für die Siegerehrung und die Abschlussveranstaltung am Abend wieder fit war.
Zieleinlauf in Linz, der Bergmarathon ist geschafft.
Nur zwei Wochen später hatte sich für mich bereits der nächste Ultralauf ergeben.
Ich war eingeladen zum P-Weg-Ultramara-thon im Sauerland.
Bereits um 7:30 Uhr fiel der Startschuss für die 68 Kilometer lange Ultradistanz beim P-Weg-Marathonwochenende, die auch über 2.000 Höhenmeter zu bieten hatte.
An diesem Morgen reiste ich von Winterberg aus an, das ungefähr 60 Kilometer von Plettenberg, dem Startpunkt des Laufes entfernt ist. Durch Straßensperrungen mussten wir derartige Umwege fahren, dass ich erst 15 Minuten vor dem Start ankam. Als zuletzt Angekommener ließ ich es mir nicht nehmen, als Erster die Startlinie zu überqueren. In den Genuss keinen Läufer vor mir zu haben, sollte ich in diesem Lauf nicht mehr kommen. Aber wie sagte mir ein Mitstreiter in der letzten Phase des Laufes: Es tut jetzt zwar weh, aber kurz und flach kann jeder
. Wo er recht hatte, hatte er recht!!!
Zur richtigen Einstimmung auf das, was noch kommen sollte, ging es die ersten beiden Kilometer gleich bergauf. Zur Belohnung
durfte man, oben angekommen, unter dem aufgeblasenen Euter einer lila Kuh hindurch laufen. Nach zehn Kilometern war bereits der zweite Gipfel
(noch im tiefsten Nebel liegend) erklommen und ich merkte schon hier, dass das heute nicht mein Tag war. Die Waden machten bereits dicht und es waren noch 58 Kilometer bis zum Ziel. Ich wollte in dieser Situation darüber aber nicht nachdenken.
Was war passiert? Hatte ich womöglich im Vorfeld zu viel gemacht? Der P-Weg war neben dem Linzer-Bergmarathon immerhin der zweite schwere Ultralauf in nur 14 Tagen und zwischendurch lief ich noch einen nicht ganz einfachen Halbmarathon.
Aus der Erfahrung heraus weiß ich, was ich meinem Körper zumuten kann, und dass ich so etwas normalerweise wegstecke. Ich hatte einfach nur einen schlechten Tag und von dem wollte ich mich nicht unterkriegen lassen.
So dachte ich mir: Das Ding läufst du nach Hause, egal wie.
Als bei Kilometer 25 ein Mitläufer am Verpflegungsstand zu mir sagte: Jetzt ist es ja nicht mehr weit
, wollte ich es fast glauben. Nach ungefähr 33 Kilometern teilte sich die Strecke, nach links für die Marathonläufer, die dann nur noch neun Kilometer zu laufen hatten. Und nach rechts für uns, die wir noch nicht einmal die Hälfte der Distanz absolviert hatten. Ganz kurz kam mir der Gedanke, die Startnummer abzumachen und nach links abzubiegen, aber im selben Moment war ich auch schon am Abzweig vorbei.
Von der Strecke hat der P-Weg alles, was man sich von einem Landschafts-Ultralauf nur wünschen kann. Auch an den Schuhen und Waden sollte man erkennen, dass es sich hier nicht um einen Straßenlauf handelte.
Platzierung und Zeit spielten auf der zweiten Hälfte der Strecke absolut keine Rolle mehr, ich wollte nur noch ankommen.
Dann endlich nach 68 Kilometern und sieben Stunden und 20 Minuten hatte ich das Ziel vor Augen. Ich hatte gelitten und mir ging es nicht gut, als ich von Krämpfen geschüttelt hinter der Ziellinie lag. Zu allem Überdruss wurde ich jetzt auch noch auf die Bühne zu einem Interview gerufen.
Das eigentliche Problem und auch der Grund für das nicht ganz optimale Ultra-Comeback 2.0 war, dass ich nur fünf Wochen für die Vorbereitung gehabt hatte. Ein Vorhaben, dass ich mit meiner Erfahrung niemals so hätte starten dürfen.
Das Training beginnt
Das Training für mein neues Ziel „Leadville Trail 100 Mile Run" 2015, dem ich ab jetzt alles, was das Laufen betraf, unterordnen wollte, startete gleich mit einem Wettkampf und es war nicht irgendein Wettkampf.
Es war ein 12,4 Kilometer-Lauf im Wiehengebirge, bei dem ich selbst seit 1991 den Streckenrekord in 41 Minuten und 12 Sekunden halte. In den 23 Jahren danach kam kein Läufer auch nur ansatzweise in die Nähe dieser Zeit.
Ich setzte mir das Ziel, diesmal nicht mehr als zehn Minuten langsamer als bei meinem Streckenrekord zu sein. Ich war mir sicher, dass das kein Problem werden würde.
Allerdings merkte ich beim Laufen