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Integrative Leadership: Maximale Wirkung durch holistische Führung
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Integrative Leadership: Maximale Wirkung durch holistische Führung
eBook343 Seiten3 Stunden

Integrative Leadership: Maximale Wirkung durch holistische Führung

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Über dieses E-Book

Dieses praxisbezogene Fachbuch Integrative Leadership erklärt, wie durch eine umfassende und integrative Perspektive eine ganzheitliche Führung ermöglicht wird, die weit über das bloße Führen von untergebenen Mitarbeitenden hinausgeht. Dadurch kann die Wirkung von Leadership massiv erhöht werden.  Sie erfahren, wie verschiedene Aspekte von Leadership integral aufeinander ausgerichtet und somit Reibungsverluste vermindert werden können.

Denn wer kennt dies nicht: Organisationen werden durch die Spezialisierung von Funktionen zunehmend fragmentiert. Dabei geht die Gesamtschau verloren, und es entstehen unkoordinierte Kräfte, die in verschiedene Richtungen zielen.

Der Autor zeigt auf, wie diese Fragmente zu einem wirkungsvollen Ganzen zusammengefügt werden können. Basierend auf sechs Dimensionen von Leadership erhalten Sie eine Hilfestellung, um durch die Bündelung dieser Dimensionen ein Vielfaches an Wirkung zu erzielen. Dies unterstützt Sie dabei, Organisationen zu inspirierenden Orten zu machen und nachhaltige und positive Veränderungen zu generieren. 

Zielgruppen: Führungskräfte, Organisationsentwickler*innen, Berater*innen, Coaches, und Wirtschafts- und Organisationspsycholog*innen.

Der Autor: Tibor Koromzay ist freiberuflich als Organisationsberater und Coach tätig mit den Schwerpunkten Leadership, Zusammenarbeit, Veränderung und persönliches Wachstum. Er ist Psychologe, verfügt über langjährige Führungs- und Managementerfahrung in der Industrie und langjährige Übungspraxis in Meditation und Aikido.


SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum30. März 2021
ISBN9783662629734
Integrative Leadership: Maximale Wirkung durch holistische Führung

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    Buchvorschau

    Integrative Leadership - Tibor Koromzay

    © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2021

    T. KoromzayIntegrative Leadership https://doi.org/10.1007/978-3-662-62973-4_1

    1. Das Buch in Kürze

    Tibor Koromzay¹  

    (1)

    Facilitator Berater Coach, Zürich, Schweiz

    Tibor Koromzay

    Email: tk@trueleadership.ch

    Dieses Buch zeigt, wie eine integrative Betrachtung von Organisationen aus einer Leadership Perspektive dazu führen kann, die unterschiedlichen Dimensionen und Kräfte in einem Unternehmen zu bündeln, um maximale Wirkung zu erzielen.

    Leadership zeigt sich an sehr unterschiedlichen Orten einer Organisation und auf viele verschiedene Arten. Ich werde im vorliegenden Buch der Frage nachgehen, wo und wie welche Art von Führung stattfindet und welche Chancen dabei ergriffen oder vertan werden können. Dabei werde ich verschiedene Ebenen beschreiben, die miteinander in Wechselwirkung stehen.

    Aus dieser Perspektive werde ich zeigen, welche Leadership Aspekte nicht nur im klassischen Bedeutungshof des Wortes, sondern auch im Bereich der Firmenkultur, dem Design von Strukturen und Prozessen, der Gestaltung von Veränderungsprozessen und der Interaktion einer Organisation mit seiner Umwelt eingebettet sind.

    Die Betrachtung verschiedener Unternehmensaspekte unter der Klammer einer Leadership-Perspektive eröffnet die Möglichkeit, Organisationen auf konsistente Art und Weise und mit hoher Effektivität und enormer Wirkung zu führen und zu gestalten. Das Modell, das ich hier vorstelle, ist auch geeignet, um aus der Perspektive von Leadership diagnostisch auf eine Organisation zu schauen und daraus eine Fülle von Einflussmöglichkeiten abzuleiten, die offenstehen, um herausragende Organisationen zu schaffen.

    Unternehmen gewinnen dadurch eine Herangehensweise, die es ihnen erlaubt, ausgeprägte Umsetzungskraft und Leistungsfähigkeit, eine hohe Anziehungskraft für kommende Generationen von Mitarbeitenden und eine exzellente Reputation bei ihren Stakeholdern zu entwickeln.

    Alle hier diskutierten Dimensionen von Leadership stehen miteinander in Wechselwirkung. In der Synthese werde ich diese Wechselwirkungen beleuchten, mit ihren Auswirkungen und dem Unterschied, den es macht, ob die einzelnen Dimensionen aufeinander ausgerichtet sind oder nicht.

    Im Folgenden gebe ich einen ersten Überblick der verschiedenen Ebenen von Leadership, auf die ich in spezifischen Kapiteln je genauer eingehen werde.

    Vertikale Führung

    Die klassische Art von Leadership, bei der eine vorgesetzte Person unterstellte Mitarbeitende führt, befindet sich heute in einer Legitimations- und Imagekrise. Ihre Nachteile treten in einer Welt der zunehmenden Volatilität und des immer rascheren Wandels zunehmend klar zutage, durchaus berechtigterweise:

    Führungskräfte sind in einer Organisation zu oft der limitierende Faktor. Eine Binsenwahrheit, die alle schon erfahren haben, die in einer Organisation arbeiten: Veränderungs- und andere Projekte haben nur eine Chance, wenn sie vom obersten Chef mitgetragen werden. Spätestens wenn es darum geht, Machtverhältnisse zu verschieben, sich allenfalls von gewissen Mitarbeitenden zu trennen oder signifikant Geld auszugeben, zeigt sich, wie stabil der Rückhalt ist. Fehlt er, dann verliert das Vorhaben an Schwung, wird verwässert oder stirbt.

    Anders formuliert: man kommt genau so weit, wie es die Persönlichkeit des obersten Chefs zulässt – Abweichungen gibt es nur nach unten. Die Persönlichkeit und die Vorlieben des Vorgesetzten entscheiden, welche Themen in welcher Art besprechbar sind.

    Die Verknüpfung von Führung und Entscheidung ist vielleicht der grösste Nachteil der althergebrachten Form von Führung. Wenn der Chef zu allem Ja sagen muss, wird er zum Flaschenhals und gleich nochmals zum limitierenden Faktor.

    Diese Phänomene haben dazu geführt, dass es aktuell einen Trend gibt, verbal auf solche Strukturen einzuprügeln. Revolution liegt in der Luft. Dabei wird jedoch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Die Abschaffung von Hierarchie führt in die Irre, denn in jedem sozialen System wird es immer Hierarchie geben. Wenn es formell keine mehr gibt, wird sie sozial definiert werden.

    Ich bin überzeugt, dass es auch in Zukunft Linien und Führungskräfte geben wird. Es geht weniger darum, Hierarchie abzuschaffen, sondern darum, ihre Rolle neu zu definieren. Künftig wird direkte Führung vor allem die Aufgabe haben, ein Feld zu bereiten, in dem Menschen ihr Potenzial entfalten können. Diese Dimension von Leadership werde ich „Vertical Leadership" nennen. Kap. 3 wird sich ihr widmen. Dabei geht es darum, zu orchestrieren, kluge Strukturen zu bauen, Sinn zu vermitteln, eine Richtung zu geben, zu inspirieren, im richtigen Moment aus dem Weg zu gehen – und wahrscheinlich durchaus weniger darum, Entscheidungen zu treffen. Das kann dezentral organisiert werden.

    Soweit bewegen wir uns innerhalb des Feldes, in dem bisher üblicherweise von Leadership gesprochen wurde. Ich schlage jedoch vor, den Begriff Leadership bedeutend weiter zu fassen. Wenn man unter Leadership im weiteren Sinne alle bewussten Handlungen versteht, die gezielt direkt oder indirekt auf das Denken, Fühlen und Handeln von Menschen einwirken, dann werden Leadership-Aspekte in Dimensionen erkennbar, die bisher kaum oder gar nicht aus dieser Perspektive betrachtet wurden.

    Laterale Führung

    Der Begriff Leadership wird gängigerweise stark mit einer Führungsfunktion in der Linie assoziiert. Die vorherrschende Vorstellung war bis vor nicht allzu langer Zeit, dass Leadership etwas ist, das bei Linienvorgesetzten angesiedelt ist, mit klarem Subjekt und Objekt: „Ich führe meine Leute."

    Heute hat sich der Bedeutungshof des Begriffs erweitert: Es gilt heute als selbstverständlich, dass Leadership auch von Projektleiterinnen und von Inhabern von Stabsstellen verlangt wird. „Führen ohne Weisungsbefugnis" ist als Führungsdisziplin anerkannt, denn auch als Projektleiter muss ich ein Team auf gemeinsame Ziele ausrichten, muss andere Menschen für mein Vorhaben gewinnen, muss ihr Verhalten zielgerichtet beeinflussen, und das, ohne ihnen etwas befehlen zu können.

    Mit zunehmend fluiden, netzwerkartigen Organisationen und Formen der Selbstorganisation sehen wir im Moment gerade die Erweiterung des Begriffs um die nächste Dimension. Solche Organisationsformen und -modelle, immer wieder auch unter dem Titel „new work subsummiert, werden aktuell stark propagiert unter verschiedenen Begrifflichkeiten. Dabei redet man nicht mehr von Teams und Abteilungen, sondern von Squads, Tribes, Chapters oder Kreisen, und aus Funktionen werden Rollen mit neuen, kreativen Bezeichnungen wie zum Beispiel „happiness officer. Ich rede der Einfachheit halber im Folgenden dennoch von Teams. Dabei sei mitgemeint, dass solche Teams sich auch laufend projekt- oder aufgabenbezogen neu konstellieren und nach Beendigung ihrer Aufgabe wieder auflösen können.

    Auf die Möglichkeiten und Grenzen der sich im Schwange befindenden agilen Organisationskonzepte im Allgemeinen gehe ich in Kap. 4 näher ein. Was sich bei all diesen Formen in Bezug auf Leadership sagen lässt: Da Führung im klassischen Sinn, nämlich die Führung durch eine vorgesetzte Person, in solchen Organisationsformen oft entfällt, muss diese Qualität innerhalb der Teams integriert werden und von den Teammitgliedern selbst realisiert werden.

    Damit wird Leadership definitiv zum Breitensport: Leadership Qualitäten sind in solchen Organisationswelten von jeder einzelnen Person gefordert. Leadership verliert seinen elitären Touch von Exklusivität. Wir reden von Initiative, Verantwortungsübernahme und von Mitgestaltung von Abläufen, Entscheidungen und Strukturen, die überall in einer Organisation stattfinden kann. Die Anforderungen an Mitarbeitende in Bezug auf Selbst- und Sozialkompetenz steigen damit massiv, was heute, neben der Angst vor Kontrollverlust bei heutigen leitenden Managern, als der grosse Prüfstein für agile Organisationskonzepte erkannt ist.

    Die Leadership Dimension, die sich auf Führung im Kontext von Menschen bezieht, die gegenseitig keine Weisungsbefugnisse haben, werde ich in Kap. 4 unter dem Titel „Lateral Leadership" behandeln.

    Führung durch Struktur

    Der Einfluss von systemischen Faktoren auf die Leistung und das Verhalten von Menschen in Organisationen ist unbestritten. Er ist oft sogar stärker als der Einfluss der individuellen Persönlichkeiten der Menschen in solchen Systemen. Das zeigt sich beispielsweise am Phänomen, dass voneinander sehr verschiedene Menschen dazu tendieren, an bestimmten Stellen in einem System sehr ähnliche Leistungen zu erbringen.

    Diese strukturellen Einflüsse können positiv sein: es gibt diese Bereiche und Inseln in Organisationen, wo die Dinge „einfach gut laufen, in denen erstaunlicherweise nur zufriedene und gute Mitarbeitende zu finden sind, und das konsistent über eine längere Zeit, selbst bei personellen Wechseln: wer in eine solche Umgebung hereinkommt, entwickelt sich, nutzt sein Potenzial und wird bald ein Teil des Phänomens, das intern oft auch einen entsprechenden Ruf hat. Der typische Satz, den man dann intern hört, lautet sinngemäss: „Ich weiss nicht, wie sie das machen, aber bei denen läuft’s einfach immer gut.

    Systemische Faktoren können sich jedoch auch negativ auswirken. Dies zeigt sich dann in Form von persistenten, immer wieder in gleicher Art auftauchenden Konflikten, Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit oder beeinträchtigter Leistungsfähigkeit. Auch hier erscheinen die Abläufe und Phänomene robust und resistent, selbst bei personellen Wechseln. Allzu oft wird, manchmal jahrelang, auf der individuellen Ebene reagiert: Personen werden ausgewechselt, die Probleme bleiben.

    Wenn man solche Situationen analysiert (leider hat die Analyse von Erfolgssituationen noch keine grosse Tradition, meist erfolgt eine solche Reflexion aufgrund des Leidensdruckes einer konflikthaften oder anderweitig unbefriedigenden Situation), kann man darauf wetten, dass zwei Faktoren eine Rolle spielen: Führung und Struktur. Insbesondere das Beleuchten der strukturellen Faktoren kann zu wesentlichen hilfreichen Erkenntnissen und Interventionsmöglichkeiten führen.

    Es ist offensichtlich, dass man enormen Einfluss auf den Gang der Dinge ausüben kann, wenn man diese strukturellen Faktoren gezielt einsetzt. Ebenso offensichtlich ist, dass der systematischen Reflexion der strukturellen Ebene einer Organisation in heutigen Unternehmen kaum Aufmerksamkeit zuteilwird. Ich finde es immer wieder überraschend zu sehen, welches Potenzial hier oft sträflich brach liegt und liegen gelassen wird.

    Wenn Sie Systeme designen, dann führen Sie via Struktur. Diese Verbindung zwischen Systemtheorie und Leadership hat es schon immer gegeben. Wenn sie thematisiert wird, dann meist in kritischer Art und Weise, vielleicht deshalb, weil die stärksten Beispiele dafür aus dunklen Kapiteln der Geschichte stammen: Die Welt horcht auf, wenn Despoten die Gewaltenteilung abschaffen, Gesetze in Kraft setzen, die ihre Macht schützen usw. All diese Beispiele sind nichts anderes als Führung durch Struktur, wenn auch in einem äusserst problematischen Kontext.

    Durch die Verhaltensökonomie und dem daraus erwachsenen Konzept des „Nudging („Stupsen) ist in den letzten Jahren ein Ansatz entstanden, das Potenzial dieser Art von Führung für positive Zwecke zu nutzen: Strukturen sollen Menschen dazu bewegen, „gute Entscheidungen" zu treffen. Beispielsweise wurden in einer amerikanischen Ortschaft vor einer gefährlichen Kurve weisse Querbalken in abnehmendem Abstand auf die Strasse gemalt. Durch die optisch immer schneller aufeinander folgenden Balken entsteht für Autofahrer der Eindruck, sie würden beschleunigen. Resultat: sie gehen auf die Bremse, und die gefährliche Kurve ist entschärft.

    Führung durch Struktur ist ein mächtiger Hebel. Diese Ebene von Leadership nenne ich in der vorliegenden Systematik „Structural Leadership. Auf die Unternehmensebene angewandt ergeben sich daraus eine Reihe von Implikationen für die Gestaltung und den „Unterhalt von Organisationen, auf die ich in Kap. 5 näher eingehen werde.

    Führung in Veränderungen

    Veränderungen sind heute allgegenwärtig, und sie scheinen im Ausmass und im Tempo stetig zuzunehmen. Während vor zwanzig oder dreissig Jahren „Change-Projekte" sich noch klar vom Alltag abhoben, gibt es heute kaum noch Zeiten, in denen keine Veränderungen im Gang sind. Es ist zur Regel geworden, das Tagesgeschäft zu erledigen, während gleichzeitig Veränderungen zu bewältigen sind. Veränderungen unter diesen Umständen erfolgreich zu meistern ist längst zur Kernkompetenz von Führungskräften und Organisationen geworden.

    Die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten werden üblicherweise unter dem Titel „Change Management" diskutiert und vermittelt. Angesichts des enormen Anteils an gescheiterten oder sehr mühseligen Veränderungsprozessen drängt sich jedoch die Frage auf, ob es mit diesem Konzept oder mit der Vermittlung der entsprechenden Inhalte ein Problem gibt, denn wir scheinen noch nicht sehr gut darin zu sein, trotz aller Anstrengungen.

    Ich glaube, dass es da sehr wohl ein Problem gibt, und meiner Meinung nach liegt es am Begriff „Management" beziehungsweise an den Grundannahmen und Sichtweisen, die in der Vergangenheit mit ihm verknüpft waren und auch heute noch verbreitet sind.

    Management im engeren Sinne ist darauf ausgerichtet, ein System in Ordnung und unter Kontrolle zu halten. Auf den Bereich von Veränderungen angewandt impliziert er damit, dass die Gestaltung von Veränderungsprozessen eine Frage des Verwaltens ist, oder, weniger drastisch ausgedrückt, eine Frage der Organisation. Damit liegt dieses Konzept aber ganz grundsätzlich daneben: Veränderungsprozesse sind zunehmend so komplex, dass es aussichtslos ist, sie in traditioneller Manier durchorganisieren zu wollen. Das Mantra „Wenn wir nur gut genug planen, läuft das auch sauber durch" führt zwangsläufig in die Irre – auf der inhaltlichen Ebene, und noch viel mehr auf der sozialen Ebene von Veränderung. Zwar hat der Einbezug der Belegschaft in die Gestaltung von Wandel längst Einzug gehalten in die üblichen Vorgehensweisen, aber auch dieser Aspekt hat allzu oft den Charakter einer Fingerübung, die abgespult wird. Entsprechend change-müde und Workshop-frustriert sind sehr viele Mitarbeitende in sehr vielen Unternehmen.

    Was fehlt? Oft fehlt den Betroffenen ein plausibler, sinnvoller und vor allem emotional überzeugender Grund, all die Mühen auf sich zu nehmen, die mit Veränderung verknüpft sind. Und sehr oft fehlt es an Konsistenz und transparenter und authentischer Kommunikation seitens der Führungskräfte.

    Wenn Veränderungsprozesse schieflaufen, tun sie das sehr oft im Bereich der Kommunikation, der Zusammenarbeit und der Führung. Sie scheitern nicht an mangelnder Projektmanagement-Kompetenz oder an fachlichen Defiziten. Was bei scheiternden Veränderungsvorhaben oft zu wenig beachtet und praktiziert wird, ist ein Dialog mit den Mitarbeitenden, der sie wirklich erreicht. Es wird zu wenig Wert gelegt auf die laufende Sichtbarkeit von Führung, auf die partnerschaftliche Ausgestaltung von Schnittstellen, auf die Einbindung der mittleren Führungskräfte.

    Diese Qualitäten haben aber weniger mit Management und viel mehr mit Leadership zu tun. Deshalb ist es viel interessanter, von Change Leadership zu sprechen anstatt von Change Management. Change Leadership, inspirierende und überzeugende Führung auch in stürmischen Zeiten, kann ein Momentum erzeugen, das Menschen bewegt und fundamentale Veränderungen möglich macht.

    Diese Meinung ist nicht neu; ich teile sie mit John Kotter, der dieses Konzept ebenfalls eingeführt hat. Bei einer Online-Suche findet man verschiedene andere Autoren, die Bücher zu diesem Thema publiziert haben. Allerdings wurde dieses Konzept bisher noch nicht in ein umfassendes Gesamtbild von Leadership integriert, und auch die Wechselwirkungen mit anderen Ebenen von Leadership sind noch nicht herausgearbeitet. Diese Verknüpfung möchte ich in diesem Buch anbieten. Ich werde also im Folgenden bei dieser Facette von Leadership von „Change Leadership" sprechen und in Kap. 6 darlegen, wie Change Leadership wirkt.

    Führung über die Unternehmensgrenzen hinaus

    Das Bewusstsein dafür, dass Unternehmen eingebettet sind in einen grösseren Kontext, der neben dem Markt, in dem sich das Unternehmen bewegt, auch das gesellschaftliche, soziale und politische Umfeld und die ökologische Umwelt umfasst, ist in den letzten Jahren immer grösser geworden. Heute gibt es kaum eine grössere Organisation, die diesen Umstand nicht adressiert.

    Was relativ neu ist, ist die Tatsache, dass die Art und Weise, in der sich ein Unternehmen gegenüber diesem Kontext verhält, immer mehr auch zum geschäftlichen Erfolgsfaktor wird. Diese Entwicklung wird einerseits durch die zunehmende Wichtigkeit dieses Themas in der politischen Führung getrieben, was zunehmend zu regulatorischen Anforderungen führt in Bezug auf ethisches, moralisches und ökologisches Verhalten von Organisationen. Andererseits wird dieser Trend auch durch die öffentliche Wahrnehmung verstärkt, die zunehmend stark und zunehmend rasch ihren Niederschlag in den sozialen Medien findet und so sehr rasch einen öffentlichen Druck aufbauen kann.

    In der Unternehmenssprache und in der öffentlichen Diskussion hat sich das Thema unter Titeln wie „Corporate Social Responsibility (CSR) oder „Nachhaltigkeit etabliert. Diese Disziplinen gehören unterdessen für die meisten Unternehmen ins Inhaltsverzeichnis ihres Jahresberichtes.

    Trotz dieser Fortschritte galten CSR und Nachhaltigkeit bis vor nicht allzu langer Zeit eher als nötiges Übel denn als wichtige unternehmerische Aktivität. Und so wurde das Thema meist vor allem als Kostenverursacher gesehen und ebenso oft als Fingerübung abgespult. Die Pflicht wurde erfüllt, und damit konnte man sich wieder den wichtigen Dingen zuwenden. Eine Solche Sicht auf diese Dimensionen funktioniert heute jedoch nicht mehr, und in Zukunft noch weniger.

    Ich schlage vor, den ganzen Themenbereich rund um Corporate Social Responsibility aus einer Leadership-Perspektive zu betrachten. Diese Perspektive hat meines Erachtens das Potenzial, den Umgang mit dem weiteren Kontext eines Unternehmens zu integrieren in seine Kerntätigkeiten.

    Ein Unternehmen, dass sich in verantwortungsvoller Art mit seinem sozialen, politischen und ökologischen Umfeld auseinandersetzt, zeigt nämlich Leadership: es übernimmt eine Mitverantwortung für die Gestaltung des grösseren Geschehens rundherum und gibt ihm einen Impuls, einen Akzent, eine Richtung. Damit beteiligt es sich daran, die (Um)welt zu führen.

    Unternehmen, die sich in diesem Bereich aktiv und gut positionieren und entsprechend handeln, können, gerade wegen der wachsenden öffentlichen Aufmerksamkeit auf diesen Bereich, die Führerschaft übernehmen im Vergleich mit ihren Konkurrenten. Schon heute schreiben sich viele Unternehmen auf die Fahne, in ihrem Markt „führend sein zu wollen. Mit der angesprochenen Dimension von Leadership erhält der Begriff des „führenden Unternehmens eine neue Note.

    Ich werde diesen Aspekt von Leadership „Leadership Beyond" nennen und in Kap. 7 behandeln.

    Selbstführung – es beginnt beim Einzelnen

    Wann immer es darum geht, Führung zu übernehmen und auszugestalten und Leadership-Qualitäten zu zeigen, geht es immer auch darum, Entscheidungen zu treffen. Und damit meine ich nicht nur Entscheidungen in Bezug auf sachliche Fragen, sondern die Entscheidung für ein Verhalten: Die Entscheidung, Dinge zu tun oder zu lassen.

    Damit ist auch ganz zentral die Eigenverantwortung jeder einzelnen Person angesprochen. Natürlich sind wir alle eingebettet in Strukturen: Zeitgeschichtlich, ökologisch, politisch, gesellschaftlich, sozial. Und selbstverständlich üben diese Strukturen Einfluss auf uns aus. Die systemische Perspektive kann aber auch allzu leicht als Ausrede dafür gebraucht werden, sich nicht zu exponieren. Die strukturellen Einflussfaktoren ändern nichts daran, dass wir uns letztlich für unser Verhalten entscheiden, bewusst oder unbewusst. In gewissen Fällen setzt das voraus, ein Bewusstsein für die strukturellen Einflussfaktoren zu haben, um sich gegenüber diesen Einflüssen bewusst positionieren zu können.

    Wenn wir uns nun vergegenwärtigen, in welchen strukturellen Spannungsfeldern sich Führungskräfte bewegen, und zunehmend auch immer mehr Mitarbeitende in Organisationen, ob sie nun formale Führungsgewalt haben oder nicht, und wenn wir dazu noch die individuell biografisch gewachsenen Persönlichkeitsstrukturen jeder Person addieren, mit der sie sich auch noch herumschlagen muss, dann wird überdeutlich, dass man, wenn man Leadership meistern will, über eine ausgeprägte persönliche Reife verfügen muss. Ich werde diesen Faktor „Self Leadership" nennen und in Kap. 8 behandeln.

    Umgang mit Unsicherheit, Selbstwert, Konfliktfähigkeit, Empathie, Integrität, Ausdrucksfähigkeit, Kontakt- und Beziehungsfähigkeit sind nur einige Stichworte, die erkennen lassen, welche enormen Anforderungen die heutige und künftige Arbeitswelt an die Persönlichkeit von Mitarbeitenden und Führungskräften stellt.

    Die besondere Stellung von Self Leadership ist im Umstand begründet, dass sie Voraussetzung ist für alles andere: Alle vorher genannten Dimensionen von Leadership sind abhängig von diesem innersten Faktor, nämlich von einzelnen Personen, die besonnen, integer und reif handeln, im Dienste eines gelingenden Ganzen.

    Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ist deshalb eine

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