Rettet die Führung: Worauf es gerade in der neuen Arbeitswelt ankommt
Von Armin Zisgen
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Über dieses E-Book
Gerettet werden muss persönlich ausgeübte Führung, weil keine Organisation ohne sie auskommt. Wie das geschehen kann, zeigt dieses Buch.
Armin Zisgen
Armin Zisgen hat in Mainz Soziologie, Politikwissenschaft und Betriebswirtschaft studiert. Er hat intensive Rekrutierungserfahrung in einer Personalberatung und einem Markenartikelunternehmen gesammelt und war über zwanzig Jahre Personalleiter in einem international tätigen Maschinenbauunternehmen. Im Blog www.azmanagerblog.blogspot.com schreibt er über Personalthemen. Er hat verschiedene Artikel zur Motivation älterer Mitarbeiter und zum Business-Partner-Modell veröffentlicht.
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Buchvorschau
Rettet die Führung - Armin Zisgen
1. Auflage
© 2022 Armin Zisgen
ISBN Softcover: 978-3-347-77553-4
ISBN E-Book: 978-3-347-77554-1
Umschlaggestaltung und Satz: Carmen Fuchs
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.
Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter:
tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
Inhalt
Vorwort
I Was passiert mit Führung?
II Die drei klassischen Führungsaufgaben
1. Ziele und Aufgaben definieren
2. Feedback geben
3. Arbeitszeit planen und kontrollieren
III Es läuft einiges falsch
1. Es wird falsch geführt
Der Führungskraft mangelt es an Souveränität
Regelhörigkeit anstatt eigenverantwortlicher Entscheidung
Führen ohne Mut und Verantwortung
Opportunismus anstatt Persönlichkeit
Führen mit Druck und Angst
2. Es führen die Falschen
Die am längsten dabei sind, werden befördert
Der vermeintlich beste Fachmann wird befördert
Wer sich am besten verkauft, wird befördert
Sogar ein „funktionaler Psychopath" kann Karriere machen
IV Die klassischen Führungsaufgaben in der Krise
1. Beurteilungen
Formalismus statt Feedback
Beurteilungssysteme beurteilen zu positiv
Leistungszulagen motivieren nicht
Performance Feedback: Mehr als ein neues Etikett?
2. Ziele
Ziele sind sinnvoll, Zielvereinbarungssysteme auch?
Zielvereinbarungssysteme können das Führen mit Zielen und Aufgaben nicht ersetzen
Zielvereinbarungssysteme decken nur einen Teil des Aufgabenspektrums einer Stelle ab
Zielvereinbarungen fördern Egoismus
Zielvereinbarungen behindern Flexibilität
Ziel-„vereinbarungen" sind ein Widerspruch in sich
Mythos „Zielpyramide"
3. Arbeitszeit
Arbeitszeitsysteme messen Anwesenheit, keine Leistung
4. „Mythos Motivation"
5. Die Führungskrücken verursachen Aufwand
6. Gibt es auch positive Aspekte?
7. Weg mit den „Führungskrücken"!
V Die Rolle der HR-Funktion
VI Führung und Neue Arbeitswelt
1. Die Prophezeiungen
2. Die Realität
Leistungsverdichtung
Flexibilität
Digitaler Stress
VII Die Entwicklung der Führungskrücken
1. Arbeitszeit
2. Beurteilung
Teambeurteilung statt Individualbeurteilung
Peer Review statt Beurteilung durch den Vorgesetzten
3. Zielvereinbarungssysteme
VIII Geht es ohne Führungskrücken oder verflüchtigt sich die Führung?
1. Kann es die agile Organisation richten?
2. Demokratische Ansätze im Unternehmen
3. Selbstbestimmte Arbeit und entpersonalisierte Führung
4. Die ordnende Hand des Staates und der Gewerkschaften
IX Was passiert mit Führung?
Entlastung
Vermeidung
Entpersonalisierung
X Warum muss Führung gerettet werden?
XI Wie kann Führung gerettet werden?
1. Autorität, Macht und Herrschaft im Unternehmen
2. Der verklemmte Umgang mit der Hierarchie
3. Wie ist das mit den Werten?
XII Wertschätzende Führung rettet die Führung
Endnoten
Vorwort
Dieses Buch ist entstanden aus über dreißig Jahren erlebter und gelebter Führungspraxis. Wenn man als Personalleiter – ich verwende diese heute etwas altmodisch klingende Bezeichnung bewusst – in einem Unternehmen arbeitet, erfährt man Führung aus drei Perspektiven: man wird geführt, man führt selbst und man hat es mit dem Führungsverhalten von anderen zu tun. In allen drei Situationen erlebt man Licht und Schatten. Vor allen Dingen lernt man sehr schnell, Führung ist nicht einfach. Es ist für viele zwar durchaus reizvoll, eine Führungsposition zu haben, Chef oder Chefin von einer Anzahl Menschen zu sein, aber diese dann auch zu führen, stellt für nicht wenige eine Herausforderung dar. Der Name im Organigramm und der mit der Position verbundene Status sind nur der äußere Rahmen, aber dieser muss mit Persönlichkeit gefüllt werden – mit Führungspersönlichkeit.
Doch daran hapert es oftmals. Vielfach wird falsch geführt und manchmal führen auch die Falschen. Wie jede schwere Arbeit ist Führungsarbeit nicht beliebt. Man versucht, sie sich leichter zu machen oder sich ganz davor zu drücken und sie auf andere abzuschieben. All das passiert auch mit Führung.
Es ist für einen Personaler also unabdingbar, sich mit Führung auseinanderzusetzen.
Viele Gedanken aus dieser Auseinandersetzung sind zunächst in einen Blog¹ eingeflossen, in dem ich mich mit Themen rund um Führung beschäftigt habe. Dabei kam sehr schnell die Versuchung, ein Buch über richtige und gute Führung zu schreiben, einen Ratgeber also. Ganz abgesehen davon, dass das keine besonders originelle Idee mehr ist, melden sich auch andere Bedenken. Neben einer Vielzahl von Ideen, Ratschlägen und Hinweisen, die ein solcher Ratgeber enthalten sollte, kommen gleichzeitig auch Fragen zur Gewissenserforschung. Wie würden deine Mitarbeiter dein Führungsverhalten beurteilen angesichts deiner Ratschläge? Was hast du als Personaler dazu beigetragen, dass verantwortungsvoll geführt wird?
Das Eingeständnis eigener Unvollkommenheit muss einen nun nicht unbedingt davon abhalten, anderen Ratschläge zu erteilen. Wenn das im richtigen Ton geschieht, können andere vielleicht etwas aus den eigenen Fehlern lernen. Die zweite Frage allerdings stößt ein Tor auf, das den Blick auf ein Problem lenkt, das mindestens so gravierende Auswirkungen auf Führung hat wie individuelle Unvollkommenheit oder falsche Führung.
Es geht weit über individuelles Führungsverhalten hinaus, so dass man ihm guten Gewissens das heute so leichtgängige Adjektiv strukturell anhängen kann.
Damit aber würde ein Ratgeber an seine Grenzen kommen. Es macht wenig Sinn, Tipps für individuelles Führungsverhalten zu geben, wenn mit den Rahmenbedingungen etwas nicht stimmt. Das aufzuzeigen ist der unbescheidene Anspruch dieses Buches. Nun sollte man es sich aber auch nicht zu einfach machen, gerade wenn es um Führung geht. Führung bedeutet immer individuelles Handeln und der entschuldigende Verweis auf Strukturen oder sogenannte Sachzwänge überzeugt nur bedingt. Alles, was Struktur geworden ist, hat zwar Einfluss auf das Handeln innerhalb dieser Strukturen, aber dadurch können auch die Strukturen beeinflusst werden. Nicht zuletzt sind auch Strukturen einmal durch initiatives Handeln entstanden.
Wenn man sich also als Personaler mit diesem Thema auseinandersetzen will, ist Gewissenserforschung ein guter Einstieg. Allerdings sollten Nicht-Personaler an der Stelle nicht aufhören zu lesen. Dies ist kein Beichtspiegel für HR-Mitarbeiterinnen und die Beschäftigung mit Führung ist kein Thema, das exklusiv in den Räumen der Personalabteilung stattfindet.
Die Gewissenserforschung muss beginnen mit der überaus wichtigen Aktivität der Auswahl der für eine Führungsaufgabe geeigneten Personen und weitergehen mit der Begleitung und Unterstützung der Führungskräfte in ihrer alltäglichen Praxis bis hin zur Konzeption von beispielsweise Trainings und Seminaren. Oft genug werden diese Funktionen nicht so wahrgenommen, wie es in den Lehrbüchern vermittelt wird. Dann werden bei Auswahlentscheidungen allzu gerne Kompromisse geschlossen und anstatt die Führungskräfte wirklich zu beraten und zu unterstützen, entwickelt sich HR zur Führungsersatzabteilung. Das fängt bereits damit an, dass von der Unternehmensleitung keine Auseinandersetzung darüber eingefordert wird, wie geführt werden soll und dass das Ergebnis dieser Diskussion auch im Unternehmen konsequent umgesetzt wird. Von den Führungskräften wird viel zu wenig persönlicher Führungseinsatz gefordert. Stattdessen werden voluminöse Instrumente eingeführt, die die Führungsaufgabe unterstützen sollen.
Die Personalerinnen tun vieles, um die Führungskräfte von ihrer Führungsaufgabe zu entlasten, anstatt ihnen zu vermitteln, was Führung wirklich bedeutet.
Leider lassen sie sich dabei allzu gerne von Moden verführen, ohne zu hinterfragen, ob deren Anwendung einen Mehrwert für das Unternehmen bringt. Beispiele dafür sind das Business Partner Modell nach Dave Ulrich im Personalwesen selbst und die sogenannten agilen Methoden, auf die ich später noch zurückkomme.
Bezogen auf die klassischen Führungsaufgaben versammelt sich so unter dem Etikett des Performance Managements ein umfangreiches Arsenal an Tools, die gewährleisten sollen, dass wirkungsvoll im Sinne der Unternehmensziele geführt wird. Was dabei mit Führung passiert, wird nicht mehr hinterfragt. HR entlastet die Führungskräfte von einem Teil ihrer Führungsaufgabe, erzeugt aber bei diesen den Eindruck, dass die Anwendung des Tools schon Führung sei. Von dieser problematischen Entwicklung, die weg von eigentlicher Führung führt, soll dieses Buch handeln.
Will man wieder zum Kern von Führung vordringen, der Frage, was könnte gute Führung sein, muss man sich durch ein Labyrinth durchfinden, das durch einen Wald von schick klingenden Instrumenten gesäumt wird, in dessen Unterholz sich das Unkraut falscher Führung breit gemacht hat. Diesen Weg zu finden ist Aufgabe aller, die in einer Organisation Führungsaufgaben wahrnehmen müssen. Auch wenn die HR-Funktion hier viel Aufklärungs- und Bildungsarbeit leisten muss und kann, darf sie nicht die Deutungshoheit, was gute Führung sein kann, für sich beanspruchen. Diese muss von allen Verantwortlichen – zuvorderst von der Leitung der Organisation – erarbeitet werden.
Führung ist nichts, was man nach Rezepten umsetzen kann. Man kann Verhalten in bestimmten Führungssituationen lernen und trainieren, die persönliche Einstellung zur Führung muss man selbstreflexiv finden. Die Suche des Weges durch das Labyrinth wird so auch zur Suche des eigenen Weges hin zur Führungskraft.
Das Buch richtet sich also keineswegs nur an Beschäftigte in Personalabteilungen, wie immer sie sich auch bezeichnen mögen. Es richtet sich an alle Menschen guten Willens, die sich mit Führung beschäftigen. An Menschen, die nicht zufrieden sind, wenn sie den jährlichen Beurteilungsbogen oder das Zielformular ausfüllen, auch wenn diese in digitaler Form daherkommen, die genug haben von modischen Methoden und Tools, die ihnen im wiederkehrenden Rhythmus mit missionarischem Eifer angeboten werden, sich aber bei näherem Hinsehen als alter Wein in neuen Schläuchen entpuppen. An Menschen, die spüren, dass Führung mehr ist, dass es dabei auf sie ankommt, auf ihren persönlichen Einsatz, nicht auf die Anwendung von Tools.
Im Buch wird zwangsläufigerweise immer wieder von Menschen in verschiedenen Funktionen mit verschiedenen Bezeichnungen die Rede sein. Diese sind immer als Menschen gemeint. Von daher halte ich es auch nicht für geboten, dies ausdrücklich mit * zu dokumentieren. Da ich mich kritisch mit Führungsformalismus auseinandersetzen will, möchte ich auch keinem die Lesbarkeit erschwerenden Genderformalismus folgen. Ich habe versucht immer wieder verschiedene Geschlechts- oder neutrale Bezeichnungen zu wählen, um meine Unvoreingenommenheit zu belegen.
Ein solcher Text braucht für seine Entwicklung Austausch und Diskussion. Besonders dankbar bin ich meiner Familie für die Begleitung mit Rat, Tat und viel Verständnis während der Entstehung des Buches.
Ein Dank geht auch an die, die auf meine Blogbeiträge in der Vergangenheit mit Kommentaren, auch wenn sie kritisch waren, reagiert haben. Auch sie haben meine Gedanken beeinflusst.
I
Was passiert mit Führung?
In einem traditionsreichen mittelständischen Unternehmen in der vordigitalen Zeit steht die jährliche Beurteilungsrunde an. Die Beurteilungsformulare sind verschickt. Eine Führungskraft fragt in der Personalabteilung an, ob das Beurteilungsgespräch auch telefonisch geführt werden kann.
Zwanzig Jahre später poppt im Management-Self-Service-System der Teamleiterin in der Zentrale einer Bank der Link zum Performance-Management-Tool auf mit dem Hinweis, bitte das fällige Target-Review durchzuführen und dabei auch nicht das Feedback zu vergessen. Die Teamleiterin stöhnt und fühlt Ärger in sich hochsteigen. Ihr Team arbeitet seit Monaten die meiste Zeit im Homeoffice und sie weiß nicht, wie sie jetzt auch noch sieben Feedbackgespräche per Video-Call führen soll. Sie überlegt, eine Mail an HR zu schreiben, beschließt aber dann, die Aufforderung zu ignorieren.
In einem Maschinenbauunternehmen war die Umsatzrendite drei Jahre in Folge rückläufig. Im gleichen Zeitraum bewegte sich der durchschnittliche Zielerreichungsgrad bei den außertariflichen Angestellten über der Hundertprozentmarke mit steigender Tendenz.
Durch die Corona Pandemie sind, wenigstens kurzzeitig, wieder einmal die Zustände ins grelle Scheinwerferlicht geraten, die in einigen Großschlachtbetrieben herrschen: harte Arbeit, schlechte Bezahlung und nahezu unzumutbare Wohnverhältnisse für die Beschäftigten.
Wenn ich heute beim Getränkelieferdienst online bestelle, bekomme ich eine minutengenaue Mitteilung, wann meine Getränke geliefert werden. Auch der Paketzusteller teilt mir einen Zeitrahmen mit, wann meine Lieferung zugestellt wird. Was für mich als Kunde Komfort sein kann, bedeutet allerdings für die ausführenden Fahrer, dass sie von einem System fast minutiös präzise gesteuert werden. Da sie alle ihre Arbeitsgänge über ein mobiles Terminal abwickeln, liefern sie dem System auch gleichzeitig alle Daten darüber, wie sie ihre Arbeit machen. Wann haben sie Kundenkontakt und wie lange brauchen sie von A nach B? Auch Speditionen arbeiten mit Systemen, die es den Disponenten ermöglichen, die Fahrzeuge auslastungsoptimiert zu steuern. Dabei erfahren sie auch nebenbei, wie die Fahrer ihre Strecken bewältigen.
Aus Callcentern sind schon lange Systeme bekannt, die zur Leistungskontrolle der Agents eingesetzt werden. Nicht überraschend macht diese Entwicklung auch vor Bürobereichen nicht Halt. Dort sind längst digitale Überwachungsprogramme im Einsatz. „Sie heißen Protectcom („die Nr. 1 in Deutschland für Überwachungs-Software), Time Doctor, Veri Clock, Activetrack, Enaible oder Teramind. Die Software schreibt ein Logbuch des Nutzerverhaltens: Sie wertet Tastatureingaben auf Mitarbeiter-Laptops aus, speichert besuchte Websites, aufgerufene Programme sowie geöffnete Ordner und fertigt alle paar Minuten einen Screenshot vom Bildschirm an.
² Wenn der Chef früher das Beurteilungsgespräch am Telefon führen wollte und die Teamleiterin heute keine Möglichkeit sieht, ihren Leuten Feedback zu geben, kennzeichnet das Führungsverhalten. Wenn Zielvereinbarungen aus dem Ruder laufen, liegt das nicht nur an der Konzeption des Systems, sondern auch daran, dass die Vorgesetzten offensichtlich die Zieleinhaltung nicht konsequent verfolgen oder gar die falschen Ziele vorgeben. Die Arbeitsbedingungen auf Schlachthöfen gehen auf die Entscheidungen von Menschen zurück, denen der Profit wichtiger ist als die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten. Und auch die Nutzung von Software wird von Managern veranlasst, die dafür berechtigte Gründe angeben, aber möglicherweise auch kein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitenden in ihrer Organisation haben.
Die Beispiele lassen Fragen aufkommen.
Die Bandbreite reicht von Wie wird hier geführt? bis hin zu Wird überhaupt noch geführt? im Fall der Software-Beispiele.
Nicht zufällig beginnen die Beispiele mit einer Anekdote aus einer Beurteilungsrunde. Gerade die Instrumente des mittlerweile sogenannten Performance Managements wirken wie Brenngläser zur Beobachtung des Führungsverhaltens, da sie klassische Führungsaufgaben bündeln.
Nicht nur das kollektive Stöhnen, das diese Aktionen regelmäßig hervorrufen, viel mehr noch die Ergebnisse, die nachher dabei herauskommen, sind Anlass genug, gerade diese Instrumente in ihrer Wirkung auf Führungsverhalten zu hinterfragen.
Die Palette der Beispiele, aber auch die kontinuierliche mediale Diskussion rund um das Thema Führung zeigen, dass es sich um ein komplexes, dynamisches, aber offensichtlich auch problembehaftetes Phänomen handelt. Führung ist schwierig und deshalb ungeliebt. Führung wird gerne mit autoritär sein verwechselt und deshalb von den einen durchaus gutgeheißen, von anderen dagegen verpönt. Diese wiederum neigen dazu, sie mit Laissez-faire zu verwechseln. Führung und erst recht gute Führung lässt sich auch mit der klangvollsten Managementlyrik nur schwer auf den Punkt bringen. Sicher auch deshalb ist die Diskussion über Führung zum Spielball von Moden geworden.
Aktuell werden gerade die agile Organisation und New Work auf dem Cat Walk vorgeführt. Kaum hat in Folge von Corona die Homeoffice-Arbeit zugenommen, wird von den einschlägigen Medien und auch sonstigen Interessierten wie Beratern die Problematik der hybriden Führung proklamiert.
Organisationen haben nun dafür zu sorgen, dass diese schwierige Führungsaufgabe ordentlich ausgeübt wird, damit am Ende – in welcher Form auch immer – ein gutes Ergebnis steht.
Sie reagieren darauf mit typischen organisatorischen Maßnahmen. Sie führen Regelungen, Methoden und Verfahren ein oder stellen Werkzeuge zur Verfügung, die dabei helfen sollen.
Organisationen aber sind keine eigeninitiativ handelnden Wesen. Sie sind auf Menschen angewiesen, die in ihnen handeln und Entscheidungen treffen. So entsteht eine scheinbar paradoxe Situation, die aber grundlegend für die Arbeit einer Organisation ist. Eine Organisation kann nicht ohne die Beiträge ihrer Mitglieder leben, gleichzeitig aber darf sie nicht von einzelnen Individuen abhängig sein.
Auf die Führungsaufgabe bezogen könnte man nun folgende These formulieren:
Um diese Aufgabe zu bewältigen, ist die Organisation auf Führungskräfte angewiesen, muss aber dafür sorgen, dass die Durchsetzung und Sicherstellung der Leistungserbringung nicht allzu abhängig von den Fähigkeiten der individuellen Führungskraft ist.
Um es zuzuspitzen: Letztendlich sind es die Führungskräfte selbst, die eine Entwicklung vorantreiben, die Führung von Menschen unabhängig machen soll.
Dynamik bekommt diese Entwicklung durch den Optimierungs- und Rationalisierungsdrang, der Organisationen immanent ist, aber auch von außen bewirkt wird. In Wirtschaftsunternehmen ist dafür die Notwendigkeit, Gewinn zu erzielen entscheidend.
Wichtige Verstärker der Entwicklung sind natürlich auch das Bestreben, defizitäres Führungsverhalten auszugleichen wie auch die technologische Entwicklung.
Um die These zu überprüfen, wollen wir den Spuren folgen, die dieser Prozess auf dem unwegsamen Gelände der Führung hinterlässt.
Was passiert dabei mit Führung? Wird sie besser oder schlechter oder geht sie gar verloren?
II
Die drei klassischen Führungsaufgaben
1. Ziele und Aufgaben definieren
Keine Organisation, unabhängig von ihrer Größe, kommt ohne die hier skizzierten Elemente von Führung aus. Eine unternehmerische Organisation, das gilt für einen Handwerksbetrieb wie für einen Autohersteller, will eine Leistung erzeugen und damit einen Ertrag erwirtschaften. Um diesen Unternehmenszweck erfolgreich umzusetzen, muss sie sich Ziele vorgeben, die sie in Aufgaben zerlegt ihren Mitgliedern zur Abarbeitung vorgibt. Nur ist es nicht die Organisation, die das leisten muss, sondern die Menschen, die in ihr aktiv sind. Und es kann auch nicht jedes Mitglied Ziele vorgeben und Aufgaben verteilen. Je arbeitsteiliger die Organisation ist, desto höher ist der Koordinierungsaufwand. Folglich muss es in der Organisation Mitglieder geben, die dazu berechtigt sind, Ziele und Aufgaben vorzugeben: die Führungskräfte. Ihre Aufgabe ist aber nicht nur, Ziele zu formulieren und die Arbeit zu verteilen, sie müssen auch dafür sorgen, dass sie erfolgreich erledigt wird. Ziele zu formulieren und dafür zu sorgen, dass die daraus abgeleiteten Aufgaben erfolgreich abgearbeitet werden, sind somit zwei existenzielle Führungsaufgaben, die in einer Organisation geleistet werden müssen. Die Organisation ist auf Mitglieder angewiesen, die dazu bereit und in der Lage sind, diese Aufgaben zu übernehmen. Aber auch diese Führungskräfte können nicht schalten und walten wie sie wollen. Die Organisation muss also Regeln vorgeben, die sicherstellen, dass die Entscheidungen nach den gleichen Grundsätzen getroffen werden. Wir merken, wie verführerisch es ist, von der Organisation zu sprechen. Dabei wird natürlich auch das grundsätzliche Regelwerk von Menschen formuliert und vorgegeben. Wir sollten diesen Gedanken nicht aus den Augen verlieren. Wenn man schon dabei ist, Regeln aufzustellen, wird man auch solche Aktivitäten einbeziehen, die immer wieder vorkommen. Routinen müssen nicht immer wieder neu entschieden werden. Damit fängt die Entwicklung an, die uns im Folgenden beschäftigen