Liebevolle Eltern für Cornelia: Sophienlust 188 – Familienroman
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Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Marlene Schermann schob verstohlen den linken Ärmel ihrer Pelzjacke hoch und sah auf ihre Armbanduhr aus Weißgold, die eine so extravagante Form aufwies, dass es nicht einfach war, die Zeit mit einem kurzen Blick abzulesen.
Trotz des Tränenschleiers, der sie ihre Umgebung nur verschwommen wahrnehmen ließ, bemerkte Hilde Kohlmann diese Geste und war darüber erbittert. Hat diese Frau nicht einmal für das Begräbnis ihres ältesten Sohnes und ihrer Schwiegertochter Zeit?, dachte sie. Sie selbst war von Kummer und Schmerz über den plötzlichen Tod ihrer Tochter Karin halb betäubt. Eine Woche war seit dem Unglück verstrichen, und Hilde konnte noch immer nicht fassen, dass Karin, ihre heitere fröhliche Karin, nicht mehr am Leben war. Aber auch Walters Tod betrübte sie. Sie hatte ihren Schwiegersohn gern gemocht, wenn sie auch von dessen Familie, die aus seiner Mutter Marlene und seinen beiden jüngeren Brüdern Werner und Wilfried bestand, nicht viel hielt. Im Augenblick hasste sie die kühle, gelassene Marlene beinahe, weil diese keinerlei innere Beteiligung an der Begräbniszeremonie verriet. Sie muss doch ebenso sehr leiden wie ich, dachte Hilde. Auch ihr Kind liegt in dem Grab, das gerade zugeschaufelt wird.
Hilde Kollmann wandte sich schluchzend ab. Walter und Karin Schermann hatten sich zusammen mit ihrer kleinen Tochter Cornelia auf der Rückfahrt von einem Skiurlaub befunden. Auf der vereisten Fahrbahn war Walters Wagen ins Schleudern gekommen und gegen einen Baum gerast. Karin war sofort tot gewesen. Walter hatte den Unfall nur um wenige Stunden überlebt, und die siebenjährige Cornelia lag schwerverletzt im Maibacher Krankenhaus. Aber sie
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Buchvorschau
Liebevolle Eltern für Cornelia - Elisabeth Swoboda
Sophienlust
– 188 –
Liebevolle Eltern für Cornelia
Wer gibt der kleinen Waise eine Heimat?
Elisabeth Swoboda
Marlene Schermann schob verstohlen den linken Ärmel ihrer Pelzjacke hoch und sah auf ihre Armbanduhr aus Weißgold, die eine so extravagante Form aufwies, dass es nicht einfach war, die Zeit mit einem kurzen Blick abzulesen.
Trotz des Tränenschleiers, der sie ihre Umgebung nur verschwommen wahrnehmen ließ, bemerkte Hilde Kohlmann diese Geste und war darüber erbittert. Hat diese Frau nicht einmal für das Begräbnis ihres ältesten Sohnes und ihrer Schwiegertochter Zeit?, dachte sie. Sie selbst war von Kummer und Schmerz über den plötzlichen Tod ihrer Tochter Karin halb betäubt. Eine Woche war seit dem Unglück verstrichen, und Hilde konnte noch immer nicht fassen, dass Karin, ihre heitere fröhliche Karin, nicht mehr am Leben war. Aber auch Walters Tod betrübte sie. Sie hatte ihren Schwiegersohn gern gemocht, wenn sie auch von dessen Familie, die aus seiner Mutter Marlene und seinen beiden jüngeren Brüdern Werner und Wilfried bestand, nicht viel hielt. Im Augenblick hasste sie die kühle, gelassene Marlene beinahe, weil diese keinerlei innere Beteiligung an der Begräbniszeremonie verriet. Sie muss doch ebenso sehr leiden wie ich, dachte Hilde. Auch ihr Kind liegt in dem Grab, das gerade zugeschaufelt wird.
Hilde Kollmann wandte sich schluchzend ab. Walter und Karin Schermann hatten sich zusammen mit ihrer kleinen Tochter Cornelia auf der Rückfahrt von einem Skiurlaub befunden. Auf der vereisten Fahrbahn war Walters Wagen ins Schleudern gekommen und gegen einen Baum gerast. Karin war sofort tot gewesen. Walter hatte den Unfall nur um wenige Stunden überlebt, und die siebenjährige Cornelia lag schwerverletzt im Maibacher Krankenhaus. Aber sie würde am Leben bleiben. Das hatten die Ärzte Hilde Kohlmann versichert, und daran klammerte diese sich.
Nachdem Hilde viele Hände von ihr zumeist Unbekannten gedrückt und auf die Beileidsfloskeln ein stereotypes »Danke« gemurmelt hatte, fühlte sie sich wie ausgehöhlt.
»Du bist so blass, Mutti«, flüsterte Hildes ältere Tochter Vera ihr besorgt zu. »Was kann ich für dich tun?«
»Nichts«, seufzte Hilde. Die Gegenwart ihrer anderen Tochter bildete einen gewissen Trost für sie. Vera war nun der einzige Mensch, der ihr geblieben war – außer Cornelia natürlich.
Die Trauergäste zerstreuten sich langsam. Nur die engsten Angehörigen standen an dem Grab, das inzwischen zugeschüttet worden war.
Marlene streckte Hilde verabschiedend die Hand hin. »Ich muss mich beeilen«, sagte sie dabei. »Die Rede von diesem Pfarrer war endlos. Ich sollte schon längst im Hotel Central sein. Ich fürchte, ich habe das Wichtigste versäumt.«
»So?«, fragte Hilde, nicht aus Interesse, sondern um irgendetwas zu sagen. Sie fand, die elegante Selbstsicherheit von Marlene Schermann wirkte auf dem Friedhof fehl am Platze, aber sie schüchterte sie trotzdem irgendwie ein.
»Im Hotel Central findet eine Bademodenschau statt«, erklärte Marlene. »Ich muss wissen, was vorgeführt wurde, damit ich die Bestellungen für meinen Sohn aufgeben kann.«
»Du …, du gehst zu einer Modenschau? Heute?«, fragte Hilde bestürzt.
Marlene zuckte mit den Schultern. »Natürlich bin ich heute nicht in der richtigen Stimmung dafür«, meinte sie. »Aber was bleibt mir anderes übrig. Schließlich lebe ich von meinem Modesalon. Deshalb muss ich mich auch darum kümmern. Sehen wir uns noch, bevor ihr nach Wien zurückfahrt?«
»Nein, ich glaube nicht«, entgegnete Hilde. »Vera will morgen früh abreisen. Heute wollen wir Cornelia noch einmal im Krankenhaus besuchen. Am liebsten würde ich das Kind gleich morgen mitnehmen, aber die Ärzte haben es mir verboten. Cornelia ist noch nicht transportfähig.« Hilde zögerte kurz, dann fügte sie hinzu: »Es bleibt doch dabei, dass Cornelia bei uns in Wien leben wird, sobald sie gesund ist? Du wirst keinen Anspruch auf das Kind erheben?«
»Nein, ich bin froh, dass ihr es nehmt«, erwiderte Marlene. Ihre Worte schienen ihr selbst lieblos zu erscheinen, denn sie sprach schnell weiter. »Selbstverständlich liebe ich mein Enkelkind, aber ich könnte nie genügend Zeit für Cornelia aufbringen.«
»Aber Sie haben immerhin drei Söhne großgezogen«, warf Vera ein. Zum Unterschied von ihrer Mutter fühlte sie sich von Marlene Schermann nicht eingeschüchtert. Sie empfand eine gewisse Antipathie gegen die Schwiegermutter ihrer verstorbenen Schwester, war aber gleichzeitig von ihr ein wenig fasziniert.
Marlene lächelte geschmeichelt. »Das wundert mich selbst«, meinte sie. »Allerdings lebte mein Mann noch, als die Buben klein waren. Er hat sich um sie gekümmert, wenn ich verhindert war. Und jetzt sind sie bereits groß genug, um meine ständige Anwesenheit entbehren zu können. Nicht wahr?«, fragte sie ihre beiden Söhne.
»Sehr richtig, Mama«, stimmte Wilfried, der jüngere der beiden, ihr zu. Vera wusste, dass er achtzehn war, drei Jahre jünger als sein Bruder Werner. Walter war der älteste gewesen. Er war achtundzwanzig Jahre alt geworden.
Vera fand, dass die beiden noch lebenden Brüder wohl einander glichen, nicht aber dem verstorbenen Walter.
Werner und Wilfried waren ziemlich groß, blond und hatten sehr helle Augen. Sie waren gut aussehende junge Männer, aber trotzdem war Vera froh, dass der Mann ihrer Schwester und Cornelias Vater anders gewesen war. Bei Walter hatte Vera immer gewusst, woran sie war. Seinen jüngeren Brüdern gegenüber fühlte sie sich deswegen sonderbar unsicher, obwohl sie ihnen mit ihren achtundzwanzig Jahren und ihrem Beruf als Gymnasiallehrerin überlegen war. Sie hatte das Gefühl, dass hinter der glatten Höflichkeit der beiden noch etwas anderes steckte. So etwas Ähnliches wie geheimer Spott, der jedoch nicht ihr, Vera, sondern der Welt im allgemeinen zu gelten schien.
Hilde Kollmann drückte später, als sie sich mit ihrer Tochter auf der Heimfahrt nach Wien befand, Veras Überlegungen in Worte aus. »Ich kann die drei nicht leiden. Die Mutter nicht und die beiden Burschen auch nicht«, stellte sie unverblümt fest.
»Bist du nicht voreingenommen?«, fragte Vera. »Sie haben dir nichts getan.«
»Mir nicht – aber Karin«, murmelte Hilde.
»Karin? O nein!«, rief Vera aus. »Karin war sehr glücklich mit Walter. Wenigstens diesen Trost haben wir.«
»Wenn ich mir vorstelle, dass sie in einem Haus mit diesen Leuten leben musste«, fuhr Hilde, ohne auf Veras Einwand zu achten, fort.
»Karin ist mit ihnen immer gut ausgekommen«, erinnerte Vera die Mutter. »Du kannst gegen Frau Schermann alles mögliche vorbringen, aber nicht, dass sie für Karin eine böse Schwiegermutter war.«
»Sie hat sie nicht gerngehabt. Keine Träne hat sie ihr nachgeweint«, stieß Hilde hervor.
»Sie hat auch um Walter, der doch ihr Sohn war, nicht geweint. Zumindest nicht in Anwesenheit anderer. Wahrscheinlich ist sie nicht der Typ dazu.«
»Sie ist eine eiskalte Geschäftsfrau«, grollte Hilde. »Sogar am Tag des Begräbnisses dachte sie an nichts anderes, als an das Geschäft.«
»Ja, Mutti, du hast vollkommen recht«, sagte Vera beschwichtigend. »Trotzdem ist Karin gut mit ihr ausgekommen. Oder vielleicht gerade deshalb. Frau Schermann hat sich nur um ihr Geschäft gekümmert und den Haushalt Karin überlassen. Karin war glücklich und zufrieden. Daran darfst du nicht zweifeln.«
»Und jetzt ist sie tot«, seufzte Hilde.
Vera schwieg. Alles, was es an Trostworten gab, hatte sie ihrer Mutter schon wieder und wieder gesagt. Auch sie trauerte um Karin, obwohl die beiden Schwestern, seit sie erwachsen waren, einander fremd geworden waren. Es war nicht nur die räumliche Entfernung zwischen Maibach und Wien gewesen, die sie voreinander getrennt hatte, es war eher die Verschiedenheit der Interessen gewesen. Karin, die ein Jahr jünger als Vera gewesen war, hatte mit neunzehn geheiratet und war nach Maibach gezogen. Ein Jahr später war Cornelia auf die Welt gekommen, und von diesem Zeitpunkt an hatte für Karin nur mehr ihr Mann und ihr Kind existiert, während Vera zuerst in ihrem Studium und dann in ihrem Beruf aufgegangen war. So hatten die beiden sich nicht oft getroffen. Vera hatte ihre Schwester in Maibach nur selten besucht. Dafür hatte sie ihr häufig geschrieben, aber leider war Karin keine eifrige Briefeschreiberin gewesen. Mit einem Wort: Es hatte nur mehr wenig Gemeinsames gegeben. Trotzdem war die Trauer, die Vera empfand, tief und echt. Sie dachte zurück an die glückliche Kindheit, die sie zusammen mit ihrer Schwester verlebt hatte, und nahm sich fest vor, das alles an die verwaiste Cornelia weiterzugeben und dem Kind nach Möglichkeit die Eltern zu ersetzen.
Als ob Hilde die Gedanken ihrer Tochter erraten hätte, sagte sie: »Zu dumm, dass wir Cornelia nicht bei uns haben. Ich werde erst erleichtert sein, wenn ich sie endlich außer Gefahr weiß.«
»Sie ist außer Gefahr«, beruhigte Vera ihre Mutter. »Der Arzt, der sie behandelt, hat es uns versichert, und der Oberarzt hat es bestätigt.«
»Sie war so still und blass«, klagte Hilde. »Und so winzig klein. Und diese vielen Schläuche …« Sie schauderte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie jemals wieder gesund wird.«
»Sie wird gesund