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Dark River Falls: Poisondrunk: (Dark Romance)
Dark River Falls: Poisondrunk: (Dark Romance)
Dark River Falls: Poisondrunk: (Dark Romance)
eBook399 Seiten4 Stunden

Dark River Falls: Poisondrunk: (Dark Romance)

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Über dieses E-Book

Hast du von der Finsternis gekostet? Sündig und vergiftet wie ein lang vergessenes Geheimnis …
Es gab tausend gute Gründe, warum sie aus Dark River Falls flüchtete. Doch einer davon brachte sie zurück – in seinem Kofferraum.
An einem verregneten Herbsttag wird im Wald von Dark River Falls die stark verweste Leiche des jungen Tom Savage entdeckt, der Jahre zuvor unter mysteriösen Umständen verschwunden ist.
Um den ungeklärten Tod seines Bruders aufzuklären, überschreitet Hadrian die Grenzen zwischen Gut und Böse, wobei er der Wahrheit immer näher kommt und zugleich in einen Strudel aus Rachedurst und Vergeltung abrutscht. In sein Visier geraten die drei Hawthorne-Schwestern, die ein dunkles Geheimnis hüten, das wie ein schleichendes Gift wirkt.
Wird die Lügen sie zerstören?

DÜSTER, LEIDENSCHAFTLICH, ATMOSPHÄRISCH – der neue Dark Romance-Roman von Cate Edge.
SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum20. Mai 2024
ISBN9783755481041
Dark River Falls: Poisondrunk: (Dark Romance)

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    Buchvorschau

    Dark River Falls - Cate Edge

    DARK RIVER FALLS

    POISONDRUNK

    CATE EDGE

    Copyright © 2023 Cate Edge, Deutschland.

    1. Auflage

    Alle Rechte vorbehalten.

    E-Mail: info@cateedge.com

    Coverdesign: © https://marie-grasshoff.de

    Lektorat: Ariane Lambert

    Illustrationen im Buch: iStock | geraria | Luisa Vallon Fumi | Hein Nouwens

    Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Ein Nachdruck oder eine andere Verwendung ist ausdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.

    Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.

    Jegliche Markennennungen gehören den jeweiligen Copyrightinhabern. Das Urheberrecht aller Lieder, die genannt oder zitiert werden, liegt bei den jeweiligen Künstlern und Plattenfirmen.

    Cate Edge

    c/o AutorenServices.de

    Birkenallee 24

    36037 Fulda

    Vellum flower icon Erstellt mit Vellum

    Auch wenn du Gift bist,

    bitter und süß,

    betrinke ich mich an dir.

    Schluck für Schluck.

    Bis zum letzten Tropfen.

    Manchmal verschwimmen die Grenzen

    zwischen Wirklichkeit und Traum.

    Der einzige Blick,

    mit dem wir auf unsere Geschichte schauen,

    ist eingefärbt durch unsere Gefühle.

    Spielt es da eine Rolle,

    was wirklich war?

    VORWORT

    Ihr Lieben …

    In diesem Roman wird es finster, spannend und ziemlich heiß hergehen. Diese Szenen entspringen meiner Phantasie und haben nichts mit der Realität zu tun – sie sind FI(C)KTION.

    Gelegentlich verzichten meine Protagonisten daher auf Kondome und verhalten sich auch sonst nicht unbedingt verantwortungsvoll.

    Gebt euch ruhig Träumereien hin und schaltet den Verstand für einen Moment aus.

    In diesem Roman schreibe ich über hochgiftige Pflanzen und Heilkräuter, deren Einnahme tödlich enden kann. Probiert sie bitte nicht auf eigene Faust aus und geht keine Risiken ein.

    Ich habe auch Themen in diesem Buch behandelt oder angesprochen, die manche Personen triggern könnten. Daher folgt auf der nächsten Seite eine Inhaltswarnung, die Ihr gern überspringen könnt, wenn ihr euch von der Geschichte überraschen lassen möchtet.

    Viel Spaß beim Lesen wünscht euch

    eure Cate

    TRIGGERWARNUNG

    Falls du dich bei folgenden Themen nicht wohlfühlst, würde ich dich bitten, vom Lesen meines Romans abzusehen.

    Dieser Text enthält explizite Schilderungen psychischer und physischer Gewalt.

    Themen wie Suizid, Mord, häusliche Gewalt, Alkoholismus, Drogenmissbrauch, Depressionen, Folter, Entführung und psychische Erkrankungen, werden hier erwähnt.

    Zudem werden einvernehmliche sexuelle Handlungen explizit dargestellt. Die Sprache ist deutlich.

    Wenn dich das nicht abschreckt: Viel Vergnügen!

    PROLOG

    Damals

    Kat ballte die Hände zu Fäusten. Ihre Fingernägel bohrten sich in die Handflächen, hinterließen tiefrote Halbmonde in ihrer Haut.

    Nein, das darf er nicht tun, schrillte eine warnende Stimme in ihrem Kopf auf. Ihr war klar, dass er im Begriff war, einen kolossalen Fehler zu begehen. Welche Lawine der Zerstörung folgen würde, konnte selbst sie in diesem Moment nicht ahnen.

    »Komm schon, gönn mir den Spaß!« Tom sah sie grinsend an. Seine Augen blitzten auf.

    Mit seiner vorwitzigen Art hatte er sie für sich gewonnen. Erst hatten sie im Englisch-Unterricht debattiert und schließlich die Diskussionen auf dem Schulhof fortgeführt. Er hatte nie klein beigeben können, nie eine Niederlage akzeptiert. Das hatte Kat auf eine gewisse Weise imponiert.

    Eines Tages hatte Tom im Englisch-Unterricht sein Handy herausgeholt, war auf den Tisch geklettert und hatte Every Breath You Take von The Police gespielt. Die Lehrerin war ausgeflippt und hatte versucht, ihn vom Tisch herunterzuholen. Aber er hatte bloß Augen für Kat gehabt und unbeirrt mitgesungen. Stunden später holte Kat ihn vom Nachsitzen ab.

    »Du weißt, dass der Song von einem kranken Stalker handelt, oder?«, hatte sie gefragt.

    »Musst du immer solch eine Besserwisserin sein?«, war seine Antwort gewesen, bevor er sie küsste.

    Seitdem hatte ihr Herz ihm gehört. Trotzdem war es ihr ein Rätsel, wie er in jeder Lebenslage einen lockeren Spruch auf den Lippen haben konnte. Selbst nach dem Unfall hatte er noch gescherzt, obwohl er von Schmerzen gequält wurde. Sie wusste, dass es anders in ihm aussah. Kat erkannte hinter der Fassade aus Witzen seine melancholische Seite.

    Und doch hatte er sich verändert – es hatte ihn verändert.

    Kat nahm Toms Hand und suchte seinen Blick. Wie sehr sie seine Augen liebte. Er schien direkt in sie hineinzusehen. Und genauso konnte sie seine Gedanken lesen. Wobei es ihr in letzter Zeit immer schwerer fiel.

    »Du musst hier niemandem etwas beweisen. Dein Rücken hält das nicht aus.«

    Seit dem verheerenden Zusammenstoß, mit einem Linebacker der gegnerischen Football-Mannschaft, war ein Jahr vergangen. Nicht genug Zeit, um Toms gebrochenen Rücken heilen zu lassen.

    »Wollen wir wetten?« Er sah Kat auffordernd an.

    Als er ihre ernste Miene bemerkte, änderte sich seine Stimmung.

    »Verstehst du das nicht? Bald machen wir den Abschluss, und ich muss noch ein Mal mit meinem Team auf dem Rasen stehen. Ich will später nicht an die Highschool-Zeit zurückdenken und mich als den Versager sehen, der ich gerade bin.« Er entriss ihr seine Hand, das Gesicht verzerrt von Wut. Von Enttäuschung. Niemand verstand ihn. Nicht einmal Kat.

    »Spinnst du? Du bist kein Versager …«

    »Nein? Was denn? Ein Krüppel, der für nichts zu gebrauchen ist!«, unterbrach er Kat wütend. »Ich kann nicht einmal aufstehen, ohne vor Schmerzen zu kotzen!« Er hielt einen kleinen, durchsichtigen Beutel in die Höhe. »Ich brauche mehr davon.«

    Kat kannte den Inhalt nur zu gut. Kannte die Gefahren, die damit verbunden waren.

    Sie schüttelte den Kopf. »Tu das bitte nicht«, flehte sie.

    »Du raffst es einfach nicht!«, brüllte Tom.

    Zu lange hatten ihn seine Verletzungen außer Gefecht gesetzt. Sie wusste, dass er es leid war. Er wollte sich fühlen wie alle anderen. Dazugehören und nicht das Ehren-Teammitglied sein, das seine Mannschaft Spiel für Spiel, von der Tribüne aus, anfeuerte. Er war doch kein beschissenes Maskottchen.

    »Ich komme auch ohne dich klar!«, grollte Tom und rannte in den Wald.

    »Warte! Tu das nicht!« Kat stand regungslos da.

    Ihre Worte verhallten ungehört im Unterholz. Tränen füllten ihre Augen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Es war, als zöge sich ihr Herz zu einem zähen, grauen Klumpen zusammen. Dies war ihr erster Streit, dessen hässliche Fratze sie zutiefst erschrak. Was hatte er vor?

    Dreh nicht durch, noch ist nichts passiert. Du musst ihn bloß finden, sagte sie zu sich selbst. Aber es fiel ihr schwer, sich zu beruhigen.

    Gemeinsam mit ihrer Schwester suchte sie nach ihm. Kat erschien der Tag ewig lang und gleichzeitig viel zu kurz. Sie fuhren mit ihren Rädern zu der Feuerstelle beim Aussichtspunkt in den Maryland Heights und zu ihrem Lieblingsstrand am Ufer des Potomac Rivers.

    Nichts.

    Tom war wie vom Erdboden verschluckt.

    Es blieb nur noch ihre Hütte.

    Sie hatten die Räder am Waldrand abgestellt und rannten über den zugewucherten Wanderweg. Kat und Riley fiel es von Minute zu Minute schwerer, den Weg im schummrigen Licht zu erkennen.

    »Und du glaubst, er hat alles genommen?«, fragte Riley außer Atem. »Das würde ihn vermutlich …«

    »Hör auf!«, unterbrach sie Kat. »Mir ist klar, was passieren könnte!«

    Riley schwieg. Betreten ging sie auf Abstand zu ihrer Schwester. Die Dunkelheit und der unebene Pfad ließen es nicht zu, dass sie rannten. So stapfte Kat wütend durch das Dickicht.

    Doch unter der Wut lag noch etwas anderes: Angst.

    »Dieser Idiot! Warum kann er nicht einmal machen, was man ihm sagt? Warum zur Hölle ist er so stur?«

    Sie spürte es. Spürte die Dunkelheit, die hinter der nächsten Biegung des Weges lauerte, um ihre Klauen in sie zu schlagen.

    Kat legte an Tempo zu und hastete durch das Gestrüpp, das ihnen den Weg versperrte.

    »Was hat er vor?«, rief Riley, der es schwerfiel, Schritt zu halten.

    »Mein Gott! Wir hätten das nie tun dürfen. Er wird eine Dummheit anstellen.« Kat war mittlerweile panisch.

    Da waren plötzlich grausame Bilder vor ihren Augen. Ein Déjà-vu. Erinnerungstäuschungen, die sie überfluteten. Nur, dass sie keine Täuschungen waren. Es war da: der Druck in ihrem Kopf, die Veränderung des Lichtes. Wie die aufgeladene Luft, kurz vor einem Gewitter.

    In dem Augenblick sah sie es: Das drohende Unheil, das mit unbändiger Wucht über ihr Leben hinwegfegen würde.

    Es zerstörte alles.

    1

    EIN NEUER ANFANG

    Eleanora

    Sehnsüchtig sah ich dem Taxi nach, das im Vorbeifahren eine schmutzige Wasserfontäne verspritzte. Konnte ich mir heute ausnahmsweise diesen Luxus gönnen? Dass es mir vorkam, als wäre ich in einen Monsun geraten, sprach definitiv dafür. Was dagegen sprach, war mein aktueller Kontostand, der höchstens ein Busticket zuließ.

    Mein Flieger nach Washington D.C. hatte eine zweistündige Verspätung gehabt. So hatte ich fünfzehn Dollar in Kaffee und ein mittelmäßiges Sandwich investiert. Was meine finanzielle Lage nicht besser machte, war die Tatsache, dass die absurd hohe Miete für mein WG-Zimmer fällig war, das eher einem möblierten Kleiderschrank entsprach. In Anbetracht der Ironie musste ich beinahe lachen. Ich studierte Innenarchitektur und lebte zusammen mit drei Mitbewohnern in einem New Yorker Apartment, das den Charme eines Krankenhauses versprühte.

    Umso wichtiger war es, dass ich heute einen perfekten ersten Eindruck hinterließ, um den Job an Land zu ziehen.

    Ich konnte immer noch nicht glauben, dass ich spontan damit beauftragt worden war, den Firmenhauptsitz einer der größten Werbeagenturen des Landes, umzugestalten. Ich war zwei Semester von meinem Bachelor-Abschluss entfernt und hatte kaum etwas vorzuweisen, außer dem zweiten Platz bei einem Designwettbewerb und meiner Social-Media-Accounts, in denen ich meine Entwürfe präsentierte.

    Als ich dann vorgestern die Nachricht von SAVAGE bekommen hatte, dass deren Innenarchitektin ausgefallen war und dringend ein Ersatz gesucht wurde, erschien es mir fast zu schön, um wahr zu sein.

    Verlockender als das Honorar war die Aussicht auf ein eigenes Apartment, das mir von der Werbeagentur für die gesamte Projektdauer zur Verfügung gestellt wurde. Keine morgendlichen Kämpfe um die Kaffeemaschine, keine Schlange vor dem Gemeinschaftsbad – einfach himmlisch!

    Schon immer hatte ich mir das Bad teilen müssen. Früher mit meinen beiden älteren Schwestern, die es permanent blockiert hatten und später mit launischen Mitbewohnern.

    Im Moment drohte sich allerdings der Traum vom eigenen Badezimmer in Luft aufzulösen. Wenn ich an meinem ersten Tag zu spät kam, konnte ich den Job vergessen. Mir fehlte die Zeit, um ein Uber zu rufen. So winkte ich kurzerhand das nächste Taxi heran. MacBook und Mascara würden es mir danken, dass ich für die Fahrt gnadenlos meine Kreditkarte überzog.

    Beim Einsteigen klopfte ich den Regen von meinem Mantel ab. Der Fahrer musterte mich missbilligend.

    »Wohin soll’s denn gehen?«, fragte er mürrisch.

    »1307 Wisconsin Avenue. Können sie sich bitte beeilen?«

    »Downtown? Ich gebe mein Bestes. Gegen den Verkehr bin ich leider machtlos. Schätze, wir brauchen eine halbe Stunde, wenn es gut läuft.«

    Ich sah auf das Handydisplay – mir blieben vierzig Minuten. O Gott. Um vor Nervosität nicht durchzudrehen, beschloss ich, mich von dem Hörbuch ablenken zu lassen, das mir meine Schwester geschickt hatte. Ich steckte die Kopfhörer in meine Ohren und lehnte mich zurück. Krampfhaft bemühte ich mich, der Story zu folgen, während sich meine Gedanken überschlugen. Überrascht stellte ich fest, dass mir die Handlung gefiel.

    Riley hatte meinen Geschmack getroffen, was nahezu an ein Wunder grenzte, da wir uns erst in den letzten Monaten angenähert hatten. Das Verhältnis zwischen mir und meinen Schwestern war nie innig gewesen. In unserer Kindheit waren Kat und Riley mit einem Grinsen der Genugtuung losgezogen, wenn Grandma mir nicht erlaubte mitzugehen. Wegen dieser Ungerechtigkeit hatte ich heiße Tränen der Wut geweint.

    Selbst in meinen letzten Jahren im Hawthorne House hatte sich nichts verändert. Wir waren zwar älter geworden, doch sie schlossen mich nach wie vor aus. Was sich allerdings verändert hatte, waren ihre Gesichter: Ihr hämisches Grinsen war einem zutiefst besorgten Ausdruck gewichen. Wenn ich spontan in einem ihrer Zimmer auftauchte, schickten sie mich in einem bedauernden Tonfall weg. Nicht schadenfroh, wie üblich. Irgendwann hatte ich aufgegeben.

    Umso verwunderter war ich, als Riley mir vor einem halben Jahr geschrieben hatte und Interesse an meinem Leben zeigte. Nachdem ich ihr von dem Auftrag der Werbeagentur erzählt hatte, war später das Hörbuch, zusammen mit einer Motivationsmail gefolgt. Sie hatte mir Glück für den neuen Job gewünscht und mich darum gebeten, sie auf dem Laufenden zu halten. Auch wenn ich stur war und Angst vor einer weiteren Enttäuschung hatte, freute ich mich über den aufkeimenden Kontakt – das war es, wonach ich mich seit Jahren sehnte.

    Der Verkehr war zäh und ich ahnte, dass es verdammt knapp werden würde, rechtzeitig zu erscheinen. Nervös spielte ich mit dem Kabel des Kopfhörers und ließ die Romanze auf mich einprasseln. Spätestens auf der Pennsylvania Avenue nahm ich die Handlung kaum noch wahr, weil mein Blick an den historischen Bauwerken haftete.

    Kurz darauf hielt der Fahrer in zweiter Reihe vor einem postmodernen Hochhaus. Mir blieben knapp fünf Minuten. Achtlos verstaute ich das Handy in meiner Manteltasche, bezahlte und hastete auf den Gebäudeeingang zu, über dem in kapitalen Lettern SAVAGE prangte. Ich schob mich eilig durch die Drehtür. Plötzlich spürte ich einen Ruck.

    Mein Mantel musste irgendwo hängengeblieben sein. Ehe ich begriff, was geschehen war, ließ der Widerstand nach und eine Männerstimme ertönte aus meiner Manteltasche. »Wenn ich dir sage, dass du deine Beine spreizen sollst, hast du zu gehorchen! Ich will, dass du für Daddy kommst«, schallte der Befehl durch die Eingangshalle.

    Das Blut schoss mir in die Wagen, als ich begriff, dass ich meine Kopfhörer herausgerissen hatte. Hektisch kramte ich das Handy hervor und versuchte, der Stimme Einhalt zu gebieten, ehe es die gesamte Belegschaft mitbekam.

    »O Gott, James! Ich brauche es!«, stöhnte der weibliche Gegenpart und ich betete, dass sich ein Loch im Erdboden auftat.

    »Wie sehr willst du es? Sag es!«

    Mein Gott, das durfte doch alles nicht wahr sein. Vor lauter Aufregung rutschte mir das Handy aus der Hand und fiel polternd auf den Marmorboden.

    Ich spielte mit dem Gedanken wegzulaufen und so zu tun, als ob es mir nicht gehörte. Verstohlen sah ich mich zu allen Seiten um und hob es auf. Endlich gelang es mir, dem Spuk ein Ende zu bereiten. Ich hob meinen Blick und nahm einen Mann im dunkelgrauen Anzug wahr, der mich schief angrinste. Über seinem Finger baumelten weiße Kopfhörer.

    »Ich glaube, Sie haben etwas verloren.«

    Ich erstarrte. Konnte es noch schlimmer werden? Der attraktivste Mann, den ich je gesehen hatte, stand vor mir und hatte jedes Wort gehört.

    »Möchten Sie die nicht zurückhaben?«

    Durch seinen gepflegten Dreitagebart ließen sich Grübchen erahnen, die zu seiner spitzbübisch gehobenen Braue passten. Seine stahlblauen Augen funkelten. Offenbar bereitete es diesem Mistkerl eine diebische Freude, mich leiden zu lassen. Jeder normale Mensch hätte wohl höflich über meinen Fauxpas hinweggesehen. Aber vermutlich war er kein Mensch.

    Der Teufel kannte keine Höflichkeit.

    Ich kratzte das letzte bisschen Stolz zusammen und ließ ihn stehen. Ohne zurückzuschauen, rief ich: »Geschenkt!«

    Dann verschwand ich im Aufzug und hämmerte wie wild auf die Tasten ein, obwohl ich nicht die geringste Ahnung hatte, in welchem Stockwerk ich erwartet wurde. Hauptsache entkommen, lautete die Devise. Mittlerweile war ich fünf Minuten zu spät und mir dämmerte, dass es keine andere Möglichkeit gab: Ich musste zurück in die Lobby, um mich dort anzumelden.

    Die Fahrstuhltüren öffneten sich erneut und ich stellte beruhigt fest, dass der teuflische Mistkerl verschwunden war. Die Empfangsdame hinter dem ausladenden Tresen musste alles mitangesehen haben. Jedoch sah sie mich mit derselben professionellen Gleichgültigkeit an, mit der sie jeden bedachte, der es wagte, sie zu stören, während sie Sudokus löste.

    »Hi, mein Name ist Eleanora Hawthorne. Ich habe einen Termin um neun Uhr mit Mr. Savage.«

    Beinahe rechnete ich damit, dass sie tadelnd auf die Uhr sah. Doch sie behielt ihr eisiges Pokerface.

    »Herzlich willkommen, Miss Hawthorne. Man erwartet Sie in der vierzehnten Etage.«

    Beim Betreten des obersten Stockwerks versank ich in einem Morast aus dunklem Teppichboden und biederer Wandvertäfelung, wie man sie heutzutage höchstens noch in britischen Herrenclubs vorfand. Das alles passte nicht zu einem modernen Marketingunternehmen. Der Flur führte zu einem geräumigen Büro, das die halbe Etage einnahm. Ein Panoramafenster, das sich über die gesamte Breite des Büros erstreckte, entschädigte für den altmodischen Stil. Vom Schreibtisch aus hatte man eine unglaubliche Aussicht auf Washington.

    Verloren stand ich mitten im Raum und sah mich um. Von meinem Arbeitgeber war keine Spur zu sehen. Mein Blick wanderte über den minimalistisch ausgestatteten Schreibtisch. Ein Laptop, zwei Smartphones, ein Notizbuch mit Kugelschreiber und … Kopfhörer lagen darauf.

    Eine Hitzewelle lief meinen Rücken hinunter. Mir wurde flau im Magen.

    Das durfte nicht wahr sein. Es waren meine weißen Kopfhörer, die vor mir lagen.

    Sollte ich weglaufen?

    Sollte ich mich entschuldigen?

    Unentschlossen stand ich im Raum und hatte das Gefühl, der Boden würde schwanken. Möglicherweise war es das Beste, mich krank zu melden.

    Zu spät, schoss es mir durch den Kopf, als sich eine Tür öffnete.

    »Es tut mir leid, dass Sie warten mussten. Ist Kaffee in Ordnung?«

    Mit zwei Tassen in der Hand kam der teuflische Mistkerl, dem ich in der Lobby begegnet war, auf mich zu. Meine Stimme versagte und ich nickte.

    »Sie hatten es so eilig, dass ich den anderen Aufzug genommen habe. Allerdings wollte ich gerade einen Suchtrupp losschicken, da Sie sich irgendwo zwischen Erdgeschoss und vierzehntem Stock in Luft aufgelöst haben«, scherzte er und stellte die Tassen ab.

    Tatsächlich wünschte ich mir nichts sehnlicher, als mich in Luft aufzulösen.

    »Setzen Sie sich.« Er deutete auf einen der Sessel vor seinem Schreibtisch.

    Ich folgte der Aufforderung, unfähig, irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Er blieb stehen und lehnte sich an die Schreibtischkante.

    »Nehmen Sie Milch? Zucker?« Amüsiert betrachtete er mich mit seinen eisblauen Augen und streckte mir die Hand entgegen. »Hadrian Savage.«

    Sein Händedruck war derart fest, dass ich meine Hand beinahe wegzog. Doch ich hielt ihm stand. So wie ich seinem forschenden Blick standhielt, während er mich unverhohlen musterte.

    »Und Sie sind Eleanora Hawthorne?«

    »Meistens, ja. Unter diesen Umständen tendiere ich eher dazu, jemand anders zu sein.«

    Hadrian lachte. »Dabei haben Sie bei unserer ersten Begegnung auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck hinterlassen.«

    Er nahm den Kopfhörer, wickelte das Kabel um seine Handfläche und betrachtete es.

    »Welcher Name wäre Ihnen denn lieber?«

    »Irgendwas mit Smith ist okay. Das macht es leichter abzutauchen.«

    Ich spürte meine Wangen glühen. Wie hatte es zu solch einem Fiasko kommen können?

    »Wie wäre es mit Jane?«, spielte er mit.

    »So wie Jane Doe? Ich glaube, das ist ein Maß an Anonymität, das ich nicht erreichen möchte. Ich habe mir zwar vor fünf Minuten gewünscht zu sterben, aber der Kaffee hat mein Leben wieder lebenswert gemacht.«

    In diesem Moment wünschte ich mir, Hadrian Savage wäre ein kauziger Buchhaltertyp mit zu hohem Haaransatz. Aber er war das exakte Gegenteil.

    »Es wäre zu schade um Ihre faszinierenden Augen, wenn Sie aus dem Leben scheiden würden.« Seine Worte fuhren mir unter die Haut. Streiften diesen Ort in mir, der spürte, ehe sich mein Verstand einschaltete.

    Ganz offensichtlich flirtete Hadrian Savage mit mir. In welche emotionale Achterbahn war ich hier bloß hineingeraten?

    Er war älter als ich. Jedoch alles andere als kauzig. Ich schätzte ihn auf maximal Mitte dreißig. Der dunkelgraue Anzug saß perfekt und betonte sein breites Kreuz. Das weiße Shirt darunter ließ seine Bauchmuskeln erahnen. Ich zwang mich, meinen Blick von ihm zu lösen und versuchte das in mir tobende Chaos zu sortieren. Ihm direkt in die Augen zu schauen machte es definitiv nicht besser. Das eisige Blau war durchdringend. Sein kinnlanges, schwarzes Haar war nach hinten gestylt und betonte den gepflegten Dreitagebart.

    Ich ruderte zurück in den sicheren Hafen der Arbeit. »Darf ich Sie fragen, wie Sie auf mich aufmerksam geworden sind? Ich meine … ich freue mich natürlich über das Jobangebot.«

    An dieser Stelle beschloss ich, den Mund zu halten und mich nicht selbst zu sabotieren. Mir schien es nahezu unmöglich, sich solch ein Projekt zu angeln. Ich konnte mir beim besten Willen nicht erklären, warum SAVAGE eine Studentin ohne Abschluss engagiert hatte.

    »Unsere Social-Media-Abteilung ist auf ihr Online-Portfolio gestoßen und war der Meinung, dass Sie perfekt zu uns passen.«

    Als ich mich wieder einigermaßen im Griff hatte, wurde mir schlagartig Hadrians Nähe bewusst. Seine Augen ruhten auf meinem Gesicht. Er schien jede Gefühlsregung zu beobachten. Fast so, als interessierte er sich ausschließlich für mich und nicht für den Umbau seiner Agentur.

    Mir war klar, wenn sich unsere Blicke erneut begegneten, wäre es mir unmöglich, mich zu konzentrieren. Sicherheitshalber suchte ich mir einen Punkt in der Ferne, den ich fixierte. Das Kapitol war eine gute Alternative zu Hadrians markanten Gesichtszügen. Zurück in den Profimodus, ermahnte ich mich.

    Mit zittrigen Händen nahm ich die Tasse, trank einen Schluck und fuhr fort: »Ich würde zu Beginn unserer Zusammenarbeit gern ein Gefühl dafür bekommen, welchen Stil Sie bevorzugen.«

    Hadrian stand auf, schlenderte zur Glasfront und wandte sich mir zu. Mit einer allumfassenden Geste deutete er auf den Raum.

    »Das alles trägt die Handschrift meines Vaters. An dieser Stelle kommen Sie ins Spiel. SAVAGE soll meine Handschrift tragen.«

    »Das sollte kein Problem sein. Damit ich verstehe, was zu Ihnen passt, muss ich herausfinden, wer Sie wirklich sind …«

    »Nein, das werden Sie nicht«, unterbrach er mich.

    Über Hadrians Gesicht huschte ein Schatten. Er verschränkte die Arme vor dem Körper. Sein Blick war kalt, abweisend.

    Was war da gerade passiert? Hatte er das Gefühl, dass ich ihn anmachte? Dass er so hart dazwischen gefahren war, irritierte mich.

    »Ich meinte, dass ich mich über Ihren Stil austauschen möchte, um Sie in die Gestaltung mit einzubeziehen.«

    »Das klingt vielversprechend«, kommentierte Hadrian im charmanten Tonfall.

    Was war das für eine Stimmungsschwankung?

    Eigentlich war ich gut darin, die Gefühlslage anderer Menschen zu erkennen. Meine Mutter hatte mir ihre Sensibilität vererbt – was nicht immer von Vorteil war. Oft kam ich mir wie ein Stimmungsring vor, der jede Emotion annahm, die er berührte. Ich spürte ungefiltert die Trauer, die Wut. Aber auch das Glück. Manchmal wünschte ich, da wäre ein Filter zwischen mir und der Welt, damit ich nicht alles fühlte.

    »Hat man Sie darüber informiert, dass Ihnen für die Projektdauer ein Apartment zur Verfügung steht? Ich kann Ihnen gleich die Schlüssel aushändigen und mit Ihnen die Wohnungsübergabe machen.« Hadrian wechselte abrupt das Thema.

    Die Aussicht auf einige Monate Privatsphäre ließen mich beinahe jubilieren. Ich verkniff mir ein breites Grinsen, um keinen bedürftigen Eindruck zu vermitteln. Ohne meine Antwort abzuwarten, griff Savage seine Autoschlüssel und führte mich zum Ausgang.

    2

    ASCHENKÖNIGIN

    Wir fuhren in Hadrians schwarzem Mustang zu meinem Apartment. Auf dem Weg zeigte er mir Orte, die ich bisher nur aus dem Fernsehen kannte: das Weiße Haus, das Kapitol und das Washington-Monument. Gekrönt wurde die private Stadtrundfahrt von meinem persönlichen Highlight – dem Smithsonian.

    Ich hatte die Serie Bones verschlungen und musste mich zusammenreißen, beim Anblick des Museums nicht laut zu jubilieren. Sie hatten es als Vorbild für die Serie benutzt.

    »Sie stehen also auf ausgestopfte Tiere?«, fragte Hadrian amüsiert, als er meinen verzückten Gesichtsausdruck bemerkte.

    »Nicht direkt. Das ist eher etwas für meine Schwester. Kennen Sie Bones? Diese Serie über eine Anthropologin, die Leichen untersucht?«

    »Natürlich. Ich habe jede Folge gesehen. Immerhin spielt sie direkt vor meiner Haustür.«

    Mein Herz machte einen Sprung. Ich bemühte mich, nicht wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen. Hadrian Savage sah nicht nur so attraktiv aus wie Seeley Booth. Er wusste sogar, dass er der Hauptdarsteller meiner Lieblingsserie war. Der Fakt, dass er offensichtlich einen ähnlichen Filmgeschmack hatte wie ich, begeisterte mich.

    »Aber was meinten Sie damit, dass sich ihre Schwester für ausgestopfte Tiere interessiert? Das scheint mir ein ziemlich morbides Hobby zu sein.«

    »Meine Schwester hat sich mit dem Präparieren von Tieren beschäftigt.«

    Mehr musste Hadrian nicht wissen. Er hätte nicht begriffen, warum Riley als Kind tote Tiere aufgesammelt hatte, um sie wieder zum Leben zu erwecken. Sie hatte geglaubt, dass mit Magie alles möglich war.

    »Ihnen ist klar, dass ich mir jetzt Ihre Schwester als eine ältere Lady mit Schrotflinte, Karohemd und orangefarbener Weste vorstelle, die samstags auf Stockenten-Jagd geht?«

    Wir lachten beide. Sollte er ruhig glauben, dass Riley eine Trophäensammlerin war. Besser, als ihm erklären zu müssen, woher wir uns mit Magie auskannten.

    »Hier um die Ecke ist mein Lieblingsdiner. Dort bieten sie – so weit ich weiß – keine Ente an, dafür aber den besten Burger in D.C. … Was halten Sie davon?«

    Hadrian lenkte den schwarzen Mustang in eine Seitenstraße und parkte am Straßenrand.

    »Ich bin gespannt, ob der Burger mit dem aus Dark River Falls mithalten kann.«

    »Kommen Sie nicht aus New York?«, hakte Hadrian nach.

    »Nein, ich stamme aus einem Nest in West Virginia, aus dem ich geflüchtet bin. Furchtbar. Aber Burger bekommen sie hin.«

    »Gut. Heute Abend um acht werde ich Sie davon überzeugen.«

    Beim Betreten des Apartments strömte mir ein angenehmer Geruch entgegen. Ich stellte meinen Weekender im Flur ab und inspizierte den geräumigen Wohnraum. Obwohl es minimalistisch eingerichtet war, strahlten die unverputzten Backsteinwände eine gemütliche Atmosphäre aus. Es war mir immer wieder ein Rätsel, dass Industriedesign die Fähigkeit besaß, zweckmäßig und gleichzeitig warm zu erscheinen.

    Durch die Fensterfront hatte man einen atemberaubenden Ausblick auf den Park, der trotz des verregneten Morgens malerisch wirkte mit dem rotbraunen Herbstlaub.

    »Dort drüben ist ein HomePod auf dem Sie ihre Hörbücher abspielen können. Vielleicht sollten Sie bloß mit der Lautstärke aufpassen.«

    Savage grinste diabolisch.

    Gespielt entnervt verdrehte ich die Augen.

    »Wir wollen ja nicht, dass die Nachbarn etwas Falsches denken«, führte ich seinen Gedanken fort.

    »Ob es falsch ist, liegt bei Ihnen.«

    Herausfordernd sah er mich

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