Keine Zeit für Kinderträume: Rittergut Wurschen in Sachsen 1944
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Über dieses E-Book
Mit großer Aufmerksamkeit verfolgte er alles, was um ihn herum geschah und entwickelte dabei eine besondere Beobachtungsgabe.
Seine Geschichte mit bewegenden und schönen Momenten, mit traurigen Erlebnissen und Augenblicken der Angst, wird all jene Menschen berühren, die diese Zeit miterlebt haben.
Unsere Nachkommen und besonders junge Leser können sich ein Bild machen über Kindertage in schweren Zeiten zwischen Krieg und Neubeginn.
Heidi Anders-Donner
Heidi Anders- Donner wurde 1947 in einem kleinen Dorf in der Altmark, nahe Salzwedel, geboren. Schon als Vierjährige zog sie durchs Dorf und sang allen mit Hingabe ihre Lieder vor. Sie ließ sich zur Lehrerin ausbilden. Aber die Musik war ihr Leben, und so war sie viele Jahre künstlerisch tätig, sang in einem Mädchenquartett, in einer Band und in einem Funk- und Fernsehchor. Später tourte sie singend im Duett und als Solistin durchs Land, trat im Fernsehen auf und schrieb eigene Texte. Nach 1993 wechselte sie von der Musik zur schreibenden Zunft. Sie absolvierte ein Fernstudium für Belletristik an der Hamburger Akademie und führte es weiter mit Kinder- und Jugendliteratur. Seit 2012 lebt sie mit ihrer Familie in Dresden. Als Leiterin einer Schreibwerkstatt am Radeberger Gymnasium entwickelte sie aus den Ideen der Schüler mehrere Geschichtenbücher. Des Weiteren war sie bis 2019 für 3 Jahre Deutschlehrerin an einer Migrationsschule in Dresden tätig. Seit 2018 engagiert sie sich an einer Grundschule als Leiterin für Ganztagsangebote- u.a. mit einem Lese- Club "Lieber lesen als langweilen". Außerdem arbeitet sie an eigenen Buchprojekten. Bisher veröffentlichte sie fünf Kinderbücher und die Lebensgeschichte eines Kriegskindes. Ihre Buchlesungen für Kinder und für Erwachsende gestaltet sie neben Texten mit musikalischen Einlagen.
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Buchvorschau
Keine Zeit für Kinderträume - Heidi Anders-Donner
Informationsquellen:
Die Kämpfe um die Befreiung der Lausitz während der großen Schlacht um Berlin 1945 von Jan Cyz – Ziesche
VEB Domowina Verlag Bautzen
www.napoleonstrasse1813.de
Örtlicher Verein von Wurschen
Inhalt
Prolog
Auf dem Gutshof 1944
Gute Tage
Die Zeiten ändern sich
Die Gaffer am Fenster
Seelenschmerz
Fremde und Freunde
Vorsorge
Die Flucht beginnt
Stunden des Schreckens
Die Kirche von Kotitz
Weiter auf der Flucht
Rückkehr
Wieder auf dem Rittergut
Neubeginn
Schritte ins Leben
Eine neue Situation
Unwissenheit
Der Bruch
Auf eigenen Füßen
Auf und davon
Epilog
Zur Autorin
Danksagung
Fotos
Der Rittergutsverwalter, Werner Fiebig, mit seinem Sohn Hans-Joachim, 1941
Wurschen in Sachsen – 1940
Am 19.Oktober 1940 wurde ich auf dem Rittergut in Wurschen als erstes Kind von Werner und Margarete Fiebig geboren. Meine Eltern gaben mir den Namen Hans-Joachim. Ein Jahr später, am gleichen Tag, kam meine Schwester Ulla auf die Welt. Nun waren wir eine richtige Familie.
An Ereignisse früher Kindertage kann ich mich kaum erinnern. Das änderte sich jedoch mit meinem vierten Geburtstag, als ich jäh begann, die Welt um mich herum voller Neugier, mit wachen Augen zu beobachten.
Viele interessante, aber auch traurige Erlebnisse, bewegende Momente und Augenblicke der Angst sind bis zum heutigen Tag in meinem Gedächtnis haften geblieben. In späteren Jahren fügte meine Mutter den Geschehnissen von damals manches Detail hinzu, was mir in jener Zeit als Knirps entgangen war.
Auf dem Gutshof
Herbst 1944.
Ich erinnere mich noch gut an die Umgebung, in der ich aufgewachsen bin, an die Wohngebäude und das Gut, auf dem unsere Familie geraume Zeit lebte.
Mein Vater war der Rittergutsinspektor, der Verwalter des Grafen zu Solms von Sonnewalde. Mutter kümmerte sich um die Wirtschaft.
Meine Schwester und ich wurden von einem Kindermädchen liebevoll betreut.
In unserem Wohnhaus, das zum Gut gehörte, hatte Vater sein Büro. Auf dem großen Hof gab es einen Buddelkasten und eine hölzerne Bank, auf der wir oft saßen und alles gut beobachten konnten, die Gespanne und Wagen, die auf den Gutshof kamen, die Pferde, die getränkt wurden, den Ein- und Austrieb der Kühe, die Schweizer, die aus den Ställen mit der Karre den Mist auf den Haufen transportierten.
Dieser gewaltige Berg inmitten des Hofes hatte meine ganze Aufmerksamkeit geweckt.
Ich staunte über die Zugmaschinen und Traktoren, die so riesig waren. Nachdem ein Traktorist sie am frühen Morgen angestellt hatte, pepperten sie ohne Unterbrechung stundenlang, bop, bop, bop, bop, bop, vor sich hin; über Mittag neben der Werkstatt und abends an der Gaststätte. Die Traktoristen stellten sie erst am Ende eines Arbeitstages ab.
Beinahe alles, was auf dem Hof passierte, war interessant und aufregend. Überall hin hatte ich freien Zugang. Manchmal rannte ich dem Vater auf die Felder nach, wenn er dort den Arbeitern Aufträge erteilte. Es gab für mich nichts Schöneres, als bei Wind und Wetter draußen herumzuflitzen.
Vater war nicht nur der Verwalter auf dem großen Hof der gräflichen Familie. Er betreute zwei weitere, etwas kleinere Höfe, auf denen jeweils ein Vogt eingesetzt war. Die Traktoristen, Kutscher und Arbeitsleute hatten immer einen Vorsteher, der ihnen Aufträge des Verwalters überbrachte.
Besonders gern ging ich in die Schmiede. Die Männer dort