LARP: Geschlechter(rollen): Aufsatzsammlung zum MittelPunkt 2018
Von Muriel Algayres, Lukas Riesen, Martina Ryssel und
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Über dieses E-Book
Zusammengestellt und aufbereitet anlässlich der Live-Rollenspiel-Konferenz MittelPunkt 2018.
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Buchvorschau
LARP - Muriel Algayres
Kühne
ELTERN WERDEN – LARPER BLEIBEN
ÜBER DIE VIELLEICHT GRÖSSTE HERAUSFORDERUNG DES SICHERLICH SCHÖNSTEN HOBBIES DER WELT
WAS WIR SIND UND WAS WIR WERDEN
Aktiv zu larpen bedeutet, sich in das Hobby Live-Rollenspiel einzubringen, sei es als Spielercharakter, als Nicht-Spielercharakter, als Spielleitung oder als Orga-Mitglied vor, während und nach Veranstaltungen. Die Zeit jedenfalls, die für diese einzelnen Aspekte unseres Hobbies aufgebracht wird, ist so individuell verschieden wie die genannten Themenbereiche, und reicht von wenigen Tagen im Jahr bis zu mehreren Stunden täglich. So unterschiedlich intensiv das Engagement ist, so haben wir alle schlussendlich eines gemeinsam: Wir sind Live-Rollenspieler.
Und auch wir bekommen irgendwann Kinder. Wenn sich die erste Welle der Gefühle über die Erkenntnis, dass man Eltern wird, gelegt hat, denkt man zwangsläufig über die Zukunft mit dem Nachwuchs nach und wie sich das eigene Leben verändern wird. Neben Wohnsituation, Job und finanziellen Aspekten gelangt man natürlich auch zu seinen Hobbies. Jedes Elternteil, das Live-Rollenspiel zu seinen Leidenschaften zählt, beginnt dann zu überlegen, wie dem geliebten Hobby nach der Geburt des Kindes weiter nachgegangen werden kann. Oder man kommt schnell zu der Einstellung, dass mit der neuen Rolle als Eltern auch ein neuer Lebensabschnitt eingeleitet wird, an denen das alte Hobby entweder für mehrere Jahre pausieren soll oder sogar ganz abgelegt wird. Jeder kann – und muss – selbst entscheiden, welchen Weg er einschlagen will.
Alle Live-Rollenspieler_innen, die bereits Eltern sind, werden beim Lesen dieses Beitrages wohl in ihrer elterlichen Weisheit entweder wissend nicken, mitleidig den Kopf schütteln oder überrascht die Augenbrauen heben (oder auch alles abwechselnd). Und alle anderen lesen diesen Beitrag hoffentlich ebenso interessiert, denn Ihr seid Teil einer Schlussfolgerung, die ich an dieser Stelle mit einem kleinen Hinweis vorausnehme. Ich zitiere hierfür ein afrikanisches Sprichwort: „Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf." Aber dazu später mehr.
Im Nachfolgenden soll speziell die erste Zeit von der Schwangerschaft bis ins frühe Kleinkindalter beleuchtet werden. Diese Zeit, bis der Nachwuchs nicht mehr von der Flasche oder vom Stillen abhängig ist und buchstäblich endlich auf den eigenen Beinen stehen kann, ist wohl die größte Herausforderung für alle, die Eltern sind, aber Larper bleiben wollen.
DIE SCHWANGERSCHAFT – DIE HERAUSFORDERUNG BEGINNT
In dem Moment, wo eine Schwangerschaft festgestellt wird, ist man plötzlich nicht mehr nur für sich selbst verantwortlich. Das eigene Leben ist ab diesem Zeitpunkt gehörig auf den Kopf gestellt.
Welche Veranstaltungen als Schwangere besucht werden, obliegt zuallererst der Entscheidung der zukünftigen Mutter und hängt maßgeblich davon ab, ob sie mental den Anforderungen eines Cons gewachsen ist. Zudem können körperliche Begleiterscheinungen wie morgendliche Übelkeit (bevorzugt im ersten Schwangerschaftsdrittel) sowie häufige nächtliche Toilettengänge (bevorzugt im letzten Schwangerschaftsdrittel) ansonsten eher durchschnittliche Conbedingungen zu echten Problemen anwachsen lassen. Aus der ersten Etage eines dreistöckigen Stockbettes rutschen oder nachts über die buckelige Wiese zu den Dixies am Lagerende watscheln zu müssen, sind an dieser Stelle nur zwei Beispiele für diverse weitere große und kleine Herausforderungen, die sich mit einer Schwangerschaft ergeben. Und sie geben einem schon einen kleinen Vorgeschmack auf die kommende Zeit mit Kind (an dieser Stelle denkt man übrigens ernsthaft das erste Mal über die Anschaffung einer mobilen Campingtoilette nach). Da jede Frau auf ihrem imaginären Zettel mit der Überschrift „Schwangerschaftsprobleme" unterschiedliche Punkte angekreuzt bekommen hat, kann hierfür auch keine weitere generelle Empfehlung gegeben werden, als die, einfach auf den eigenen Körper zu hören, auf sich aufzupassen und die Orga beziehungsweise SL sowie die Mitspieler über die eigene Schwangerschaft zu informieren.
Auch wenn diese Zeit auf den ersten Blick eher nur die schwangeren Frauen selbst direkt betrifft, so empfiehlt sich für beide zukünftigen Elternteile ein Blick auf den Kalender mit den Terminen von Cons, Organisationstreffen und Planungswochenenden. Liegen in den Wochen vor und nach dem errechneten Geburtstermin Veranstaltungen? Es ist sinnvoll sich hier frühzeitig zu überlegen, ab welcher Zeit man nicht mehr lange Autofahrten auf sich nehmen möchte beziehungsweise seine schwangere Partnerin nicht mehr längere Zeit alleine lassen will. Und ab wann man den frischgebackenen Nachwuchs und Mutter oder Vater das erste Mal dann wieder länger alleine lassen kann oder will. Hierbei ist es übrigens vollkommen belanglos, ob beide Partner Live-Rollenspieler sind oder nicht. Diese Planungen sollte man frühzeitig miteinander besprechen, damit alle Beteiligten sich darauf einstellen können. Beteiligte sind natürlich primär die Eltern, aber wenn es um organisatorische Dinge geht und man in Conplanungen, Spielergruppenbetreuung oder andere Aktivitäten rund um das Hobby eingebunden ist, natürlich auch alle anderen Mitspieler_innen und Orga-Mitglieder. Eine realistische Einschätzung der Lage und eine frühzeitige Signalisierung, dass man jetzt für eine gewisse (vielleicht auch unbestimmte) Zeit ausfällt, ist nicht nur fair allen Beteiligten gegenüber, sondern auch sehr realistisch. Denn man weiß ja noch nicht, welche Eigenschaften und Eigenheiten der Nachwuchs haben wird.
DIE GEBURT – EINMAL ALLES AUF DEN KOPF GESTELLT
Spätestens mit Beginn des Mutterschutzes beginnt die Zeit, die man als Familie für sich Hey, dafür gibt es genug schlaue Ratgeber und diese Zeit ist definitiv eine, die man wirklich mal Pause von seinem Hobby halten sollte. Man sollte es sich mit Beginn des Mutterschutzes gemütlich machen und die ersten Wochen nach der Geburt auch. Nicht umsonst heißt es Wochen-Bett und nicht Feld-Bett. Das verschwindet am Besten erstmal aus den Gedanken. Diese Zeit sollte man wirklich mit dem Neugeborenen genießen und sich über das kleine Wunder im eigenen und nun neuen Leben freuen.
DAS BABY – MIT ODER OHNE AUF CON?
Dann kommt die Zeit, in der man sich zuhause eingewöhnt hat. Man ist zu einer kleinen Familie geworden, und es hat sich sowas wie ein Alltag entwickelt. Und vielleicht hat man auch den ersten Con schon geplant, den man wieder als SC besuchen möchte. Das Con ist vielleicht nur ein Ambientecon mit festen Unterkünften und guten Sanitäranlagen. Oder es ist Sommer und das eigene Zelt ist groß genug. Man überlegt, was man dem Nachwuchs noch nähen muss, damit auch es dem Ambiente angepasst eingekleidet ist. Man sucht farblich neutrale Plastiklöffel und bastelt Filzüberzieher für das Babyfläschen. An Reisebett, batteriebetriebendes Babyphone und das Tragetuch wird gedacht. Auch der Veranstalter ist informiert, hat einem vielleicht sogar ein kleines Einzelzimmer in seiner Zimmerbelegung zugesichert oder den schattigsten Lagerplatz auf dem gesamten Gelände.
Und dann trifft das reale Leben auf die theoretische Planung: Die ersten Zähnchen kündigen sich beim Nachwuchs an und die Tage bestehen aus mehr Schreien als Schlafen. Oder das Kind verweigert plötzlich das Trinken in einer fremden Umgebung. Oder das eigene Zelt steht an einem stark frequentierten Weg und der Nachwuchs schreckt immer wieder im Schlaf auf. Oder die Doppelluftmatratze hat ein Loch. Oder der unerwartete Starkregen mit Blitz und Donner stellt die elterlichen Nerven auf die Probe.
OHNE KIND AUF CON – EINER BLEIBT DAHEIM
Natürlich besteht die Möglichkeit, zu zweit auf Con zu fahren und den Nachwuchs in dieser Zeit, von den Großeltern oder anderen Personen betreuen zu lassen. Doch die wenigsten Kindern unter einem Jahr lassen dies bereits für ein ganzes Wochenende zu. Oder es sind die Eltern, für die die imaginär noch vorhandene Nabelschnur einfach noch nicht lang genug ist. Deswegen ist die ultimative Lösung, wenn man einen nicht-larpenden Partner hat, der gut auch alleine mit dem Nachwuchs zurechtkommt, so dass dieser mit dem Kind zuhause bleibt. Dies ist besonders unkompliziert, wenn das Kind mit der Flasche ernährt wird. Schwieriger wird es, wenn Mama der larpende Elternteil ist und der Nachwuchs gestillt wird oder kurz vor dem Con-Termin in eine anhängliche Mama-Phase