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Ein Blick aus der Ewigkeit
Ein Blick aus der Ewigkeit
Ein Blick aus der Ewigkeit
eBook283 Seiten3 Stunden

Ein Blick aus der Ewigkeit

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Über dieses E-Book

Dylan Paris ist ein Junge aus Atlanta, der aus der Arbeiterklasse kommt. Als ehemaliger Schulabgänger, der versucht, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen, ist er verblüfft, dass er für einen sechswöchigen Schüleraustausch nach Israel ausgewählt wird.
Alex Thompson ist die Tochter eines reichen US-Botschafters und Mitglieds der feinen Gesellschaft von San Francisco. Sie lehnt sich gegen die Beschränkungen ihres Lebens und die Erwartungen auf, die man an sie stellt. Mehrere Wochen in Übersee sind genau die richtige Gelegenheit, um herauszufinden, wer sie wirklich sein will.
Das Letzte, was die beiden wollen oder brauchen, ist, sich zu verlieben.


Über die Thompson Sisters:

Ein Blick aus der Ewigkeit ist ein Kurzroman aus der Serie um die Thompson Sisters und kann unabhängig von den anderen Romanen gelesen werden.
Chronologische Reihenfolge, in der die Geschichten spielen:

Ein Song für Julia – 2002
Sternschnuppen: Eine Thompson Sisters Novelle – 2003
Ein Blick aus der Ewigkeit – 2007
Vergiss nicht zu atmen – 2012
Die letzte Stunde – 2013

Rachel’s Peril Trilogie
Mädchen der Lüge – 2014
Mädchen der Wut – 2014
Mädchen der Rache – 2014

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum25. Juli 2016
ISBN9781632021656
Ein Blick aus der Ewigkeit
Autor

Charles Sheehan-Miles

Charles Sheehan-Miles has been a soldier, computer programmer, short-order cook and non-profit executive. He is the author of several books, including the indie bestsellers Just Remember to Breathe and Republic: A Novel of America's Future.

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    Buchvorschau

    Ein Blick aus der Ewigkeit - Charles Sheehan-Miles

    Ein Blick aus der Ewigkeit

    Charles Sheehan-Miles

    aus dem Amerikanischen von

    Dimitra Fleissner

    Kapitel 1

    Keine Politik beim ersten Treffen (Dylan)

    Die Frau hinter dem Schalter hat einen etwa kinnlangen Haarschnitt, vorne länger und hinten kürzer. Die Haare sind in einem bronzefarbenen Ton gefärbt, und ich kann weder ihr Alter noch ihre generelle Gesamterscheinung einschätzen, denn ihr Make-up ist so dick, wie ein Holzfurnier auf einer Spanplatte. Ihre Augenlider, die dick mit glitzerndem blauen Lidschatten bedeckt sind, flattern, während sie mit einem Mann hinter dem Schalter spricht, der keine Fluglinienuniform trägt. Im Grunde scheint es keinen anderen Grund für seine Anwesenheit dort zu geben, als mit der Frau zu flirten.

    „Entschuldigung", sage ich.

    Sie ignoriert mich und kaut weiter auf ihrem Kaugummi herum.

    Ich versuche, immer nach dem Motto „im Zweifel für den Angeklagten" zu handeln. Aber wenn sich in New York alle so benehmen, dann will ich sobald es geht zurück in den Süden.

    Entschuldigung, Miss?" Ich gebe mein Bestes, um meine Verärgerung nicht zu zeigen. Aber ich gehe nicht soweit, sie Ma’am zu nennen, auch wenn es meiner Mutter nicht gefallen würde. Mom sagt mir immer, dass ich mich von der besten Seite zeigen soll, sogar, wenn die Welt vor dem Untergang steht.

    „Was?" Der Blick, den sie mir zuwirft, ist alles, nur nicht zuvorkommend. Liegt es an meinem Südstaatenakzent? Oder daran, dass ich ein Teenager bin? Oder ist sie einfach immer unhöflich? Wer weiß das schon? Das kann man nicht wissen. Was ich weiß, ist, dass sie mich verärgert.

    „Ich war zusammen mit meinen Freunden im Flug 658, ich zeige zu den anderen aus der Atlanta-Delegation. „Keines unserer Gepäckstücke ist auf dem Gepäckband gewesen.

    Sie schaut mich kurz höhnisch an, dann hebt sie ihren Telefonhörer ab und wählt eine Nummer. „Ja, Gary? Hier ist Bethany, vom Terminal 4. Ja, das bin ich. Ich habe hier ein paar Teenager, die sagen, ihr Gepäck wäre nicht angekommen, Flug 658."

    Sie hält kurz inne und legt ihren Kopf zur Seite. „Ähm äh… ähm äh… Ja? Tja, das ist schlecht. In Ordnung."

    Nichts davon klingt gut. Sie legt den Hörer auf. Es ist eindeutig, dass sie lieber mit dem Typen flirten, oder ein Kreuzworträtsel lösen, oder irgendetwas anderes tun würde, als mit mir zu sprechen. „Es tut mir leid, aber eine Gepäckladung wurde von der Security am Hartsfield-Flughafen in Atlanta umgeleitet." Sie spricht das R im Wort Hartsfield nicht aus, stattdessen sagt sie Hahhtsfield. Dann fährt sie fort: „Es sollte in den nächsten Tagen oder so bei Ihnen eintreffen. Sie müssen einige Papiere ausfüllen und sie dem Gepäckaufseher geben. Ich werde ihn herrufen." Sie ist schon dabei, die Papiere herauszuholen. Es sind ziemlich viele.

    Vierzig Minuten später treffen wir – ohne Gepäck – auf die Schüler aus den anderen Gruppen. Ich hatte noch keine Chance, jemanden aus meiner Gruppe näher kennenzulernen, außer Tameka. Tameka lebt in den Virginia Highlands, einer Gegend nordöstlich von Atlanta und sie geht auf die Grady High School, das ist nicht weit weg von mir. Sie ist im vorletzten Jahr und engagiert sich sehr im Sport und auch in den akademischen Fächern. Das tun die anderen auch alle. Wir fünf mussten vor ein paar Wochen an einem Abendessen teilnehmen und uns dabei kurz vorstellen – diese vier Mädchen gehören alle zu den Besten in ihrer Schule. Das schüchtert mich alles sehr ein. Ein Jahr zuvor war ich noch ein Schulabgänger, und ich verstehe immer noch nicht, warum sie mich zu dieser Reise zugelassen haben.

    Als wir auf den Bodentransportbereich zugehen, der sich neben der Gepäckausgabe befindet, sehe ich eine Frau, die ein großes Schild hochhält: Schüleraustauschprogramm der großen Städte. Sie ist mittelgroß, hat blondes, relativ kurzes Haar mit Fransen. Ich vermute, sie ist etwa fünfunddreißig Jahre alt. Sie winkt, als sie uns kommen sieht. Ich rümpfe meine Nase – dieser Teil des Flughafens riecht leicht nach Urin und abgestandenem Zigarettenrauch.

    Eine Gruppe aus etwa zwölf Teenagern steht im Halbkreis vor der Frau. Gehetzte und müde Fluggäste strömen an ihnen vorbei. Ein Mädchen steht etwas abseits links von der Gruppe, während sie in ihr Handy spricht, das wie ein iPhone aussieht. Ich habe bisher noch keines wirklich gesehen – sie sind erst vor ein paar Monaten auf den Markt gekommen, und niemand aus meinem Bekanntenkreis kann sich ein solches Spielzeug leisten. Ihr Gepäck steht neben ihr auf dem Boden und sie hat einen schmerzlichen Gesichtsausdruck. Was mir ins Auge fällt, ist ihr üppig aussehendes braunes Haar, leicht olivfarbene Haut und wie ihr Pulli ihren Oberkörper umschlingt.

    „Nein, Mom. Wir haben noch nicht mal den Flughafen verlassen. Stille, dann verdreht das Mädchen seine Augen und schaut mich mit seinen dunkelgrünen Augen an. „Natürlich. Ja. Ja. Das werde ich. Okay.

    Während sie ihre Augenbrauen zusammenzieht, formt sich auf ihrer Stirn eine Falte. „Nein, ich denke nicht, dass ich Gelegenheit haben werde, Carrie zu treffen, wir haben einen ziemlich vollen Terminplan bis wir nach Tel Aviv aufbrechen. Aber ich werde sie anrufen, falls ich genug Freizeit habe."

    Als ihre Augen sich zu mir wenden, schaue ich schnell weg. Dann springe ich fast zur Seite, als mir jemand ziemlich direkt ins Ohr spricht. „Heiliger Bimbam, die ist scharf, oder?"

    Ich zucke zurück. Der Sprecher ist ein Typ mit braunem, lockigen Haar. Er sieht aus, wie die Karikatur eines Teenagers. So groß wie ein Basketballspieler, aber mit Armen und Beinen, die eher nach einem Strichmännchen, als nach einem Menschen aussehen. Ich bin nicht gerade modebewusst, aber die meisten meiner Klassenkameraden zu Hause sind es. Obdachlosigkeit, auch wenn es nur für eine kurze Zeit ist, führt dazu, dass man zu schätzen weiß, überhaupt etwas zum Anziehen zu haben. Aber dieser Typ hat mit Sicherheit niemals zu wenig zu essen gehabt, und er ist über und über mit Markenlogos bedeckt.

    Ich kann ihn auf den ersten Blick nicht leiden – dann tadele ich mich selbst. Ich bin hier, um etwas zu lernen, nicht um andere Schüler zu beurteilen.

    „Ja", murmele ich. Das Mädchen steht sowas von weit über mir.

    „Ich bin Mike, sagt er. „Aus Chicago.

    „Dylan. Ich komme aus Atlanta."

    „Ach ja? Ein Südstaatenjunge, hä?"

    „Durch und durch", antworte ich. Meint er das ernst?

    Er schaut mich an und sagt: „Wie steht’s mit deiner Politik?"

    „Was?"

    „Du weißt schon. Demokrat? Republikaner?"

    Ich schnaube. „Ich rede beim ersten Treffen nicht über Politik."

    Er kichert.

    „Okay, sagt die blonde Frau, dabei hebt sie ihre Stimme, um trotz der vielen Reisenden, der Lautsprecheransagen und dem sonstigen Geräuschpegel im Terminal, gehört zu werden. „Ich bin Marie Simpson; ich werde für die nächsten Wochen eine eurer Aufsichtspersonen sein. Bitte lasst mich eure Namen durchgehen. Wir haben hier die Gruppen aus Chicago, San Francisco und Atlanta, richtig?

    Sie beginnt, Namen vorzulesen, zuerst die der Schüler aus Atlanta. Tameka ist die erste, dann zwei der anderen Mädchen, dann ich. Ein paar Minuten später fährt sie mit den Namen der fünf Schüler aus Chicago fort, dann geht es weiter mit der Gruppe aus San Francisco – wiederum fünf.

    In der Gruppe aus San Francisco sind vier Mädchen – unter anderem auch das Mädchen, dass ich versuche, nicht so offensichtlich anzustarren. Der fünfte ist ein Junge, der vage asiatisch oder polynesisch aussieht. Dann antwortet sie auf ihren Namen, den ich zum ersten Mal höre.

    Alexandra Thompson.

    Was kann schon schief gehen? (Alex)

    Man sollte meinen, dass es ausreichen müsste, die Diskussion zu beenden, wenn ich meiner Mutter sage, dass wir in New York einen dichten Terminplan haben, und dass ich nicht denke, dass ich Gelegenheit haben werde, in die Stadt zu fahren, um Carrie zu treffen. Man könnte ja auch meinen, dass mir meine Mutter wirklich zuhört. Oder erwägt, dass ich während dieser Reise gewisse Verpflichtungen habe, und nicht davonrennen kann, um Carrie zu sehen. Man könnte auch denken, dass es ausreichend ist, dass ich Carrie nach dem Ende dieser Reise für drei Tage besuchen werde.

    Aber wer das denkt, täuscht sich.

    Meine Mutter ruft immer, immer, zur falschen Zeit an. Oder sagt das Falsche. Oder mischt sich auf eine Art und Weise zu sehr ein, die ich nicht verstehe. Heute ist es nicht anders. Ich stehe da und höre zu, wie sie spricht (es ist keine Unterhaltung – sie spricht, ich höre zu). Immer weiter und weiter. Wie ich mich verhalten soll, während ich in New York bin und später, nachdem wir in Tel Aviv ankommen. Kleide dich dezent. Alles, was ich tun werde, wird ein Licht auf meinen Vater werfen. Dinge, auf die ich achten soll. Blah, blah, blah.

    Und während der ganzen Zeit, in der sie redet, sehe ich diesen Jungen aus meinen Augenwinkeln. Er ist mittelgroß und sein Haar ist auf der Seite ein bisschen lang, durcheinander und matschbraun, nicht so, wie bei den meisten Jungen, die ich kenne, mit ihren durchgestylten Haarschnitten. Er scheint sich nicht die Bohne um Mode zu kümmern – ganz anders, als der manikürte Junge, der mit seinem ach-so-sorgfältig aufgeknöpften Hollister-Hemd neben ihm steht. Stattdessen trägt dieser Junge ein graues T-Shirt, Jeans und ein paar Arbeitsstiefel, die schon sehr abgetragen aussehen. Er hat einen Canvas-Rucksack und hält eine Gitarrentasche in seiner rechten Hand.

    Ich versuche zu vermeiden, dass er bemerkt, dass ich ihn anschaue, zur gleichen Zeit wird die Stimme meiner Mutter immer höher und höher.

    Mom!, sage ich schließlich. „Ich muss jetzt auflegen. Ich rufe dich morgen an, okay?

    „Junge Dame, du rufst an, wenn ihr heute Abend in eurer Unterkunft angekommen seid. Ich muss wissen, dass es dir gut geht."

    Natürlich geht es mir gut. Was kann schon schiefgehen?"

    Darauf antwortet sie natürlich nicht. Sind wir mal ehrlich – meine Mutter kann tausend Gründe dafür anbringen, warum ich zu Hause bleiben sollte, tausend Dinge, die schief gehen könnten. Es ist ein Wunder, dass sie überhaupt zugelassen hat, dass ich diese Reise mache. Seit Julia und Crank geheiratet haben und Carrie verkündet hat, dass sie ausgerechnet Biologie als Hauptfach wählen wird, sind Mom und Dad noch kontrollwütiger geworden. Ich muss mir noch nicht mal Gedanken machen, auf welche Uni ich gehen werde. Ich werde nach Harvard gehen (wie Julia, wie mein Dad) und dann auf die Fletcher School (wie Dad) und dann werde ich in den auswärtigen Dienst eintreten, ob es mir gefällt oder nicht.

    Außer, dass das überhaupt nicht das ist, was ich wirklich will.

    Manchmal beneide ich meine älteren Schwestern, beide haben die Kraft gefunden, gegen unsere Eltern anzukämpfen. Julia hat das sogar nicht nur auf persönlicher, sondern auch auf politischer Ebene getan: Sie hat öffentlich die Präsidentschaftskandidatur von Barack Obama unterstützt. Eine Tat, die es sogar in die Nachrichten geschafft hat, weil mein Vater ein Berater von John McCain ist. Als Julia vor ein paar Wochen in der Stadt war und zum Abendessen vorbei kam, herrschte während des gesamten Essens zwischen ihr und meinem Vater eine steife und feindliche Stille. Etwas, das bei meiner Mutter fast zu einem Nervenzusammenbruch geführt hat. Es war unangenehm – ich liebe meine Schwestern, aber Julia nimmt einem manchmal die Luft zu atmen.

    Ich vermisse Carrie. Jetzt sind meistens nur noch ich und die Zwillinge zu Hause, und manchmal ist das beklemmend.

    Kurze Zeit später sitze ich allein im Bus und starre aus dem Fenster, während der Bus den Flughafen verlässt und in Richtung Hunter College fährt, wo wir in den nächsten drei Tagen wohnen werden. Das Herbstwetter draußen sieht nicht so toll und farbenfroh aus, wie in den Bergen von Nordkalifornien – stattdessen ist es nur trist und grau. Der Himmel sieht aus, als würde es noch mehr regnen, und das passt perfekt zu meiner Stimmung.

    Während der gesamten Zeit bin ich mir des Jungen in dem grauen T-Shirt und der Jeans sehr bewusst. Er hat sich auf den Sitz vorne im Bus auf der anderen Seite des Ganges mir gegenüber hingesetzt. Vorhin habe ich seinen Namen gehört, als sie uns aufgerufen haben. Dylan Paris. Es ist ein interessanter Name, aber Namen sagen mir nicht wirklich etwas. Und er sieht anders aus als die anderen… irgendwie älter. Ich möchte herausfinden, wer er ist, aber es gibt keine Möglichkeit, ihn anzusprechen, ohne dass es sehr, sehr peinlich wird.

    Stattdessen starre ich aus dem Fenster und denke darüber nach, wie komisch sich meine Mutter während der letzten paar Tage verhalten hat, und wie erleichtert ich bin, dass ich für eine Weile von zu Hause weg kann. Ein LKW fährt an uns vorbei, das Dröhnen seines Dieselmotors bringt alles zum Vibrieren. Ich kann Auspuffgase riechen und auch Rauch, der von den verzweifelten Rauchern kommt, die sich unter den Vordächern zusammen zwängen und versuchen, sich nicht nassregnen zu lassen.

    Alle anderen im Bus haben Grüppchen gebildet und verbringen die Fahrt nach New York damit, sich zu unterhalten. Aber Dylan Paris sitzt einfach da und schaut aus dem Fenster. Wer ist er?

    Kapitel 2

    Mom hat ihre Medikamente abgesetzt (Alex)

    „Alexandra?" Marie Simpson, eine unserer Begleiterinnen oder Anstandsdamen, klopft an die Tür und streckt ihren Kopf in das Zimmer.

    „Man nennt mich üblicherweise Alex", antworte ich.

    Genau genommen, ist das nicht wahr. Man hat mich mein ganzes Leben lang Alexandra genannt. Aber irgendetwas hat mich bewogen, mich meinen Mitbewohnerinnen gestern Abend als Alex vorzustellen. Das ist das erste Mal, dass ich ohne meine Familie irgendwohin reise; das erste Mal, dass ich irgendwo allein bin. Irgendwie macht es mich fast zu einem anderen Menschen, mich als Alex vorzustellen. Also jetzt heißt es Alex.

    „Tut mir leid, antwortet Mrs. Simpson. „Alex. Egal, es gibt eine kleine Planänderung. Du wirst heute Abend bei dem Empfang nicht dabei sein.

    „Oh?", Ich wollte eigentlich an dem Empfang teilnehmen – den ganzen Tag saßen wir da und hörten uns einen Vortrag nach dem anderen an, und hin und wieder habe ich die Augen von diesem Jungen auf mir gespürt. Aber es hat keine Gelegenheit gegeben, sich gegenseitig vorzustellen. „Wenn es Ihnen egal ist, würde ich gerne…" ich verstumme, weil ich merke, dass das absurd ist. Der Empfang muss abgesagt worden sein, denn es gibt keinen Grund, warum ich ausgeschlossen werde, um ....

    „Um ehrlich zu sein, wir haben einen Anruf erhalten von – ich denke, es war dein Vater – Botschafter Richard Thompson?"

    Ich schließe meine Augen, spüre, wie mich plötzlich eine Mischung aus Resignation und Ärger durchfährt. „Ja. Er ist mein Vater."

    „Er war anscheinend verärgert, dass dir nicht erlaubt wird, deine Schwester zu treffen, während du in der Stadt bist."

    Ich runzele meine Stirn. „Ich würde meine Schwester sehr gerne sehen, aber ich habe angenommen, dass dafür keine Zeit sein wird."

    Ein leicht missfälliges Stirnrunzeln erscheint auf ihrem Gesicht. „Tja, jetzt ist Zeit."

    Ich seufze. „Ich habe nicht darum gebeten, Mrs. Simpson. Ich habe nicht nach einer Sonderbehandlung gefragt."

    Sie zieht eine Augenbraue hoch. „Tja dann. Dein Vater ist ein US-Botschafter – es wäre nicht gut, ihn jetzt zu enttäuschen, oder?"

    Ich lächele bitter und danke Gott, dass meine Zimmergenossinnen nicht im Zimmer sind, um das alles zu hören. „Natürlich nicht. Niemand enttäuscht Richard Thompson." Mrs. Simpson bekommt bei meinen sarkastischen Worten einen säuerlichen Gesichtsausdruck.

    „Wenn ich das richtig verstanden habe, ist deine Schwester an der Columbia-Universität? Dein Vater hat gemeint, es wäre ok, wenn du ein Taxi nimmst?"

    „Ich denke schon", antworte ich.

    Und was ist, wenn ich enttäuscht bin?

    Ich seufze. Wie auch immer. Mrs. Simpson verlässt das Zimmer, und ich ziehe mich mürrisch um. Zwanzig Minuten später sitze ich in einem New York City-Cab.

    Ich bin ein paar Minuten zu früh beim Jewel Bako in East Village. Ich war noch niemals hier, obwohl ich Carrie in den vergangenen zwei Jahren ein paar Mal am College besucht habe. Aber sie hat mich hierher geschickt und gesagt, dass es hier das beste Sushi in New York gibt. Es ist schon dunkel, es wird bald Winter, und in der Stadt nieselt es leicht, dadurch sind die Straßen schlüpfrig und reflektieren ein wenig. Auf der East 5th Street gibt es ein paar Geschäfte, aber dieser Block ist größtenteils eine Wohngegend, auch wenn die Ecke zur 2. Avenue durch den Verkehr laut und voll ist. Von der Geräuschkulisse ist nichts mehr zu hören, als ich das Restaurant betrete. Zwei Tischreihen säumen die Wände des hell erleuchteten Raums, der wegen der gewölbten Decke aus Bambus fast wie ein Tunnel aussieht. Als die Bedienung erscheint, mache ich gerade den Reißverschluss meiner Regenjacke ein paar Zentimeter auf.

    „Zwei Personen, zum Abendessen. Meine Schwester hat reserviert."

    Als ich ihr Carries Namen sage, werde ich sofort zu einem Tisch in der Ecke geführt, direkt gegenüber des Sushi-Kochs. Ich habe kaum Zeit, mich hinzusetzen, da sehe ich sie schon kommen.

    Carries Aussehen könnte nicht unterschiedlicher zu meinem sein. Sie ist etwas über 1,80 m groß und wunderhübsch – schlank wie ein Model, immer glanzvoll, selbst wenn sie sportlich gekleidet ist. Heute trägt sie Jeans, Stiefel und eine schwarze Regenjacke, aber irgendwie schaffte sie es, es so aussehen zu lassen, als wäre sie auf einem Laufsteg.

    Ich stehe auf, und wir umarmen uns. Sie küsst mich auf die Wange, dann holt sie, während wir uns hinsetzen, eine Geschenktasche aus ihrer Handtasche.

    „Alles Gute zum Geburtstag", sagt sie.

    Ich bin verblüfft. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich lächle und nehme die Geschenktasche entgegen. Darin finde ich einen grauen Schal aus Seide mit feinen Metallfäden. Wie ich es nicht anders erwartet habe, hat Carrie meinen Geschmack genau getroffen – er wird zu vielen meiner Klamotten passen. Mein Geburtstag ist erst in einer Woche, aber ich freue mich unheimlich, dass sie vorausgeplant hat.

    „Das ist so nett", sage ich.

    „Gefällt er dir?"

    „Ja! Ganz herzlichen Dank."

    „Oh, Alexandra, es ist so schön, dich zu sehen, sagt sie. „Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor, seit wir uns zuletzt gesehen haben.

    Ich nicke. „Ja."

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