Kinderärztin in Gewissensnot: Die Klinik am See 23 – Arztroman
Von Britta Winckler
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Über dieses E-Book
Britta Winckler ist eine erfahrene Romanschriftstellerin, die in verschiedenen Genres aktiv ist und über hundert Romane veröffentlichte. Die Serie "Die Klinik am See" ist ihr Meisterwerk. Es gelingt der Autorin, mit dieser großen Arztserie die Idee umzusetzen, die ihr gesamtes Schriftstellerleben begleitete.
»Guten Morgen, Stäuberlein«, begrüßte Dr. Hendrik Lindau, Chefarzt der Klinik am See, seine Sekretärin freundlich, als er pünktlich wie immer seinen Dienst antrat. So nannte er Marga Stäuber immer dann, wenn er besonders guter Stimmung war.
»Guten Morgen, Herr Doktor«, gab die Sekretärin lächelnd zurück.
»Haben wir heute ambulante Patienten?«, fragte der Klinikchef und wandte sich der Tür zu, die zu seinem Büro und gleichzeitigem Sprechzimmer führte.
»Ja, Herr Doktor, ein junges Mädchen«, kam die Antwort.
Dr. Lindau nickte. »Na, dann wollen wir mal«, sagte er und lächelte. »Ist Sabine …, hm …, Frau Wendler schon da?«, wollte er noch wissen.
»Ihre Assistentin ist schon drin«, erwiderte Marga Stäuber. »Das Rapportbuch habe ich Ihnen auch schon auf den Schreibtisch gelegt. Darf ich Sie noch etwas fragen, Herr Doktor?«
Dr. Lindau sah die Sekretärin erwartungsvoll an. »Immerzu – fragen Sie«, antwortete er.
»Tja …« Marga Stäuber suchte nach Worten. »Sie …, Sie sind heute so guter Laune«, brachte sie dann hervor. »Ist etwas Erfreuliches eingetreten?«
Dr. Lindau lachte verhalten. »Frau Stäuber, Sie sind eine tüchtige und verlässliche Mitarbeiterin, aber Sie sind auch neugierig«, meinte er schmunzelnd. »Aber gut, es ist etwas Erfreuliches geschehen«, fuhr er fort. »Zum einen hat mein Enkel wieder ein paar Zähne mehr bekommen und zum anderen hat er mich heute zum ersten Mal Opa genannt. Na, was sagen Sie dazu?«
»Ist ja herrlich, Herr Doktor.«
»Das finde ich auch«, bestätigte der Chefarzt. »Ist damit Ihre Neugierde befriedigt?«, setzte er fragend hinzu.
Marga Stäuber errötete und wurde verlegen. »Man macht sich eben so seine Gedanken, wenn …«
»Schon gut, Frau Stäuber«, fiel Dr. Lindau der
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Rezensionen für Kinderärztin in Gewissensnot
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Buchvorschau
Kinderärztin in Gewissensnot - Britta Winckler
Die Klinik am See
– 23–
Kinderärztin in Gewissensnot
Aus Rache verrante sie sich in eine ungeheuerliche Idee
Britta Winckler
»Guten Morgen, Stäuberlein«, begrüßte Dr. Hendrik Lindau, Chefarzt der Klinik am See, seine Sekretärin freundlich, als er pünktlich wie immer seinen Dienst antrat. So nannte er Marga Stäuber immer dann, wenn er besonders guter Stimmung war.
»Guten Morgen, Herr Doktor«, gab die Sekretärin lächelnd zurück.
»Haben wir heute ambulante Patienten?«, fragte der Klinikchef und wandte sich der Tür zu, die zu seinem Büro und gleichzeitigem Sprechzimmer führte.
»Ja, Herr Doktor, ein junges Mädchen«, kam die Antwort.
Dr. Lindau nickte. »Na, dann wollen wir mal«, sagte er und lächelte. »Ist Sabine …, hm …, Frau Wendler schon da?«, wollte er noch wissen.
»Ihre Assistentin ist schon drin«, erwiderte Marga Stäuber. »Das Rapportbuch habe ich Ihnen auch schon auf den Schreibtisch gelegt. Darf ich Sie noch etwas fragen, Herr Doktor?«
Dr. Lindau sah die Sekretärin erwartungsvoll an. »Immerzu – fragen Sie«, antwortete er.
»Tja …« Marga Stäuber suchte nach Worten. »Sie …, Sie sind heute so guter Laune«, brachte sie dann hervor. »Ist etwas Erfreuliches eingetreten?«
Dr. Lindau lachte verhalten. »Frau Stäuber, Sie sind eine tüchtige und verlässliche Mitarbeiterin, aber Sie sind auch neugierig«, meinte er schmunzelnd. »Aber gut, es ist etwas Erfreuliches geschehen«, fuhr er fort. »Zum einen hat mein Enkel wieder ein paar Zähne mehr bekommen und zum anderen hat er mich heute zum ersten Mal Opa genannt. Na, was sagen Sie dazu?«
»Ist ja herrlich, Herr Doktor.«
»Das finde ich auch«, bestätigte der Chefarzt. »Ist damit Ihre Neugierde befriedigt?«, setzte er fragend hinzu.
Marga Stäuber errötete und wurde verlegen. »Man macht sich eben so seine Gedanken, wenn …«
»Schon gut, Frau Stäuber«, fiel Dr. Lindau der Sekretärin ins Wort. »Irgendwie gehören Sie auch zur Familie.«
Marga Stäuber strahlte über das ganze Gesicht. »Danke«, murmelte sie.
»So, damit hätten wir das Private erledigt«, erklärte Dr. Lindau mit sachlichem Tonfall, »und nun beginnen wir aber mit dem Dienst.« Augenblicke später verschwand er in seinem Zimmer, in dem er von seiner Assistentin Sabine Wendler freundlich begrüßt wurde.
»Wir haben eine Patientin im Wartezimmer«, teilte ihm die junge Frau auch sofort mit. »Soll ich sie …?«
»Warten Sie noch ein paar Minuten«, unterbrach Dr. Lindau seine Assistentin und nahm am Schreibtisch Platz. »Ich will nur rasch das Rapportbuch durchblättern.«
Der Eintritt seiner Tochter unterbrach ihn. »Hallo, Paps, hast du ein paar Sekunden Zeit für mich?«, fragte die Kinderärztin.
»Ich wollte eigentlich jetzt mit der Sprechstunde beginnen«, antwortete Dr. Lindau, »aber natürlich habe ich Zeit für dich. Was hast du auf dem Herzen? Probleme auf deiner Station?«
»Probleme? Das wäre vielleicht etwas übertrieben«, erwiderte Astrid kurz. »Ich habe doch seit zwei Tagen das kleine Mädchen mit den Symptomen einer Hirnhautentzündung auf Station. Du erinnerst dich sicher an die kleine rotblonde Helene in Zimmer neun.«
»Ja, ich entsinne mich. Und was ist mit ihr?«, wollte Dr. Lindau wissen.
»Ich neige jetzt zu der Ansicht, dass wir es mit einem Fall von spinaler Kinderlähmung zu tun haben«, erklärte Astrid.
»Eine Poliomyelitis meinst du?«
»Genau«, bestätigte die Leiterin der Kinderstation.
»Wie steht dein Mann dazu?«, fragte Dr. Lindau.
»Alexander ist sich nicht hundertprozentig sicher, und deshalb wollte ich dich bitten …«
»Schon verstanden, Astrid«, unterbrach Dr. Lindau seine Tochter. »Also gut, ich komme nach der Arztbesprechung zu dir rüber, und dann nehmen wir uns die kleine Dame einmal vor.«
»Danke, Paps.« Astrid Mertens wandte sich wieder zum Gehen, drehte sich bei der Tür aber noch einmal um. »Ach, ehe ich’s vergesse – heute kommt ja Renate«, sagte sie.
»Renate?« Fragend sah Dr. Lindau seine Tochter an. »Entschuldige bitte, aber jetzt musst du mir ein wenig auf die Sprünge helfen. Wer ist Renate und wohin kommt sie?«
»Aber, Paps, hast du das vergessen?«, fragte Astrid lächelnd. »Renate Bertram, die Kinderärztin Doktor Bertram, meine Studienfreundin, die bei uns arbeiten wird.«
»Richtig«, stieß Dr. Lindau hervor. »Das hätte ich tatsächlich beinahe vergessen.«
»Nun weißt du es wieder, ja?« Astrid lachte leise. »Sie kommt also heute hier an und wird entsprechend unserer Absprache schon morgen ihren Dienst beginnen. Ich habe gestern noch mit ihr telefoniert, und ich nehme an …«, sie unterbrach sich und sah auf ihre Armbanduhr, »dass sie jetzt schon auf dem Weg hierher ist. Sie wird sich zuerst bei mir melden, und ich stelle sie dir dann gleich vor.«
Dr. Lindau nickte zustimmend und stand auf. »Gut, dann wäre das auch geklärt, Mädchen«, sagte er lächelnd. »Sonst noch etwas?«, fragte er.
»Nein, Paps.«
»Tja, dann wollen wir mal – ich beginne gleich mit der Sprechstunde«, meinte Dr. Lindau.
*
Wie ein böser Traum kam Renate Bertram alles vor, als sie an diesem frühen Vormittag ein letztes Mal durch die Räume der Wohnung schritt, in der sie über zwei Jahre lang glücklich gewesen war – zumindest bis vor sechs oder sieben Monaten. Doch es war kein Traum, sondern harte Wirklichkeit. Die vor drei Jahren so gut und schön begonnene Ehe mit Christian hatte seit einer Woche aufgehört zu existieren. Die Scheidung war ausgesprochen worden. Die Bemühungen des Richters, diese Ehe noch zu retten, waren erfolglos geblieben. Sie selbst hatte es ja schon versucht, damals vor einem guten halben Jahr, als sie festgestellt hatte, dass ihr Mann sie mit einer anderen Frau betrog. Es war nicht nur ein einmaliger Seitensprung gewesen, den ihr Mann sich erlaubt hatte. Ein Seitensprung, der von vielen Männern oft als Bagatelle bezeichnet wird, hätte sie unter Umständen noch verzeihen können. Aber es war mehr gewesen. Für sie war es ein schmählicher Verrat, weil es nicht nur bei diesem einen Mal geblieben war. Die vergangenen drei Monate hatte sie ihren Mann immer seltener zu Gesicht bekommen. Oft genug war sie nächtelang allein gewesen und hatte sich mit Gedanken gequält. Manchmal war es ihr schwergefallen, den Anforderungen in ihrer kleinen Praxis in einer ruhigen Straße von Fürth nachzukommen. Für eine Kinderärztin, die sie war, hatten Konzentration und Einfühlungsvermögen einen ganz besonderen Stellenwert. Kinder konnten nicht so präzis artikulieren wie Erwachsene.
Renate Bertram war ihrer Studienfreundin Astrid Lindau, der nunmehrigen Frau Dr. Mertens, dankbar, dass diese ihr angeboten hatte, in der Klinik ihres Vaters als Kinderärztin tätig zu sein.
Nun war es so weit – die Praxis war verkauft, die Möbel der Wohnung hatte sie unterstellen lassen, und ihre persönlichen Sachen befanden sich in drei Koffern in ihrem Wagen. In wenigen Minuten würde sie schon auf dem Weg nach Auefelden sein, weit weg von Fürth und Nürnberg, weg von der Stadt, in der ein dummer Zufall sie vielleicht mit ihrem geschiedenen Mann zusammentreffen lassen konnte und dadurch langsam verheilende Wunden wieder aufreißen würde. Da unten im südlichen Bayern bestand keine Gefahr, Christian zu treffen, und da würden sie auch nichts umgeben, das Erinnerungen an glückliche Tage weckte. Dort konnte und wollte sie vergessen.
Glücklicherweise war bei der Scheidung keine schmutzige Wäsche gewaschen worden. Alles war glatt über die Bühne gegangen. Das Gericht hatte die Zerrüttung der Ehe akzeptiert – mit der etwas lapidaren Begründung, dass der berechtigte Wunsch Christians nach Familienzuwachs nicht erfüllt wurde, nicht erfüllt werden konnte und damit die Entfremdung der Ehepartner eingeleitet worden war.
Ein Schatten legte sich über Renates hübsches Gesicht. Um ihre Mundwinkel zuckte es verräterisch. »Aus und vorbei«, flüsterte sie, drehte sich mit einer eckigen Bewegung um und verließ die nun leer stehende Wohnung, für die es bereits einen neuen Mieter gab. Renate kam es vor, als hätte sie Blei an den Füßen, als sie das Haus verließ und ohne sich noch einmal umzudrehen in ihren Wagen stieg.
Sekunden später fuhr sie ab – in Richtung Süden, nach München und weiter nach Auefelden. Sie rechnete sich aus, dass sie gegen Mittag ihr Ziel, die Klinik am See, erreichen würde. Nur einen Wunsch hatte sie jetzt – dass die neue Umgebung, aber auch das Zusammensein mit ihrer Studienfreundin Astrid ihr helfen würden, über das Fiasko ihrer Ehe hinwegzukommen und sich aus ihrem seelischen Tief zu befreien.
Hätte Renate Bertram auch nur die leiseste Ahnung davon gehabt, dass Christian jetzt mit seiner neuen Freundin, die er ja wahrscheinlich auch bald heiraten würde, in ziemlicher Nähe der Klinik am See lebte, so wäre sie sicher umgekehrt.
Aber gerade das wusste sie nicht. Alle Gedanken an Christian, an die Trennung und auch an die andere Frau mit aller Gewalt verdrängend, fuhr sie weiter ihrem Ziel entgegen, bei dem ein neuer Lebensabschnitt für sie beginnen sollte.
*
Christian Bertram,