Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

DSA: Kerkergeschichten: Neun Kurzgeschichten aus der Welt von Das Schwarze Auge
DSA: Kerkergeschichten: Neun Kurzgeschichten aus der Welt von Das Schwarze Auge
DSA: Kerkergeschichten: Neun Kurzgeschichten aus der Welt von Das Schwarze Auge
eBook421 Seiten5 Stunden

DSA: Kerkergeschichten: Neun Kurzgeschichten aus der Welt von Das Schwarze Auge

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Da war Carolan ja wieder in einen schönen Schlamassel geraten! Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen, hatte er sich doch so nahtlos in die Oberschicht von Khunchom eingefügt. Und trotz Phexens Hilfe – oder vielleicht auch gerade zu seiner Belustigung – saß er nun hier in diesem
Kerker, wo ihn diese beiden trotteligen Gardisten hin verbracht hatten.
Schon im Horasreich waren Kerkerinsassen ja fürwahr keine angenehme Gesellschaft, und auch die Tulamidenlande machten da keine Ausnahme,
ganz im Gegenteil. Glücklicherweise war Carolan ja schon immer ein begnadeter Erzähler unterhaltsamer Geschichten gewesen. Und seine Gefährten
würden es ihm sicher verzeihen, wenn er mit dem einen oder anderen Schwank herausrückte …
SpracheDeutsch
HerausgeberUlisses Spiele
Erscheinungsdatum28. Nov. 2019
ISBN9783963314414
DSA: Kerkergeschichten: Neun Kurzgeschichten aus der Welt von Das Schwarze Auge

Mehr von Eevie Demirtel lesen

Ähnlich wie DSA

Titel in dieser Serie (100)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für DSA

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    DSA - Eevie Demirtel

    9783963314414

    Nikolai Hoch und Johannes Kaub (Hrsg.)

    Kerkergeschichten

    Neun Kurzgeschichten aus der Welt

    von Das Schwarze Auge©

    Originalausgabe

    Mit Dank an Thorsten Brede, Nora-Leonie Jankoviç, Tim Laschinsky, Nora Lücke, Inge Reinwald, Nina Schellhas, Jun Zenz und Zoozaxa.

    Inhalt

    Vorwort

    Um Kopf und Kragen

    von Lena Zeferino

    9

    Das Ende der Kindheit

    von David Nikolas Schmidt

    51

    Feuertaufe

    von Thorsten Most

    85

    Unter Räubern

    von Katja Reinwald

    125

    Ottajara

    von David Nikolas Schmidt

    157

    Aus Licht und Trug

    von Dominic Hladek

    185

    Stolz, Vorurteile und Ferkinas

    von Thorsten Most

    209

    Ein Spaziergang im Park

    von Eevie Demirtel

    247

    Mein Name sei Calavanti

    von Josch K. Zahradnik

    283

    Vorwort

    Sehr verehrte Besucherinnen und Besucher Aventuriens,

    mehr als fünf Jahre sind bereits vergangen, seit die ikonischen Helden der 5. Regeledition von Das Schwarze Auge im Aventurischen Boten vorgestellt wurden. Die Riege der Helden, die immer wieder in den Publikationen von DSA5 vorkommen und der Edition somit einen höheren Wiedererkennungswert verleihen sollten, besteht aus der Magierin Mirhiban, dem Zwergen Arbosch, dem Söldner Geron, der Hexe Rowena, dem Geweihten Hilbert, der Elfe Layariel, der Kriegerin Tjalva und dem Streuner Carolan.

    Immer wieder hatten diese acht in unterschiedlichen Regel- und Quellenbänden Gelegenheit, ihre Stimmen zu erheben und den Inhalt der Bücher in den sogenannten Phexensreden zu kommentieren, und auch auf vielen Coverillustrationen wird der gewiefte Beobachter den einen oder anderen unserer ikonischen Recken ausmachen können. Außer einzelnen Informationsfetzen über die Abenteuer und Erlebnisse der acht Helden, sowie über ihre Beziehungen untereinander, war bislang jedoch nicht viel Zusammenhängendes über sie zu erfahren …

    Mit diesem Band, der einige der Erlebnisse dieser vielfältigen heroischen Archetypen beleuchtet, ändert sich das nun! Wir wünschen euch also viel Spaß bei der Ergründung der Hintergründe, die diese uns allen mittlerweile so vertrauten Figuren geprägt haben!

    An einem warmen Spätsommertag im Taunus

    Niko Hoch und Johannes Kaub

    Um Kopf und Kragen

    von Lena Zeferino

    # 1

    »Bei den Häftlingen halte Augenkontakt und sie werden deine Angst nicht sehen. Halte ihn zu lange und sie werden dich herausfordern.«

    —ein Gardist zu einem neuen Häftling, aus ›Avestos und die Kerkerkönigin oder Arrest der Leidenschaft‹ von Gerion Brannthagen

    »Ich sah in die Tiefe. Diesen Abstieg konnte nur ein Fassadenkletterer schaffen, der von Phex selbst gesegnet worden war. Es schien ausweglos. Vor meinem inneren Auge sah ich mich bereits einen Kopf kürzer oder als hässlicher roter Fleck in der prachtvollen Gartenanlage enden. Es ergab sich aber, dass weder das eine noch das andere das Schicksal dieses Tunichtguts sein sollte, denn in Phexens Sternenlicht sah ich plötzlich …«

    »So, ihr stinkenden Söhne von Eseln, ihr bekommt neue Freunde! Also, alle aufstehen und an die Wand stellen. Zack zack, ihr elenden Maden! Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit. Und danach ist hier Schicht im Schacht, klar? Kein lautes Gerede mehr oder die nächsten Tage lassen wir niemanden mehr rein, um euch was zu beißen zu bringen.«

    Die laute Stimme des Gardisten hatte Carolan das Wort mitten seiner Erzählung abgeschnitten. Er ließ den Satz unvollendet und lächelte amüsiert und entschuldigend in die Runde seiner vier Zuhörer, die um ihn herum im Halbkreis saßen. Das Lächeln auf seinen Lippen schmerzte ihn regelrecht.

    Der Einarmige Ali stand vom Boden auf. Der Stumpf seines linken Armes bewegte sich dabei und Carolan erinnerte sich plötzlich, wie sich der Schwinger angefühlt hatte, der ihn am ersten Tag in dieser Zelle wie einen nassen Sack zu Boden geschickt hatte. Er hatte später gehört, dass Ali wegen einer Messerstecherei in einer Kaschemme hochgenommen worden war. Es war nicht das erste Mal, so hatte ihm ein Insasse erzählt, dass der Einarmige mit einem blutigen Messer in der Hand festgesetzt worden war. Manchmal, wenn Carolan am Erzählen war, beobachtete er, wie Ali ab und an die Hand zu seinem Stumpf führte, um sich dort zu kratzen. Er war schnell mit seiner verbliebenen Faust, und Carolan fragte sich jeden Tag, ob ebendiese ihn wieder treffen würde, wenn seine Geschichten nicht Alis Interesse weckten.

    »Morgen erzählst du weiter!«, befahl Ali knapp. Die anderen zwei Männer und die Frau, die um ihn herumsaßen, nickten zustimmend.

    »Ich kann es kaum erwarten, zu erfahren wie es weitergeht«, sagte die Frau mit dem Namen die Rote Byalabeth. »Du hast Talent, kleiner Dschinn.«

    Er nickte dankbar. Dieses Zeichen guter Laune verursachte in Carolan ein so intensives Gefühl der Erleichterung, dass er froh war, immer noch zu sitzen. Er war sich sicher, dass ihn seine Knie in diesem Moment nicht hätten tragen können. Ein anderer Insasse hatte ihm leise erzählt, dass der Beiname »die Rote« von den blutverschmierten Händen stammte, mit denen Byalabeth oft einen Abend des Geldeintreibens beendete. Nachdem Carolan diese Geschichte mit einigen zusätzlichen verstörenden Details erzählt bekommen hatte, wusste er genau, dass er auf diese Information dankbar hätte verzichten können. Seitdem war ihm im ersten Augenblick nach dem Aufwachen meistens so schlecht vor Angst, dass er nicht wusste, wie er auch nur ein Wort herausbringen sollte. Bisher hatte Carolan sich aber, den Göttern sei Dank, immer zusammenreißen können.

    Gleich am ersten Tag in der Zelle des Gardehauses am Marktplatz in Khunchom war Carolan dieser Gruppe Halunken aufgefallen. Vielleicht waren es seine spitzen Ohren gewesen, vielleicht irgendetwas in seinem Gesicht, das den Missmut dieser Schläger geweckt hatte, oder es war einfach Pech gewesen, aber sie ließen selten von ihm ab. Den Wachmann vor der Zelle interessierte das nicht die Bohne und so hatte Carolan drei der grässlichsten Tage seines Lebens durchlebt. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit schikanierten sie ihn und nutzten dabei Fäuste, Füße und Worte mit Präzision.

    Er hatte sehr schmerzhaft lernen müssen, wie lang drei Tage sein konnten.

    Am ersten Tag war er durch seine Eskapade, die ihn hierher gebrachte hatte, gefährlich müde gewesen. Er hatte kaum einen Gedanken daran verschwendet, sich das grobe Dutzend Insassen genauer anzusehen oder ihnen wenigstens für einen kurzen Moment in die Augen zu sehen. Er war einfach zu erschöpft gewesen vom ständigen emotionalen Auf und Ab der Nacht, sodass er die Zeichen nicht gesehen hatte.

    Die erste Backpfeife war gefallen, nachdem er das zweite Mal eingenickt gewesen war. Der Schlag hatte ihn desorientiert aufwachen lassen. Ali hatte ihn sogleich unsanft auf die Füße gezogen und er und drei andere Insassen, die er bis zum dem Zeitpunkt nicht beachtet hatte, hatten begonnen, ihn zwischen sich hin und her zu schieben. Carolan war wütend gewesen, und nachdem er seine Verwirrung abgeschüttelt hatte, hatte er begonnen, sich zu wehren. Ein gut gezielter Tritt Carolans hatte den glatzköpfigen Tulamiden am Knie getroffen und stolpern lassen. Carolan war einem Faustschlag ausgewichen und hatte den Angreifer von sich gestoßen. Schließlich war der Mann mit dem kurzen ergrauten Haar auf ihn zugekommen. Er hatte nach ihm gegriffen. Carolan hatte versucht, ihm auszuweichen, aber dem agilen Mann konnte er nicht entkommen. Der Rest des peinlich kurzen Kampfes war in einem Gemisch aus Schmerz und Bewegung untergegangen. Carolan hatte sich schließlich, krächzend nach Luft schnappend, auf dem Boden wiedergefunden. Seine Brust hatte sich so angefühlt, als lägen Ketten darum, die sich schmerzhaft immer weiter zuzogen und ihm die Luft abschnürten. Vor seinen Augen hatten weiße Flecken getanzt und ein Gefühl der Übelkeit hatte von ihm Besitz ergriffen. Er hatte versucht, sich zu bewegen und plötzlich einen stechenden Schmerz an seinem Hals gespürt. Der Mann mit den ergrauten Haaren hatte ihn mit einem Knie auf der Brust am Boden festgehalten und etwas Scharfes an Carolans Hals gepresst.

    »Sei brav, kleiner Dschinn. Du wirst uns etwas Spaß bieten, aber ich warne dich: Ich hasse ungezogene Gören. Glaub mir, du willst nicht, dass ich dich erziehe. Die Erfahrung wird um einiges Schlimmer sein, als dich zu fügen.« Die Stimme des Mannes war leise und dunkel gewesen und hatte trotz ihrer Sanftheit etwas Abstoßendes besessen. Carolan hatte dem Mann, den er später als 71-Stunden-Malik kennen würde, in die Augen gesehen – und jede Gegenwehr war erlahmt. Er hatte geschluckt und das spitze Etwas an seinem Hals hatte sich etwas tiefer in seine Haut gebohrt. Carolan hatte nur kurz genickt. Diesen Kampf hätte er nicht gewinnen können. Der Mann hatte ihn schließlich aufstehen lassen. Das war der Moment gewesen, in dem Alis Schwinger ihn wieder hatte zu Boden gehen lassen.

    Weitere Schläge und hämische Worte waren über den Rest des Tages gefolgt. Ab und an war ihm ein Moment vergönnt gewesen, in dem die Schläger mit etwas anderem als mit ihm beschäftigt gewesen waren. Es war in diesen Augenblicken, in denen die anderen Insassen ihm mit leisen schnellen Worten erzählt hatten, mit wem er es zu tun hatte. Carolan war sich sicher gewesen, dass sie ihm all das nur erzählten, damit er noch mehr Angst bekam. Leider war genau das der Fall gewesen. Kurz vor der Ausgabe des Essens an diesem ersten Tag war Carolan vor Müdigkeit noch einmal eingenickt und mit den Händen der Frau um seinen Hals erwacht. Er hatte in ihr verlebtes Gesicht gestarrt, während sie mit einem Lächeln auf den Lippen noch einmal fest zudrückte, bevor sie ihn endlich losließ. Carolan hatte im Anschluss an diese Begegnung auf das Essen verzichtet und sich in die Ecke der Zelle gedrückt.

    Nach drei Tagen der besonderen Aufmerksamkeit durch die vier Schläger hatte eine simple Berührung in der Nachte dazu geführt, dass Carolan mit einem Schrei wild um sich schlagend aufgewacht war. Die aufkeimende Verzweiflung hatte ihn zu einer besonderen Waffe greifen lassen. Er hatte begonnen, wild drauf los zu reden und einfach nicht mehr aufgehört. Sein Flehen und seine Ausreden waren schnell zu Geschichten geworden. Solange seine Peiniger ihm zuhörten, schikanierten sie ihn nicht. Schnell hatte sich herausgestellt, dass die vier Schläger sich von seinen Geschichten gut unterhalten fühlten. Sie hatten verlangt, mehr davon zu hören. Wirklich alles war besser, als sich in diesem Loch mit sich selbst beschäftigen zu müssen.

    Und so erzählte Carolan und erzählte und kam sich dabei vor wie in einer schlechten Fassung der Sage von Sherezad in 1.001 Rausch.

    »Morgen, Byalabeth, werde ich weitererzählen, da kannst du sicher sein. Und ich verspreche dir, das Ende dieser Geschichte wird dich zum Lachen bringen.« Für Carolan klang das Vergnügen in seiner eigenen Stimme falsch und künstlich, aber den Vieren schien es nicht aufzufallen.

    Handkanten-Hassan und 71-Stunden-Malik erhoben sich nun ebenfalls und stellten sich neben Byalabeth und Ali in die Reihe an der Wand. Mit einem stillen Seufzen stand Carolan ebenfalls vorsichtig auf. Er traute seinen Knien noch immer zu, ihm spontan den Dienst zu versagen. Er reihte sich ein und nutze den Moment, um seine Gedanken zu sammeln. Sein Kerkeraufenthalt würde nicht ewig dauern. Jedenfalls hoffte er das. Seine Kameraden würden ihn sicher finden. Carolan hatte Vertrauen in Gerons Fähigkeiten, ihn in der Stadt ausfindig zu machen. Sie würden seine missliche Lage entdecken und ihn hier herausholen. Ganz bestimmt! Morgen früh würde er erst einmal seine Geschichte weitererzählen. Er hatte nicht erwartet, dass ein Schwank aus seinem Leben und dem seiner Gefährten ihn einmal über die Tage in einer tulamidischen Gefängniszelle hinwegretten würde. Vor allem nicht, wenn er daran dachte, wie alles begonnen hatte. Nun ja, vielleicht sollte er nicht überrascht sein. Die meisten hanebüchenen Geschichten nahmen ihren Anfang an einem ganz gewöhnlichen Tag. Und genau dieser Umstand machte es besonders schwer, zu bemerken, wenn man drohte, in eine ebensolche hineinzugeraten.

    # 2

    »Bekommst du ein schlechtes Blatt, dann freue dich. Die anderen beobachten dich schließlich.«

    —aus ›Avestos und der Humusritter oder Boltan der Intrigen‹ von Gerion Brannthagen

    Carolan warf einen letzten Blick in den Spiegel. Die Schminke ließ sein Gesicht etwas schmaler erscheinen, und die Kohlestriche an seinen Augenlidern gaben diesen ein noch elfischeres Aussehen. Seine horasisch geschnittene Kleidung, für die er am Morgen auf dem Markt noch einiges an Zubehör erworben hatte, betonte zusätzlich seine fremdländische Herkunft. Darüber hinaus ließ ihn der Schnitt der Kleidung etwas schlanker aussehen. Das Haar war auf eine Art frisiert, die seine spitzen Ohren besonders betonte. Carolan war zufrieden und nickte seinem Spiegelbild zu. Wenn er sich Mühe gab, gab er einen passablen Elfen ab. Er präsentierte dem Spiegel seine beste Pose. Ja ja, der horasische Gesandte, Lorenzo Dicora, war schon ein schmucker Elfenmann, oder Dschinn, wenn er nach dem tulamidischen Aberglauben ging.

    Seine Hand glitt zu dem Beutel mit Münzen und Edelsteinen, den er unter seiner Weste verstaut hatte. Darin befand sich ein Großteil der Reisekasse, mit der Carolan und seine Gefährten den Aufenthalt in Khunchom finanzierten. Wenn man es genau nahm, war der Inhalt sogar fast alles, was sie besaßen. Sollte dieser Abend für Carolan gut verlaufen, würden seine Gefährten das Fehlen des Geldes gar nicht bemerken. Er hatte die Reisekasse eigentlich bei Hilberts Habseligkeiten vermutet, aber entdeckt hatte er sie gut versteckt in Arboschs Reisetasche. Er hatte tatsächlich einige Minuten gebraucht, um sie zu finden. Das leise Klimpern der Münzen unter dem Stoff ließ sein Herz in freudiger Erwartung für einen Moment schneller schlagen. Er war sich sicher, würde er seine Augen jetzt schließen, könnte er das Klingen von Münzen auf einem Tisch und das Geräusch vom Mischen der Karten hören. Hoffentlich würde sich der Abend lohnen, sonst wäre der ganze Aufwand umsonst gewesen.

    Zufrieden mit seinem Äußeren, wandte sich Carolan vom Spiegel ab, schloss das Schminkdöschen und schob es zurück in den Seidenbeutel. Er umrundete den Raumtrenner aus buntem Papier und legte ihn zurück auf Mirhibans Nachttisch. Einen Moment sah er auf den kleinen Beutel herab, musterte ihn kritisch und schob ihn dann zwei Finger breit nach rechts. Perfekt. Die tulamische Magierin hätte bestimmt nichts dagegen gehabt, dass Carolan ihre Schminkutensilien auslieh, wenn er gefragt hätte. Es hatte sich aber einfach keine Gelegenheit ergeben. Sollte sie es wider Erwarten bemerken, würde er sich natürlich aufrichtig entschuldigen. Nach Carolans Erfahrung war es nur meistens einfach schneller und deutlich weniger umständlich, um Vergebung zu bitten als um Erlaubnis zu fragen. Gleiches galt natürlich für die Leihgaben in seinem Beutel.

    »Lorenzo, mein Freund, es wird Zeit zu gehen«, sagte Carolan zu sich selbst, »bevor Layariel und Rowena zurückkommen.« Um seine anderen Gefährten machte sich Carolan weniger Sorgen. Das Khunchomer Nachtleben würde sie schon beschäftigt halten.

    Vergnügt verließ er die Herberge, in der er und seine Gefährten sich einen Schlafsaal teilten, und machte sich auf in den Stadtteil Thalusim’Al’Awal. Am Vorabend hatte er zufällig ein Gespräch zwischen Mirhiban und einer ihrer alten Kommilitoninnen aus Akademiezeiten mitgehört. Diese hatte seiner Reisegefährtin von einer Feier erzählt, auf der sie eingeladen war. Tänze und Akrobatik sowie Essen und Spiele würde es für die Gäste geben, und die Gastgeberin war bekannt dafür, oft auch ungeladene interessante Gäste auf ihrer Feier willkommen zu heißen. Bei diesem Gespräch war außerdem mehrfach das Wort Boltan gefallen. Carolan juckten die Finger nach einer guten Partie. Nicht die abendliche kleine Runde in der Schenke, bei der man um ein paar Kreuzer spielte. Nein, Carolan vermisste das Boltan mit hohen Einsätzen. Das Spiel, bei dem man Silber und Gold in die Mitte des Tisches schob, und bei dem man das Boltangesicht seiner Gegner nach Zeichen studierte, um einen Hinweis auf ihr Blatt zu erhaschen. Der Nervenkitzel und die Aufregung, wenn die letzten Goldstücke nach einer langen Partie in die Mitte geschoben wurden und niemand sicher sein konnte, ob Phex einem die Gunst erweisen würde, waren unvergleichlich. Das Gespräch zwischen Mirhiban und ihrer Freundin schien Carolan wie ein göttlicher Fingerzeig, der ihm den Weg zu diesem Genuss wies.

    Carolan umrundete den blumengeschmückten Pavillon, der im Garten des Teehauses eigens für die Feier aufgebaut worden war. Er konnte die Musik und die Stimmen der Gäste hören, die sich bereits auf der Feier vergnügten. Jetzt musste er nur noch eingelassen werden, und er rechnete fest damit, dass seine Aufmachung ihm die Türe öffnen würde zu gutem Essen, schönen Tänzerinnen und stattlichen Akrobaten, zu Gesang und Wein und vor allem zu einem guten Boltantisch und Spielern mit goldgefüllten Börsen.

    »Ich habe gehört, hier findet eine Feier statt«, murmelte Carolan leise, während er die letzte Ecke zum Eingang des Teehauses umrundete. Er wiederholte den Satz noch ein paarmal, um die Stärke des horasischen Akzents in seinem Tulamidya auf ein exotisches und angenehmes Maß zu bringen. »Perfekt!« Mit einem Lächeln auf den Lippen hielt Carolan auf den Eingang des Teehauses zu. Der elfische Gesandte des Horasreiches, Lorenzo Dicora, würde hier das Amüsement, die Kurzweil und den Nervenkitzel finden, nach denen er sich sehnte.

    Der Türsteher war ein besonders repräsentatives Exemplar seiner Zunft. Aber nur ein Dummkopf vertraute darauf, dass viele Muskeln zwangsweise mit wenig Verstand einhergingen. Das war ein Fehler, den Carolan in seiner Karriere ein einziges Mal begangen hatte. Ein plumper Anfängerfehler. Carolan änderte seine Gangart. Er verlor den bequemen Gang und verlängerte seine Schritte. Brust nach vorne und Schultern nach hinten, den Kopf leicht gehoben, das Lächeln aber freundlich und einladend. Der Trick war es, den Kopf in einem unauffälligen Halbprofil zu halten, damit die Spitze seines Ohres zwischen den Haaren prominent zum Vorschein kam.

    Personen von Stand sind oft arrogant und abwertend und viele Bedienstete erwarten genau das, dachte sich Carolan. Daher entwaffne dein Gegenüber durch Freundlichkeit und vor allem durch Ehrlichkeit. Carolan erreichte den Türsteher und wurde von diesem kritisch gemustert.

    »Tsa zum Gruße. Ist dies hier die Feier, die ausgerichtet wird von der ehrenwehrten Neraida Kemalsunni al’Shabra?«, fragte Carolan den Türsteher. Er war sehr zufrieden damit, wie sich sein vom horasischen Zungenschlag gefärbtes Tulamidya anhörte.

    »Zum Gruß, Fremder. Das ist richtig. Dies ist die Feier der Herrin.«

    »Ah, welch ein Glück! Mein Name ist Lorenzo Dicora, Gesandter aus dem Reich des Horas. Du wirst meinen Namen nicht auf deiner Liste finden, aber, mein Bester, ich habe gehört, dass die Gastgeberin auch den einen oder anderen unerwarteten Gast auf ihrer Feier begrüßt. Und so habe ich gedacht, ich versuche mein Glück.« Carolan schenkte dem Türsteher sein gewinnendstes Lächeln.

    »Ähm, manchmal …« Der Türsteher brach ab, als Carolan zur Seite trat und einem Herrn in Begleitung zweier junger Damen höflich Platz machte. Er vollführte eine vollendete Verbeugung im Belhankaner Stil und wartete geduldig, bis die Gäste das Teehaus betreten hatten. Carolan fühlte den aufmerksamen Blick des Mannes und der beiden Frauen auf sich. Sie blieben sogar kurz im Eingang stehen, um ihn neugierig zu betrachten. Carolan lächelte.

    »Entschuldige bitte«, sagte Carolan zu dem Türsteher. Dieser blickte von den Gästen zu Carolan und sein Blick blieb einen Moment länger an Carolans spitzen Ohren hängen.

    »Trete ein, Lorenzo ibn Djinn. Ich denke, du wirst die Feier der Herrin bereichern«, sagte der Türsteher und machte Carolan Platz.

    »Ich danke dir für das Kompliment, mein Bester.« Er reichte dem Türsteher die Hand und übergab ihm diskret zwei Silbermünzen. Dann drehte er sich dem Eingang zu und betrat die Feier.

    Die Festivität war wahrlich ein Genuss für die Sinne. Das Essen war eine Komposition aus kalten und warmen Häppchen, aufwendig dekoriert und kunstvoll angerichtet. Carolan war nicht in der Lage, dieser Rahjafliegenfalle zu entkommen und pflückte sich einige Zeit lang kleine Köstlichkeiten von silbernen Tellern. Die Tänzerinnen verzauberten mit ihren fließenden Bewegungen und fallenden Schleiern die Zuschauer, und Akrobaten demonstrierten in beeindruckender Weise die Grenzen der menschlichen Beweglichkeit. Diese Feier war ein deutliches Zeichen für den Reichtum der Gastgeberin und dieser würde sich, so hoffte Carolan, auch positiv auf die Einsätze seiner Boltanpartner auswirken. Die tanzenden und sich biegenden Körper hypnotisieren Carolan derart, dass er länger bei diesem Schauspiel verweilte, als er vorgehabt hatte. Als er sich gerade losreißen wollte, bemerkte er das offenkundige Interesse eines Akrobaten, das ihm galt. Der wohlgeformte Mann stand an der Seite der Bühne, und als sich ihre Blicke trafen, versank Carolan einen Moment in dem satten Grün seiner Augen. Die Einladung war offensichtlich und wäre er nicht für andere Genüsse hier gewesen, so wäre Carolan dieser Verlockung nur zu gerne gefolgt. Aber es gab noch viel zu tun an diesem Abend, und so nickte er lediglich freundlich und machte sich auf den Weg, um ihre gut gefüllte Reisekasse noch etwas aufzubessern.

    Carolan wanderte durch die Räume des Teehauses, vorbei an Tanz, Spiel und feiernden Gästen. Als er in den kleinen Hof des Teehauses trat, wehte ihm eine kühle Brise um die Nase. Mit steigender Vorfreude brachte er die wenigen Schritte zum Eingang des Pavillons hinter sich, an dem sich kunstvoll arrangierte Blumenranken emporwanden. Jetzt würde sich herausstellen, ob sich der Aufwand für den Abend gelohnt hatte.

    Er schob den Vorhang zur Seite und trat in den mit bunten Papierlampen erleuchteten Raum. Unter dem großen Zeltdacht waren mehrere niedrige Tische und Sitzkissen platziert worden. An einem kleinen Tresen an der Seite wurden für die Spieler Getränke und Speisen angerichtet. Carolan zog sofort interessierte Blicke auf sich, als er den Pavillon betrat. Er zählte fünfzehn potenzielle Spieler. An jedem der Tisch waren die Partien bereits in vollem Gange.

    »Heda, Fremder!« rief jemand von einem der hinteren Tische. Carolans Blick folgte dem Ruf und er sah einen schmalen Tulamidenjüngling mit einem dünnen schwarzen Bart, der die Hand erhoben hielt. Carolan zeigte auf sich und zog fragend die Augenbrauen hoch. »Ja du, Fremder!«

    Carolan schlängelte sich an den Tischen und Spielern vorbei, bis er den Mann erreichte. »Tsa zum Gruße«, sagte er.

    »Die junge Göttin zum Gruße, Fremder. Ich bin Khadim ibn Faizal. Bist du zum Spielen hier?«

    Carolan und der Tulamide reichten sich zur Begrüßung die Hand.

    »Lorenzo Dicora, es ist mir eine Ehre. Ich bin in der Tat zum Spielen hier. Ist noch ein Platz frei in dieser Runde?«

    »Setz dich, setz dich.«

    Carolan folgte der Einladung und ließ sich auf einem der seidenen Sitzkissen nieder. Das Spiel konnte beginnen.

    Die ersten Runden an Khadims Tisch waren für Carolan sehr erfolgreich. In zwei Spielen schlug er seinen Gegner knapp mit einem stärkeren Zwilling. In der fünften Runde hatte er sogar eine Finte durchbekommen. Einzig eine Maraskanerin mit bunten Bändern in den geflochtenen Haaren hatte mit ihm mitgezogen. Der Rest ihres Tisches war zu diesem Zeitpunkt bereits ausgestiegen. Mit jeder Runde war eine weitere Silbermünze in die Mitte des Tischs gewandert. Letztlich hatte Carolan eine Handvoll Marawedi gesetzt und der Bruderschwester ein siegesgewisses Lächeln geschenkt. Sie stieg aus und er gewann eine stattliche Summe – mit absolut nichts auf der Hand. Nachdem sich die Gruppe auflöst hatte, verbrachte Carolan etwas Zeit mit Khadim am Tresen und sie tranken Wein. Dank der Erzählungen und Erklärungen seines neu gewonnenen Freundes hatte er nach einer Weile einen recht guten Überblick über die Spieler im Pavillon.

    Ihre Wege trennten sich schließlich bei einem Tisch, an dem für Carolan ein Platz frei wurde.

    »Du willst nicht mit einsteigen?«, fragte Carolan Khadim.

    »Verliere ich zu viel, muss ich mich vor meinem Onkel verantworten, und ich sage dir, Lorenzo, ich würde eher mit einer Maraskantarantel eingesperrt werden, als mir das anzutun«, entgegnete Khadim und verabschiedete sich.

    In der ersten Runde verlor Carolan so spektakulär, dass er über die Hälfte seines Geldes loswurde. Es fühlte sich ein wenig an, wie frontal von einer Kutsche gerammt zu werden. In der nächsten Stunde setzte Carolan jedes Bisschen seines Könnens ein, um wieder aufzuholen. Scharfes Beobachten, ablenkende charmante Pointen, einladendes Lecken über die Unterlippe, falsche Ticks, um die Gegner in die Irre zu führen, alles nutzte er.

    Sein erbitterter Kampf brachte ihm letztlich eine Einladung an den Tisch der Gastgeberin ein. Auf diesen einen Moment hatte er hin gespielt, mit Karten, aber auch mit vollem Körpereinsatz. Es war ihm gelungen, als vollkommen unbekannter Spieler genug Talent und Unterhaltungswert zu beweisen, dass Neraida Kemalsunni al’Shabra Gefallen an ihm gefunden hatte.

    Die ersten Runden am großen Tisch waren von Zurückhaltung geprägt. Die insgesamt sechs Spieler tasteten sich vorsichtig an das Spiel heran, um sich einen ersten Eindruck von ihren Gegnern zu verschaffen. Nach einer Handvoll schneller Runden wurden die Samthandschuhe ausgezogen und Carolan war mittendrin. Krieg brach aus am großen Tisch und er wurde mit der Ehre von Halsabschneidern geführt. Karten wurden gegeben, Gold wurde gesetzt und der Gegner mit Adleraugen beobachtet. Jedes Detail zählte.

    Der Abend fand seinen Höhepunkt in einer Partie, die Carolan später als einen wahren Gottesdienst an Phex bezeichnen würde. Nach einem schnellen Tausch von Karten und langen Runden des Setztens verblieben letztlich nur drei Spieler am großen Tisch.

    Carolans Hand lag auf seinen fünf Karten, direkt vor ihm auf dem Tisch. Es war einer seiner wenigen Ticks, die er sich im Boltan noch nicht hatte abgewöhnen können. Zog sich die Runde hin und war sein Blatt gut, tendierte Carolan dazu, deutlich zu oft nachzuschauen, auch wenn er genau wusste, was er in der Hand hielt. So landeten die Karten meist umgedreht vor ihm auf den Tisch, damit der dem Drang nicht nachgeben konnte. Eine schlechte Angewohnheit, um eine schlechte Angewohnheit zu überdecken. Boltan war eine komplizierte Angelegenheit.

    Um sich abzulenken, begann Carolan, seine verbliebenen drei Mitspieler zu mustern. Ein hochgewachsener, schlanker Tulamide mit Adlernase, einem spitzen Turban und einem schneeweißen langen Bart erschien ihm besonders aufmerksam. Die wachen graubraunen Augen unter den buschigen Brauen hielten, da war sich Carolan sicher, nach jedem Detail Ausschau, das etwas über die Karten und die Stimmung der Spieler verraten könnte. Ihre dunkelhaarige Gastgeberin hatte ihren bezaubernden Körper zu diesem festlichen Anlass in ein fließendes, hellblaues Seidenkleid gehüllt. Sie lächelte milde, doch ihr rechter Mundwinkel bog sich dank zahlreicher Lachfältchen ein kleines bisschen weiter nach oben, was ihrem Lächeln eine verspielte Note gab. Ihre Wangen hatten über die Zeit des Spiels an Röte gewonnen. Dies lenkte aber kaum von ihren mit Khol umrandeten kastanienbraunen Augen ab. Ihr Blick war weich, aber Carolan konnte den scharfen Verstand dahinter erahnen. Ihre Karten lagen auf ihrem Schoß, und mit jeder kalkulierten Bewegung ihrer Hand hörte man das leise Klimpern ihrer goldenen Armreife.

    Carolan vermutete, dass Sahil ibn Mustafa eine spektakuläre Finte vorbereitet hatte. Er konnte sich vorstellen, dass der ältere Herr bei schlechten Karten konsequent zu Beginn der Runde gepasst hätte, um dann im richtigen Moment mit einem niedrigen Blatt den großen Gewinn zu machen. Und dieser Moment war nun gekommen. Carolan war beeindruckt von diesem alten Fuchs. Er würde sich diesen Trick für die Zukunft merken.

    Ein weiteres Mal trafen sich Neraida Kemalsunni al’Shabras und sein Blick. Die Gastgeberin war eine chaotische Spielerin und Carolan hatte ihr Spiel bisher noch nicht einschätzen können. Er vermutete, dass ihr großes Vermögen Neraida zu einer Spielerin machte, die am Gewinnen nicht wirklich interessiert war, sondern vielmehr am Schlagabtausch mit ihren Gegnern. Er war sich recht sicher, dass Neraida Sahils Finte ebenfalls durchschaut hatte. Er nickte ihr höflich zu, und sein Lächeln wurde erwidert.

    Unter seinen Fingern fühlte er die Unterseite seiner Karten. In Gedanken ging er jede einzelne von ihnen durch. Sein Blatt war solide und sollte Phex auf seiner Seite sein, dann würde er Neraida schlagen können. Ein Tropfen Schweiß rann ihm den Rücken herunter. Sein Gesicht dagegen zeigte einen neutralen, aber freundlichen Ausdruck. Es war Carolans Boltangesicht, das er üblicherweise stundenlang aufrechterhalten konnte, aber die Anspannung in dieser Runde machte es ihm zusehends schwerer. Sein Herz schlug schnell, aber er hielt seinen Atem so gleichmäßig wie möglich. Sahil schob geradezu bedächtig den letzten Einsatz dieser Runde in die Mitte des Tisches. Es war ein stattlicher Haufen Gold. Der gesamte Inhalt von Carolans Geldbeutel plus seine gesamten Gewinne des Abends, mit der Ausnahme von zwei einsamen Zechinen, befanden sich auf diesem Tisch. Der Anblick dieses kleinen Reichtums ließ den Nervenkitzel weiter steigen.

    Die drei Spieler tauschten einen letzten Blick aus. Nahezu gleichzeitig deckten sie ihre Karten auf. Carolans erster Blick ging von seiner Lanze zu Neraidas Maraskaner. Seine Lippen bogen sich zu einem breiten Lächeln.

    Das war es wohl, meine Schöne, dachte Carolan und leckte sich bei dem Gedanken an sein erspieltes Vermögen die Lippen. Es war Neraidas helles Lachen, das ihn aus seinen Gedanken riss. Die schöne Gastgeberin hatte sich nach hinten in die Kissen fallen lassen und lachte lauthals. Ihr Körper schüttelte sich mit jedem Ton, der über ihre Lippen kam. Carolan sah von Neraida zu Sahil, der einen überraschten, aber vor allem zufriedenen Gesichtsausdruck zeigte. Seine knochigen Finger ruhten noch immer auf seinen Karten: einem elementaren Pfeil.

    Für einen Moment erwartete Carolan ein Gefühl von Enttäuschung, aber es war eine schelmische und kindliche Freude, die ihn stattdessen übermannte. Er lachte. Laut und aus dem Bauch heraus und wie Neraida ließ auch er sich nach hinten sinken. Dieser Spielzug war eine dem Listigen würdige List gewesen, wenn es auch nicht die Finte war, mit der er oder Neraida gerechnet hatten.

    »Phex, heute hast du mich wohl Demut lehren wollen«, sagte er laut. Sein Ausruf an den himmlischen Fuchs ließ Neraida erneut lachen und auch der alte Sahil warf den Kopf in den Nacken und stimmte mit ein.

    Nachdem die Kontrahenten sich beruhigt hatten, wurden Gratulationen ausgetauscht. Carolan sah mit einem Kopfschütteln zu, wie Sahil seinen Gewinn einsammelte. So viel Gold. Eifersucht schnürte ihm für einen Moment die Luft ab. Was er mit diesem Reichtum nicht alles in dieser Stadt noch hätte anfangen können. Er hatte einen Besuch in Abu Silimhas Haus der Spiele geplant, um einige Wetten abzuschließen. Diesen Ausflug konnte er nun getrost von seiner Liste streichen. Der Verlust der Reisekasse schmerzte sehr, aber er hatte auch eine Menge Spaß gehabt. Er seufzte. Phex gibt und Phex nimmt, so lautete nun mal das Sprichwort. Gönnerhaft klopfte er dem Tulamiden noch einmal auf die Schulter.

    »Es war ein fantastisches Spiel, Sahil. Ich werde noch lange daran denken«, sagte er.

    »Deine Anwesenheit, Freund Dschinn, hat mir wohl Glück gebracht«, kommentierte Sahil immer noch mit einem Lachen in der Stimme.

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1