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Haller 13 - Schuld
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eBook98 Seiten1 Stunde

Haller 13 - Schuld

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Über dieses E-Book

Das ist doch nicht meine Schuld – oder doch? Wir werden schuldig, machen Schulden, gehen an unserer Schuld zugrunde, sühnen, bekommen Schulden erlassen, haben Mitschuld oder sind doch unschuldig – an allem?
Deine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld: Das ist das Thema, dem sich acht Autoren gewidmet haben. Surreale, reale, ernste, verzweifelte und manchmal melancholische Geschichten.
SpracheDeutsch
Herausgeberp.machinery
Erscheinungsdatum14. Okt. 2016
ISBN9783957659699
Haller 13 - Schuld

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    Buchvorschau

    Haller 13 - Schuld - p.machinery

    3

    Vorwort

    Das ist doch nicht meine Schuld – oder doch? Wir werden schuldig, machen Schulden, gehen an unserer Schuld zugrunde, sühnen, bekommen Schulden erlassen, haben Mitschuld oder sind doch unschuldig – an allem?

    Deine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld: Das ist das Thema, dem sich acht Autoren gewidmet haben, deren Texte nun in dieser 13. Ausgabe unserer Literaturzeitschrift vorliegen.

    Surreale, reale, ernste, verzweifelte und manchmal melancholische Geschichten warten auf Sie. Neben Autoren, die bereits bekannt und erfolgreich sind, werden Ihnen auch neue Namen begegnen: Schauen Sie in die Vitae am Ende der Zeitschrift, es wird spannend!

    Dazu zeigen wir vollkommen unterschiedliche, ungewöhnliche Bilder, die das Thema auf mannigfaltige Weise aufnehmen.

    Cornelia Arbaoui: Engel der Sühne

    Michael Wenzel: Der schlimmste Mensch im Dorf

    Links, wo es zum Buchenwald geht, am Bach vorbei, wo die weißen Steine schimmern wie Eimer voll Milch, überwachsen vom Holunder, der duftet, als wäre der Himmel sperrangelweit offen, steht das Anwesen vom Beutler: Haus, Scheune und der lang gestreckte Saustall. Vielmehr steht dort, was von allem übrig ist.

    Die Fenster mit Querhölzern vernagelt, zerworfen das blinde Staubglas, aus scherbengespickten Mäulern gähnen Moder und Schimmel. Während Salzgrind die Wände benagt, blutigrote Schrunden aufreißt, öffnet sich ein Zeitriss quer durch die Tür.

    Das Dach hat seine Haut stückweise zu Boden geworfen, um das leere Herz aufzudecken hinter blanken Rippen.

    Über die Vorderfront vom Stall ist in großen Lettern gepinselt, mit der roten Ochsenbeize: Braten sollst in der Höll, Saubeutler. Man kann ein paar Buchstaben noch lesen, wenngleich sie eine Ewigkeit her ist, die furchtbare Sache mit dem Beutler.

    Von dem keiner weiß, wo sein Grab liegt, wo sie ihn verscharrt haben.

    Dem sie, in der Hauptstadt dorten, den Kopf abgeschlagen haben, mit dem Fallbeil, und ihn zwischen seine Knie legten, im Brettersarg. Mit dem Gesicht nach unten. Damit er für immer in den Abgrund der Hölle schaue.

    Dem sie die Totenkiste zuhämmerten, mit fingerlangen Zimmermannsnägeln, um den Sauhund nicht mehr auskommen zu lassen.

    Dem sie keinen Pfarrer mitgegeben haben, keine Menschenseele, kein Gebet für seinen Weg ins Feuer, das ihn ewig brutzeln soll.

    So sagen sie. So erzählen sie und fluchen ihm hintennach.

    Über hundertfünfzig Jahr ist es her.

    Doch zum Beutler haben alle vom Dorf was zu sagen, alle ihre Geschichten abzugeben: die Alten an der Dorfeiche oder die Hausfrauen beim Metzger Kaindl, die Bierdimpfel vom Ochsen, der Lehrer und Pfarrer, die Kanzelschwalben, selbst die Gassenkinder, denen der Beutler bis in den Schlaf nachläuft. Mit dem Hackebeil.

    Gesoffen soll er haben, wie ein Loch, und herumgehurt in der Stadt, in so einem feinen Loch, wo der Schampus eine ganze Stange Geld kostet.

    Andre sagen, er hätte eine Magd gehabt, ein Luder, wie es schlimmer nicht mehr geht, einen Schlitz, einen geilen Teufel. Sie soll ein Kind von ihm getragen haben, im Bauch, eines mit Hörnern, ein Kind des schlimmen Blutes.

    Viel Geld habe er angeblich beiseitegeschafft, aus den Grundstücken, die die Beutlerin geerbt hat. Er wollt noch mehr zusammenraffen. Weil er den Hals nicht vollkriegte.

    Manche sagen auch, der Beutler wollt raus aus dem Dorf, in die schöne und weite Welt hinaus. Nur seine Frau hätte ihn nicht gelassen. Und dann wäre es halt passiert.

    Wenn man die ganzen Geschichten zusammenlegt, gibt es überhaupt keine Geschichte, höchstens einen Klumpen von Sachen, ein Knäuel von verdrehtem Zeugs, das umherkreist wie die Enten auf dem Dorfteich. Das man nie und nimmer in eine Reihe kriegt.

    Manche sagen auch, dass der Beutler und seine Frau gut miteinander gelebt hätten, vielleicht ein bisschen für sich. Aber keiner hat je ein böses Wort gehört über den andern, keiner. Das sei alles spinnertes Gerede von denen, die sich wichtigmachen und ihren eignen Unrat auf den Beutler legen.

    Man weiß höchstens, dass der Beutler anfangs ein kleiner Bauer war, der Kartoffeln anbaute und Mais und die Schweine in den Buchenwald trieb, zur Mast mit den feinen Eckern. Er und die Beutlerin lebten dorten, ein ganzes Stück vom Dorf weg. Sie gingen am Sonntag in die Kirch, er nachher in den Ochsen. Kinder haben sie keine gehabt, zum Glück, wie die Weiber flüstern. Vielleicht, weil mit dem Beutler was war. Er verkaufte seine Säue an einen Viehhändler aus der Stadt, den die andern nicht kannten. Da schauten die andern Bauern schon schief und scheel, wie man denken kann. Er soll gute Säue gehabt haben, ein gutes Geld gekriegt haben. Aber das ist Geschwätz, das kein Stück näher zur Einsicht führt.

    Und dann hat die Beutlerin, wie gesagt, geerbt, Grundstücke von einem Onkel mütterlicherseits. Aber deswegen hat sie auch nicht anders gelebt, andere Sachen angehabt oder mit dem Geld um sich geschmissen. Und deswegen haute er sie nicht in Stücke.

    Sie steht an der Mehltruhe, hat den Deckel hochgeklappt, als der Beutler hereinkommt. Er sagt nichts. Sie hört ihn und dreht sich um. Sie will allenfalls noch etwas sagen oder fragen, erschrickt womöglich, weil er den Arm hebt, wo am Ende, aus der Faust, ein Hammer ragt.

    Er schlägt ihr so heftig auf den Kopf, vorne wo die Stirne glatt ist, dass er es krachen hört. Da zerbricht ziemlich viel. Eine Flüssigkeit, von der er weiß, dass es Blut ist, wirft sich zu ihm herüber, und sie fällt nach hinten wie ein umstürzendes Kalb, das den Bolzen in den Schädel bekommt. In die Mehltruhe fällt sie, wo sie hängen bleibt. Er schaut auf sie herab, der Hammer fällt zu Boden. Er geht aus dem Zimmer.

    Sie haben später festgestellt, dass er sie eine ganze Weile so hat liegen lassen, halb in der Mehltruhe drinnen. Rote Klumpen im weißen Mehl, die Zeit geht mit zitternden Lippen durch die Stuben. Sie haben später gefragt, was er währenddessen gemacht habe. Ob er drüber nachgedacht habe, ob er eine Wut hatte. Er sagte nichts.

    Er kommt wieder herein, sieht sie nicht an, weil genug anderes in seinem Kopf ist, zieht sie hoch, um sie sich über die Schulter zu werfen. Ihr Kopf schlenkert hin und her, das Blut läuft ihm an der Schulter herab, tropft auf den

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