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Warum so viele inkompetente Männer in Führungspositionen sind: (und was man dagegen tun kann)
Warum so viele inkompetente Männer in Führungspositionen sind: (und was man dagegen tun kann)
Warum so viele inkompetente Männer in Führungspositionen sind: (und was man dagegen tun kann)
eBook243 Seiten2 Stunden

Warum so viele inkompetente Männer in Führungspositionen sind: (und was man dagegen tun kann)

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Über dieses E-Book

Dieses aktuelle und provokante Buch stellt zwei Fragen: Warum ist es für inkompetente Männer so leicht, Chef zu werden? Und warum ist es so schwer für kompetente Menschen – besonders für kompetente Frauen – aufzusteigen? Tomas Chamorro-Premuzic zeigt auf der Basis aktuellster wissenschaftlicher Erkenntnisse, dass Männer statistisch schlechtere Führungskräfte als Frauen sind. Die meisten Unternehmen und Organisationen verwechseln aber destruktive Persönlichkeitseigenschaften wie Narzissmus und ein überzogenes Selbstbewusstsein mit Führungspotential. Diese Eigenschaften mögen dabei helfen, einen Führungs¬posten zu bekommen, sie sind aber absolut kontraproduktiv wenn es darum geht, ein Team zum Erfolg zu führen. Wenn kompetente Frauen und wirklich kompetente Männer bei der Besetzung von Führungspositionen ungerechtfertigter Weise übersehen werden, haben wir alle unter den Folgen zu leiden. Es gibt einen besseren Weg. Mit deutlicher Sprache und klarer Argumentation zeigt Tomas Chamorro-Premuzic in diesem Buch, was eine gute Führungskraft ausmacht und wie neue, digitale Systeme uns helfen können, den richtigen Menschen Verantwortung für andere Menschen zu übertragen.
"Vielleicht ist die eigentliche Frage ja nicht, warum es Frauen so schwer haben, Karriere zu machen, sondern vielmehr, warum es mediokren Männern so leicht fällt, aufzusteigen."
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum15. Okt. 2019
ISBN9783942048675
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    Buchvorschau

    Warum so viele inkompetente Männer in Führungspositionen sind - Tomas Chamorro-Premuzic

    www.tolkemitt.com

    KAPITEL EINS

    WESHALB DIE MEISTEN FÜHRUNGSKRÄFTE UNGEEIGNET SIND

    Googeln Sie »Mein Chef ist«, und die automatische Vervollständigung wird den Satz wahlweise mit »ein Tyrann«, »verrückt«, »unfair«, »inkompetent« oder »faul« beenden. Umfragen zeichnen ein ähnliches Bild. Laut Gallup, einem weltweit tätigen Meinungsforschungsinstitut, das regelmäßig globale Daten zur emotionalen Bindung von Mitarbeitern an ihre Arbeitgeber erhebt, sind 75 Prozent aller Kündigungen auf Probleme mit einem direkten Vorgesetzten zurückzuführen. Ergebnisse wie dieses enttarnen mangelnde Führungsqualitäten als die internationale Hauptursache für freiwillige Fluktuation – Kündigungen von Arbeitnehmerseite. Unterdessen geben 65 Prozent der Amerikaner an, sich anstelle einer Gehaltserhöhung lieber einen neuen Chef zu wünschen.¹ Diese kurzsichtige Aussage berücksichtigt allerdings nicht, dass der nächste Vorgesetzte keinen Deut besser, sondern noch schlimmer sein könnte.

    Was ist von der Tatsache zu halten, dass die meisten Führungskräfte, ob unfähig oder nicht, männlich sind? Nachdem Frauen etwa 50 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ausmachen und weibliche Studenten ihren männlichen Kommilitonen in weiten Teilen der industrialisierten Welt nicht nur zahlen-, sondern auch leistungsmäßig überlegen sind, sollten wir ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in Führungspositionen erwarten dürfen. Und doch sieht die Realität ganz anders aus. Rund um den Globus ist »Leadership« derart männlich konnotiert, dass es den meisten Menschen schwerfiele, nur eine einzige berühmte weibliche Führungspersönlichkeit in einem Wirtschaftsunternehmen zu benennen. Ein Beispiel: In einer 2018 durchgeführten Erhebung wurden 1000 Amerikaner nach den bekanntesten weiblichen Führungskräften in der Technologiebranche gefragt. Knapp 92 Prozent hatten keine passende Antwort, und ein Viertel der verbleibenden acht Prozent nannte »Siri« oder »Alexa«.² Als ich einer Klientin erzählte, dass ich ein Buch über Frauen und Leadership schreibe, lautete ihre zynische Antwort: »Sie meinen, Sie schreiben an zwei verschiedenen Büchern gleichzeitig?« Ihre Reaktion versinnbildlicht, wie wenig Frauen mit Führungspositionen in Verbindung gebracht werden – und zwar nicht nur in unseren Köpfen.

    Selbst in den 500 größten börsennotierten US-Unternehmen (die sich wesentlich stärker um die Gleichstellung von Männern und Frauen bemühen als kleinere, privat geführte Firmen) ist man noch weit von einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis entfernt. Bis 2017 verringerte sich der Frauenanteil in diesen Konzernen zunehmend, je höher eine berufliche Position in der Unternehmenshierarchie angesiedelt war.

    Frauen stellten:

    44 Prozent der Belegschaft

    36 Prozent der unteren und mittleren Führungsebene

    25 Prozent der leitenden Angestellten und des Topmanagements

    20 Prozent des Vorstands

    6 Prozent CEOs³

    Dieses Buch widmet sich einer zentralen Frage: Was wäre, wenn diese beiden Beobachtungen – dass die meisten Führungskräfte inkompetent und dass sie zudem überwiegend männlich sind – in einem kausalen Zusammenhang stehen? Oder anders gefragt: Könnte die Dominanz von Bad Leadership eingedämmt werden, wenn weniger Männer und dafür mehr Frauen die Verantwortung trügen?

    Diese Frage habe ich erstmals 2013 in einem kurzen Essay für die Harvard Business Review gestellt, dessen Titel das Problem auf den Punkt brachte: »Warum gelangen so viele inkompetente Männer in Führungspositionen?«⁴ Darin argumentierte ich, dass sich das Defizit an weiblichen Führungskräften nicht durch mangelnde Qualifikation oder Motivation begründen lässt, sondern vielmehr mit unserer Unfähigkeit, männliche Inkompetenz zu erkennen. Wenn Männer für Führungspositionen gehandelt werden, werden oft dieselben Eigenschaften, die sie letztlich zu Fall bringen, irrtümlich als Ausdruck ihres Führungspotenzials oder Talents verstanden oder sogar gefeiert. Somit sind es Charakterschwächen – unter dem Tarnmantel attraktiver Führungsqualitäten –, die Männern zum Aufstieg in hochrangige Positionen verhelfen. Wie dieses Buch offenlegen wird, sollten wir Eigenschaften wie übermäßiges Selbstbewusstsein und Selbstverliebtheit als Warnsignale verstehen. Doch stattdessen denken wir oft: »Na, das ist doch mal ein charismatischer Typ! Der ist zu Höherem berufen.« Als Resultat haben wir sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik einen Überschuss unfähiger Männer in Machtpositionen, welcher die Chancen kompetenter Kandidaten – Frauen und Männer – schmälert und für bedauerlich niedrige Führungsstandards sorgt.

    Die Leserschaft dieses Essays wird jährlich größer. Seit seiner Veröffentlichung hat er sich insgeheim zu einem der meistgelesenen Artikel auf HBR.org gemausert und mir mehr Reaktionen beschert als jedes der neun Bücher und jeder der weiteren 300 Artikel, die ich im Laufe meiner Karriere verfasst habe. Traurigerweise spiegelt seine Popularität letztlich jedoch einfach die große Zahl von Menschen in aller Welt wider, die unfähige Vorgesetzte haben und unter ihnen leiden. Wenn Sie jemals in einem Büro gearbeitet haben, ist Ihnen wahrscheinlich bereits eine spezielle Form schlechter Mitarbeiterführung begegnet – durch Chefs, die die Grenzen ihrer persönlichen Fähigkeiten nicht kennen und deshalb ungerechtfertigterweise äußerst selbstzufrieden sind. Sie sind übertrieben selbstbewusst, aggressiv und nehmen sich, besonders angesichts ihres limitierten Könnens, selbst viel zu wichtig. Sie sind mit Abstand ihre eigenen größten Fans.

    Und doch schmälern diese Charakterschwächen nur selten ihre Karrierechancen. Ganz im Gegenteil. Und weil diese Chefs häufiger Männer sind als Frauen, wird Frauen mit Aufstiegsambitionen mit Vorliebe ein stereotypisch männliches Auftreten empfohlen: »Glaube an dich selbst«, »Kümmere dich nicht darum, was andere über dich denken« und, mein Favorit, »Sei einfach du selbst« – als ob etwas anderes überhaupt möglich wäre. (Oder wie eine humorvolle Variante dieses Ratschlags lautet: »Sei du selbst, denn alle anderen gibt es schon.«)

    Die Versuche der Wirtschaft, mehr Frauen an die Spitze von Unternehmen zu bringen, sind als klares Zeichen des sozioökonomischen Fortschritts zu werten. Und nur wenige westliche Konzerne kommen ohne Diversity-Programme aus, von denen sich die meisten explizit mit Genderfragen auseinandersetzen.⁵ Allerdings sind diese Programme in erster Linie darauf ausgerichtet, Frauen dabei zu helfen, ihre männlichen Kollegen nachzuahmen, unter der zugrunde liegenden Annahme, dass Frauen die gleiche Karriere verdienen oder genauso viel erreichen können. Doch wie sinnvoll und logisch ist dieses Ziel, wenn die meisten Führungskräfte ihren Arbeitgebern in der Realität mehr schaden als nützen? Statt Führungspositionen wie glamouröse Karriereziele oder persönliche Belohnungen für den erfolgreichen beruflichen Aufstieg zu behandeln, sollten wir uns vor Augen halten, dass Leadership eine Unternehmensressource ist – die einem Unternehmen nur dann nützt, wenn seine Belegschaft von dieser Ressource profitieren kann, indem sie seine Mitarbeiter motiviert und deren Leistung steigert. Deshalb sollte es unser primäres Ziel sein, den Führungsstandard zu verbessern, und nicht, einfach nur mehr Frauen in verantwortliche Positionen zu bringen.

    Die Erfahrungen, die Beschäftigte in aller Welt mit ihren Vorgesetzten machen, sind zum großen Teil alles andere als positiv. Ihr Arbeitsalltag ist eher von Angst geprägt als von Inspiration, von Burnoutstatt von Empowerment, von Misstrauen statt von Vertrauen. Und während wir Menschen, die es bis ganz nach oben schaffen, bewundern und feiern, sind die Aussichten für die Mitarbeiter, die unter ihnen arbeiten müssen, häufig alles andere als rosig.

    Die Forschungslage bestätigt die allgegenwärtige Unzufriedenheit. In einer 2011 durchgeführten Studie mit mehr als 14 000 Personalverantwortlichen und anderen Managern, bewerteten die Teilnehmer gerade einmal 26 Prozent ihrer aktuellen Führungsriegen positiv und hielten nur 18 Prozent ihres Führungsnachwuchses für vielversprechend.⁶ Auch leitende Angestellte schenken dem Potenzial ihrer mutmaßlichen Nachfolger nur wenig Vertrauen. Eine globale Umfrage, in der 2013 untersucht wurde, wie Vorstände ihre unternehmensinternen Talent-Management-Programme beurteilen – also genau jene Systeme, die speziell dafür entwickelt wurden, Führungspersönlichkeiten zu identifizieren, zu fördern und zu binden –, deutete darauf hin, dass weniger als 20 Prozent von ihnen davon überzeugt sind, ihre Unternehmen hätten ihre Leadership-Probleme im Griff.⁷ Und auch wenn sich dieses Buch eher auf Führungskräfte in Unternehmen statt auf politische Führungsriegen konzentriert, sieht die Situation für Regierungen und Staatsoberhäupter kaum besser aus. Etwa 60 Prozent der Menschen sind weltweit der Ansicht, ihre Länder blickten dank ihrer Staatsdiener einer unsicheren Zukunft entgegen.⁸

    Der weibliche Weg in Führungsämter ist zweifellos mit vielen Hindernissen gespickt, darunter die berühmte gläserne Decke. Doch je mehr ich mich mit Leadership auseinandergesetzt habe, desto mehr kam ich zu dem Schluss, dass das wesentlich größere Problem der Mangel an Karrierehürden für inkompetente Männer ist.

    Wie wir im Verlauf dieses Buchs sehen werden, neigen wir dazu, genau diejenigen Verhaltensweisen als Führungspotenzial misszuverstehen, die häufig vielmehr ein Anzeichen für Bad Leadership sind, zum Beispiel ein übersteigertes Selbstbewusstsein. Dazu kommt, dass ein derartiges Gebaren im Durchschnitt häufiger von Männern als von Frauen an den Tag gelegt wird. Das Ergebnis ist ein krankes System, das Männer für ihre Inkompetenz belohnt, während es Frauen für ihre Kompetenz bestraft. Wir müssen unsere mangelhaften Kriterien zur Beurteilung von Führungskräften durch relevantere und wirksamere Auswahlfilter ersetzen, die statt individueller Karriereerfolge die tatsächliche Leistung prognostizieren. Die Situation wird sich bessern – nicht nur für Frauen, sondern für uns alle –, wenn wir damit beginnen, bessere Führungskräfte auszuwählen.

    DIE FOLGEN VON BAD LEADERSHIP

    Ein Stadtviertel in Buenos Aires mit dem Spitznamen »Villa Freud« beheimatet die weltweit höchste Konzentration von Psychoanalytikern pro Einwohner. Sogar die dort angesiedelten Bars und Cafés tragen freudsche Namen wie »Der Ödipuskomplex« und »Das Unbewusste«. Viele der Bewohner des Viertels sind Therapeuten, in Therapie oder beides zugleich. Tatsächlich dürfen Psychoanalytiker nur dann als Therapeuten tätig werden, wenn sie auch selbst eine Therapie machen. Diese Auflage bringt ein sich selbst erhaltendes und kontinuierlich wachsendes Universum aus Psychoanalytikern und Patienten hervor. Es funktioniert wie ein umgedrehtes – und ungesundes – Schneeballsystem. Jeder neue Psychoanalytiker wird zum neuen Patienten eines anderen Seelenklempners, und dieses Arrangement hält sowohl das Angebot wie auch die Nachfrage beständig hoch.

    Ich bin in Villa Freud aufgewachsen. Sogar unser Hund ging zur Therapie, auch wenn mir – und vielleicht sogar unserem Hund selbst – immer klar war, dass der Hundepsychiater sich in Wirklichkeit mehr mit unseren Problemen beschäftigte als mit denen unseres Hundes. Als ich einen Beruf wählen musste, war die Entscheidung praktisch unvermeidbar: Ich musste Psychologe werden.

    Auch mein Interesse an Führungsthemen und insbesondere an der problematischen Form von Leadership verdanke ich der Tatsache, in Argentinien groß geworden zu sein. Noch vor einem Jahrhundert gehörte Argentinien die Zukunft. Damals war es nicht nur das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern auch eine der reichsten Nationen der Welt, mit einem höheren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als Frankreich oder Deutschland. Seither ging es mit Argentinien jedoch beständig bergab. Als eines von nur wenigen Ländern weltweit ist es einer kontinuierlichen Rückentwicklung ausgesetzt. Der Hauptgrund dafür? Ein schlechter Regierungschef nach dem anderen. Also stellte ich mir die offensichtliche Frage: Wie können kluge und gebildete Menschen bei jeder neuen Präsidentschaftswahl abermals selbstzerstörerische Führungsentscheidungen treffen, ohne aus den vorangegangenen Fehlschlägen zu lernen? Wie können rationale Menschen, die zu ihrem eigenen Besten handeln möchten, auf charismatische Betrüger hereinfallen, die ihnen das Unmögliche versprechen und doch nur gefährliche Absichten und korrupte, selbstsüchtige Interessen verfolgen? Obwohl ich mich aufgrund dieses deprimierenden Umstands letztlich dazu gezwungen sah, Argentinien den Rücken zu kehren, habe ich mir selbst das Versprechen gegeben, alles daranzusetzen, diese toxische Seite der Führung zu verstehen – und einen Beitrag zur Eindämmung von Bad Leadership zu leisten.

    Heute bin ich tatsächlich als Organisationspsychologe tätig. Ich bin überwiegend damit beschäftigt, Organisationen dabei zu helfen, unfähige Führungskräfte zu vermeiden und ihr vorhandenes Führungspersonal weniger ineffektiv zu machen. Diese Arbeit hat erhebliche Auswirkungen. Macht man sie richtig, ist der Nutzen für die Organisation und ihre Belegschaft enorm. Macht man sie falsch, lautet das Ergebnis … Argentinien.

    Im Geschäftsleben hat ein schlechter Vorgesetzter einen signifikant negativen Einfluss auf das Engagement seiner Untergebenen. Er raubt ihnen die Begeisterung für ihre Arbeit und nimmt ihnen die Bedeutung und die Sinnhaftigkeit ihres Tuns. Globale Umfragen belegen, dass sich erschütternde 70 Prozent aller Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber emotional nicht verbunden fühlen und sich nur vier Prozent positiv über ihre Chefs äußern.⁹ Ganz offensichtlich ist ein guter Führungsstil nicht die Norm, sondern die Ausnahme.

    Die von dieser mangelnden Bindung verursachten wirtschaftlichen Kosten sind enorm. Allein in den Vereinigten Staaten schlägt die geringe Identifikation mit dem Arbeitgeber jährlich mit Produktivitätseinbußen von etwa 500 Milliarden US-Dollar zu Buche.¹⁰ Dabei handelt es sich wahrscheinlich noch um eine konservative Schätzung, da sich diese Angabe auf große, multinationale Unternehmen bezieht, die sich tatsächlich die Mühe machen, die Jobzufriedenheit ihrer Mitarbeiter zu hinterfragen, und die viel Zeit und Geld in die Verbesserung des Betriebsklimas investieren. Weltweit ist der durchschnittliche Arbeitnehmer mit hoher Wahrscheinlichkeit noch wesentlich unzufriedener.

    Und Produktivitätsverluste sind nicht die einzige Schattenseite einer mangelnden emotionalen Arbeitnehmerbindung. Auch die Kündigungsrate ist unter emotional distanzierten Angestellten wesentlich höher. Die Arbeitnehmerfluktuation ist mit enormen Belastungen verbunden, darunter Kündigungskosten, eine sinkende Arbeitsmoral sowie Produktivitätseinbußen aufgrund der Zeit und Ressourcen, die für das Finden und die Schulung neuen Personals aufgewendet werden müssen. Die Fluktuationskosten betragen zwischen zehn und 30 Prozent des Jahresgehalts eines Mitarbeiters. Bei Führungskräften fallen die Aufwendungen sogar noch höher aus, weil Personaldienstleister für ihre Vermittlungstätigkeit rund 30 Prozent des Jahresgehalts eines leitenden Angestellten in Rechnung stellen. Und dabei ist Mitarbeiterfluktuation noch nicht einmal das Schlimmste, was Unternehmen passieren kann. Wenn unzufriedene Mitarbeiter trotzdem bleiben, arbeiten sie mit großer Wahrscheinlichkeit kontraproduktiver, indem sie beispielsweise Unternehmensregeln brechen und Betrugsversuche unternehmen.

    MIT FRAUEN AUS DER BAD-LEADERSHIP-FALLE

    Wie dieses Buch aufzeigen wird, gibt es zuverlässige Belege dafür, dass Frauen in Führungspositionen für gewöhnlich bessere Leistungen erbringen als ihre männlichen Kollegen. In einem Review von 45 Studien zum Thema Leadership und Gender stellten Prof. Alice Eagly von der amerikanischen Northwestern University und ihre Kollegen fest, dass Frauen besser in der Lage sind, positive Veränderungen in ihren Teams und Unternehmen zu bewirken als Männer – nicht zuletzt aufgrund effektiverer Führungsstrategien.¹¹ Frauen werden von ihren Untergebenen mehr respektiert und wecken in ihnen größeren Stolz auf ihre Leistungen, Frauen kommunizieren ihre Visionen erfolgreicher, sind inspirierender, die besseren Mentoren, flexiblere und kreativere Problemlöser, und sie sind fairer und objektiver in der Beurteilung ihnen direkt unterstellter Mitarbeiter. Im Gegensatz dazu pflegen Männer seltener den Kontakt mit ihren Untergebenen oder belohnen sie für ihre tatsächliche Performance. Männer kümmern sich mehr um die eigene Karriere statt um die Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter.¹²

    Obwohl die Geschlechterunterschiede meist nur geringfügig ausfielen, kam die Studie zu dem Schluss, dass »sämtliche Aspekte, bei denen Frauen vorne liegen, eine effektive Mitarbeiterführung begünstigen, wohingegen alle Gesichtspunkte, in denen Männer den Frauen überlegen sind, in einem negativem oder keinem Zusammenhang mit effektiver Führung stehen«. Diese geringen, aber signifikanten Unterschiede zwischen männlicher und weiblicher Führung weisen alle in ein und dieselbe Richtung: Die weibliche Leistung weicht in der Regel positiv von der Norm ab, während die männliche Leistung negativ davon abweicht.

    Natürlich spiegeln diese Ergebnisse womöglich das, was Wissenschaftler als Stichprobenverzerrung bezeichnen. Weil Frauen im Vergleich mit Männern besser qualifiziert sein müssen, um die Chance auf eine Führungsposition zu erhalten, reflektieren Studien, die weiblichen Führungskräften höhere Kompetenz bescheinigen als ihren männlichen Kollegen, womöglich lediglich, dass Frauen auf ihrem Weg nach oben größere Hürden überwinden müssen als Männer. Solche Studien, auf die ich in diesem Buch ebenfalls eingehen werde, werden gerne als Belege dafür herangezogen, dass der an weibliche Führungskräfte angelegte Maßstab unverhältnismäßig hoch ist. Meiner Meinung nach ist das Gegenteil der Fall: Der Bewertungsmaßstab für männliche Führungskräfte ist nicht hoch genug. Da wir uns alle nach besseren Führungspersönlichkeiten sehnen, sollten wir unsere Ansprüche bei der Auswahl weiblicher Kandidaten nicht senken, sondern wir sollten höhere Ansprüche an männliche Bewerber stellen.

    Studien belegen nachweislich, dass Frauen bei gleicher Qualifikation seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden als Männer. Diese Ergebnisse lassen sich experimentell reproduzieren. So verschickte etwa eine Genderforscherin des amerikanischen Skidmore Colleges identische Lebensläufe zweier fiktiver Bewerber namens Jennifer und John. Trotz seines in jeglicher Hinsicht identischen Lebenslaufs wurde John für wesentlich kompetenter gehalten als Jennifer, und potenzielle Arbeitgeber boten ihm

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