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Perfides Spiel: Ein Politischer Verschwörungs- und Mystery-Krimi
Perfides Spiel: Ein Politischer Verschwörungs- und Mystery-Krimi
Perfides Spiel: Ein Politischer Verschwörungs- und Mystery-Krimi
eBook594 Seiten6 Stunden

Perfides Spiel: Ein Politischer Verschwörungs- und Mystery-Krimi

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Über dieses E-Book

Schauplatz dieses dramatischen Mystery-Krimis ist die idyllische Stadt Sanremo an der italienischen Riviera. Nicht gerade ein Ort, um Mord, Korruption und politische Intrige zu finden. So dachte zumindest Nico Moretti, ein Rechtsanwalt, als er seine Praxis in der Großstadt aufgab, um ein ruhigeres Leben an der Küste zu genießen. Aber fast über Nacht werden er und seine beherzte Freundin, Susanna, zu Hauptverdächtigen in einem Doppelmordfall abgestempelt. Um ihre Unschuld zu beweisen, sehen sie sich gezwungen, die Schuldigen selbst ausfindig zu machen. Doch je mehr sie versuchen, sich zu entlasten, umso mehr werden sie von unerklärlichen Geschehnissen belastet. Verfangen in einem nimmer endenden Psychoterror, greifen sie verzweifelt nach Strohhalmen. Ihr Schicksal als Opfer eines Justizirrtums scheint unabwendbar. Wer steckt hinter diesem perfiden Spiel?


Rezension von amara: Einfach großartig!


Von der ersten Zeile an hat mich das Buch gefesselt. Die Geschichte ist schlüssig, man kann alles sehr gut nachvollzihen und nachfühlen. Von der ersten bis zur letzten Seite spannend. Die Sprache ist sehr gut, sehr reich an Adjektiven, was das Lesen unheimlich bereichert und spannend macht. Die Protagonisten sind interessant, auch als Persönlichkeiten, sie haben so gut zu einander gepasst. Ich werde sicherlich später das Buch noch ein Mal lesen!

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Juni 2017
Perfides Spiel: Ein Politischer Verschwörungs- und Mystery-Krimi

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    Buchvorschau

    Perfides Spiel - David S. Fisher

    PERFIDES SPIEL

    Ein Politischer Verschwörungs- und Mystery-Krimi

    von David S. Fisher

    ein Mystery-Krimi

    3

    David S. Fisher

    Alle Rechte vorbehalt

    @gmail.com

    dayfish3

    dsf.bookcom

    David Fisher ist zu erreichen unter

    oder www.amazon.com/author/davidsfisher

    Die DNA des Spermas stimmt überein mit der des Embryos.

    Na und? sagte ich eisern.

    ''Es gibt noch was.''

    Copyright © 2017

    Irresistible Reads Press

    www.irresistiblereads2.comen

    Alle Rechte vorbehalt

    KAPITEL 1

    Es war ein paar Minuten nach neun Uhr abends, als ich einen Blick auf die Wanduhr meines Büros in der Kanzlei warf. Draußen tobte ein für die Küstenregion von Ligurien typischer Frühjahressturm, und es regnete in Strömen.

    Ich saß an meinem Schreibtisch und war dabei, die überregionalen Tageszeitungen zu lesen, eher um die Zeit totzuschlagen als wegen der Information, meine Gedanken waren nicht dabei. Ich stand gelangweilt auf, ging zum Fenster und schaute in die Nacht hinaus: Kaum etwas zu sehen, nicht einmal die sonst so grellen bunten Lichter des Zentrums von Sanremo. Nur Gewitterregen. Alles verschwommen. Absolut kein Wetter zum Ausgehen. Ich streifte durch mein Büro wie ein unentschlossener Löwe im Käfig.

    Neben der Kanzlei lag meine Zwei-Zimmer-Wohnung. Ich ging durch die Verbindungstür in die Küche in der Hoffnung, etwas Essbares im Kühlschrank zu finden, zumindest aber eine Flasche Wein, um meine Unlust zu vertreiben.

    In der Küche war nichts Appetitliches zu finden. Ich dachte daran, eine Pizza vom Takeaway im Zentrum telefonisch zu bestellen. Doch der Gedanke begeisterte mich auch nicht. Außerdem konnte ich mir kaum vorstellen, dass bei solchem Wetter das Pizza-Taxi unterwegs sein würde.

    Ich nahm mir ein Glas mit Rotwein, trug es zurück ins Büro und nach einem guten Schluck setzte ich mich wieder an meinen Schreibtisch.

    Plötzlich läutete das Telefon. Das grüne Licht für meine Geschäftsleitung blinkte. Das überraschte mich. Geschäftliches um diese Nachtzeit! Ich vermutete Schlimmes, und im Nachhinein lag ich, leider, absolut richtig.

    Ich drückte die Annahme-Taste.

    "Pronto."

    Avvocato Moretti? sagte eine Frauenstimme.

    ''Si."

    ''Sie sind mir empfohlen worden. Ich brauche einen Rat von Ihnen.''

    Kein small-talk, der Ton bestimmt, aber nicht unhöflich. Es hörte sich an wie ein neuer Auftrag. Das Knurren in meinem Magen war vergessen.

    ''Ich muss mit Ihnen reden,'' fügte sie hinzu.

    ''Ah ... meine Bürostunden sind ...''

    ''Es muss noch heute Abend sein.''

    Ungewöhnlich um diese Uhrzeit. Aber wie man so schön sagt: Business is business.

    ''Nun, okay. Ich bin noch im Büro. Sie haben meine Anschrift?''

    ''Nein, nicht Ihr Büro,'' sagte sie, ihre Stimme plötzlich forsch. ''Ich will nicht gesehen werden mit ... mit einem Rechtsanwalt.''

    Das alles klang komisch. Und das Wort Rechtsanwalt hörte sich aus ihrem Munde an wie ein Schimpfwort.

    ''Hören Sie, wer sind Sie überhaupt?''

    ''Können wie uns treffen in ... in einer Stunde? Am Nordtor des Parco Comunale?''

    Ich schaute zum Fenster. Der Sturm hatte nicht nachgelassen, er war sogar schlimmer geworden. Der Regen schlug erbarmungslos gegen die Scheiben. Über den Dächern der Stadt stieg gerade ein Blitz auf. Darauf folgte ein gewaltiger Donnerschlag.

    ''Es ist ziemlich nass draußen ...'' fing ich an, kam aber nicht weiter.

    ''Ist mir egal. Ich nehme ein Taxi. Bitte, wir müssen uns treffen.''

    ''Hören Sie, was kann ich für Sie tun? Äh ... wie war noch Ihr Name?''

    Aber sie hatte bereits die Verbindung unterbrochen. Oder wir wurden unterbrochen. Ich guckte ins Display. Aber keine Information. Weder eine Nummer noch ein Unterbrechungszeichen.

    Ich lehnte mich zurück und steckte eine Camel an. Meine Lieblingsmarke. Nun, was zum Teufel war das für ein Gespräch? Nette Stimme, jung, offensichtlich ein Notfall. Hm. Aber das verdammte Wetter! Und, Dio mio, der Parco Comunale! Das lag elend weit draußen.

    Und dennoch: mein angeborener Sinn für Galanterie bei einer Dame in Not, meine katzenähnliche Neugier und der wohltuende Gedanke an einen neuen Klienten überzeugten mich. Was hatte ich ohnehin an diesem versauten Abend Besseres zu tun? Außer gemütlich zu essen? Sei's drum.

    Ohne auf das Wetter zu achten, meinen Hunger ebenfalls vergessend, machte ich mich auf den Weg.

    Mein Wagen stand noch vor dem Tor zur Tiefgarage, in etwa dreißig Meter Entfernung. Ich sprintete durch den Regen, mein Trenchcoat war aber trotzdem klatschnass, als ich endlich die Wagentür geöffnet hatte und hinter das Lenkrad rutschte. Der Wagen war innen nasskalt, und meine Stimmung verschlechterte sich von Minute zu Minute.

    Nur meine Neugier trieb mich voran.

    Die Fahrt zum Parco Comunale dauerte ziemlich lange, denn der Abendverkehr bewegte sich im Schneckentempo. Und die Sicht war kaum besser als Null. Die Scheinwerfer meines Wagens waren fast nutzlos.

    Es war kurz nach zehn Uhr, als ich endlich am Nordtor ankam. Die Straßen standen bereits unter Wasser. Aber es gab keine hübsche Frau in Wartestellung, keine neue Klientin. Überhaupt niemanden. Ich ließ die Außenbeleuchtung des Autos an, mehr um besser gesehen zu werden, als um etwas sehen zu können.

    Die Minuten vergingen langsam. Na ja, Zeit war ein relativer Begriff in dieser Ecke der italienischen Provinz. Und das Wetter war vielleicht Schuld an ihrer Verspätung.

    Ich suchte in der Brusttasche meines Hemds nach einer Zigarette. Merda, ich hatte die Schachtel im Büro liegen lassen. Und ich spürte wieder Hunger.

    Als ich erneut einen Blick auf die Uhr warf, war es halb elf. Die Heizung funktionierte nur beim Fahren richtig, und ich war halb erfroren. Ich beschloss, ihr noch fünf Minuten zu geben und dann die Hoffnung auf einen neuen Klienten abzuschreiben. Leider nicht zum ersten Mal.

    Dann tauchten plötzlich zwei Scheinwerfer aus dem dunklen Regen auf. Doch ein Auto. Es kam von der Nordseite des Parks, langsam, der Fahrer suchte seinen Weg über die überflutete Straße sorgsam. Ein Taxi. Ein Schuss Adrenalin ließ mich die letzte halbe Stunde, die Kälte und meinen knurrenden Magen vergessen.

    Ich stieg aus dem Auto voller Erwartung, merkte nun nicht einmal mehr den strömenden Regen. Aber der Wagen fuhr an mir vorbei, Wasser von den Rädern spritzte auf wie vom Bug eines Boots.

    Also, das war's. Sie kann mich mal. Aber als sich die Scheinwerfer des Autos an der Einfahrt zum Nordtor vorbei bewegten, dachte ich, ich hätte etwas gesehen, etwas, das auf der Böschung lag. So ein Bündel. Die Neugier packte mich.

    Ich holte die Warnlampe aus dem Gepäckraum und schaltete den stärksten Lichtstrahl ein. Damit konnte ich zumindest ein paar Meter weit sehen. Ich zog meinen durchnässten Trenchcoat enger um mich und ging in die Richtung, wo ich glaubte, den Gegenstand gesehen zu haben.

    Hatten meine Schuhe die Sintflut bisher einigermaßen trocken überstanden, so liefen sie nun voll Wasser, als ich die tiefen Lachen fluchend durchwatete. Dann sah ich es wieder. Dunkler als die Grasfläche. Ja, da war etwas. Ich ging auf das Objekt zu. Ein weggeworfener Müllsack, dachte ich ohne Begeisterung. Typisch, wo doch die Deponie ganz nah ist!

    Ich ging einen Schritt näher und lenkte den Lichtstrahl auf den Gegenstand. Oh Gott, es war kein Müllsack, sondern ein Bündel von Kleidern – mit einem Menschen darin. Ich sah nur das Gesicht. Eine Frau. Leblose Augen, offen.

    Ich war wie gelähmt. Ich starrte sie an -- den Regen, die eisige Kälte, meine patschnasse Kleidung, alles vergessen. Sie lag auf dem Rücken, neben der Fahrbahn, Arme und Beine eigenartig verdreht, als ob sie durch einen schnell fahrenden Wagen erwischt und hierher geschleudert worden war. Ich betrachtete ihr Gesicht noch einmal. Ein hübsches, junges Ding.

    Dann fühlte ich nach einem Puls am Hals und merkte dabei, dass ihr Hemd unter der offenen Regenjacke zerrissen war. Kein Puls, Haut eiskalt. Es fiel mir noch etwas auf. Ich hielt die Lampe näher. Trotz des schlechten Lichts konnte ich nun die grässlichen Druckstellen um ihren Hals deutlich sehen. Sie war kein Opfer eines Verkehrsunfalls, das war klar. Sie wurde erwürgt.

    Ich war wie versteinert. Ich konnte es nicht fassen. Eine ermordete Frau! Und dann kam der Hammer. Großer Gott, war dies womöglich die Frau, die mich heute Abend angerufen hatte? Jung, Ort des Treffens, Zeitpunkt: Alles deutete darauf hin. Der Gedanke gefiel mir überhaupt nicht.

    Nun, was tun? Eins war klar, für sie käme jede Hilfe zu spät. Konnte ich nicht ganz einfach nach Hause gehen und diese Nacht aus dem Gedächtnis löschen? Ja. Nein. Das konnte ich nicht. Das war nicht mein Stil. Meine ganze Erziehung sprach dagegen und meine juristische Ausbildung erst recht. Außerdem konnte ich sie so hier nicht liegen zu lassen.

    Ich deckte ihr Gesicht so gut es ging mit ihrem Mantelkragen zu und machte mich auf den Weg durch Matsch und Wasserlachen zurück zu meinem Wagen. Im Schutz des Innenraums fischte ich mein Handy aus meiner Jackentasche. Als ich die Polizei anrief, schaute ich auf meine Armbanduhr. Viertel vor elf.

    Ein Beamter nannte seinen Rang und Namen und die Polizeidienststelle von Sanremo. Also die Questura. Ich fragte nach Gianni Olivera, dem Polizeichef von Ligurien. Sein Büro war in Imperia, ca. 30 km entfernt. Aber er wohnte in Sanremo. Ich rechnete nicht damit, dass er um diese Zeit im Dienst war. Aber die Questura würde ihn erreichen können.

    Gianni und ich kannten uns gut – na, sozusagen. Wir beide hatten ein gemeinsames Hobby – Poker – und trafen uns regelmäßig auf Pokerabenden. Deswegen duzten wir uns. Zudem kreuzten sich unsere Wege öfters beim Gericht und gelegentlich in seinem Laden in Sanremo.

    Ich wartete, nass, kalt und lechzte nach einer Camel – nach irgendeinem Glimmstängel. Ich war nicht mehr wählerisch. So war ich froh, als Giannis Baritonstimme die nervige Wartemusik ablöste.

    Was gibt's, Nico? brummte er. Mach schnell. Madonna, ich kriege Blätter! Unglaublich.

    Du kannst das Vergnügen jetzt vergessen, Gianni. Die Pflicht ruft. Ich habe eine Leiche für dich – in Sanremo.

    Eine Leiche?

    Ja. Und meiner Meinung nach ermordet.

    Ermordet? sagte er in einer überraschten Tonlage. Es gibt nicht so viele Mordfälle in diesem Teil des italienischen Hinterlandes.

    Yes, dead, killed, murdered, strangled, brüllte ich ins Telefon.

    OK, OK. Keep your ... your ...

    Shirt on.

    Ich wurde zweisprachig aufgezogen. Meine Mutter kam aus der Toskana, mein Vater war Amerikaner aus dem Staat New York. Ich war in den USA geboren und dort groß geworden und hatte auch dort angefangen, Jura zu studieren. Aus diesem Grund übte Gianni seine englischen Sprachkenntnisse mit mir.

    "Yes ... Shirt on," sagte er mir brav nach.

    Ich schlage vor, dass du schnellstens einen Krankenwagen und einen Pathologen hierher schickst. Und auch ein gerichtsmedizinisches Team. Und auch ein paar Taucher. Alles ist unter Wasser hier ...

    Wovon redest du, zum Teufel?

    Schicke deine Leute, Gianni. Ich bin selbst fast eine Leiche.

    Verdammt noch mal, wo bist du?

    Ich hatte mich so über seine Verlegenheit amüsiert, dass ich total vergessen hatte zu erwähnen, wo ich war.

    "Il Parco Comunale. Sanremo. North Gate."

    Um diese Uhrzeit? Und nachts?

    Es ist eine lange Geschichte, Gianni. Und die tote Frau hier wird nicht wärmer. Außerdem bin ich steif gefroren.

    Bist du betrunken ... oder bekifft?

    Mach zu, Mann. Ich bin patschnass, hundeelend, und brauche mein Bett dringend. Aber alles, wonach ich mich jetzt sehnte, war eine heiße Dusche und ein bisschen Kuscheln mit Susanna, meiner Freundin, und etwas Leckeres zu essen. Aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

    Giannis Stimme wurde ironisch. Sag' mir, Nico, warum gibt es immer Stress mit dir?

    Gute Frage. Gianni hatte es nicht einfach mit mir. Entweder vermasselte ich ihm bei vollem Topf ein Bombenblatt oder ich holte ihm einen Hauptverdächtigen unter der Nase weg.

    Während ich auf das Eintreffen von Olivera wartete, holte ich meine Digitalkamera aus dem Auto und knipste einige Fotos von der toten Frau. Man konnte nie wissen. Man findet ja nicht jeden Tag eine Leiche!

    Gianni Olivera war Capo della Polizia und verantwortlich für die Polizei in der Provinz. Er war in den Vierzigern, gut eins neunzig groß und kräftig gebaut. Ein harter Brocken, ein erfahrener Profi aus Rom. Kein Berufsbeamter wie viele Top-Polizisten heutzutage.

    Es dauerte nicht lange, bis er da war. Ich schätzte, dass das Spiel in der Nähe gewesen war. Er streifte mit einiger Mühe eine mit POLIZIA beschriftete Regenjacke über, die aber für ihn zu klein war, und setzte einen gelben Südwester auf. Ich musste grinsen. Er achtete sonst immer so peinlich auf sein Aussehen. Vermutlich hatte er in der Eile das Regenzeug von einem Kollegen ausgeliehen.

    Zwei Autos der Polizia di Stato tauchten aus dem Regen auf wie schwarze Kröten mit leuchtenden Augen. Sie kamen hinter dem Wagen von Gianni zum Stehen. Die blauen Warnlichter blinkten, aber keine Sirenen. Die wohlhabenden Eigentümer und betuchten Touristen könnten sich sonst über den Lärm aufregen. Eine ernst zu nehmende Angelegenheit in dieser Stadt.

    Haste 'nen Glimmstängel, Chief? stieß ich aus, als er mich sah.

    "nen Glimmstängel?"

    Gott im Himmel, eine Zigarette.

    Du sprichst manchmal ein komisches Englisch, sagte er und reichte mir eine Schachtel französischer Filterzigaretten. Muss wohl daran liegen, dass du Amerikaner bist!

    Halbamerikaner, wollte ich ihn korrigieren, sagte aber nichts.

    Während ich versuchte, gegen Wind, Wetter und Regen die Zigarette anzuzünden, ließ er mich stehen und ging zur Betrachtung der Leiche. Endlich hatte ich Erfolg, und ich zog den Rauch tief in die Lunge. Aber die Zigarette war nass und schmeckte nach aufgeweichtem Kraut oder eher nach Kuhdung.

    Gianni lief um die Leiche herum, schien aber nicht besonders interessiert zu sein, als er oberflächliche Blicke hin und her warf. Ich bemerkte, dass seine Hilfssheriffs, die aussahen, als ob sie direkt aus dem Fluss gezogen worden waren, begannen, das Gebiet abzusperren.

    Der Killer ist schon längst weg, dachte ich mir, sagte aber nichts. Die hiesigen Polizisten sind manchmal sehr dünnhäutig, insbesondere wenn sie gestresst sind.

    Gianni drehte sich zum Gerichtsmediziner um, der gerade angekommen war.

    Ich war hundemüde und mental angeschlagen durch das, was geschehen war. Mich ging dies alles nichts mehr an. Und dies schien mir der geeignete Augenblick, mich zu verabschieden. Dennoch blieb ich. Der Gerichtsmediziner interessierte mich.

    Er kniete und war dabei, die Leiche zu untersuchten. Er war auch patschnass und trotz des Schirms, den ein Assistent ihm über den Kopf hielt, war sein Instrumentenkoffer bereits halb voll Wasser. 

    Ich hatte noch eine Frage an den guten Mann.

    Gianni und ich blieben an der Seite, als er trotz aller Widrigkeiten konzentriert weiter arbeitete. Ich wollte ihn nicht sofort stören. Während wir zuschauten, brachte ich Gianni auf den neuesten Stand und erzählte ihm von dem seltsamen Anruf.

    Hm, hm. Du glaubst, es war dieselbe Frau? fragte er nachdenklich.

    Es könnte Zufall sein, aber die Frau wollte mich hier treffen.

    Komischer Ort, nicht? Und mitten in der Nacht?

    Ja, dachte ich mir auch, aber sie bat mich dringend darum. Und da hörte ich auch Panik aus ihrer Stimme heraus ...

    Hm ... hat sie einen Namen, diese Frau?

    "Nein, sie legte auf, bevor ich eine Chance hatte, danach zu fragen. Alles ging so schnell...

    Ziemlich eigenartig, finde ich.

    Ja, aber solche Dinge passieren.

    Er nickte und wandte sich dem Pathologen zu.

    Hat sie irgendwelche Papiere bei sich, Doktor? fragte Gianni. Er sprach wieder Italienisch.

    Keine Handtasche, nichts in ihren Taschen. kam die Antwort.

    Können Sie sagen, wann sie gestorben ist, in etwa? fragte ich, und sprach das an, was mich am meisten beschäftigte.

    Der Pathologe und ich kannten uns vom Sehen, aber er blickte erst zu Gianni.

    Na? sagte Gianni.

    Schwierig zu sagen in diesem Sauwetter, Chief. Aber meine beste Schätzung wäre ... na, sagen wir vor etwa zwei Stunden.

    Also zehn Uhr sagte Gianni vor sich hin.

    Der Gerichtsmediziner nickte und wischte Regen vom Gesicht.

    Du warst hier um die Zeit. sagte Gianni zu mir. Und du hast nichts gesehen?

    Bei diesem Wetter! Ich bitte dich!

    Gianni wandte sich dem Fundort zu, der von Autoscheinwerfern notdürftig beleuchtet war. Er schien mit seinen Gedanken beschäftigt zu sein. Ich hoffte, dass er mit seinen Fragen bezüglich der Todeszeit fertig war. Ich war hier überflüssig und mir war nicht zumute danach zu verweilen. 

    Wenn du mich nicht mehr brauchst, Gianni ... na, dann mach' ich mich auf den Weg. Bevor der Tod mich holt.

    Es war eine nicht besonders passende Wortwahl.

    Er lächelte mich ironisch an, sagte aber nichts.

    Bevor ich mich entfernen konnte, kam einer seiner Beamten zu ihm, tippte ihm auf den Arm und hielt ein Kurzwellenfunkgerät hin.

    Noch mehr Stress sagte der Mann kurz.

    Gianni hielt das Gerät an sein Ohr. Ja. Er hörte mit steinernem Gesicht zu, dann verzerrte er das Gesicht, als ob er Schmerzen hätte. Mit einem Grunzen beendete er das Gespräch und gab das Gerät zurück. Er sah irritiert aus.

    Die Autobahnpolizei hat gerade einen weiteren Toten gefunden sagte er. Erschossen.

    Oh Mann, zwei Morde in einer Nacht! Heiliger Bimbam, und das in einem Nest, wo man sich in der Regel höchstens mit kleinen Gaunern und organisierten Touristenneppern herumzuschlagen hatte. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Aber eine Reaktion von mir war nicht nötig.

    In diesem Augenblick hielt ein Streifenwagen neben ihm an. Der uniformierte Fahrer öffnete die Tür auf der Passagierseite. Gianni drehte sich um, beugte sich vor und schob seine nicht unerhebliche Gewichtsmasse hinein.

    Wir brauchen deine Aussage, Nico. Also, morgen früh, auf der Questura. Und sei pünktlich. Sein Kopf verschwand und das Fenster wurde elektrisch geschlossen.

    Die Rücklichter des Wagens entfernten sich im Regen. Dann stieg ich in meinen nasskalten Wagen, drehte die Heizung voll auf, stellte aber fest, dass sie nun überhaupt nicht mehr funktionierte, und fuhr zähneklappernd und beunruhigt direkt nach Hause.

    Die Aussage des Pathologen, dass die Frau fast zeitgleich mit meiner Ankunft an Ort und Stelle starb, begeisterte mich überhaupt nicht. Doch das konnte nicht sein. Ihre Haut fühlte sich eiskalt an als ich sie fand. Als ob die Leiche länger dort gelegen hatte.

    Durchnässt und zitternd vor Kälte war mir nicht danach, scharfsinnige Analysen anzustellen. In diesem Augenblick brauchte ich einen großen Cognac, eine heiße Dusche und eine große Portion von Susannas Zauber. Genau in dieser Reihenfolge.

    Der Sturm hatte nur wenig nachgelassen, als ich den Wagen in die Einfahrt zu Susannas edlem Zuhause lenkte. Ich benutzte die Fernbedienung, um Zufahrt zu erhalten. Das Haus war sicherlich über ein Jahrhundert alt, gebaut im Spätkolonialstil, hatte wunderbare Gartenanlagen. Perfekte Abgeschiedenheit. Der Unterhalt musste ein kleines Vermögen kosten, aber Susanna hatte das nötige Kleingeld. Ich beschwerte mich nicht. Ich mochte Luxus.

    Susanna war eine tüchtige Geschäftsfrau und Besitzerin eines der hiesigen Nobelrestaurants, in dem ich regelmäßig zu Abend aß. Ihr Vater hatte ein Gastronomieunternehmen aus dem Nichts aufgebaut und nach dem Tod ihrer Eltern hatte sie es geerbt und kräftig ausgebaut. Das Restaurant hatte bereits zwei Sterne und ein dritter schien in nicht zu weiter Ferne zu sein. 

    Es war sehr spät geworden, aber einige Lichter brannten noch im Erdgeschoss. Sie hatte auf mich gewartet. Eine nette Geste. Aber der Empfang im Wohnzimmer war nicht so freundlich.

    ''Nun, wie viel hast du diesmal verloren?" fragte sie sarkastisch.

    Sie saß auf der Couch, eine Modezeitschrift geöffnet in ihrem Schoss, ihr Laptop eingeschaltet neben ihr. Das Fernsehen lief auch. Ich musste zugeben, dass sie Multitasking wie keine andere beherrschte. 

    Ich war bereits dabei, mich der nassen Kleidung zu entledigen.

    Kein Pokerspiel sagte ich, als ich mich auf dem Weg zu dem Badezimmer machte, das sich im Parterre befand. Ich hatte eine Verabredung mit einer Klientin.

    Susanna war einige Jahre älter als ich, groß gewachsen, dunkelhaarig, mit einer hübschen kleinen Nase und sexy schwarz-glänzenden Augen, die an arabische Schönheiten aus Tausend-und-eine-Nacht erinnerten. Sie hatte eine Figur mit Kurven, die mit den Fotomodellen in La Moda glatt konkurrieren konnten. Intelligent, gebildet, sinnlich, sie war fast die perfekte Frau. Die Kehrseite war, dass man Susanna nehmen musste, wie sie war, sie würde sich für einen Mann nicht ändern. Und ich war nicht leichtsinnig genug, einen Versuch anzustellen.

    Sie folgte mir ins Badezimmer, ihre Figur versteckt in einem locker hängenden Pyjama, auf den ein chinesischer Kuli stolz gewesen wäre.

    Mitten in der Nacht? sagte sie. Die Ironie war nicht zu überhören.

    Ja. Kommt manchmal vor.

    Warum hast du es so eilig? Beweise beseitigen, wie?

    Schau mal meine Klamotten an, Kleines, wenn du mir nicht glaubst.

    Sie zog den Duschvorhang teilweise zurück, meine nasse Kleidung hoch haltend, Nase gerümpft.

    Ich lächelte in ihre Richtung. Das kommt nicht vom Bumsen mit irgendeiner Biene, glaub mir. Außerdem bin ich zu alt, im Freien und bei strömendem Regen eine Nummer zu schieben, das kannst du auch glauben.

    Ha!

    Aber ihre gereizte Stimmung fing an nachzulassen.

    Was hast du dann angestellt?

    Ich trocknete mich ab, und wir gingen zurück ins Wohnzimmer. Ich bestellte einen großen Cognac. Mit einem mürrischen Blick in meine Richtung ging sie ihn holen.

    Sie kam zurück mit einer Flasche VSOP Cognac und zwei Schwenkern. Wir setzten uns am Esstisch einander gegenüber und ich leerte mein Glas in einem Zug. Mann, das tat gut. Sie füllte mit einem Lächeln nach.

    Ich hatte instinktiv eine Schachtel Camel mitgenommen und steckte nun eine zwischen meine Lippen.

    Sie schüttelte den Kopf. He, ich dachte, du wolltest aufhören?

    Ich hatte gehofft, dass sie das vergessen hatte. Ich ließ die Zigarette stecken, zündete sie aber nicht an. Ein guter Kompromiss. Außerdem, Giannis Filterkraut hatte mir den Geschmack verdorben. Nun ja, für heute zumindest.

    Eigentlich hatte ich nicht vor, ihr von der Verabredung an diesem Abend zu erzählen, denn die ganze Geschichte hörte sich doch ziemlich weit hergeholt an. Aber unter den Umständen hielt ich es für ratsam, keine unnötige Geheimniskrämerei zu betreiben. Sie würde morgen bestimmt in der Zeitung davon lesen. Möglicherweise würde auch mein Name dabei stehen als Leichenentdecker.

    Während ich diesmal an dem Drink nur nippte, erzählte ich ihr die ganze Story. Danach fühlte ich mich wohler, nicht zuletzt, weil ich schlecht lügen kann. Als ich fertig war, fragte sie:

    Wissen die denn, wer sie ist ... war?

    Ich schüttelte den Kopf. Sie hatte keine Papiere bei sich.

    Ein Mädchen aus der Gegend?

    Wie soll ich das wissen? Sie war tot.

    Sakrament, ich denke, du hast mit ihr am Telefon gesprochen! Hatte sie keinen Namen?

    Nein. Alles ging sehr schnell, und sie hatte aufgelegt, bevor ich fragen konnte.

    Einen Akzent?

    Ich dachte darüber nach. Italien ist voller regionaler Akzente. Und da Sanremo sich an der französischen Grenze befand, gehörte der französische Tonfall fast zum Alltag.

    Ja, in der Tat. Sie sprach Italienisch, aber mit einem französischen Akzent.

    Susanna nickte, als ob sie eine mentale Checkliste abhakte. Sie neigte zu logischen Erklärungen. Für sie passierte nichts ohne einen plausiblen Grund. Eine waschechte Wahrheitsfanatikerin war sie!

    Hörte sich ihre Stimme an, als ob sie Angst hatte oder unter Druck stand?

    Ja, ein wenig. Aber mehr gestresst. Sie sagte, sie braucht einen Anwalt – dringend. Sie schlug vor, dass wir uns am Nordtor zum Parco Comunale treffen sollten.

    Wie kam sie darauf? Und in so einer Nacht?

    Keine Ahnung.

    Hat sie gesagt, wie sie auf dich kam?

    Sie sagte, ich sei ihr empfohlen worden.

    Von wem?

    Das hat sie nicht gesagt.

    Sie schüttelte den Kopf. Weißt du, du überraschst mich manchmal. Ich dachte, du hättest mehr Intelligenz.

    Ich schickte einen fragenden Blick in ihre Richtung.

    Kam dir das alles nicht spanisch vor? Kein Name, nichts? Und vor allem ein Treffen an einem entlegenen Ort mitten in der Nacht?

    Ja, vielleicht ...

    Und du hast keine Fragen gestellt?

    ''Ich versuchte es, aber ich kam nicht dazu.''

    ''Hmmm?"

    Ich konnte nicht wissen, dass ich da eine Leiche finden würde.

    Das nicht. Aber dein Beweggrund hört sich nicht besonders überzeugend an. Dann wurde ihr Blick plötzlich misstrauisch. He, du willst mich nicht veräppeln, oder?

    Verdammt, es war genau so, wie ich gesagt habe. Genau, wie ich es geschildert habe. Und ... ganz nebenbei dachte ich nicht zuletzt daran, eine neue Klientin zu bekommen.

    Sie lachte ironisch. Vielleicht doch eher an eine, mit der man eine Nummer schieben kann!

    He, Mann, anschauen, ja, aber ich lang' nicht zu.

    Ja, ja.

    Du kennst mich sehr schlecht.

    Besser als du dich selbst, denke ich.

    Das tat irgendwie weh, selbst wenn es nicht ganz so ernst gemeint war. Oder doch?

    Ich mochte sie, wenn sie sich ärgerte. Sie sah dann immer so richtig zum Anbeißen aus. Ich neckte sie deswegen auch gern.

    Susanna griff nach ihrem Glas. Nahm ein Schlückchen. Sie bohrte weiter. Also, wie sah denn diese Frau aus?

    Ich habe ein Foto.

    Sie hob die Brauen. Ich hatte einen Anflug von professionellem Stolz. Die Digitalkamera war in der Tasche meines Trenchcoats. Ich holte sie heraus. Sie hatte die Nässe gut überstanden. Gute Wertarbeit aus Germania. Ich zeigte ihr im Display die Fotos, die ich gemacht hatte. Ihr Gesicht wurde weiß wie ein Betttuch.

    Oh mein Gott, heilige Madonna ... das ist ... das sieht aus wie Denise.

    Du kennst sie?

    Ja. Ja, ich denke schon. Wenn sie das wirklich ist ... Sie arbeitet bei Maria, in deren Restaurant. Du weißt – gegenüber von meinem.

    Dann sprudelte es aus ihr heraus...

    Denise kam aus Aix-en-Provence. Susanna kannte sie vom Frischgemüsemarkt, wo Maria auch den Großeinkauf machte. Denise studierte Hotelmanagement und Gastronomie, arbeitete an einem Uni-Projekt und jobbte bei Maria. Denise plauderte gern, und sie und Susanna tranken öfters einen Kaffee zusammen. Susanna half ihr bei ihren Projektarbeiten.

    ''Wann hast du sie zuletzt gesprochen?''

    ''Gestern. Ich habe mit ihr Kaffee getrunken. Mit ihr geschwätzt ... oh, mein Gott …''

    ''Wie war sie?"

    ''Normal. Fröhlich. Gesprächig. Eigentlich wie immer. Wir haben über Alltäglichkeiten gesprochen ...''

    Also nicht irgendwie gestresst?

    ''Wenn sie gestresst war, dann bestimmt nicht gestern Vormittag.''

    Ich trank mein Glas mit einem Schluck aus und dachte an mein Gespräch am nächsten Tag mit Gianni. Da würde ich sicherlich mehr über den Mord und über Denise erfahren.

     Unerklärlicherweise fing ich an, mich für die tote Frau zu interessieren.

    KAPITEL 2

    Am nächsten Tag war der Sturm vorbei. Susannas Gourmetrestaurant öffnete erst um halb eins. Wenn ich im Büro nicht viel zu tun hatte, konnten wir ausschlafen. Das bedeutete Frühstück im Bett mit einem Schäferstündchen als Nachtisch. Oder vice versa wie heute. Ich hatte auf den Frühstückspart verzichtet. Susanna machte keine Anstalten, aufstehen zu wollen. Und mein eigenes Frühstück zu machen, war mir zu umständlich.

    Frisch geduscht, erneut zu Kräften gekommen und bereit, Gianni bei der Aufklärung eines Mordfalls zu helfen, beschloss ich, den Wagen stehen zu lassen und zu Fuß in die Stadt zu gehen. 

    Ich hatte Zeit.

    Um Zeit und Muße zu haben, hatte ich ja meine juristische Karriere in Mailand aufgegeben. Also genoss ich es nun. Und trotz des Horrors der vergangenen Nacht fühlte ich mich sauwohl.

    Ich schlenderte durch die Straßen bis zur Strandpromenade hinunter, vorbei an den prächtigen Villen mit ihren großen bunten Gärten und schließlich entlang der Küstenstraße, die das Capo Verdi mit dem Capo Nero verband.

    Gianni und die gestrige Nacht waren halb vergessen. Aber nur halb. Eigentlich war ich auf dem Weg, ihn zu treffen. Früh, hatte er gesagt. Aber es gab keine Eile. Wir waren in bella Italia und in Ligurien noch dazu. Früh bedeutete, irgendwann vor dem Mittagessen.

    In einem Straßencafé bestellte ich Kaffee und Croissants und blätterte neugierig durch die Lokalzeitung. Ich wollte wissen, was man über die zwei Toten zu berichten wusste. Ich fand aber nur zwei kurze Absätze über die tote Frau. Kein Name, keine Details. Kein Hinweis, dass es sich um Denise handelte. Nur die Schlagzeile fand ich amüsant. Erdrosselung einer jungen Frau. Mann erschossen. Na, wenn das die Auflage nicht verdoppelt!

    Der Bericht über den zweiten Toten war ebenfalls kurz. Ein unidentifizierter Mann war auf einem Parkplatz an der Umgehungsstraße oberhalb der Stadt erschossen aufgefunden worden. Die Behörden hielten sich wie üblich der Presse gegenüber bedeckt, und die Lokalpresse buckelte wie üblich vor der Obrigkeit. Tja, soweit die umfassende Information der Bürger. Amen.

    Ich blätterte schnell durch den Rest der Zeitung und warf sie beiseite. Der Lokalklatsch interessierte mich nicht. Was wissenswert war, bekam ich direkt von Susanna.

    Ich lehnte mich in meinem Rattanstuhl zurück, rückte meinen Humphrey-Bogart-Lookalike Filzhut nach vorne und guckte, wie die Welt an mir vorbeizog. Die Welt ist eine Bühne, hat Shakespeare gesagt. In der Tat wahr, aber der Gedanke beunruhigte mich. Wo saßen dann die Zuschauer?

    Meine Gedanken kreisten immer noch um Sanremo – und Gianni.

    Ligurien war ein ruhiges Plätzchen für ihn. Ich fragte mich oft, was ihn hierher gebracht hatte, in diesen Teil der italienischen Provinz. Man sprach davon, dass er hier geparkt wurde, dass größere Aufgaben auf ihn warteten. Da er viel Zeit damit verbrachte, politische Beziehungen zu kultivieren, könnte das wohl stimmen.

    Er sprach nie über seine Vergangenheit oder über sein Privatleben. Er war ohne sichtlichen weiblichen Anhang. Auch keine Familie auf der Bildfläche. Oder hatte er vielleicht alles in Rom hinter sich gelassen? Keiner wusste es. Und er sorgte dafür, dass es so blieb. Ich mochte ihn, weil er alles im Griff hatte. Die Abzocker-Mafia hatte in seinem Revier keine Chance.

    Andererseits wusste man bei ihm nie, was ihm durch den Kopf ging. In der Pokersprache würde man von zwei Glasaugen sprechen, denn er zeigte selten menschliche Regungen, weder beim Kartenspielen noch im Leben selbst. Er war der Inbegriff eines Mister Pokerface.

    Von ihm drifteten meine Gedanken zu Denise. Ich fragte mich, was sie so aus der Bahn geworfen, was sie möglicherweise auf dem Kerbholz hatte. Warum sie so dringend einen Rechtsanwalt gebraucht hätte. Und warum sie umgebracht worden war. Wenn jemand in Gefahr ist, wendet er sich nicht an einen Anwalt – er geht zur Polizei. Das hat sie offensichtlich nicht getan. Warum? Das Ganze war sehr seltsam. Auf Anhieb beschloss ich, einen Umweg zu machen.

    Ich machte mich auf den Weg durch die Altstadt zu Marias Restaurant. Es war eine uralte, einfache, aber gut erhaltene Trattoria, nichts im Vergleich mit Susannas renommiertem Feinschmeckerlokal. Die beiden Restaurants waren im ältesten Teil der Stadt, wo die Gassen so eng waren, dass korpulente Fußgänger Probleme hatten, aneinander vorbei zu gehen.  

    Die Türen und Fenster der Trattoria waren weit geöffnet, um die Innenräume zu lüften. Ich hörte, wie sich jemand im Inneren bewegte. Es war Maria selbst. Sie war um die fünfzig und lebte mit einem viel jüngeren Mann zusammen, den ich anfangs für ihren Sohn gehalten hatte. Ein kleiner Fauxpas, der dafür sorgte, dass sie mich seitdem einen dummen Yankee nannte. Sie mochte mich nicht, und ich mochte sie nicht.

    Ich ging leichten Schrittes hinein. Heute wollte ich etwas von ihr, wollte sie nicht ärgern.

    Sie empfing mich mit einem bösen Blick, der einen Gewerbeaufsichtsbeamten auf der Stelle hätte erstarren lassen.

    Ich suche Denise sagte ich mit betont freundlicher Stimme und schob eine Camel zwischen die Lippen. Ich steckte sie aber nicht an. Meine neue Kompromissmasche.

    Maria schaute mich mit stechenden Augen an, sichtlich in der Erwartung, dass ich die Camel anstecken würde, damit sie mich womöglich anzeigen könnte. Das Rauchen war auch hier mittlerweile strafbar. Ich tat ihr diesen Gefallen nicht.

    Als sie dies merkte, sagte sie gereizt: Was willst du von ihr?

    Es ist persönlich.

    Sie überlegte, sagte dann: Heute ist ihr freier Tag.

    Kann ich sie zuhause erreichen?

    Achselzucken.

    Weißt du, wo sie wohnt?

    Sie deutete mit einem Daumen nach oben.

    Da oben? sagte ich und betrachtete die schmuddlig-graue hohe Stuckdecke verwirrt.

    Auf dem Hügel. Im Cottage. Bist du so schwer von Begriff!

    Im Hinterhof des Lokals stand ein altes verbeultes Auto. Wohl eine Studentenkutsche. Ich stieg behutsam eine holprige Steintreppe hinauf.

    Die Stufen waren noch nass vom Regen der vergangenen Nacht und der Weg steil. Einmal rutschte ich aus und stürzte. Ich klopfte den Dreck ab, so gut es ging. Dann stieg ich mit mehr Vorsicht weiter nach oben.

    Ein Kärtchen war an den Türpfosten geklebt. Mit ihrem Namen in Großbuchstaben. Ich drückte die Klingel. Drinnen rührte sich nichts.

    Ich klopfte lauter, fester. Dann plötzlich gab die Tür nach. Ich stand wie verdutzt da, überrascht. Nicht abgeschlossen, sagte ich mir, und schob die Tür vorsichtig nach innen. Ich rief ihren Namen durch die offene Tür. Keine Antwort.

    Bedächtig schaute ich mich um. Es war kein Mensch zu sehen. Nicht einmal die neugierige Maria. Ich war allein auf weiter Flur und ging hinein. Vorsichtig prüfte ich das Schloss von innen und sah, dass es entriegelt war. Eigenartig, aber ich dachte mir nichts dabei. So was passiert eben.

    Neugier zog mich hinein. Ich musste Gewissheit haben. Lebte sie noch?

    Drinnen war alles so still wie in einem Mausoleum. Und schummrig. Es roch muffig nach Zigarettenqualm. Ich versuchte ein Fenster zu öffnen, um mehr Licht zu bekommen, doch das verdreckte Ding öffnete sich schwer. Ich musste etwas Gewalt anwenden. Endlich schaffte ich es. Dann drückte ich den Laden dahinter auf und schloss die Tür.

    Obwohl es mir wichtig war, Gewissheit über Denises Schicksal zu bekommen, legte ich ebenso viel Wert darauf, schnellstmöglich von hier wieder zu verschwinden. Das leere Haus war mir irgendwie unheimlich. Und ich konnte es mir nicht leisten, drinnen erwischt zu werden. Egal von wem.

    Ich blickte mich auf der Schwelle um. Eins war mir sofort klar! Wenn sie tot war, dann war der Erkennungsdienst noch nicht da gewesen. Keine Anzeichen von Spurensicherung zu sehen.

    Das Häuschen war nicht groß, nur zwei kleine Zimmer, eine Dusche und eine kleine Küche. Denise war nicht besonders ordentlich, getragene Kleidungsstücke lagen überall herum. Volle Aschenbecher, schmutzige Gläser und einige leere Bierflaschen hier und dort bestätigten diesen Eindruck. Dazu Staub in allen Ecken. Entweder hatte vor kurzem eine Party stattgefunden oder das war ihr Lebensstil. Oder beides.

    Doch ich war nicht gekommen, um ihre Lebensgewohnheiten zu beurteilen.

    Die Neugier packte mich wieder. Ich suchte ein Photo, irgendetwas womit ich sie identifizieren könnte. Ich ging durch die Räume, schaute in Schränke und Schubladen, vorsichtig, ohne noch mehr Unordnung zu verursachen. Ich benutzte mein Taschentuch, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Man kann ja nie wissen.

    Im Schlafzimmer stellte ich fest, dass sie allein wohnte. Zumindest keine Anzeichen eines Mitbewohners. Allerdings, es überraschte mich, in einem Kleiderschrank Designer-Klamotten zu finden - einige schicke Cocktail- und Abendkleider, teure Schuhe. Bizarr, wenn man bedenkt, was sonst da herumlag – das meiste davon in Discounter-Warenhäusern, nicht in Designer-Boutiquen gekauft.

    Ich warf einen Blick in die Küche. Sie war winzig, und die Luft dort roch auch nach Zigarettenqualm. Die Unordnung setzte sich hier fort: Geschirr mit Resten von Takeaway Pizzas und Salaten auf der Arbeitsfläche und im Spülbecken. Es gab kaum Essbares im Kühlschrank. Offensichtlich aß sie wohl nur Takeaways oder bei Maria.

    Dann entdeckte ich endlich ein Photo in einem Lederrahmen. Zwei Frauen. Freundlich lächelnd. Die eine war ohne Zweifel die Frau, die ich tot gefunden hatte. Also doch Denise. Die andere war um die fünfzig. Möglicherweise ihre Mutter? Da war eine gewisse Ähnlichkeit. Nunmehr hatte ich Gewissheit über Denises Schicksal. Ich konnte gehen.

    Hätte ich in diesem Augenblick klar gesehen, hätte ich sofort das Weite gesucht. Ich tat es leider nicht. Stattdessen ging ich ins Wohnzimmer zurück und suchte nach Hinweisen auf Denises Freunde oder ihren Bekanntenkreis – eine instinktive Reaktion, die aus meiner Zeit als Großstadt-Anwalt stammte. So eine günstige Gelegenheit bietet sich nicht wieder, dachte ich.

    Obwohl ich alles bereits durchsucht hatte, ging ich mit geänderter Zielsetzung an die Arbeit. Die teuren Kleider ließen darauf schließen, dass auch die passenden Wertsachen irgendwo hier versteckt sein mussten. Und wo Wertvolles versteckt ist, gibt es für gewöhnlich auch private oder vertrauliche Sachen. Ich nahm die Suche wieder auf. Aber kein Tresor, kein Geheimfach. Kein Versteck.

    Endlich fand ich das, was ich suchte – in einem großen, leerstehenden Mehltopf in der Küche. Ich war echt überrascht. Eine mit Diamanten besetzte Damenuhr, goldene Armreifen, zwei silberne Halsketten, schlichte Fingerringe. Alles aus edlem Metall, fein gearbeitet und sichtbar teuer.

    Ich schaute genauer nach, aber keine Widmungen oder Inschriften. In einem zweiten Topf entdeckte ich ein dickes Bündel

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