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Der Bote: Ein Science-Fiction-Krimi
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eBook180 Seiten2 Stunden

Der Bote: Ein Science-Fiction-Krimi

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Über dieses E-Book

"Noch einmal öffnete ich Södermanns Kladde und las in der akkuraten Schrift, wie ein solcher Brief zu beantworten sei. Ein leeres weißes Rechteck wurde sichtbar, ein dünner senkrechter Strich blinkte. Ich drückte eine Taste - auf dem Rechteck erschien ein "e". Ich lachte auf."

Das Jahr 2168 in Zeiten von Postkutschen und rationiertem Wasser. Im Weiler Bankies findet man die Leiche eines Unbekannten. Ein Kriminalrichter reist an, um den Fall zu untersuchen. Merkwürdiges geschieht, die Zeit fließt schneller, ein Strudel, der alles und jeden erfasst. Unter einem Schafstall summen Computer, unter Ruinen liegen Relikte einer merkwürdigen Vergangenheit.
SpracheDeutsch
HerausgeberConte Verlag
Erscheinungsdatum13. März 2014
ISBN9783956020254
Der Bote: Ein Science-Fiction-Krimi

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    Buchvorschau

    Der Bote - Dieter Paul Rudolph

    Erster Mord

    Wach. Es stinkt nach Schafscheiße. Schnell auf und das Ge­sicht in die Waschschüssel getunkt. Ah! Kalt! Wasser abschüt­teln und runter, rasch, rasch, komm. Angeekelt einen Blick auf meine Umrisse im Heu, dunkler als das Zeug drum herum, wahrscheinlich nass. Klar doch: nass. Möchte gar nicht wissen, wie das riecht. Schon hell draußen?

    Es dämmert. Gut so.

    Unten wird zuerst die Kaffeemaschine eingerichtet, einge­schaltet, dann der Laptop hochgefahren. Beides geht viel zu langsam – Geduld, Geduld, ich müsste mehr Geduld haben! Sagt sich so. Immerhin: Der Generator brummt gleichmäßig und diskret, ist da oben nicht zu hören. Keine Gefahr.

    So. Jetzt warten. In der Zwischenzeit: Einwählen, Emails checken. Auch wieder eine Ewigkeit. Klack, klack, klack, mit den Fingern auf die Tischplatte musiziert. Endlich: der Kaffee ist durch. Die erste Tasse in drei, vier großen Schlucken, dass ich mir die Zunge daran verbrenne.

    Was Wichtiges im Mailfach? Die übliche Erinnerung aus der Zentrale: Au-gen-auf! Ja, ja. Augen auf. Ihr habt leicht reden.

    Keine Unterschrift. Soll ich eine Antwort tippen? Nee, oder? Doch? Wird erwartet, ja, ja, ja. Aber an wen eigentlich? Den Priester? Den Silberkopf – lass ihn das bloß nicht hören …? Die Quatschtante – äh … die Stirnumkränzte?

    »Alles unter Kontrolle. Planmäßiger Gang der Dinge. Herzliche Grüße!«

    ›Herzliche Grüße‹ streichen. Die sind imstande und drucken das aus und heften das ab. Man macht sich zum Gespött der Nachwelt … Issn das da?

    Ha! Der Programmierer hat ein neues Spiel geschickt! Der weiß, was ich brauche! Space Car Race, ohne Bindestriche, der hats nicht so mit Sprache. Muss er auch nicht. Heißt race nicht auch ›Rasse‹? Doch, gelt? Komisch.

    Also, was haben wir denn da. Mit 200000 Sachen die Sekunde durch x-beliebige Galaxien gerast, aufpassen, feindliche Flotten aus bizarren Fahrzeugen, Sternbarrieren als Hindernisse, schwarze Löcher – tilt. Planeten kaputtballern, unbewohnte zehn Punkte, bewohnte hundert. Um die Kugeln kurven, möglichst dicht, aufpassen, dass dich die Schwerkraft nicht ins Nirwana katapultiert oder mitten ins Herz des Bösen, wo sie einen mit ihren Bomben zupflastern. Wer 10 000 Punkte hat, gewinnt.

    Ja, nett. Heute Abend mal in aller Ruhe durchhecheln. Kann man das auch zu mehreren spielen? Übers Netz? Müsste eigentlich. Klar, müsste eigentlich.

    Jetzt noch einen Kaffee und kräftig durchatmen. Ein Stück von diesem furchtbaren Brot mit der ranzigen Margarine. Bäh! Kaut sich vor lauter Abscheu von alleine.

    Und wieder hoch. Und wieder die Schafscheiße. Gewöhnt man sich denn nie daran? Die Biester sind auch wachgeworden in ihrem Pferch und blöken hysterisch nach Atzung. Der Hund knurrt, auch noch schlaftrunken, der. Es ist hell draußen, man sieht’s jetzt im Fensterrahmen funkeln und glitzern. Die Klamotten anziehen und raus.

    Schafe hüten.

    *

    Am frühen Nachmittag des 20. August 2168 hielt Extrapost vor der Station des Weilers Bannkies. Ich, einziger Fahrgast, stieg aus. Der Kutscher sprach leise zu seinen nassen Tieren, ich verstand nicht, was er sagte. Der Ort kam mir menschenleer vor. In der Station bewegte sich nichts, die Fensterläden waren geschlossen, dahinter kein Geräusch.

    »Zum Bürgermeister?«, fragte ich den Kutscher. Dieser sagte, ohne mich anzusehen: »Da den Berg hoch. Die Bäckerei.« Und redete dann weiter auf die Pferde ein.

    Man hatte hier einen Menschen getötet. Die Leiche, die man am Morgen des 11. August 2168 nahe des Weilers Bannkies entdeckt hatte, war ein Fremder mit eingeschlagenem Schädel. Niemand im Ort kannte ihn oder hatte ihn zuvor gesehen. Es wurde Wasser bei ihm gefunden. Der Bürgermeister Winzram hatte Meldung gemacht, nach einem Beamten des Kriminalgerichts verlangt. Nicht jeder an seiner Stelle hätte das getan. Nächst zwanzig Liter in einem Behältnis lagen neben dem Toten. Kostbares Gut. Man hätte es mit den wenigen Mitwissern teilen können: dem Mann, der die Leiche aufgefunden hatte, und einer jungen Frau, die zufällig darüber hinzugekommen war. Den Toten hätte man verschwinden lassen, das geschieht oft. Man regelt die Dinge unter sich. Oder man vergisst sie.

    Bannkies mochte aus vierzig Feuerstellen bestehen, ein klei­ner und elender Ort wie viele in diesem Bezirk. Es war heiß wie immer zwischen März und November. Ich überquerte die Straße, Staub wirbelte auf. Ich sah die andere Straße, in die ich zu gehen hatte, hoch. Der Berg war mehr ein Hügel, der sich vor gebirgichtem Hintergrund wölbte und deshalb, weil es diesig und gleißend zugleich war, von fremden Augen für einen wirklichen Berg gehalten werden konnte. Links und rechts standen die Gerippe von Häusern. Sie waren nicht zahlreich. Ich zählte sieben zur Linken, acht zur Rechten. Dazwischen einige Hütten, die eine größer als die anderen, das mochte die Bäckerei, das Bürgermeisteramt sein. Ich stieg hinan. Hinter mir ertönte jetzt die Stimme des Kutschers, der eine andere Stimme antwortete, sie lachten dann auch. Sie sahen mir nach, das wusste ich. Ich drehte mich nicht um.

    Es waren armselige Hütten in diesem Dorf. Mit aus den jetzt ruinierten Häusern entnommenen Steinen erbaut. Es gab Ritzen, es gab Löcher, mit Stroh, seltener mit Mörtel gefüllt. Die Hütten waren einstöckig, sie waren windschief, die Fenster spärlich, klein und geschlossen. Die Hütte Winzrams hingegen erhob sich in zwei Stockwerken. Sie wirkte solider als die benachbarten. Ein Schild hing über der Tür. Bäckerei. Darunter: Verwaltung. Darunter: Wasserausgabe. Ich klopfte an die Tür.

    »Brot morgens, Wasser abends«, sagte nach einer Weile eine Stimme aus dem Innern. Es mochte die des Bäckers selbst sein, denn sie klang wie von einem, der an das Befehlen gewöhnt ist.

    »Ich bin der Kriminalrichter.«

    Die Stimme hinter der Tür schwieg. Abermals nach einer Weile, wurde die Tür geöffnet.

    Ich kannte Winzram flüchtig aus der Provinzhauptstadt, an die Umstände erinnere ich mich nicht. Wir sind uns nicht vorgestellt worden, es muss eine offizielle Gelegenheit gewesen sein. Einen schon älteren Menschen, an die fünfzig, hatte ich im Gedächtnis, groß und wohlgenährt, was ihn auffallend machte. Er war zweifellos der Mann, der mir jetzt gegenüber stand und mich musterte.

    »Sie sind der Kriminalrichter, ja. Wir kennen uns.«

    Ich nickte. Er überragte mich um einen halben Kopf.

    »Treten Sie ein. Ich weiß ja, warum Sie hier sind. Sind Sie allein? Haben Sie keine Gehilfen mitgebracht? Keine Gendarmen?«

    Ich folgte ihm ins Innere des Hauses und antwortete auf alle Fragen mit einen einzigen »Nein«. Ich sagte, als wir in einem Raum waren, in dem wohl das Brot verkauft, das Wasser ausgegeben wurde: »Mein Gehilfe wird übermorgen nachkommen. Er ist erkrankt.«

    Winzram brummte Unverständliches.

    Es gab in dem Raum einen langen Tresen und dahinter einige Regale, die jedoch leer waren.

    »Kommen Sie hier hinein«, sagte der Bürgermeister und führte mich in ein kleineres Zimmer mit Tisch und Stühlen, einem Schrank. Er hieß mich Platz nehmen. Aus dem Schrank nahm er zwei Gläser und eine Karaffe mit Wasser. Er füllte die Gläser mit dem Wasser.

    »Sie sind durstig.«

    Ich griff in die Innentasche meiner Jacke, der Bürgermeister winkte ab.

    »Das bekommen Sie ohne Marken.«

    Ich bedankte mich. Winzram musste ein reicher Mann sein, wenn er Wasser zu verschenken hatte. In den Gläsern befand sich ungefähr je ein zehntel Liter.

    »Das Wasserreservoir?«, fragte ich.

    »Wir verfügen über eine Quelle, vielleicht vier Kilometer von hier. Es ist ausreichend. Den Toten hat man in der Nähe dieser Quelle gefunden, einen Kilometer entfernt, drei Kilometer vom Dorf.«

    »Wo ist der Tote jetzt?«

    »In einem Felsenkeller. Wir lagern dort Wasser für Notfälle. Der Keller wird gut bewacht.«

    Ich zweifelte nicht daran. Wir tranken schweigend von dem Wasser. Es war gutes Wasser, sogar frisch und kühl, wie es überhaupt in dem Haus angenehm kühl war.

    »Wo werden Sie übernachten?«, fragte Winzram dann.

    Ich wusste es noch nicht.

    »Gehen Sie zu Ballick. Das Haus neben der Poststation. Dort hätte man wohl auch ein Zimmer für Sie, aber der Postmeister ist ein Idiot. Das Essen ist schlecht und er wird Sie mit dem Wasser betrügen. Haben Sie genügend Marken dabei?«

    Ich hatte mir für eine Woche Vorrat geben lassen. Es war eine dienstliche Reise, mir standen Extrarationen zu.

    »Eine Woche wird ausreichen. Wann wollen Sie die Leiche sehen?«

    Ich wollte sie sogleich sehen. Der Bürgermeister nickte.

    »Das ist mir recht. Erst gegen Abend geben wir das Wasser für morgen aus, bis dahin sind wir zurück.«

    Der Tote lag tatsächlich in einem Felsenkeller. Dieser befand sich am östlichen Ende des Ortes, in den gleichen Hügel getrieben, an dem die Häuser standen. Zwei Wachen saßen davor auf dem Erdboden, einer mit einer Muskete bewaffnet, der andere einen Degen in der Hand. Sie schienen beide ihren Dienst mit gebührendem Ernst zu verrichten und standen auf, als sie uns kommen sahen. Winzram begrüßte sie mit einem Nicken, sie nickten zurück und beachteten mich kaum, ich wurde ihnen nicht vorgestellt.

    »Mach die Tür auf, Hans«, sagte der Bürgermeister zu dem mit der Muskete.

    Im Keller war es feucht, sehr kalt, je weiter wir hineingingen. Wir hörten Wasser tropfen in dem schmalen Gang, Hans ging uns mit einer Fackel voraus.

    »Noch wenige Meter«, sagte Winzram, »dann kommt ein größerer Raum, in dem wir das Wasser lagern. Die Leiche liegt in einem anderen Gewölbe, in das wir durch einen weiteren Gang gelangen.«

    Es war nicht viel zu erkennen, die Fackel brannte schlecht, sie flackerte zudem. Ich hielt mich dicht hinter dem Bürgermeister, dieser sich hinter Hans. Der andere Wächter, dessen Namen Winzram nicht genannt hatte, war am Eingang zurückgeblieben.

    »Haben Sie Schwierigkeiten mit dem Wasser? Wird häufig gestohlen?«

    Meine Stimme hallte unnatürlich, als wir den größeren Raum durchquerten, in dem einige Wasserfässer standen, vielleicht zehn, vielleicht zwölf, große Fässer. Jedes mochte seine zweihundert Liter fassen.

    »Nein«, antwortete Winzram. »Hier muss keiner Durst leiden. Die Quelle. Wir haben einen Zaun um sie gezogen, auch dort stehen zwei Wachen. In manchen Jahren haben wir Wasser im Überfluss, wir müssten es nicht rationieren. Es ist aber besser so, denn wenn wir das Wasser in einem Jahr nicht rationieren, in einem anderen aber doch, dann murren alle. Die Menschen sind nun einmal so. Manchmal kommt es zu Diebstählen auf den Getreidefeldern, bei den Obstbäumen. Vor einem Jahr ist eine Kuh verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Es waren wohl Fremde.«

    »Woher wissen Sie das?«, fragte ich. Winzram antwortete erst, als wir im zweiten Gang waren.

    »Weil eine Kuh, die noch lebt, fressen muss. Weil man sie nicht verbergen kann. Und weil eine Kuh, die nicht mehr lebt, zubereitet und verzehrt werden muss. Was man auch nicht verbergen kann. Es ist aber im Ort nichts aufgefallen, was auf eine lebendige oder eine tote Kuh hätte schließen lassen. Also müssen Fremde gekommen sein und die Kuh mit sich genommen haben.«

    Es leuchtete mir nicht ein. Auch ein Bewohner von Bannkies hätte die Kuh aus dem Ort führen und gegen etwas anderes eintauschen können. Oder irgendwo im Gebirge schlachten, zerlegen. Ich behielt meine Mutmaßungen für mich. Wir waren auch endlich in dem Gewölbe angekommen, in welchem die Leiche sein sollte.

    Der Tote lag auf einem Salzbett. Klumpiges Salz, welches die Flüssigkeit mitsamt der Leichengifte aus dem Körper gezogen hatte. Es ging ein Geruch von ihm aus, aber er war zu ertragen. Neben dem Toten lagen ordentlich seine Kleider. Sie waren ohne Besonderheiten, eine helle Hose aus Leinen, ein etwas dunkleres Hemd aus gleichem Stoff, solide Lederschuhe, nicht ganz saubere Unterwäsche. Strümpfe hatte der Mann nicht getragen.

    Ich ging in die Knie und betrachtete die Wunde am Kopf des Toten.

    »Ein Kalkstein«, sagte Winzram. »Man sieht noch die Reste, welche nach dem Schlag in der Wunde verblieben sind. Solche Steine gibt es hier häufig.«

    Der Bürgermeister hatte recht. Man hatte dem Mann mit dem Stein eine schreckliche Wunde an der Stirn zugefügt, den Knochen zertrümmert. Das getrocknete Blut war mit einer weißlichen und einer gräulichen Substanz verbunden, Kalkstein und Hirn.

    Der Mann mochte dreißig bis fünfunddreißig Jahre alt gewesen sein. Er war schlank, seine Muskeln wirkten ausgeprägt, er musste viel Fleisch in seinem Leben verzehrt haben. Sein Haar war pechschwarz, seine Gesichtszüge eben und ruhig, als wäre der tödliche Schlag völlig unvermutet über ihn gekommen.

    »Der Mann sieht nicht aus wie ein Fremder«, sagte Winzram.

    Ich nickte. Ein Weißer, keine Narben, keine erkennbaren Gebrechen. Wohlgenährt. Dann sah ich das Gefäß. Ich wusste nun endgültig, warum man mich hergeschickt hatte. Der Bürgermeister war meinem Blick mit dem seinen gefolgt.

    »Man nannte es Plastik. Es ist künstliches Material. Man weiß wohl, wie es herzustellen ist, weil man Bücher gefunden hat. Aber es fehlen die Werkzeuge, die Maschinen. Von ihnen weiß man wenig, eigentlich nichts.«

    »Es ist neu«, sagte ich.

    »Das denke ich auch.«

    Das Gefäß lag etwas abseits des Toten und seiner Bekleidung. Ich nahm es

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