Raum 35 Die Liebe ... ein Ornament ... eine Art Verzierung
Von Jürgen Timm
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Ein von den Trieben losgelöstes Denken gibt es nicht - würdest du dir das bitte merken, Babuun? Es ist ein Zwang in allem - ein Zwang und ein Drang. Dies gilt auch für das Denken.
Eremias:
Es sind die Triebe, welche die Menschen am Leben hielten - und halten, und am Leben erhalten werden.
Eremias:
Alles Denken und Tun, alles, all die Lügen, all das Lieben - alles, Gesellschaft, Moral, Gesetz - alles, Mord und Totschlag.
Alles, was ist und was war - alles, was geschieht, was geschah und geschehen wird, wird und wurde von den Trieben getrieben, und von den Zwängen erzwungen.
Eremias
Auch das Denken, auch das mehr losgelöste, freie Denken, ist ein von der Natur erzwungener, unvermeidbarer Vorgang.
Selbst das Denken ist nicht frei. Würdest du dir das bitte merken, Babuun!
Jürgen Timm
Ich gehöre in den Jahrgang 39. Ich habe lange in Schwarzafrika gelebt und gearbeitet, mehrere Jahre davon in der Kalahari. Ich hatte dort, in der Savanne, in der Wildnis, in der Einsamkeit, viel Zeit, über das Leben nachzudenken. Stimmt nicht. Ich hatte keine Zeit, ich habe mir die Zeit genommen, genaugenommen gestohlen. Gott sei es geklagt. Und nun sitze ich hier, in Lüneburg, und weiß immer noch nicht, was es mit dem Leben und dem Sterben auf sich habe, und ob es nicht doch eine Form der Unsterblichkeit geben könnte.
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Buchvorschau
Raum 35 Die Liebe ... ein Ornament ... eine Art Verzierung - Jürgen Timm
Vorgang.
Raum 35.1 Das eine Feuer
Bild 1 Der Mensch, das Lügentier
In einer kalten Winternacht
Eremias und Babuun. In einer Winternacht. Und es war bitterkalt. Zum Glück hatten die beiden, Eremias und Babuun, ihr wärmendes Feuer.
Es war ein großes, schönes Feuer. Eremias und Babuun sonnten und wärmten sich in seinem Lichte.
Eremias und Babuun, in einer kalten Winternacht, am Lagerfeuer, schauten sie den Flammen zu.
Babuun formulierte eine Frage:
Eremias, worin unterscheiden sich die Menschen von den übrigen Tieren?
Der Mensch, das Lügentier
Eremias, Babuuns Frage machte ihn wütend: Es sind die Lügen, Babuun. Die Menschen unterscheiden sich von den anderen Tieren durch ihre Lügen.
Sie unterscheiden sich durch ihre Lügen… durch ihre verruchten, fintenreichen, verfluchten und durchtriebenen und abgefeimten Lügen.
Die Menschen sind Lügentiere… durch und durch verlogen. Sie lügen, immer, und gleichermaßen bewusst und unbewusst.
Sie lügen im Oberbewusstsein und sie lügen im Unterbewusstsein.
Die Menschen haben das Lügen dermaßen verinnerlicht, dass sie nicht mehr wissen, dass sie lügen und wenn und wann sie lügen.
Kein anderes Tier ist dermaßen verlogen… nicht einmal Ansatzweise.
Eremias, fast sanft, fast wehmütig: Obwohl, das mit dem Ansatzweise, ich bin mir nicht sicher.
Wir hatten mal einen Köter, Ollebolle. Der achtete darauf, wenn er einen Knochen versteckte, dass er dabei nicht von seinem Kumpan, dem Köter vom Nachbarn, beobachtet wurde.
Eremias, jetzt wieder wütend:
Die Menschen verkleistern alles und jedes mit einem Lügenschleim… Freiheit, Moral, Liebe, die ewige zumal… Und dann die Barmherzigkeit.
Du erschrickst, und dann die Gerechtigkeit, und du erstickst. Mein Gott, was soll aus uns werden! Es ist ein einziger Lügenbrei.
Graduell ja, prinzipiell nein!
Babuun, flapsig, gespieltes Entsetzen: Eremias, du willst nicht bestreiten, dass es sie gibt, die Moral… Liebe, Barmherzigkeit?
Eremias, bei abklingender Wut:
Nicht, Babuun, überhaupt nicht will ich das. Es ist nur, dass all diese Dinge biologische, physikalische begründete Abläufe sind.
Es handelt sich um systemerhaltende Reaktionen zwischen den Individuen und ihren Welten.
Eremias, bei abklingender Wut:
Die Menschen sollten der Wahrheit ins Auge blicken. Die Menschen, sie sollten sehen und zugeben. Das ist alles, was ich will… das ist doch nicht zu viel verlangt.
Sie unterscheiden sich nicht, im Prinzip nicht, von den anderen Lebewesen… von Hund nicht, Katze, Kaulquappe, Regenwurm oder Klammeraffe…
Graduell vielleicht… prinzipiell, nein! Die Menschen sollten die Wahrheit zur Kenntnis nehmen. Die Natur umfasst eben auch die Menschen.
Eremias, fast ruhig jetzt:
Auch von den übrigen Dingen unterscheiden sich sie sich nicht… nicht vom Stein und nicht vom Bein.
Die Menschen sind, wie alle anderen Dinge dieses Universums, den in diesem Universum wirkenden und waltenden Gesetzen der Natur unterworfen.
Die Naturgesetze bestimmen die Wirklichkeit.
Es ist eine Wirklichkeit, die eben auch die Menschen einschließt.
Babuun, flapsig:
Die Menschen sind eingeschlossen… umschlossen… eingesperrt sozusagen.
Eremias blieb auf seinem Weg:
Der Mensch war unfrei… von Anfang an. Der Mensch ist unfrei, und er wird es ewig bleiben… auf immer und ewig.
Babuun, flapsig:
Und nun, Eremias, was machen wir nun?
Eremias und Babuun, in einer kalten Winternacht, am Lagerfeuer, schauten sie den Flammen zu.
Bild 2 Das eine Feuer
Eremias und Babuun n einer Winternacht. Und es war bitterkalt…
Zum Glück hatten die beiden, Eremias und Babuun, ihr großes wärmendes Feuer.
Der Wunsch nach Wärme
Eremias begann zu reden:
Babuun, wenn dir kalt ist, zündest du ein Feuer an… damit es dich wärme, nicht so?
Du tust es, weil ein großer Wunsch nach Wärme in dir vorhanden ist. Ist es nicht so? Du tust es, wenn es irgend geht, wenn du es irgend einrichten kannst. Ist es nicht so? `
Holz ist vorhanden, schönes, dickes Feuerholz… du hast die Utensilien, um es zu entzünden… Glut vom letzten Feuer hierher getragen… trockenes Gras, trockenes Holz, und so weiter.
Babuun, verwundert, lachend:
Natürlich tät ich das. Und nun, da ich von dir gelernt habe, wie ich mit dem Feuer umzugehen habe, ist es einfach geworden.
Ich bin doch kein Narr
Eremias:
Ich habe eine Frage, Babuun. Tätest du dieses ,Feuermachen‘ aus freien Stücken? Wäre es deine freie Entscheidung?
Babuun, verwundert, lachend:
Natürlich aus freien Stücken… Ich bin doch kein Narr!
Es wäre meine freie Entscheidung. Sie entspräche meinem Wollen und meinem Willen… und meinen Wünschen. Ich bin doch kein Narr.
Babuun, in einem Nachsatz:
Warum soll ich in der Kälte umherirren, wenn ich die Möglichkeit habe, mir