Grenzerfahrungen: Reisetagebuch
Von Dr. Jochen Mayer
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Über dieses E-Book
Dr. Jochen Mayer
Dr. Jochen Mayer, Facharzt für Chirurgie, Chirotherapie, 1953 in Aschaffenburg geboren. Bisherige Stationen: Homburg/Saar, Münster, München, Kemp-ten/Allgäu und wieder Aschaffenburg. Privat: glücklich verheiratet, zwei wohlgeratene Kinder gezeugt. Beruf: 10 Jahre im Krankenhaus, 24 Jahre in eigener chirurgischer Gemeinschaftspraxis tätig gewesen. Hobbies: früher Tennis, jetzt Fahrrad (Trekking- und Mountainbike – später bestimmt E-bike), Golf, Pilates, Doppelkopf, Fotografie, Kino, Theater, Internet, Restaurants, Reisen, Reisen und Reisen.
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Grenzerfahrungen - Dr. Jochen Mayer
Saarbrücken - Merzig
(52km/113hm)
Es geht los. Ich radelte zum Bahnhof und kaufte am Automaten Karten. Fahrradkarte ist ein extra Vorgang. Dies in einem Schritt zu bewerkstelligen bekommt die DB nicht hin. Mit dem Regionalzug fuhr ich zunächst bis Frankfurt/Main, nach Umsteigen ging es bis Mannheim, – bei Ludwigshafen reichte das Hochwasser des Rheins noch fast bis an die Gleise, auch waren viele Felder noch überflutet –, und nach erneutem Umsteigen kam ich in Saarbrücken um ca. 14.30 Uhr an. Das Wetter war sonnig, etwas kühl, aber trocken.
Vor 2 Tagen meldete das Fernsehen noch Katastrophen aus Südbayern, Thüringen, Sachsen und Niedersachsen, insbesondere die Gegend um Goslar war betroffen. Es wäre der verregneteste Mai in Deutschland seit 1881. Und hier im Saarland werden die Salatfelder schon wieder mit Wassersprengern begossen. Verrückte Welt.
Ich brauchte lange, um mein Garmin einzurichten, zusätzlich startete ich noch Komoot und kalibrierte meinen normalen Tacho mit Höhenmesser. Ich weiß, manchmal bin ich etwas zwanghaft und überperfektionistisch. Trotzdem verfuhr ich mich an einer Brücke. Am anderen Ufer kam das Weltkulturerbe Völklinger Hütte ins Blickfeld. Es beeindruckte mich, aber ich hatte keine Zeit zur Besichtigung. Ab hier wurde es auf dem Saarradweg viel ruhiger. Ich wollte an dem halben Radtag noch einige Kilometer schaffen und hatte deshalb kaum Zeit zum Fotografieren. Ein lohnendes Motiv wäre der Spruch gewesen, der auf ein Holzscheit auf einem Holzstapel am Wegrand gesprüht war: Holzdieb, ich kriege Dich
. Der Radweg führte fast immer parallel zur Autobahn bzw. die Bundesstraße entlang. Viele Freizeitradler waren unterwegs. In Merzig landete ich im Hotel Römer (Bett & Bike). Zu Essen gab es erst eine Zwiebelsuppe, danach saarländisches Duett
(Wurstsalat und Rindfleischsalat mit Bratkartoffeln) und einige Biere.
In den Nachrichten im Fernsehen gab es weitere Wettermeldungen mit Bundeswehreinsatz etc. Passau erlebte einen Pegelstand 12 Meter über Normalnull (höher als das Jahrhunderthochwasser 1954!). Dagegen hatte die Saar nur einen gering erhöhten Pegelstand.
Hotel Restaurant Römer ****
www.roemer-merzig.de
Merzig – Trier
(59km/257hm)
Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorüber, in der man kann.
Marie von Ebner-Eschenbach
Zum Frühstück gab es frische Orangen zum Selbstpressen; das gleiche geschah erst nach 63 Etappen wieder an meinem letzten Reisetag. Ich holte das Fahrrad aus der Garage, in der noch 20 andere Räder standen. Sonne pur. Weiter ging es an der Saar entlang. Es wurde immer grüner, teilweise standen die Bäume bis zum Ufer. Gelbe Farbpunkte ergaben sich durch blühenden Stechginster. Die Saarschleife beeindruckte; jedoch traute ich mich nicht, das Rad alleine stehen zu lassen, um auf den Berg zu steigen und die Rundumsicht zu haben, die man von Fotos kennt. Bevor ich in Mettlach an dem riesigen Villeroy und Boch
Gelände vorbeifuhr, bewunderte ich noch einen Stand am Radweg. Dort wurden Getränke, Äpfel und Bananen für 1 bis 1,50 Euro angeboten. Es war aber niemand anwesend, nur eine Pappschachtel mit der Aufschrift Geldkasse
stand dort. Es lebe die Ehrlichkeit. In Saarburg aß ich eine mitgebrachte belegte Semmel (so blieb das fast während der ganzen Tour: ausgedehntes Frühstück, mittags nur einen Cappuccino mit einer Kleinigkeit, abends wieder ausgedehntes Essen und Trinken). Fasziniert war ich von einem großen Werbebanner mit der Aufschrift: Pizzakartonfaltweltmeisterschaft 2013
. Leider war ich für dieses Spektakel eine Woche zu spät. Inzwischen war ich schon in Rheinland – Pfalz.
Auf dem Asphalt rollte mein Rad mit den neuen Ritzeln und der neuen Kette perfekt. Ich erreichte meinen seit Jahren fast immer gleichgebliebenen Schnitt von 15km/Std.; bergauf und bergab – Eropp un eraff
sagten die Kölner auf unserer ersten Alpenüberquerung – gleichen sich meiner Erfahrung nach die unterschiedlichen Teilgeschwindigkeiten am Ende immer wieder aus. Das Gepäck spürte ich heute nicht. Das sollte noch ganz anders werden.
Über Konz erreichte ich mein Etappenziel an der Mosel. In Trier hatte ich mich mit meinem Sohn verabredet, der hier am Ende seines Studiums sein praktisches Jahr im Krankenhaus der Boromäerinnen absolviert. Unterkunft fand ich in Nachbarschaft der Porta Nigra. Wie der Name schon sagt, war sie sehr schwarz, teilweise eingerüstet und von vielen Touristen umringt. Zum Essen gingen wir in eine Freiluftwirtschaft direkt neben dem Dom, der ältesten Bischofskirche Deutschlands. Getränke mussten wir holen, Speisen wurden gebracht. Es wurde spät.
Ab übermorgen war ich dann alleine. Eine ungewohnte Situation für mich.
Hotel Römischer Kaiser ***
www.friedrich-hotels.de/roemischer-kaiser/
Trier - Vianden/Luxemburg
(69km/345hm)
Froh schlägt das Herz im Reisekittel, vorausgesetzt man hat die Mittel!
Wilhelm Busch
Ich spürte leichte Schmerzen beim Beugen des linken Knies am inneren Gelenkspalt, an der Anhaftungsstelle des Innenmeniskus. Dies war auf dem letzten Drittel der gestrigen Etappe auch schon so. Ich wollte es aber nicht wahrhaben. Vor ein paar Jahren musste ich auf Grund eines darauf folgenden Reizergusses im gleichen Knie eine mehrtägige Tour beenden. Nicht schon wieder, dachte ich. Das wäre es gewesen. Am dritten Tag abbrechen und kleinlaut nach Hause fahren. Mein Sohn wollte mich doch einen halben Tag lang begleiten. Ich hatte nicht vor, mir eine Blöße zu geben und zu schwächeln. Oder war ich übervorsichtig und hörte die Flöhe husten? Jedenfalls nahm ich als Anti-Entzündungs-Medikament 150mg Diclofenac.
Zu zweit ging es los. Am Anfang trug ich noch Armlinge, aber bald waren die nicht mehr nötig. Ein kleines Stück ging es die Mosel entlang, dann entlang des Deutsch-Luxemburgischen Grenzflusses Sauer durch das traumhafte Sauertal. Auf der deutschen Seite ist er als Sauertal-Radweg und auf der luxemburgischen Seite als Piste-Cyclable-de-la-Basse-Sûr
ausgeschildert. Es war Idylle pur bei Traumwetter. Am kleinen Fluss erholten sich viele Camper. Der Radweg ist auf luxemburgischem Boden weit besser ausgebaut als auf deutscher Seite. Durch das Reden mit Markus Michel verging Kilometer für Kilometer im Nu und ich musste nicht ständig an das blöde Knie denken, dem es so la la ging; beim Laufen schlimmer als beim Fahren. Zwischendurch ein Apfel und eine Banane, außer natürlich dem obligatorischen Mineralwasser. (Mein Rekord fand im bayerischen Wald statt, 6 Liter bei 40° Celsius; darüber schreibe ich aber später.) Teilweise war alles menschenleer.
Nach vierzig Kilometern im luxemburgischen Echternach trennten wir uns nach einem Cappuccino-Stopp. Markus musste ja noch nach Trier zurückradeln. Später erzählte er mir, dass er quer über den Moselsteig geradelt war um abzukürzen, dann trotz Mountainbike und ohne Gepäck ziemlich kaputt zu Hause ankam. Ich saß noch eine Weile auf dem Marktplatz. Er sah aus wie in Frankreich, nur klang für mich die Sprache ganz komisch. Von der Echternacher Sprungprozession erfuhr ich erst zufällig durch einen Fernsehbericht ein halbes Jahr später.
Ich trennte mich vom Fluss Sauer und fuhr an der Our (Nebenfluss der Sauer), neben der Grenze. Diese Strecke hatte ich schon daheim auf dem Computer ausgearbeitet und als Track auf mein Garmingerät geladen. Sie sollte nicht zu weit weg von der Grenze verlaufen, aber auch nicht zu viele Steigungen beinhalten. Trotzdem gab es für mich auch Schiebestrecken, und das ist erst der Anfang der Eifel. So eine Streckenausarbeitung hätte ich später im Erzgebirge, Vogtland und Fichtelgebirge gebraucht, aber die Lieferung des Garmin Navis erst kurz vor Beginn der Reise ließ dies leider nicht zu. Die dadurch bedingten Umwege und Strapazen sollte ich eigentlich Garmin in Rechnung stellen. Ich kann der Pressestelle ja ein Buchexemplar schicken. Etwas problematisch war auch, dass ich von den Nachbarländern nur eine Karte 1:100 000 auf dem Radcomputer hatte, ohne Radwege und kleine Straßen. Das hatte ich vorher nicht bedacht. Ich kam dennoch irgendwann in Vianden an. Hoch über der Stadt thronte eine Burg. Es gab zwölf Hotels. Das sagte mir das Programm Tripadvisor auf dem Smartphone. (Auch später habe ich mich bei meiner Unterkunftssuche sehr oft an den Empfehlungen orientiert – solange der Ort überhaupt gelistet war – und lag damit meistens richtig. Die einzelnen Bewertungen der Benutzer muss man nur richtig lesen und einordnen können. Skeptisch werde ich, wenn viele hervorragend
Kritiken von Erstbewertern kommen, d.h. Leute, die nach Registrierung ihre erste Bewertung abgeben. Es soll schon IT-Firmen geben, die solche Fakes gegen Bezahlung abgeben. Wenn bei einem Hotel in Düsseldorf steht herrlicher Meerblick
sollte man Vorsicht walten lassen.)
Ich entschied mich für die Nummer eins nach Tripadvisor, neben der Kirche, mit schönem Innenhof auf der Rückseite in den Berg gebaut. (Bis zum Bodensee hatte ich bei meiner Zimmersuche nie Schwierigkeiten, obwohl ich mich immer erst im Laufe des Nachmittags entschied, wie weit ich noch radeln wollte. Mein Tagesendpunkt stand also nie vorher fest.) Zimmer im 4. Stock. Ich war ziemlich groggy. Trotzdem wusch ich erstmalig einige Kleidungsstücke mit Rei aus der Tube heraus und hängte sie auf den Balkon zum Trocknen. Ich schlenderte durch das charmante Dörfchen. Ich konnte ohne Jacke draußen sitzen und habe eine ausgezeichnete plat du jour
für 12.95 Euro