Wer weiß das noch?: Erinnerungen an fast Vergessenes aus unserem früheren Alltag
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Über dieses E-Book
Dazu gibt es noch vieles Andere, schon Vergessenes, was alles erschwerte und das Alltagsleben zum Teil entscheidend belastete.
Was war denn wirklich besser, als die Segnungen der modernen Technik uns noch längst nicht alle erreicht hatten, als noch keine Fertigprodukte durch Knopfdruck entstanden, als ein gewünschter Artikel noch nicht via Internet geordert und am nächsten Tag geliefert wurde, als schon ein einfaches Kaffeetrinken mit der Arbeit an der Kaffeemühle begann.
Beim Lesen des vorliegenden Sammelsuriums von Tätigkeiten, Begebenheiten und Ereignissen in vergangenen Zeiten zu vertrackten Situationen, durch unsinnige Bedingungen und absonderliches Verhalten in unserem Goslar und anderswo, kommt man trotz wehmütiger Gedanken an ein so genanntes "einfaches Leben" unweigerlich zu der Einsicht: Wir leben jetzt im bestmöglichen Alltag!
Hannelore Giesecke
Hannelore Giesecke, Jahrgang 1927. Dipl. Bibliothekarin. Von 1950 bis zur Pensionierung 1992 Leiterin der Stadtbücherei Goslar, seitdem 'ehrenamtlich' tätig im Stadtarchiv Goslar. Veröffentlichungen: Emilie. Ein leiser Abschied. Leben in Goslar 1816-1931. Aus einem Tagebuch zusammengestellt. Norderstedt: Books on Demand 2009. 178 S. Nebenbei Erlebtes. Goslar 1930-1948. Aus dem Alltagsleben der Tante Marie. Norderstedt: Books on Demand 2012. 559 S. Nun muß sich alles wenden. Goslarer Allerlei 1948-1970. Aus gesammelten Zeitungsberichten. Norderstedt: Books on Demand 2013. 470 S. Sie lebten auch in, Goslar. Mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten, die nur kurz oder länger in Goslar lebten. Norderstedt: Books on Demand 2014. 149 S. Stunde Null bis Pall Mall. Wie Goslar und Umgebung die Besatzungszeit von 1945 bis 1948 erlebt. Norderstedt: Books on Demand 2014. 303 S.
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Buchvorschau
Wer weiß das noch? - Hannelore Giesecke
DANK AN FRANK <1951-2014> UND DONALD *1958, DIE BEHARRLICH FRAGTEN UND DENEN WIR ELTERN IMMER WIEDER ZU ANTWORTEN VERSUCHTEN.
Wie ging es früher zu,
lange oder kurz vor dem Wirtschaftswunder
und in der Zeit des Neubeginns
in Goslar und anderswo?
Polizeistreife 1959 in der Münzstraße
SO SAH ES EINMAL AUS IN GOSLAR …
Beim Anblick dieser mitternächtlichen Szene von 1959 denkt man unwillkürlich an den damals noch zu beherzenden Leitsatz für Vieles im täglichen Leben, nicht nur für die Pflege kleinster Kinder:
Ruhe – Reinlichkeit – Regelmäßigkeit.
Unter anderem glaubten wir, uns sicherer fühlen zu können, wenn in der oft völlig menschenleeren Goslarer Altstadt zu gewohnter Zeit die Polizeistreife auftauchte.
Ja, damals…
Und vollends das Bild des romantischen Schuhhofs von 1947 auf dem Buchdeckel versetzt uns in die so genannte „gute alte Zeit", die jeder früher einmal erlebt zu haben meint. Zuweilen so oder anders…
Inhaltsverzeichnis
Vorratshaltung
Kühlschrank
Eisgewinnung
Heizmaterial
Einkochen – Essen
Sirup-Kochen
Zusätzliche Nahrung
Besorgen, handeln, organisieren, tauschen …
Genehmigungen für alles … Wohnen, Reisen und so weiter
Über das Reisen – früher und heute –und dazwischen
Die Bahnsteigsperre
Reisen …
…ins Ausland…
…im Flugzeug…
Kleidung
Ski-Sport und Schlittschuh-Laufen
Konfirmation
„Zonensendungen"
‚Stille Örtchen‘ einst und jetzt und andere ‚Lokalitäten‘
Von Stahlrössern, Vehikeln und anderen Transportmitteln
Weihnachten und andere Festlichkeiten
Luftschutz
Notfall-Vorrat
Großreinemachen
Einsätze
Glücksspiele: Funklotterie, Toto, Lotto
Mustermessen
Einkaufen
Register
Wie war das denn
zum Beispiel mit dem bißchen Haushalt und was damit alles zusammenhing…
Wenn ‚große Wäsche‘ anstand, was mußte da vorher alles organisiert werden.
Zu uns in den großen kinderreichen Geschäftshaushalt kam früher eine Waschfrau von der Schilderstraße, eine kleine, stille, immer rotgesichtige Witwe mit zwei noch schulpflichtigen Töchtern.
Drei Tage dauerte das Unternehmen ‚große Wäsche‘, an dem wir Mädchen uns später als Heranwachsende nur beim Wäsche-Aufhängen beteiligten, nämlich bei gutem Wetter auf dem lang gestreckten Schuppendach, das man nur über eine angestellte Leiter oder fast halsbrecherisch vom Balkon aus mit einem gewagten Schritt erreichen konnte. Oder im klirrend-kalten Winter, wenn wir mit den Wäschekörben auf dem Handwagen zum Großen Heiligen Kreuz zogen, um dort auf dem riesengroßen Boden die Wäsche aufzuhängen. Man mußte sich vorher bei der Meisterin anmelden und erhielt dann einen Platz auf dem blitzsauberen Boden zugewiesen.
Vielleicht haben wir während der Wascherei auch zuweilen einmal die Wringmaschine betätigt, die aus zwei Gummiwalzen bestand, die durch Federn gegeneinander gepreßt wurden.
Zum ‚Wäschezockeln‘ kamen wir an die Reihe, wenn die getrockneten einzelnen Wäschestücke eingesprengt, glatt gezogen und möglichst faltenlos zusammengelegt für die Heißmangel vorbereitet wurden.
Zum Heißmangeln in der Friesenstraße ging ich gern mit. Frau Ida Pehler führte dort die Regie, es herrschte ein munteres Treiben in dem warmen Raum und war jedes Mal unwahrscheinlich interessant durch die Gespräche der wechselnden Besucherinnen.
Wie kraftzehrend ‚große Wäsche‘ eigentlich war, erfuhr ich erst, als wir geheiratet hatten und bei meiner Schwiegermutter lebten.
In dem großen Ackerbürgerhaus mit Anbau wohnten neun Parteien, die sich dem strengen Regiment der Hauswirtin oder fast noch mehr der Tochter in Haus, Hof und Waschküche zu fügen hatten. Jeder Mieter bekam in allen Dingen nur das Notwendigste bewilligt, wie etwa auch an Nebengelaß. Ein Stück Stellfläche mit Lattenzaun im unbeleuchteten Keller, einen kleinen Verschlag auf dem Boden im winzigen Nachbarhaus, wo man nicht aufrecht stehen konnte, oder den Anteil eines baufälligen Schuppens in der hintersten Ecke des großen Grundstücks. Die Waschküche durfte jede Partei nur einmal im Monat benutzen, jeweils für zwei Tage, worüber genauestens Buch geführt wurde.
Wie die täglich oder wöchentlich anfallende ‚Klein‘-Wäsche bewältigt wurde, interessierte die Hauswirtin und ihre regierende Tochter nicht. Wäsche in der Küche zu waschen, war strengstens untersagt, was aber natürlich alle Mieter dennoch taten. Lediglich ‚erlaubte‘ Windeln durften auf der nur für Säuglingswäsche ‚genehmigten‘ Wäscheleine in einer versteckten Ecke des großen Hofes aufgehängt werden.
Überall berichtete die Presse von schwierigsten Verhandlungen zwischen Vermietern und Mietern, in der Braunschweiger Zeitung zum Beispiel am 28.August 1953 mit der etwas mokanten Überschrift: Darf man in der Küche waschen?
Hier bei uns war alles verschlossen; wenn Waschtag war, mußte man sich den Schlüssel zum Waschhaus ausbitten, frühestens am Abend vorher, um die Wäsche zum Einweichen in „Henko" zu stecken, was damals üblich und auch unerläßlich war.
Das Pulver „Henko", im kalten Wasser aufgelöst, ebenfalls ein Erzeugnis des Unternehmens Henkel & Cie wie „Persil, „Sil
, „Imi und „ATA
wirkte tatsächlich Wunder, bedeutete aber bereits schon mühevolles Auswringen der Wäschestücke.
Waschküche – Aus: Der Neue Brockhaus. 1941-1942
Meine Schwiegermutter und ich erledigten den Kraftaufwand ‚Große Wäsche‘ fast immer an einem Sonntag, da ich ja auch sonnabends in der Stadtbücherei tätig war.
Große Wäsche im hölzernen Waschbottich, 1930
Dann begann der Tag um 5 Uhr mit dem Kochen der weißen Wäsche im Waschkessel. Mit einem langen Gummischlauch leitete man das Wasser von der einzigen Wasserstelle im Waschhaus in den kupfernen Waschkessel, der in einem aus roten Backsteinen gemauerten Waschherd eingelassen war, sehr vorsichtig, weil der ungleiche Wasserdruck einem manchmal den Schlauch aus den Händen reißen konnte.
Bei schlechtem Wetter wollte oft der Herd nicht richtig ‚ziehen‘, d.h., das mühsam tief unten erzeugte Feuer glimmte nur und mußte tüchtig ‚angefacht‘ werden.
Mit einer langen hölzernen ‚Waschkelle‘ bewegte man die Wäsche in der kochenden Persillauge, fischte dann die einzelnen Teile heraus und expedierte sie in die hölzerne Waschwanne, in der darauf jedes Stück sorgfältig gewaschen, d.h. gegeneinander gerieben wurde, wobei ich die schwiegermütterliche Ermahnung: „Du mußt die Wäsche rubbeln, nicht Deine Hände!" nur ziemlich mangelhaft befolgen konnte. Wegen meiner meist blutigen Finger schafften wir ein Waschbrett an –ein geriffeltes Brett aus Zinkblech- (mit dem man später Musik machte!), auf dem ich aber auch keine Höchstleistungen vollbrachte.
Eine gewisse Erleichterung spendete bald ein ‚Wäschestampfer‘ aus Metall, der irgendwie quirlartig die Wäsche beim Hoch und Nieder bewegte und somit säuberte.
Nach der Waschprozedur verfrachtete man die beschwerlich ausgewrungenen Wäschestücke in das tatsächlich aufhellende „Sil"-Wasser, das wiederum fast zum Kochen gebracht werden mußte. Vorher hatte man den Waschkessel mit dem Wasserschöpfer -ein handwerklich beachtliches Stück auch ‚Stippeimer‘ genannt- von der Waschlauge geleert.
Aus dem Silwasser kam die Wäsche wieder in frisches kaltes Wasser in der Waschwanne, die tatsächlich schon durch einen herausnehmbaren Pfropfen geleert werden konnte, natürlich pladdernd in darunter zu stellende Eimer. Einen Abfluß im Fußboden des Waschhauses gab es überraschenderweise schon.
Ein weiteres anstrengendes Auswringen folgte; dann schichteten wir die Wäscheteile, zu denen noch die weniger heiß behandelte Buntwäsche kam, locker in große Waschkörbe, denn an ein Aufhängen zum Trocknen war am Sonntag natürlich nicht zu denken. Das ‚durfte‘ man erst am nächsten Wochentag. Auch der ausgedehnte Hausboden -4 Treppen hoch- stand in der Winterzeit nicht am Sonntag zur Verfügung.
Am Montagmorgen, in aller Herrgottsfrühe, erklomm ich dann mehrmals die aberhundert Treppenstufen, belastet mit Wäscheleine, Wäschekorb und Klammerbeutel, um unsere Wäsche dort aufzuhängen; bei gutem Wetter fand die Aktion auf dem asphaltierten Hof statt, den man nur zu diesem Zweck betreten durfte. Ansonsten hatte man außen herumzugehen, da die schräg ansteigende Fläche über den Gewölbekellern womöglich einbrechen würde. Als ich dieserhalb die Baupolizei verständigen wollte, drohte die Hauswirtstochter mit der Kündigung!
Um die lang gezogenen Wäscheleinen straff und hoch genug zu halten, hatten wir uns kunstvoll eingekerbte Wäschestützen fertigen lassen, die man so deponieren mußte, daß eventueller Wind sie nicht umriß. Die hinter dem Waschhaus vorhandenen Wäschestützen –kräftige, knorrige Baumäste- benutzten wir nicht, weil sie nie sauber waren.
Sehr bald gehörten wir zu den Kunden der Wäscherei „Schneeweiß", die sich im Nachbarhaus mit einer Filiale etabliert hatte und als Neuheit die für kleine Geldbeutel erschwingliche Wohltat der ‚Naßwäsche‘ anbot. Die im Wäschebeutel abgegebene Wäsche konnte man nach ein paar Tagen sauber gewaschen und fest ausgewrungen wieder abholen, was wir mit riesigen Taschen ‚zur Tarnung‘ vollbrachten. Man durfte ja nicht erwischt werden beim Wäschetrocknen innerhalb der Wohnung.
Naßwäsche war zwar ziemlich knitterig, aber auch schnell trocken auf den nachts quer durch die Küche gespannten Leinen. Später leisteten wir uns sogar den Luxus von ‚schrankfertiger‘ Bett- und Tischwäsche, bis zur Anschaffung 1961 des wunderbaren AEG-Waschautomaten NOVA für den stolzen Preis von 2.280 DM, nach Anzahlung von 800 DM in sechs Raten ‚abgestottert‘.
Daß es schon vor fast 200 Jahren eine bequeme und höchstvortheilhafte Waschmaschine gegeben hatte, wußten wir damals nicht. Ein aus Querfurt stammender Theologe und Tüftler Jacob Christian Schäffer (1718-1790) bot 1767 in Regensburg sein auch ‚Rührflügelmaschine‘ genanntes Wunderwerk an. 60 Exemplare davon sollen angefertigt und vertrieben worden sein. Im Miele-Museum in Gütersloh und auch in Querfurt in Sachsen-Anhalt gibt es Nachbildungen der Schäfferschen Waschmaschine, die in der Folgezeit vermutlich vorerst in der Herstellung noch viel zu kostspielig für die Allgemeinheit blieb.
Mit dem Kauf der Maschine hatten wir die inzwischen zur alleinigen Hausbesitzerin avancierte Tochter der verstorbenen Hauswirtin in höchste Bredouille gebracht. Ohne Genehmigung einfach so ein neumodisches Teufelszeug in ihr Haus zu stellen, fand sie unerhört und sträflich. Plötzlich mußten wir das Zehnfache an ‚Wassergeld‘ zahlen, was der Fachmann für wahnwitzig und völlig unberechtigt hielt. Er hetzte das Wasserwerk auf die Vermieterin, und zähneknirschend mußte sie das zuviel verlangte Geld, durch einen Fehler an der Wasseruhr entstanden, an uns zurückzahlen, was aber erst bei der nächsten Mietzahlung, die stets bar auf die Hand erfolgen mußte, verrechnet wurde.
Mit der neuen ‚Herrscherin‘ war ohnehin alles noch schwieriger. Sie hatte als ‚spätes Mädchen‘ einen verwitweten Lehrer mit Sohn geheiratet, blieb kinderlos, wußte aber alles besser als andere Menschen. Besonders in der Kindererziehung glaubte sie, beispiellos zu sein. Als eine erboste Mutter ihr einmal vorwarf, doch gar keine Erfahrung darin zu haben, entgegnete sie würdevoll, sie hätte Hunderte von Küken großgezogen, daher wüßte sie Bescheid.
Solche Zwistigkeiten mit machthungrigen Vermietern erlebten unzählige Menschen, vor allem in der Zeit der Wohnungsnot und Entbehrungen nach dem Krieg. Nicht von ungefähr hieß es: Es gibt Menschen und Hausbesitzer.
Vorratshaltung
Zum richtigen ‚Haus Halten‘ gehörte, einen gewissen Vorrat an verschiedenen Sachen anzulegen, neben haltbaren Lebensmitteln vor allem Kartoffeln und Feuerung.
Jeder Wohnungsinhaber sollte eigentlich immer über einen ausreichend großen Kellerraum verfügen können, was uns und den anderen Mietern in dem riesengroßen Haus, in dem wir lebten, leider nicht geboten wurde.
Wie weitläufig der gewölbeartige Keller ohne elektrisches Licht wirklich war, weiß ich nicht; unser schmales mit Maschendraht begrenztes Teil reichte gerade einmal für die Kartoffelkiste,