Das Amulett in der Wüste
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Über dieses E-Book
Teil 2 der New-Steampunk-Age-Reihe taucht tief in die Welt der Vampire ein und offenbar, wie nahe sich Magie und Mythos sind.
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Die Steampunk Akten
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Rezensionen für Das Amulett in der Wüste
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Buchvorschau
Das Amulett in der Wüste - Fay Winterberg
Programmheft.
Das Amulett in der Wüste
Fay Winterberg
Information zur New-Steampunk-Age-Reihe
Teil 1
Wien – Stadt der Vampire
Teil 2
Das Amulett in der Wüste
Teil 3
Kain – Der erste Vampir
Teil 4
Erscheint bald im Art Skript Phantastik Verlag
Impressum
Copyright © 2016 Art Skript Phantastik Verlag
Copyright © 2016 Fay Winterberg
Lektorat/Korrektorat » Marion Lembke
www.mysteryofbooks.de
Gestaltung » Grit Richter | Art Skript Phantastik Verlag
Cover-Illustration » Barbara Brosowski Utzinger
www.akeyla.com
Innsenseiten-Illustrationen » Origins Digital Curio
über www.creativemarket.com
Autorenfoto » David Knospe | www.davidknospe.de
Der Verlag im Internet
www.artskriptphantastik.de
Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit realen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Über die Autorin
Fay ist ein Kind der späten 80er Jahre und diesem Jahrzehnt in allem außer dem Kleidungsstil treu geblieben. Schon früh entdeckte sie die Liebe zum Unheimlichen, so war ihr Lieblingsmärchen »Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen«. Später faszinierten Sie Filme wie »The Addams Family«, »Nightmare before Christmas« und »Beetlejuce«. Der erste Vampir, in den sie sich verknallte und der auch gleichsam Ursprung ihrer Vernarrtheit zu Vampiren wurde, war Lestat und diese Liebe dauert bis heute an. Durch Pop-Musicals wie »Tanz der Vampire«, Animes wie »Vampire Hunter D« und Mangas wie »Trinity Blood« vertiefte und erweiterte sie ihr Wissen um die dünster-schönen Wesen der Nacht. Kein Wunder, dass bald der Wunsch in ihr erwachte, selbst Vampir-Geschichten zu schreiben.
Besuchen Sie Fay auf
Facebook - www.facebook.com/FayWinterberg
Ihrem Blog - derwinterberg.blogspot.de
Vorwort von Stefanie Mühlsteph
Was ist Steampunk? - Für die Einen ist es viktorianisch angehauchte Mode oder Kunst, für die Anderen Zahnräder und Dampfschwaden, Dystopie einer vergangenen Zeit oder Neo-Futurismus. Steampunk ist Jules Verne und H. G. Wells, Science Fiction und alternative Zukunftsvisionen.
Für mich ist Steampunk Abenteuer, Wissenschaft und ein Quäntchen Wahnsinn. Aus diesem Grund begann ich die New Steampunk Age-Reihe zu lesen. Es war neu, aufregend und macht das, was den Steampunk so besonders macht. Er erschafft neue Dinge. Mischt Altes und Modernes. Literarisch gesehen zwei Genre.
Lilith ist dabei nicht wie Phileas Fogg oder Nemo. Nein, sie ist Lilith und lebt in einer Welt, in der es Vampire gibt, Menschen und andere Wesen, die man aus anderen Urban Fantasy Romanen kennt. Was »Wien – Stadt der Vampire« besonders macht ist die Verquickung dieser zwei Elemente: Steampunk und städtische Fantasy, wie wir sie kennen. Die Vampire sind aristokratische Clockworker, aber auch toughe Frauen, die für ein gemeinsames, friedliches Zusammenleben von Mensch und Vampir kämpfen.
So lernte ich nicht nur das Buch kennen, sondern auch Fay.
Als mich Fay Anfang 2014 fragte, ob ich Betaleserin für den zweiten Band sein möchte, konnte ich nicht Nein sagen. Sie warf mich bildgewaltig in eine Welt, die noch phantastischer und vollständiger war als Band 1. Es war eine Steigerung zum ersten Teil, nicht nur von der Geschichte her, sondern auch ihrer Technik. Fay hatte sich jede einzelne Kritik, jede Rezension und jeden Verbesserungsvorschlag der Leser zu Herzen genommen. Auf jeder Seite spürte man ihre Leidenschaft für den Steampunk und Liliths Geschichte brennen. Sie will diese Geschichte nicht einfach erzählen, sondern möchte den Leser einfangen und ihn auch zum Lodern bringen.
Ich war dabei, als die Reihe neu und majestätischer wiedergeboren wurde. Und Dir, werter Leser, wünsche ich viel Spaß bei diesem grandiosen Abenteuer!
Zeitstrahl
Dieses Buch spielt im 23. Jahrhundert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Sie – werter Leser – mit der einen oder anderen historischen Tatsache nicht vertraut sind. Um Ihnen einen kleinen Einblick in die Ereignisse der bald bevorstehenden Zukunft zu geben, wurde für Sie dieser Zeitstrahl angelegt. Ich hoffe, Sie empfinden ihn als nützlich.
Technikum | 1989 bis 2033
Mit dem Fall der Berliner Mauer wurde das Technikum Zeitalter begründet. Diese Jahrzehnte sind geprägt von technischen Fortschritt und dem Streben nach immer leistungsstärkeren Gerätschaften.
Interstellar-Ära | 2033 bis 2090
Auch bekannt als Das neue Raumfahrtzeitalter. Eine kurze Zeitspanne geprägt von mehreren bemannten Flügen ins Weltall. Nach dem Scheitern der letzten großen Mission und dem Absturz des Raumschiffes Asgard 7 nahm die Interstellar-Ära ein rasches Ende und wich sogleich den Jahren der Jagd.
Die Jahre der Jagd | 2090 bis 2100
Mit der Offenbarung von Arcadiel DeBohéme, das Vampire und andere mystische Wessen wahrhaftig existieren, begann auch die weltweite Jagd auf sie.
Das New Steampunk Age | 2100 bis heute
Der Erlass der Neuen Europäischen Gesetzte sicherte den Frieden zwischen menschlichen und übernatürlichen Wesen. Der Krieg hat die Ressourcen der Erde aufgebraucht und so besinnen sie sich auf die alte Technik der Viktorianischen Ära zurück und verbinden diese mit den Errungenschaften des Technikum-Zeitalters.
Prolog | Die Schlafende
Das letzte Licht des sterbenden Tages drang durch einen Spalt zwischen den schweren Samtvorhängen hinein in das alte Zimmer, in dem sie lag. Die Schleier des mittelalterlichen Himmelbettes waren geöffnet und die matten Sonnenstrahlen fielen auf ihren Körper. Fast hätte man sie für tot halten können, doch alle paar Minuten tat ihr unsterbliches Herz eine sanfte Bewegung, die von dem leise tickenden Gerät neben dem Bett aufgezeichnet wurde. Eingehüllt in ein Schlafgewand, das im letzten Jahrhundert schon aus der Mode gekommen war, sah sie friedlich und mit sich und der Welt im Reinen aus. Ihr langes, blondes Lockenhaar war fein säuberlich auf das weiche Kissen drapiert worden.
Ruhe beherrschte diesen Ort. Das dicke Fensterglas hielt jeden erdenklichen Lärm draußen. Feine Staubkörnchen tanzten im Licht, bevor sie lautlos zu Boden fielen. Doch von dieser friedlichen Stille bekam die Schlafende nichts mit, denn innerlich schrie sie aus Leibeskräften und fragte sich, warum niemand sie hörte.
Die Zimmertür öffnete sich und ein junger Mann erschien. Seine plötzliche Anwesenheit tat der Friedlichkeit des Zimmers nichts an. Er schloss lautlos die Tür und trat auf das Bett zu.
Sein Gesicht, das sonst eine aristokratische Gleichgültigkeit aufwies, war voller Trauer, als er auf die Schlafende hinabblickte.
»Guten Abend, Margarete«, begrüßte er sie wie jeden Abend. »Gibt es etwas, dass ich für dich tun kann?«
Sie antwortete ihm mit Schweigen und er versuchte wie sonst auch, nicht allzu enttäuscht zu sein. Sie war sein Anker, seine Rettung, ohne sie würde er schon lange nicht mehr auf Erden wandeln. Vorsichtig ließ er sich auf dem schmalen Bettrand nieder.
»Ich bin da«, sagte er, wie er es immer tat, wenn die Verzweiflung ihn übermannte. »Ich bewache deinen Schlaf, ich schütze deinen Körper. Aber du musst zurückkommen. Balthasar braucht dich, und ich brauche dich auch.«
Die Sonne verschwand hinter den Häuserschluchten Berlins und ließ das Licht im Zimmer ersterben. Der junge Vampir seufzte tief. Sie so zu sehen, schmerzte ihn mehr als alles, was er sich in seinen schlimmsten Albträumen je hätte erdenken können.
Langsam erhob er sich, doch plötzlich riss es ihn wieder hinunter. Verstört sah er auf seinen Arm, der von einer bleichen Hand gepackt worden war. Er wandte seinen Blick Margaretes Gesicht zu. Ihre Augen waren weit aufgerissen.
Schnell beugte er sich zu ihr. »Ich bin hier!«, rief er in der Hoffnung, sie so besser erreichen zu können.
Ihre blauen Augen suchten seine.
»Alles wird gut, ich bin da«, wiederholte der Vampir immer wieder.
Ihre trockenen Lippen teilten sich und er neigte sich noch tiefer, um jedes Wort aufzunehmen.
»Das Ende der Welt ist nahe!«
1 | Post aus London
Lilith ergriff das Geländer der rollenden Straßenbahn, schwang sich hinauf und blieb neben dem Eingang am Ende des Waggons stehen. Ratternd gewann die Bahn an Fahrt. Mit acht Zentimeter hohen Absätzen und fünf Einkaufstüten, die ihr in der Armbeuge schmerzten, wollte sie nicht lange stehen. Lilith öffnete die grüne Tür mit der großen Glasscheibe und trat in den warmen Innenraum.
Der Schaffner kam mit missbilligendem Blick auf sie zu. »Auch wenn dieser antike Waggon mit dem stabilen Geländer dazu einlädt, das Aufspringen während der Fahrt ist strengstens untersagt, junge Dame«, tadelte er und stempelte ihr Tagesticket ab. Lilith versuchte, schuldbewusst zu schauen, obwohl es ihr so viel Spaß gemacht hatte, und setzte sich auf den freien Polstersitz am Ende der Reihe. Dass er sie als junge Dame bezeichnete, freute die Fast-Siebenundzwanzigjährige umso mehr.
Diese junge, milde Märznacht war wie fürs Shoppen gemacht, doch Lilith hatte schon viel zu viel Zeit auf der Prager Straße verbracht. Sie war erschöpft und lehnte sich gegen die hölzern vertäfelte Wand; zum Glück verhinderten die lauten, ratternden Geräusche der Bahn ein schnelles Einschlafen.
Sie neigte ihren Kopf zur Seite und erblickte die Werbebroschüren neben sich. Theater- und Cinématographen-Aufführungen fanden hier ebenso ihren Platz wie Ausstellungen und Künstlergesuche.
Lilith überflog die Auslage, die in rechteckigen Prospekthaltern aus Glas an der Wand angebracht waren. Jahrmarkt der Maschinen – Dieses Jahr wieder mit großer Erfindermesse hieß es auf einem der größeren Flyer. Das Cinématographen-Theater am Waldschlösschen warb mit Filme der Vergangenheit – Die großen Sternstunden der Kinojahre 2000 bis 2050. Lilith schnappte sich einen Prospekt. Dahinter kam ein anderer zum Vorschein. Dresden, wie eine Stadt überlebt –Von der Weimarer Republik über den Nationalsozialismus und die DDR, dem Technikum-Zeitalter, der Interstellar-Ära bis hin zu den Jahren der Jagd und den Anfängen des New Steampunk Age. Auch diesen Handzettel nahm sie an sich und schlug ihn sogleich auf.
Die Ausstellung zeigte Überbleibsel der vergangenen Jahrhunderte in Form von Alltagsgegenständen wie Kleidung, Uhren, Mobiltelefonen und dem letzten funktionstüchtigen Tablet aus dem Jahre 2087 – wie der große Werbestempel verkündete. Auch die Entwicklung der Technologie wurde vorgestellt. Wie sie sich bis zu den Jahren der Jagd gesteigert hatte und dann einen rapiden Rückgang erfuhr.
Technologie aus dieser Zeit gab es noch genügend, es mangelte lediglich an den Leuten, die sie bedienen konnten. Pläne zum Bau von Flugzeugen oder Atomkraftwerken gab es massenweise, doch die finanziellen Mittel waren zu gering, der Aufwand zu groß und selbst wenn irgendjemand ein solches Projekt in die Wege leiten sollte, fehlte es noch immer an geschultem Fachpersonal.
Mittlerweile waren die Leute mit Luftschiffen und Dampflokomotiven zufrieden und keiner wollte mehr zum Mond oder zum Mars reisen. Die am besten erhaltenen Überbleibsel der vergangenen Technologie waren das Telekommunikationsnetzwerk, die Waffenherstellung und das Internet – auch wenn während des Krieges einige Server zerstört worden waren.
Die Hersteller des Flyers hatten das nicht einmal annährend so gut zusammengefasst wie Lilith gerade in ihrem Kopf. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte sie sich darum gerissen, an diesem Projekt beteiligt zu sein. Doch man hatte sich für einen anderen Bewerber entschieden. Sie war stattdessen nach Japan gegangen, um einem Archäologen zu assistieren. Dieser wiederum war auf die Taishô-Ära spezialisiert, die in Japan die Zeit um den Ersten Weltkrieg herum markiert.
Im Nachhinein hatte sich diese Fügung doch als die bessere Wahl herausgestellt. Zumindest bildete sich das Lilith ein. Las sich auch gut im Lebenslauf: von Tokio nach Berlin, dann Dresden, dann Wien …
Vor ein paar Tagen war sie von dort zurückgekehrt. Fast eine Woche, nachdem sie Phineas Bell-Carolinga begegnet war. Die beiden waren durch Foedus Facer, eine wenig bekannte Form der Vampir-Magie, die nur zwischen einem vollwertigen Vampir und einem Halbvampir auftreten konnte, miteinander verbunden. Der Zauber bewirkte, dass sie die Kräfte des anderen anzapfen oder, was seltener vorkam, dessen Gedanken und Gefühle spüren konnten. Lilith sah vermehrt fremde Erinnerungen, die in Form von Träumen kamen. Meist konnte sie sich jedoch an kaum etwas erinnern. Schemenhafte Gestalten und Orte aus einer Zeit weit vor ihrer Geburt waren alles, was am Ende des Traumes blieb.
Mit Liebe hatte diese Verbindung nichts zu tun. Sie mochte Phineas, dennoch kannte sie ihn schlichtweg zu wenig, um beurteilen zu können, ob da mehr draus werden könnte. Und selbst wenn … die Geliebte eines Vampir-Prinzen wurde in der Gesellschaft ebenso abfällig beäugt wie die 20-jährige Frau eines 60-jährigen Multimillionärs. Jeder, der sich auf eine solche Beziehung einließ, musste mit diesem Vorurteil klarkommen. Nur wenn man sich bereits einen Namen in der Politik gemacht oder auf andere Weise eine hohe Position in der Vampirwelt einnahm, konnte man sich eine solche Beziehung leisten.
Warum machte sie sich schon wieder darüber Gedanken? Sie stöhnte leise und sah aus dem Fenster. Nur noch zwei Stationen. Sie ließ die Schultern kreisen und streckte ihre Beine aus.
Nie wieder hohe Schuhe beim Shoppen!
Dieses Mantra sprach sie in Gedanken vor sich hin, obwohl es ja doch nichts brachte. Zumindest musste sie nicht mehr an Phineas denken.
Die Bahn hielt an und Lilith erhob sich, wobei ihre Knöchel beim ersten Auftreten bösartig knackende Geräusche von sich gaben. Der Weg zur Residenz war gerade noch zu schaffen, doch die Kieselstein-Auffahrt hinauf musste sie aufpassen, nicht zu verunglücken. Zum Glück war sie allein, jeden Begleiter hätte sie vollgejammert und dann doch nur ein »Selber schuld« zu hören bekommen.
Nie wieder hohe Schuhe beim Shoppen!
Kaum hatte sie die Haustür hinter sich geschlossen, kam ihr auch schon Mercedes entgegen. Die Sekretärin ihres Vaters war wie immer perfekt gekleidet in ein schlichtes Ensemble aus weißer Bluse und langem, schwarzem Rock, lediglich das farblich passende Taillenkorsett war aufwendig gearbeitet. Wie Mercedes den lieben langen Tag auf hohen Stiefeletten mit dünnem Absatz herumlaufen konnte, während sie selbst es keine drei Stunden durchhielt, war Lilith ein Rätsel.
»Dein Vater möchte mit dir sprechen«, verkündete die Französin.
»Uff«, gab Lilith nur von sich und reichte ihr eine Tüte. »Deine Bestellung.«
»Merci vielmals.«
»Kann ich die Einkäufe noch abstellen?«
»Natürlich«, meinte Mercedes. »Soll ich dir etwas zu trinken bringen lassen? Einen Kaffee?«
»‘ne heiße Schokolade wäre super«, gab sie dankend zurück und wollte gerade die Treppe in den ersten Stock nehmen, da knallte dort eine Tür zu. Balthasar erschien am oberen Absatz und rannte die Stufen in einer Geschwindigkeit herunter, die selbst für einen Vampir ungewöhnlich schnell war.
»Mercedes, meine Schlüssel!«, rief er der Sekretärin zu, die rasch einen Schlüsselbund aus ihrer engen Rocktasche zog.
Balthasar schnappte danach und war gleich darauf hinter der Tür zur Garage verschwunden.
»Was war das denn?«, fragte Lilith an Mercedes gewandt, diese zuckte nur mit den Schultern.
Lilith schüttelte den Kopf und machte sich dann erneut an den Aufstieg in den ersten Stock.
* * *
Langsamer als sonst schloss Lilith die Tür zu ihrem Zimmer auf und betätigte mit dem Ellenbogen den Lichtschalter. Eine nackte Glühbirne erhellte den noch nicht vollständig neu eingerichteten Raum. Sie stellte die Taschen vor dem Schrank neben der Tür ab und sank auf ihrem Bett nieder. Endlich konnte sie die wunderschönen und gleichsam schmerzenden Schuhe ausziehen. Unter einer Mischung aus Jammern und Lachen – über ihre eigene Blödheit – streckte sie die Füße aus und kreiste sie langsam. Auch wenn der Schmerz nicht aufhörte, wurde er zumindest erträglicher. Sie ließ die Füße noch ein paar Minuten länger einfach nur Füße sein und erhob sich dann gemächlich.
Barfuß ging sie über den Parkettboden zwei Gänge weiter zum Büro ihres Vaters und klopfte an. Kommentarlos öffnete Elias die Tür und sprach dann weiter mit der Person am Telefon. Mit einer Handbewegung bedeutete er ihr, in den Wintergarten zu gehen. Lilith folgte seinem Wink und begab sich in den angrenzenden Raum. Mittlerweile standen dort Grünpflanzen und Kakteen vor der hohen Glasfassade.
»Aua!« Prompt hatte sie sich an einem neu platzierten Kaktus gestochen, der etwas zu nahe neben der Tür stand. Sie bückte sich und schob ihn vorsichtig ein Stück zur Seite. Der kleine Riss auf ihrem Handrücken schloss sich sofort und hinterließ nur einen feinen, roten Strich. Noch ein Nebeneffekt! Seit dem Aufeinandertreffen mit Phineas hatten sich ihre Selbstheilungskräfte gesteigert. Kleinere Verletzungen heilten im Nu. Was Lilith als durchaus praktisch empfand.
Sie sah sich um. In diesem kleinen Dschungel-Zimmer wirkten der dunkle Parkettboden und die Mahagoni-Möbel merkwürdig surreal, fast als wäre ein Urwald um sie herum gewachsen. Die antike Enigma-Maschine war von ihrem Platz neben der Tür auf einen robusten Schreibtisch versetzt worden, dort schmiegte sie sich perfekt ein neben einigen alten Bildern, der Schreibtischlampe, Kugelschreibern und Postkarten aus aller Herren Länder.
Lilith setzte sich davor und tippte gedankenverloren auf der Maschine herum. Vor dem Fenster war es noch immer dunkel, doch ihren tiefsten Punkt hatte die Nacht bereits überschritten.
Die Tür öffnete sich und Mercedes trat ein. Hinter ihr fluchte Elias und wählte eine Nummer auf seinem Mobiltelefon.
»Ich bringe dir deine heiße Schokolade«, meinte die Sekretärin und stellte den hohen Becher neben Lilith auf den Schreibtisch. Nun, da sich die beiden etwas besser kannten, empfand Lilith Mercedes als weitaus angenehmer als bei ihrem ersten Treffen.
»Kannst du damit umgehen?«, fragte die Französin und nickte zu der Chiffriermaschine hinüber.
»Ja, mein Vater hat es mir beigebracht, als ich noch klein war«, antwortete Lilith. »Wir haben uns verschlüsselte Nachrichten hin und her geschickt. Kannst du sie auch bedienen?«
»Oui, ich habe es während des Zweiten Weltkrieges gelernt«, erwiderte Mercedes. »Damals habe ich in einem Auffanglager gearbeitet. Wir boten Vampiren Unterschlupf und Verpflegung, aber vor allem Schutz vor den Jägern. Ich schrieb Nachrichten an andere solcher Einrichtungen und an die Residenzen.« Sie lächelte. »Ich glaube, damals habe ich auch einige Korrespondenzen mit deinem Vater geführt. Das war natürlich lange, bevor er Prinz von Dresden wurde.«
»Du glaubst?«
»Ja, ich bin mir nicht sicher, welchen Decknamen er verwendet hat.«
»Decknamen?«
»Natürlich, wir durften unsere wahren Namen nicht preisgeben.« Ihr Blick wurde leicht glasig, dann wedelte sie