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Im Schatten der Todessteine 3: Rabenkönig
Im Schatten der Todessteine 3: Rabenkönig
Im Schatten der Todessteine 3: Rabenkönig
eBook315 Seiten3 Stunden

Im Schatten der Todessteine 3: Rabenkönig

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Über dieses E-Book

Der Wettlauf gegen den Tod geht für Jannis und Talin weiter. Völlig erschöpft erreichen sie den Roten Wald und werden von Ilan, dem jungen Wildhüter, aufgegriffen. In ihm finden sie endlich einen Verbündeten für ihre gefährliche Reise.
Der menschenscheue Ilan lebt zurückgezogen im Wald und pflegt nur seine Freundschaft zu dem Raben Kara. Bevor die Gruppe zur Rabeninsel aufbrechen kann, geschieht das Unfassbare: Ein mysteriöser Zwischenfall ermöglicht Kara, sich von einem Raben in einen jungen Mann zu verwandeln, doch Ilan nimmt diese Veränderung ganz anders auf, als Kara es sich vorgestellt hat.
Als sie zu viert ihre Reise antreten, ahnen sie noch nicht, mit welch gefährlichem Feind sie es auf der Rabeninsel zu tun bekommen. Und die Zeit verrinnt für Talin - werden sie ihr Ziel rechtzeitig erreichen?

Band 3 der Trilogie
SpracheDeutsch
Herausgeberdead soft verlag
Erscheinungsdatum21. Aug. 2016
ISBN9783960890188
Im Schatten der Todessteine 3: Rabenkönig

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    Buchvorschau

    Im Schatten der Todessteine 3 - Alice Camden

    Alice Camden

    Im Schatten der Todessteine

    Rabenkönig

    – Band 3 –

    Impressum

    © dead soft verlag, Mettingen 2016

    http://www.deadsoft.de

    © the author

    Cover: Irene Repp

    http://www.daylinart.webnode.com

    Bildrechte:

    © Marcin Perkowski – shutterstock.com

    © Yeko Photo Studio – shutterstock.com

    © Quick Shot – shutterstock.com

    1. Auflage

    ISBN 978-3-96089-017-1

    ISBN 978-3-96089-018-8 (epub)

    Kapitel 1: Ilan

    „Schhhhhh, Kara, ganz ruhig", flüsterte Ilan und legte einen Finger an die Lippen. Kara gab einen leisen, gurrenden Laut von sich. Aufgeregt plusterte er sein schwarzes Gefieder auf. Schließlich neigte er den Kopf zur Seite, und blieb still sitzen. Ilan beugte sich vorsichtig ein Stück nach vorne und spähte vom Baum hinunter. Was waren das nur für merkwürdige Gestalten dort unten? Der Ast knarrte verdächtig unter seinem Gewicht. Ilan hoffte, das Geräusch würde sie nicht verraten.

    Der Baum, auf dem er und sein gefiederter Rabenfreund saßen, hatte starke Äste und dichtes Blattwerk. Die beiden Fremden standen dicht am Stamm, Ilan musste sich weit vorbeugen, um die jungen Männer genauer zu betrachten. Ihre Kleidung war löchrig und abgewetzt. Man konnte gerade noch erahnen, dass die verschlissenen Lumpen, die der Größere am Leib trug, einmal eine Uniform der Schwarzen Garde gewesen waren. Eigenartig. Was trieb ein Schwarzgardist hier am Rande des Roten Waldes? Und wieso achtete er nicht auf seine Uniform?

    Der Kleinere, der ihn begleitete, hatte helles Haar und war ohne Zweifel ein Grünthaler. Er trug ein Oberteil, das viel zu warm für die Jahreszeit war und eines seiner Hosenbeine war abgerissen. Sie waren in ein Gespräch vertieft. Angestrengt versuchte Ilan zu verstehen, was die beiden sagten. Er hielt sich mit beiden Händen an dem Ast fest und lehnte sich noch ein Stück weiter nach vorne.

    „… durch den Roten Wald und die Sümpfe, zur Rabeninsel", war alles, was er von so hoch oben auf dem Baum aufschnappen konnte.

    Unruhig trat Kara von einem Bein auf das andere und blinzelte. Ilan strich ihm sanft mit einem Finger über die glänzenden schwarzen Federn am Rücken. Kara wurde ruhiger und spähte nun ebenfalls in die Tiefe.

    „Ich glaube nicht, dass sie gefährlich sind. Aber wir sehen uns diese Gestalten besser mal aus der Nähe an, was meinst du?" Er flüsterte ganz leise, um nicht gehört zu werden.

    Kara streckte den Kopf gerade. Ilan nickte, schulterte seinen Bogen und zog zwei Jagdmesser mit langen Klingen aus der Halterung an seinem Gürtel. Für einen Moment fixierte er den Boden. Dann sprang er in die Tiefe und landete sicher vor den Wanderern. Entschlossen hielt er die Messer in Brusthöhe.

    „Halt! Wer seid Ihr? Der Rote Wald ist Eigentum des valanischen Königshauses. Zutritt ist nur mit einer schriftlichen Erlaubnis des Königs oder eines Vertreters gestattet. Ich bin der Wildhüter dieses Gebietes und mir liegt eine solche Erlaubnis für zwei Wanderer nicht vor."

    Die beiden jungen Männer schienen völlig unbeeindruckt von seinem entschlossenen Auftreten zu sein. Der Grünthaler lehnte sich seufzend gegen den Größeren in der verschlissenen Schwarzgardistenuniform und erwiderte müde: „Bitte sag mir, dass die Wildhüter in deinem Land freundlicher sind als in meinem. Wenn ich heute noch einmal um mein Leben fürchten, kämpfen oder rennen muss, überlege ich mir ernsthaft, den ersten Höllensöldner meines Lebens anzurufen."

    Höllensöldner? Ilan konnte nicht fassen, was er da von dem Grünthaler hörte. Hatte er etwa einen Schwarzmagier gefasst, der Böses vorhatte? Vielleicht stand der Gardist sogar unter seinem Einfluss? Das würde sein Auftreten erklären. Besorgt warf er einen Blick zu Kara hinauf, der das Geschehen von einem Ast in der Nähe beobachtete. Da legte der Valaner seinen Arm um den Grünthaler. „Das wird sicher nicht nötig sein. Dieser Mann hält nur Unbefugte von seinem Gebiet fern. Hör Wildhüter, keine Sorge, wir … wir sind im Auftrag des Tempels hier. Wir mussten uns nur beeilen und konnten nicht auf das Ausstellen der Erlaubnis warten."

    „Dann zeigt mir wenigstens ein Schreiben des Oberen!", befahl Ilan skeptisch und verengte seine Augen zu Schlitzen. Die Messer hielt er immer noch vor der Brust. Was sollte diese lahme Ausrede? Dachte der Gardist, er sei ein Narr, den man einfach belügen konnte?

    Der merkwürdige Valaner sprach wie ein Edelmann und kam ihm jetzt außerdem seltsam bekannt vor. Doch es wollte ihm nicht einfallen, woher er diesen Mann kannte. Was trieb ein Edelmann in einem solchen Aufzug so weit ab der üblichen Routen? Etwas Ungutes geschah hier gerade, da war sich Ilan sicher. Aufmerksam straffte er seinen Oberkörper.

    „Nennt mir Euren Namen. Ich brauche immer noch eine schriftliche Erlaubnis, sonst lasse ich Euch nicht passieren. Ihr da tragt die Uniform der Schwarzen Garde und doch seht Ihr darin wie ein Bettler aus. Erklärt Euch!" Ilan sprach die Worte mit Nachdruck. So sehr seine Uniform auch beschädigt war, konnte Ilan dennoch die Beutel für die Wurfsterne, die der Kettenwerfer am Gürtel trug, sehr genau erkennen. Darin befanden sich gefährliche Waffen. Immer mehr Unbehagen stieg in ihm auf.

    „Der Grünthaler ist Jan... Hannes! Hannes aus Thalweiler. Und bitte, redet in seiner Sprache. Er beherrscht inzwischen zwar etwas Valanisch, aber den Dialekt vom Sumpf, den Ihr sprecht, versteht er mit Sicherheit nicht. Ich bin ..."

    Ilan zuckte zusammen. Dieser Mann ... der Valaner ... das war ...

    „Oh, ich weiß jetzt, wer Ihr seid!, rief er aufgebracht, trat einen Schritt zurück und nahm die Messer zur Seite. Schnell steckte er sie in ihre Halterung. Fast wäre er vor Schreck über seine eigenen Füße gestolpert. Dieser junge Mann vor ihm ... das Gesicht, die Art, wie er redete, die Gesten, ohne Zweifel, das war ... „Der Prinz! Ihr seid Prinz Talin, der Sohn des Königs, stotterte er und vergaß vor lauter Aufregung, sich zu verbeugen.

    Für einen Moment herrschte Stille.

    Der Grünthaler war bei der Erwähnung des Namens zusammengezuckt, der Prinz stand regungslos da, nicht ein Muskel in seinem Gesicht bewegte sich. Plötzlich begann er zu lachen. „Ach, solche Verwechslungen passieren mir ständig. Ich sehe dem Prinzen wohl sehr ähnlich, aber Ihr irrt euch. Ich bin ... "

    „Nein! Ich irre mich nicht! Ilan trat wieder einen Schritt nach vorne. Er war fast so groß wie der Prinz und blickte ihm in die Augen, bevor er sich tief verbeugte. „Ihr seid es eindeutig, Hoheit. Im letzten Herbst war ich zu meiner Vereidigung auf der Burg und habe Euch gesehen. Ihr selbst habt uns neue Wildhüter doch vereidigt. Ihr mögt eine lange Reise hinter Euch haben, aber ich erkenne Euch. Ihr seid es!

    Wieder schüttelte der Mann den Kopf und klappte den Mund auf, als wolle er etwas sagen. Im gleichen Moment kam Kara angeflogen und setzte sich auf Ilans Schulter.

    „Der Rabe ... das ist dein Rabe ..."  Für einen Augenblick starrte der Prinz ungläubig zu Kara. Ilan freute sich. Ja, er erkannte seinen Freund eindeutig.

    „Ja, genau, rief er erfreut. „Ihr habt Kara das Leben gerettet. Wisst Ihr noch? Er wäre fast getötet worden und Ihr habt es verhindert. Wir stehen für immer in Eurer Schuld. Wie könnte ich das jemals vergessen.

    Seufzend fuhr der Prinz sich mit einer Hand über das Gesicht. Jetzt wirkte er nervös und nachdenklich. Er sah seinen Reisegefährten an und nickte langsam.

    Leise sagte er: „Ja, ich erinnere mich an dich, Waldhüter. Da waren diese Jungen, sie haben deinen Raben gequält und wollten ihn töten. Was für eine Schande für unser Land. Wölfe und Raben sind Freunde. Aber deine Dankbarkeit hat mich damals beschämt. Ich habe nur die Jungen verjagt, sonst nichts und du bist vor mir auf die Knie gefallen. Du sagst, du stehst dafür in meiner Schuld?"

    „Ja, mein Prinz, ich stehe für immer in Eurer Schuld." Die schreckliche Szene vor Augen rieb er seine Wange an Karas Federn. Es war ihm, als würde es in diesem Moment geschehen, so lebendig waren die Erinnerungen.

    Er sah seinen gefiederten Freund, wie er hilflos auf dem Boden saß, die brutalen Jungen standen im Kreis um ihn herum. „Tanz! Tanz du blöder Vogel", riefen sie und warfen Steine nach ihm, damit er ausweichen musste. Sie standen so nah, dass Kara nicht wegfliegen konnte. Immer mehr Steine flogen. So schnell er konnte, rannte Ilan auf die Gruppe zu, aber Prinz Talin war schneller. Er und seine Männer waren gerade aus der Burg gekommen. Beherzt griff er sich den Größten der Unholde und packte ihn am Kragen. Schnell erkannten die anderen, wer ihr gemeines Spiel störte und rannten davon. Ilan hatte Kara vom Boden gehoben und war vor dem Prinzen auf die Knie gefallen. Bei den Geistern, er würde diesem Mann für immer dankbar sein.

    „Nun, Wildhüter, wenn du glaubst, in meiner Schuld zu stehen, dann hör zu. Der Grünthaler und ich brauchen deine Hilfe. Dringend! Wirst du sie uns gewähren?"

    „Jederzeit, mein Prinz." Ilan verbeugte sich erneut.

    Prinz Talin schien zu überlegen. „Wie ist dein Name und wem unterstehst du?", fragte er schließlich.

    „Ich bin Ilan vom Sumpf, Hoheit. Ich unterstehe dem Königshaus. Der Wildhüter, der mich ausgebildet hat, war schon alt, er ist im letzten Winter gestorben. Jetzt wache ich alleine, über den Roten Wald und den Sumpf."

    „Gut, Ilan vom Sumpf. Diese Angelegenheit ist zu wichtig. Schwör mir die Treue!"

    Ilan stutzte. Warum sprach der Prinz plötzlich so eindringlich und wie sah er eigentlich aus? Ilan fand keine Antworten.

    „Natürlich, beeilte er sich zu antworten. Er ließ Kara wieder auf den Baum fliegen und hielt sich eine Hand an die Brust. „Prinz Talin von Valan, ich schwöre Euch meine Treue. Ilan war sich sicher, er hatte das schon anlässlich des Vorfalls auf dem Burgplatz getan. Aber wenn der Prinz es verlangte ...

    Und doch fragte er sich erneut, was hier vor sich ging. Auf der Burg hatte der Prinz so beeindruckend und gelassen gewirkt. Was war nur geschehen, dass er hier mit einem Grünthaler unterwegs war? Der blonde Junge hatte sich etwas abseits gestellt und betrachtete die Szene skeptisch.

    Wieder wirkte der Prinz nachdenklich, bevor er sprach. „Nun dann ... Ilan, wir müssen unbedingt unentdeckt bleiben. Verstehst du?"

    Nein, Ilan verstand nicht, aber er nickte.

    „Gut. Mein Begleiter ... sein wahrer Name ist Jannis und er ist ... er ist mein Gefährte. Wir sind auf dem Weg zur Rabeninsel und wir brauchen jemanden, dem wir vertrauen können."

    „Ihr könnte mir vollkommen vertrauen, Hoheit. Ihr habt das Leben meines besten Freundes gerettet und die Krone gibt mir eine Aufgabe und zahlt meinen Lebensunterhalt. Ich stehe in Eurer Schuld."

    Ilan betrachtete den Jungen, den Prinz Talin nun als Jannis vorgestellt hatte. Er war selbst erst zweiundzwanzig, aber der Grünthaler schien noch etwas jünger zu sein. neunzehn, zwanzig vielleicht? In normaler Kleidung und gewaschen war er sicher ein hübscher Kerl. Blaue Augen, feine Gesichtszüge und halblanges, helles Haar machten ihn zu einer auffälligen Erscheinung in Valan. Ilan wunderte sich nicht, dass der Prinz Gefallen an ihm gefunden hatte. Aber ihn gleich zu seinem Gefährten zu erklären und eine Reise mit ihm zu unternehmen, schien ihm etwas übertrieben. Doch warum sollte der Prinz lügen? Ergeben nickte er dem jungen Mann zu.

    „Ihr seid der Gefährte des Prinzen ... dann gilt meine Treue auch Euch. Auch Ihr könnte mir vertrauen."

    „Nicht doch!, rief Jannis sofort und wehrte mit der Hand ab. „Ich bin ein einfacher Jungheiler. Bitte verbeug dich doch nicht vor mir. Und sprich nicht so förmlich mit uns.

    „Wie du wünschst, Jungheiler Jannis. Aber der Prinz ..., wollte Ilan gerade entgegnen. „Der Prinz ist der gleichen Meinung wie sein Gefährte. Wir brauchen jetzt einen Freund, keinen Untertan. Lass die förmliche Ansprache und die Verbeugungen. Ich bin nur noch Talin. Der Prinz ist auf der Burg geblieben, die ich vor vielen Monaten verlassen habe.

    Ilan war sich nicht sicher, ob er ein Mitglied der königlichen Familie beim Namen nennen konnte, nickte aber.

    „Was ... was führt Euch hier her, Hoheit? Ich dachte, Ihr seid mit Eurem Vater auf einer Reise durch das Land? Ihr seht nicht aus, als hättet Ihr ein Gefolge dabei?"

    „Nicht so förmlich", stöhnte der Prinz und lehnte sich gegen den Baum, auf dem Kara saß und alles aufmerksam beobachtete.

    „Ilan, ich verspreche dir, wir erzählen dir alles, was du wissen musst. Aber sag, hast du etwas zu essen für uns? Ein Kaninchen? Ein Rebhuhn, irgendetwas? Wir nehmen auch Haferbrei. Und wenn du ein dünneres Hemd für Jannis hättest, wären wir dir sehr verbunden. Er hat seines zerrissen ... nein, ich habe es ihm zerrissen, aber das ist eine andere Geschichte." Er seufzte und schloss für einen Moment die Augen.

    Ilan nickte, aber das Ganze ergab immer noch keinen Sinn für ihn. „Natürlich. Mein Haus liegt nicht weit von hier im Wald und gestern habe ich gute Beute gemacht. Es ist genug für alle da. Folgt mir."

    „Dich schicken uns die Geister des Lichts, Ilan." Der Prinz klang wirklich erleichtert und Ilan freute sich, Hilfe anbieten zu können.

    Der Grünthaler Heiler lächelte zaghaft, so als wäre er unsicher, ob Ilan wirklich zu trauen sei. Dann rückte er seine Tasche zurecht und machte sich auf ihm zu folgen. Im Vorbeigehen strich er dem Prinzen über den Rücken.

    Ilan schritt voran. Ab und zu blickte er über seine Schulter und schüttelte fast unmerklich den Kopf über die vertrauten Worte und Gesten, die er sah. Dieser Junge war also tatsächlich der Gefährte des Prinzen? Sonderbar.

    Ilan eilte mit schnellem Schritt immer tiefer in den Roten Wald. Vorbei an all den sonderbaren Pflanzen, die es nur hier gab. In der Mittagssonne schimmerten sie wunderbar in unterschiedlichen Rottönen. Vom zarten Rosa, das die Blätter der großen Bäume zierte, bis zu dem dunklen Violett einiger Pilze am Wegesrand waren alle Schattierungen dabei. Er schnupperte. Obwohl ihm der Rote Wald so vertraut war, war sein einzigartiger Geruch immer noch etwas, das ihm auffiel. Anders, als der moosige und modrige Geruch in anderen Wäldern, roch es hier süßlich wie auf einer Blumenwiese.

    Immer weiter lief er und wunderte sich, als Kara plötzlich von seiner Schulter flatterte. Wie ungewöhnlich. Erstaunt blickte Ilan ihm nach. Wenn sie unterwegs waren, blieb der Rabe sonst lieber in seiner Nähe, anstatt alleine zu fliegen. Nun, er wollte sich wohl ihre Gäste betrachten, denn inzwischen saß er auf Jannis Schulter.

    Gedankenverloren strich Ilan sich eine Strähne seines braunen Haares aus dem Gesicht. Ganz bewusst hatte er es auf einer Seite recht kurz geschoren, damit es ihm bei der Jagd nicht vor die Augen fiel. Die andere Seite war kinnlang und aus demselben Grund mit einigen kleinen Zöpfen versehen. Ab und an löste sich einer der Zöpfe, aber das störte ihn nicht.

    Während er vor den anderen in Richtung seiner Unterkunft schritt, dachte er über die Veränderung nach, die der Prinz in den zurückliegenden Monaten durchgemacht hatte. Noch im letzten Sommer war er ein auffällig schöner Valaner gewesen. Er war auch jetzt noch ein gut aussehender Kerl, aber er war wohl schon lange unterwegs und die Reise hatte ihm zugesetzt.

    Ilan nahm an, solche Äußerlichkeiten waren für einen Prinzen von Bedeutung. Er selbst bemerkte sie wohl, aber sie hatten keine Bedeutung für ihn. Würde ihn sein Weg nicht ab und zu in ein Dorf und dort in ein Wirtshaus führen, Ilan hätte nicht einmal gewusst, dass er für andere Valaner schön anzusehen war und ihm ständig Frauen und Männer zuzwinkerten.

    Oh, er sei ja so gut aussehend und sein Haar sei ja so besonders. Dabei war es nur ein wenig heller als das Haar der meisten seiner Landsleute. Vielleicht hatte er einen Grünthaler in seiner Ahnenlinie. Und sein Gesicht wäre angeblich schön. Ilan verdrehte die Augen, wenn er nur an solche Komplimente dachte. Er war Wildhüter, kein Prinz! Einer seiner Liebhaber sagte ihm einmal, er hätte wunderschöne braune Augen und lange Wimpern. Solche Reden, die Schmeicheleien, all das war Ilan nur lästig.

    Oft sah er für Monate keine anderen Valaner und war froh darüber.

    Jedes Mal wenn er sich in einem fremden Bett wiederfand, erschreckten ihn die Forderungen seiner Bettgenossen, die sich an ihre Komplimente anschlossen. Warum wollten sie ihm nach nur einer Nacht ständig nah sein? Mädchen schickten ihm Nachrichten mit einer Taube, Jungen besuchten ihn im Wald. Bei den Dämonen, er wohnte doch nicht umsonst alleine in einer verlassenen Gegend! Wenn er Besuch von sehnsüchtigen Liebhabern zu schätzen wüsste, würde er in einem der Dörfer leben. Wieso dachte er ausgerechnet heute daran, überlegte Ilan und drehte sich nach Kara und dem Grünthaler um.

    Sie betrachteten sich gerade mit gegenseitiger Neugier und Jannis schien sich an dem schwarzen Vogel mit dem glänzenden Gefieder zu erfreuen. Sein königlicher Gefährte flüsterte ihm etwas ins Ohr, worüber er lachen musste.

    Ilan schüttelte den Kopf. Wie lange die beiden wohl schon zusammen unterwegs waren? Und immer noch konnten sie sich gegenseitig aushalten? Was für eine Merkwürdigkeit, dachte er verwundert.

    Prüfend betrachtete er den Pfad, der sich vor ihm durch den Wald schlängelte. Jetzt war es nicht mehr weit. Nur noch an dem Fressbeerenstrauch vorbei und dann ein kleines Stück geradeaus.

    Gedenkenverloren lief Ilan weiter. Was er wollte, wenn er ab und an ins Dorf schlich, war ein anderer Körper, an und unter seinem, der sich so lange gut anfühlte. So lange bis Ilan einen Höhepunkt hatte und flüchtete. Wenn er Zeit mit einem Wesen verbringen wollte, das er aufrichtig liebte, dann blieb er zu Hause bei Kara.

    Der kleine Grünthaler schien ja kein schlechter Kerl zu sein und doch ... der Prinz hatte so viel Zeit mit ihm verbracht, dass sich das Band der Gefährten aufbauen konnte? Ilan achtete kaum noch auf den Pfad und war froh, den Wald so gut zu kennen. Er hätte seinen Weg auch blind gefunden, da war er sich sicher. Seine Gedanken beschäftigten ihn unentwegt.

    Das Band zwischen Gefährten war unauflösbar. Alle Valaner trugen diese Anlagen in sich und man konnte sich nicht gegen eine solche Verbindung wehren. Alleine der Gedanke, mit einem anderen Menschen so eng verbunden zu sein, ließ seine Glieder unruhig zucken.

    Schließlich erreichten sie eine kleine Lichtung. Rostrote Büsche und hohe, leuchtend rote Bäume rahmten sie ein. Ilan blieb stehen, um auf seine Begleiter zu warten. Er stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete zufrieden sein Haus. Zuerst war es nur eine kleine Hütte gewesen, aber er hatte mit den Jahren ein Haus aus Stein und Lehm daraus gebaut. Die Farbe der Blätter hatte das Dach und selbst den Schornstein, schnell rot gefärbt. Hinter dem Haus gab es sogar einen kleinen Kräutergarten, direkt neben dem Brunnen. Sie hatten nur einen Wohnraum, eine Schlafkammer und den angebauten Schuppen. Aber es war gemütlich und es gab alles, was man brauchte. Es ist ein richtiges Zuhause für Kara und mich geworden, dachte Ilan und musste lächeln.

    Plötzlich verengte er die Augen. Stand da eines der Fenster offen? Ilan war sich sicher, dass am Morgen alle Fenster fest verschlossen waren.

    Langsam näherte er sich, öffnete vorsichtig die Tür und erschrak. Sein Kopf zuckte zurück, als er in das Innere des Hauses blickte. Stühle waren umgeworfen, die Schubladen der hölzernen Kommode waren achtlos herausgezogen worden und ihr Inhalt verteilte sich über dem Fußboden. Sein weniger Besitz lag überall verstreut. Sogar im gemauerten Ofen hatte jemand herumgestochert. Die Asche bedeckte den schönen Schaukelstuhl, den er vor einiger Zeit getischlert hatte.

    Seufzend lehnte sich Ilan gegen den Türrahmen und schüttelte den Kopf. Schon wieder. Schon zum vierten Mal in diesem Monat kam er nach einem Tag im Wald in sein verwüstetes Haus zurück. Wer tat so etwas?

    Kapitel 2: Ilan

    „Vielleicht galt dieser Einbruch uns? Was meinst du, Jannis? Es wäre möglich, dass uns jemand unbemerkt seit den Todessteinen gefolgt ist?" Der Prinz zögerte noch das Haus zu betreten und spähte skeptisch in die Stube. Aber Ilan war längst dabei, aufzuräumen.

    „Nein Pr... Talin, es ist nicht das erste Mal, dass so etwas geschieht. Diese Einbrüche haben schon vor zwei Monaten begonnen, erklärte er und steckte die letzte Schublade zurück in die Kommode. „Immer wenn Kara und ich den Tag im Wald verbringen, passiert es. Gerade so, als würde jemand nur darauf warten, bis das Haus leer ist. Nicht wahr, Kara? Sein gefiederter Freund gab einen zustimmenden Laut von sich.

    „Das bedeutet, dieser Jemand beobachtet dein Haus. Fehlt denn etwas nach den Einbrüchen?" Der Prinz hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

    Ilan war gerade dabei die letzte Asche vom Boden zu fegen und lachte, bei dem Gedanken, jemand würde ihm etwas stehlen wollen. „Es fehlt nie etwas. Was sollte man hier auch mitnehmen wollen? Meinen Bogen, meine Messer, alles, was wertvoll für mich ist, nehme ich mit in den Wald."

    Schließlich war alles aufgeräumt, der Schaukelstuhl gesäubert und Ilan konnte beginnen, das Fleisch zu braten, das er aus dem Schuppen geholt hatte. Er stellte den Holzteller neben die Feuerstelle und gab etwas Öl in einen großen Topf. Ein paar Kräuter fehlten noch. Er nahm einen ganzen Bund vom Regal und warf sie in das brutzelnde Öl. Schon erfüllte ein angenehmer Duft den ganzen Raum.

    Ganz selbstverständlich hüpfte Kara auf den Teller und begann, Stücke aus dem rohen Kaninchen zu picken. Ilan strich ihm eine Weile über das glänzende Gefieder und redete leise mit ihm. Kara gab kleine Laute zur Antwort, so wie er es immer tat, wenn sie sich unterhielten. Plötzlich erinnerte sich Ilan an seine Gäste und mit einem Mal war ihm sein Verhalten peinlich. Er zog seine Hand von Karas Federkleid zurück. Aus den Augenwinkeln sah er die fragenden Blicke der beiden, die in diesem Augenblick ihre Stiefel auszogen. Menschen waren so anstrengend, immer wollten sie für alles Erklärungen. Ilan seufzte und begann das Kaninchen zu braten.

    Endlich war alles fertig. Er stellte das Essen auf den Tisch und zeigte auf die Stühle.

    „Kara ist es gewohnt mit mir zusammen zu essen. Ich kann die Stelle, an der er gepickt hat, abschneiden, wenn es euch stört." Er setzte sich zu seinen Gästen und deutete auf das Kaninchen.

    Jannis schüttelte den Kopf. „Vielen Dank für alles, Ilan. Und mach dir keine Sorgen, wir haben unser Brot wochenlang mit den Ratten geteilt, wir teilen auch unser Fleisch mit einem Raben."

    Jannis hatte es freundlich gemeint, Ilan verstand das. Aber es machte ihn trotzdem wütend, wenn jemand Kara mit einer Ratte verglich. In all den langen Abenden, die er friedlich nur mit seinem Freund verbrachte, hatte er fast vergessen, warum er die Menschen mied. Sie wussten immer alles besser und fühlten sich erhaben über die Tiere, mehr noch: über alle anderen Wesen. Wo sie doch in Wahrheit die Schwächsten waren, Wolfswandler, Heiler, oder was auch immer. Jetzt flatterte Kara auf den Tisch und lief freudig von einem zum anderen.

    „Nicht, rief Ilan und machte eine Handbewegung, um den Raben zu verscheuchen. Sofort tat es ihm leid, dass er mit seinem Freund geschimpft hatte. „Kara, flieg vom Tisch! Wir beide essen später zusammen. Lass unsere Gäste in Ruhe! Sein schwarzer Vogelfreund blieb vor Jannis stehen und öffnete den Schnabel. „Kara", zischte Ilan jetzt drohender als zuvor.

    „Schon gut, schimpf nicht mit ihm. Er ist doch nur hungrig", sagte Jannis kopfschüttelnd und steckte dem Raben ein Stück Fleisch in den Schnabel. Schlagartig verbesserte sich Ilans Laune. Der junge Heiler schien doch nicht so übel.

    Der Prinz betrachtete Kara neugierig. „Der Schwarze ist wohl schon lange dein Freund?"

    „Seit vielen Jahren. Ilan sah auf die dunkle Tischplatte und überlegte wie viel er von sich preisgeben sollte. Nun, die beiden Männer waren in Not und schienen ihm vertrauensvoll. Immerhin war einer von ihnen ein Prinz und der würde seine Geschichte ohnehin gleich vergessen. Sicher hatte er Wichtigeres im Kopf. Ja, bei diesen beiden war seine Vergangenheit sicher. Ilan räusperte sich. „Ich komme aus einem der Dörfer am westlichen Rand des Sumpfes.

    „Oh nein ... aber das Fieber ...", fiel ihm der Prinz ins Wort und ließ die Kaninchenkeule sinken. Entsetzt starrte er Ilan an.

    „Ja, die Dörfer am westlichen Sumpf sind Dörfer der Geister geworden. Das Fieber hat

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