Raum 40 Betete, erstickt oder frei, oder flehte...
Von Jürgen Timm
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Über dieses E-Book
Ich kann das verstehen - ein Ziel, was für ein Ziel soll das sein? Die arme Ann schüttelte ihren hübschen, runden, schwarzbeäugten und schwarzhaarigen Kopf.
Dabei ist es ganz einfach - das Ziel ist die optimale Anpassung einer Lebensform an einen Lebensraum. Dieses Ziel lässt sich am besten durch einen Vektor beschreiben - durch die Resultierende von Versuch und Irrtum - und ab und zu ein Erfolg.
Erstaunenswert und wirklich nur schwer oder überhaupt nicht zu verstehen ist die Tatsache, dass sich das Leben nicht nur auf die gegenwärtigen, sondern auch auf weit in der Zukunft liegenden Lebensumstände einzustellen scheint - willens und dazu in der Lage zu sein scheint.
Ich frage: Wer oder was hat sich das ausgedacht!
Das Resultat? Das Leben - die gegenwärtigen Menschen zum Beispiel - die Natur, die Evolution, bereitet sie jetzt, unter unseren Augen - aktiv - darauf vor, so nach und nach - oder sogar ziemlich zügig - Teile des Universums zu erobern - und zu besiedeln - und zu gestalten - etwa in der Art, in der die heutigen Menschen ihre Erde eroberten, besiedelten und gestalteten.
Jürgen Timm
Ich gehöre in den Jahrgang 39. Ich habe lange in Schwarzafrika gelebt und gearbeitet, mehrere Jahre davon in der Kalahari. Ich hatte dort, in der Savanne, in der Wildnis, in der Einsamkeit, viel Zeit, über das Leben nachzudenken. Stimmt nicht. Ich hatte keine Zeit, ich habe mir die Zeit genommen, genaugenommen gestohlen. Gott sei es geklagt. Und nun sitze ich hier, in Lüneburg, und weiß immer noch nicht, was es mit dem Leben und dem Sterben auf sich habe, und ob es nicht doch eine Form der Unsterblichkeit geben könnte.
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Buchvorschau
Raum 40 Betete, erstickt oder frei, oder flehte... - Jürgen Timm
entfernt.
Raum 40.1 Alt und voller Falten ist dein Leib
Bild 1 Denn weit ist der Weg
Kraken und allerlei sonstigem Getier
An einem anderen Tag, an einem anderen Mal, an einem anderen Platz, an einem anderen Feuer.
Babuun eröffnete:
Sage mir, Eremias, wer oder was zwang dich, wie ein Narr durch die Savanne zu laufen? … Durch die Dornenbuschsavanne zumal?
Und überhaupt…wer oder was zwang dich, durch steinerne Wüsten und braune, wasserlose Einöden zu rennen?
Wer oder was zwang dich, die Regenwälder zu durchqueren?… Hattest du keine Angst vor den giftigen Schlangen?
Sag mir Eremias, wer oder was Zwang dich, in die Tiefen der Meere hinab zu tauchen? Mit Kraken zu kämpfen, und allerlei sonstigem Getier?
Sag mir Eremias, wer oder was zwang dich, die Berge und Ketten aus Fels und Eis zu überwinden?
Wie ein Ochse steh ich ratlos vor dem Sein
Es gibt den bösen Spott… und es gibt jenen, welcher der Zuneigung entstammt… dem Mitleid oder der Hilflosigkeit.
Babuun, spottvoll:
Sah ich dich in schwindelnden Höhen, an den Hängen geklammert und zitternd, von kalten Winden bedrängt.
Schau dich an!
Alt und voller Falten ist dein Leib von all den Mühen, und braun ist dein Leib… von all den Narben und Malen.
Nicht ein Gramm Fett mildert die Schärfe deiner spitzen Knochen… Rippen, Schulterblatt und Schlüsselbein.
Dein Halsgeknorpel tanzt beim Verschlingen deines kargen Mals…
Wer oder was zwang dich, barfuß wie ein Narr durch die Savanne zu laufen…? mit nichts als rissigem Horn an den Füßen.
Unbekleidet wie ein Narr, gerademal den lächerlichen Schurz aus Fell und aus Federn.
Ungeschützt und preisgegeben… es ist leicht für deine Feinde, an dir herumzureißen…
gerademal ein lächerlicher Schutz aus Fell und aus Federn!
Eremias antwortete ruhig und gefasst:
Ich habe mich mein ganzes Leben lang gefragt, warum ich das tue, was ich tue… warum ich aussehe, wie ich aussehe…warum ich blieb, warum ich floh…
warum die Lieb, und all den Hass… und warum die Träume… all die vergeblichen Träume.
Weder weiß ich, wer ich bin, noch weiß ich, warum ich etwas tue. Ich weiß auch nicht, warum etwas mit mir geschieht.
Denn weit ist der Weg und wasserlos
Eremias antwortete ruhig und gefasst:
Wohl wahr, es gibt die vordergründigen Gründe… wohl wahr.
Ich kenne sie alle.
Die tieferen Gründe aber kenn ich nicht. Wie ein Ochse steh ich ratlos vor dem Sein.
Babuuns Spott kippte… Sanftmut, Angst und Mitleid kamen durch:
Eine große Dürre schlägt das Land. Leg dich schlafen, Eremias… morgen müssen wir durch trockenes Savannenland…
Es wird ein langer, schwerer Marsch… denn weit ist der Weg zum nächsten Wasserloch.
Bild 2 Mitten im Winter regnet es nie
Als Eremias erwachte, umgaben ihn Sterne und Stille einer Wintersavannennacht.
Eremias, einsam und allein: Nach all der Hitze, nach all der Kälte… verspüre ich keinen Hunger… und keinen Durst.
Wenig körperliche Bedürfnisse… das Alter frisst kaum mehr… das wird es sein.
Was gab es in der letzten Zeit?
Etwas Wasser aus der Schale eines Straußeneis, ein Stück Bitterwassermelone.
Wenig körperliche Bedürfnisse. Das Alter legt die Felder brach… das wird es sein.
Mitten im Winter regnet es nie
Eremias, einsam und allein:
Wann wird es regnen? Morgen vielleicht? Morgen wird es bestimmt nicht regnen. Warum sollte es regnen?
Mitten im Winter regnet es nie.
Bild 3 Weißt du denn gar nichts?
Ein Fremder zwischen fremden Dingen
Eremias, einsam und allein: Bilder schweifen und ziehen umher im fahlen Lichte des halben Mondes.
Mondbeschienene Wolken… Wolkenfelder, wandern, langsam… treiben langsam Nacht und Dunkelheit entlang.
Ich folge den mondbeschienenen Wolken. Lass ich mich treiben durch Nacht und Dunkelheit.
Eremias, einsam und allein:
Fremd sind mir die Dinge unter dem Mond. Verloren fühl ich mich.
Fremd ist mir mein Ich. Es ist, als ob ich alleine wäre zwischen all den Dingen… als ob ich allein wäre.
Ein Fremder bin ich zwischen fremden Dingen. In einem fremden Land irre ich umher.
Ich weiß es nicht
Eremias, einsam und allein:
Was machst du hier? Ich weiß es nicht! Wie kommst du hierher?
Ich weiß es nicht!
Wo willst du hin? Ich weiß es nicht! Hast du niemanden? Ich weiß es nicht!
Zu wem gehörst du? Ich weiß es nicht!
Was denkst du? Ich weiß es nicht! Was fühlst du?
Ich weiß es nicht!
Eremias, einsam und allein:
Du bist ein seltsames Stück Mensch. Weißt du denn rein gar nichts?
Doch, ich weiß doch etwas… als die Liebste mich verließ, war es, als ob ich stürbe.
Bild 4 Schön wie ein Traum
Eremias fiel zurück in seine Träume
Ort und Zeit? Savanne, Nacht und Schlaf und Traum.
Und sonst? Was sonst gibt es zu berichten!
Babuun träumte von fetten Fischen, fetten Hühnern und dergleichen… er grunzte und schmatzte leis in seinen Träumen.
Und sonst? Was passierte sonst?
Eremias kam hoch aus schweren Träumen. Und sonst, was gab es sonst? Eremias fiel zurück in seine Träume.
Schön wie ein Traum
Wenn du nachts aus deinen Träumen auftauchst… Was dann? Was geschieht dann?
Es ist ein großes Durcheinander. Fühlen, Denken und die Erinnerungen… es ist ein großes Durcheinander.
Eremias, halb hier, und halb dort:
Warum sagen die Menschen, etwas sei schön wie