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Mystische Orte unter der Erde
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eBook413 Seiten5 Stunden

Mystische Orte unter der Erde

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Über dieses E-Book

Verlassen liegen sie da.
Niemand hat sie seit Jahren betreten.


Es gibt sie überall auf der Welt: verlassene, verschüttete, vergessene Orte unter der Erde. Doch was ist geschehen, weil die Tunnel, Bunker oder Keller nicht mehr genutzt werden, die Höhlen gesperrt wurden – ihre Lage verschleiert, in den Unterlagen ausradiert, damit sie niemand finden kann? Warum wurde der Deckmantel des Schweigens über diese Orte geworfen? Was ist dort vorgefallen? Und wieso werden manche dieser Orte sogar gemieden?

Neugierig geworden?
Dann folgt uns einfach und betretet die besagten Höhlen, Bunker, Bergwerke und Keller. Lasst euch überraschen, welche mystischen Geheimnisse die Geschichten aufdecken werden.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum6. Nov. 2023
ISBN9783985280278
Mystische Orte unter der Erde

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    Buchvorschau

    Mystische Orte unter der Erde - Petra Pribitzer

    Petra Pribitzer: Die Zuflucht

    Der Höhleneingang klaffte vor ihnen auf, der Spalt zwischen den drei gewaltigen Findlingen, eine dunkle Wunde im satten Grün des Waldes. Die drei Felsen wirkten wie Fremdkörper in der Landschaft, als hätte ein Riese sie dort abgeladen, fern der Berge. In ihrem Schatten wogten Farne in einer sanften Brise, deren grüne Arme über saftige Moospolster strichen. Die Eichen, Ulmen und Buchen ringsum schienen sich von den Steinen zurückzuziehen, als wohne ihnen etwas inne, das die Bäume zu meiden versuchten. Diejenigen, die sich den Felsen am nächsten gewagt hatten, wiesen verdrehte Äste auf und Knoten in den Stämmen, die wie Geschwüre wucherten.

    Emma schwang den Rucksack vom Rücken und streckte sich. Ihre Schultern knackten, ein Laut, der an trockene Zweige erinnerte. »Ich glaube, hier sind wir richtig«, sagte sie.

    Chris stolperte über eine Brombeerranke und fluchte laut. Eine Amsel flog zeternd aus einem Holunderbusch auf. »Endlich. Wir kriechen schon seit Stunden durchs Unterholz. Meine Füße schmerzen und irgendetwas krabbelt mir im Nacken.«

    Ein Seufzen unterdrückend wandte Emma sich zu ihrem Freund um, der sie nur widerwillig begleitet hatte. »Tut mir leid, dass du keinen Spaß hast, aber gleich wird’s besser, versprochen.«

    Chris murmelte etwas Unverständliches. Er lehnte seinen Rucksack gegen den Stamm einer Stieleiche und fischte seine Trinkflasche hervor.

    Für gewöhnlich unternahm Emma ihre Ausflüge in die Natur mit Julie, ihrer besten Freundin seit dem Kindergarten, aber weil die sich beim Mountainbiken einen Bänderriss zugezogen hatte, musste diesmal Chris herhalten. Zuerst hatte er gutmütig zugesagt, aber die letzten Tage, bevor es tatsächlich losging, war seine Laune gesunken. Chris war nicht der Typ für Natur und Abenteuer. Er saß lieber zu Hause auf der Couch, las ein Buch oder verbrachte Stunden vor dem Computer. Manchmal fragte Emma sich, wie ihre Beziehung funktionierte, so unterschiedliche Vorlieben, wie sie hatten, aber irgendwie klappte es. Meistens jedenfalls.

    »Kleine Pause, bevor wir uns umsehen?«, fragte Emma.

    Chris seufzte theatralisch. »Von mir aus.«

    »Snack?«

    »Okay.«

    Manchmal wurde er übellaunig, wenn er hungrig war, und es war fraglich, ob sie in der Höhle so bald zum Essen kommen würden. Emma hatte keine Ahnung, was sie erwartete, aber sie hatten für den Notfall sogar Kletterausrüstung und Schlafsäcke dabei.

    Bei ihrer Forschungsarbeit im Stadtarchiv zu Ratsprotokollen aus dem 18. Jahrhundert war sie auf ein Fragment gestoßen, das wohl aus Versehen zwischen den handschriftlichen Folianten gelandet war. Im Archiv, wo sie für ihre Abschlussarbeit recherchierte, hatte ihr niemand Genaueres über den Text sagen können. Emma hatte sich sogar zwei Tage Zeit genommen, um in den Folianten und Kartons der Jahre, die nicht mehr in ihren Forschungszeitraum fielen, nach ähnlichen Dokumenten oder Erwähnungen von Höhlen zu suchen, aber ohne Erfolg. Auch in den Heimatbüchern, in denen sich manche Sage oder Volksweisheit der Region hielt, konnte sie dazu nichts entdecken.

    Chris zog sein Lunchpaket aus dem Rucksack und ließ sich mit einem weiteren Seufzen auf einem umgestürzten Baumstamm nieder. »Sagst du mir noch mal, was genau wir da gleich vor uns haben?«

    Er wickelte eine Wurstsemmel aus und nahm einen großen Bissen. Emma fischte einen Apfel aus ihrem Rucksack und setzte sich neben ihn.

    »Die Aufzeichnungen, die ich zwischen den Protokollen fand, scheinen aus einem handschriftlichen Buch herausgerissen worden zu sein. Die Kurrentschrift, in der sie verfasst sind, war nur schwer leserlich und wirkte hingekritzelt. Das und das kleine Format der Seiten lässt mich vermuten, sie könnten aus einem Tagebuch stammen.«

    »Die Höhle, Emma. Ich meinte, was hat es mit der Höhle auf sich?« Chris schenkte ihr ein schiefes Lächeln.

    »Ach so. Das ist das Spannende. Ich glaube, es gab hier mal eine Art unterirdisches Dorf. In dem Tagebuch war immer von einer Zuflucht die Rede. Es dürfte aus der Zeit stammen, als die Katholiken von den protestantischen Landesherren verfolgt wurden.«

    Die Aufzeichnungen waren sehr vage gewesen. Emma schätzte sie anhand der Schrift und ihrer Merkmale auf Mitte des 17. Jahrhunderts.

    »Eine unterirdische Zuflucht? Klingt ja geheimnisvoll. Hast du mir davon schon erzählt?«

    »Natürlich!« Sie sah Chris vorwurfsvoll an. »Wenn das stimmt, ist das eine große Entdeckung. Ich könnte sie sogar in meine Masterarbeit einbauen.«

    »Wie passt so ein unterirdisches Dorf da rein? Ich dachte, du gehst der Frage nach, ob katholische Bürger nach dem Wechsel der Herrschenden zum Protestantismus vor Gericht diskriminiert wurden.«

    Emma hob überrascht die Brauen. Manchmal schien er ihr doch besser zuzuhören, als sie dachte. »Ein Versteck von Kryptokatholiken, ob nun ein ganzes Dorf oder nur eine Höhle, wäre eine kleine Sensation. Stimmt schon, mein Thema geht in eine etwas andere Richtung, aber ich könnte die Entdeckung zumindest erwähnen und sie für eine Publikation in einer Fachzeitschrift verwenden.«

    »Wie kommt’s eigentlich, dass niemand von dieser Zuflucht weiß?«, fragte Chris mit vollem Mund.

    Emma nahm einen Bissen von ihrem Apfel. »Wenn keiner der Katholiken damals geredet hat und die Seiten des Tagebuchs erst viel später durch Zufall im Archiv gelandet sind und nie katalogisiert wurden, ist es gut möglich, dass die Zuflucht völlig in Vergessenheit geriet.«

    Chris sah sie zweifelnd an. »Ich soll glauben, dass über mehrere Hundert Jahre nie jemand zufällig diese mysteriöse Höhle entdeckt hat?«

    Emma zuckte mit den Schultern. »Solche Dinge geschehen. Wenn immer alles überliefert wäre, hätten wir Historikerinnen und Historiker nichts zu tun.«

    Seine Augen wanderten zu dem dunklen Eingang. Aus dem Blickwinkel vom Baumstamm aus wirkte er nur wie ein schmaler Spalt zwischen den drei Findlingen.

    »Und wenn mal ein paar Kinder beim Spielen die Höhle entdeckten und ihr Geheimnis lüfteten, aber niemandem, den es interessieren könnte, davon erzählten, weiß die Allgemeinheit auch nichts davon.«

    »Trotzdem komisch.« Chris wischte sich über den Mund und musterte die Felsen mit sichtlichem Missfallen. »Immerhin hast du auch hierhergefunden.«

    »Ja, und das hat mich Wochen gekostet, wie du weißt.«

    Emma hatte das Textfragment tagelang nach Anhaltspunkten durchforstet, die vielleicht eine versteckte Wegbeschreibung für andere Katholiken hätten darstellen können. Anschließend sichtete sie Satellitenbilder und Luftaufnahmen der Gegend, die sich im Lauf der Jahrhunderte natürlich verändert hatte. Das Bächlein, eine der Wegmarkierungen, verlief längst nicht mehr im gleichen Bett. Andere Anhaltspunkte, wie eine verdrehte Eiche an einer Weggabelung, waren verschwunden. Ohne die Aufnahmen, auf denen sie schließlich die beschriebenen drei Felsen entdeckte, hätte sie den Eingang zur Zuflucht vermutlich noch immer nicht gefunden.

    Chris spülte den letzten Bissen mit Wasser aus seiner Trinkflasche nach und erhob sich. »Bringen wir’s hinter uns.«

    »Dein Enthusiasmus macht dich unwiderstehlich«, witzelte Emma.

    Chris schnaubte, schulterte den Rucksack und bahnte sich einen Weg durchs Unterholz. Emma zupfte sich ein trockenes Blatt von der Hose und folgte ihm.

    Brennnesseln und Brombeerhecken, die zwischen den letzten Bäumen wuchsen, fielen in einem Radius von etwa zwei Metern um die Felsen zurück, bis nur noch Farne und Moose übrig blieben. Ein bleiches Vogelskelett mit zwei schwarzen Schwungfedern lag eine Armlänge vom Spalt entfernt.

    »Unheimlich«, murmelte Chris.

    »Ich geh vor.« Emma schob sich an ihm vorbei und hielt vor dem Höhleneingang an. »Hast du deine Taschenlampe bereit?«

    »Moment.«

    Sie hörte, wie er den Rucksack abstellte und darin herumwühlte. Emma griff nach hinten und fischte die Hochleistungstaschenlampe aus der Seitentasche. Ihr Lichtkegel schnitt durch die gähnende Dunkelheit vor ihnen.

    Tote Blätter bedeckten den Eingangsbereich, an dessen Decke und Wänden Moose und Flechten wuchsen. Emma trat zwischen den Felsen hindurch. Der Spalt war groß genug, dass sie nebeneinander hätten gehen können. Gleich dahinter knickte der Gang ein wenig nach unten ab.

    Kühle, feuchte Luft schlug ihnen entgegen, die den abgestandenen Geruch eines alten Kellers herantrug, vermischt mit einem moschusartigen Duft, den Emma nicht ganz einordnen konnte.

    »Gibt es hier eigentlich Bären?«, fragte Chris kleinlaut.

    »Nein. Auch keine Wölfe, Tiger oder Löwen.«

    »Machst du dich über mich lustig?«

    Emma grinste. »Vielleicht ein bisschen.«

    Ihre Stimmen brachen sich an den Höhlenwänden.

    Zwischen den Blättern am Boden blitzten im Schein der Taschenlampe bleiche Äste auf.

    Nein, keine Äste, stellte Emma beim Näherkommen fest. Knochen. Von einem kleinen Tier, vielleicht einem Hasen.

    Ein leises Gefühl der Beklemmung breitete sich in ihr aus. Sie schwenkte die Taschenlampe schnell zur Seite in der Hoffnung, Chris würde die Überreste nicht sehen. Er war ohnehin schon nervös. Auf eine Erkundung ganz alleine hatte sie keine Lust, und das nicht nur wegen der Sicherheit.

    »Danke, dass du mitgekommen bist«, sagte sie. Die Dunkelheit ringsum dämpfte ihre Worte. »Alleine wäre das viel zu gefährlich.«

    »Klar.«

    Chris’ Stimme, obwohl er direkt hinter ihr den Pfad hinabstieg, erschien ihr wie von weit her.

    »Ich kann dich doch nicht alleine herumirren lassen.«

    Sie wandte den Kopf, um eine schnippische Bemerkung loszuwerden, aber im letzten Moment sah sie aus dem Augenwinkel, dass der Boden zu ihren Füßen steil abfiel.

    »Vorsicht!« Emma blieb abrupt stehen.

    »Uff.« Chris rieb sich die Nase, die er sich an ihrem Rucksack gestoßen hatte. »Was ist?«

    Wortlos deutete Emma auf den Schacht vor ihnen. Chris, der seitlich an ihrem Arm vorbeischaute, pfiff leise durch die Zähne. Das Geräusch brach sich an den Wänden und erzeugte ein unwirkliches Zischen. Gänsehaut lief über Emmas Arme.

    »Da geht es weiter.« Sie leuchtete auf den Weg, der sich zu ihrer Rechten entlang der Felsen nach unten wand. Er war kaum einen Meter breit, aber frei von Erde oder Blättern. Vorsichtig schob Emma einen Fuß auf den Pfad. Ein Kieselstein rollte unter ihren Wanderschuhen weg und stürzte in die schwarze Tiefe. Nach einem langen Moment ertönte ein Platschen.

    »Wasser«, murmelte Chris.

    »Wenn wir Pech haben, ist alles überflutet.«

    »Das wäre aber schade.« Er machte sich keine Mühe, seinen Sarkasmus zu verbergen.

    »Witzbold. Komm. Halte dich eng an der Wand.«

    »Echt? Ich dachte, ich balanciere am Abgrund.«

    »Hör auf zu witzeln. Konzentriere dich lieber.«

    »Ja, Chefin.«

    Emma schüttelte den Kopf und setzte sich in Bewegung. Sie hielt den Blick auf den Felsboden vor sich gerichtet, über den der Taschenlampenkegel im Rhythmus ihrer Schritte hüpfte. Plötzlich strich ihr etwas übers Haar. Sie schrie auf, riss die Arme nach oben und presste sich an die Höhlenwand.

    »Wurzeln!«, rief Chris von hinten. »Es sind nur Wurzeln! Schau.«

    Emmas Herz raste. Sie hob den Blick und starrte in das Gewirr von weißen, dünnen Fäden, die aus dem Fels über ihnen ragten. Die Pflanzen an der Oberfläche hatten einen Weg durch Spalten und Risse bis in die Höhle gefunden.

    Und nicht nur die. Eine Spinne mit langen, haarigen Beinen und eine kleine Armee von Asseln flüchteten vor dem Licht in das Gewirr der bleichen Wurzeln. Daneben ringelten sich wurmartige Wesen, krochen mit wellenförmigen Bewegungen in ihre Verstecke.

    »Igitt.« Emma konnte sich für Insekten und anderes Krabbelgetier nicht begeistern.

    »Denk nicht dran. Geh einfach weiter«, sagte Chris ruhig.

    Emma nickte und richtete ihre Taschenlampe vor sich auf den Boden. Etwas Langes, Bleiches zog sich hastig aus dem Lichtschein zurück. Definitiv keine Wurzel.

    Sie unterdrückte ein angeekeltes Schütteln und schob sich weiter, diesmal mit einem Respektabstand zum Felsen.

    Schritt für Schritt arbeiteten sie sich tiefer in die Erde. Die Luft wurde immer kälter und Emma war froh über die Windjacken, die sie auf einem kleinen Plateau aus den Rucksäcken kramten.

    Der Steinpfad schwang sich immer steiler abwärts und bald begannen Emmas Knie zu zittern. Wasser tropfte irgendwo in der Dunkelheit.

    »Wie tief sind wir wohl?«, fragte Chris.

    »Ich habe keine Ahnung.« Das Gewicht der Erde schien auf Emmas Gemüt zu drücken. Sie fühlte sich klein und unbedeutend. »Zehn Meter? Mehr?«

    »Kommt mir tiefer vor.« Er stieß ein dünnes Lachen aus. »Vielleicht sind wir bald am Mittelpunkt der Erde.«

    Ein Geräusch ließ Emma erstarren. Es klang wie ein feuchtes Platschen, als würden nackte Sohlen sich durch die Dunkelheit bewegen.

    »Hörst du das?«, flüsterte sie.

    Chris legte den Kopf schief und lauschte. »Nein. Was?«

    Das Geräusch verstummte.

    »Vermutlich nichts. Nur meine Fantasie.« Emma setzte sich wieder in Bewegung, aber ihr anfänglicher Leichtmut schwand mit jedem Meter, den sie zurücklegten.

    Sie schienen ewig durch die Dunkelheit hinabzusteigen. Die Wurzeln über ihnen waren längst verschwunden und auch die Käfer, Würmer und Spinnen wurden rar. Die wenigen, die noch durch den Schein der Lampen huschten und krochen, waren von einem kränklichen Gelbweiß.

    Als ihr Abstieg endete, geschah es so abrupt, dass Emma überrascht blinzelte. Unmittelbar nach einer Biegung fanden sie sich in einer Höhle wieder. Der Boden verlief eben bis zu einem Becken, in dem schwarzes Wasser wie ein dunkler Spiegel glitzerte.

    »Wow!«, stieß Chris aus. »Abgefahren.«

    Emma näherte sich vorsichtig dem unterirdischen Teich und leuchtete hinein. Bleiche, schlanke Kreaturen, so lang wie ihr Unterarm, stoben aus dem Lichtkegel.

    Chris keuchte auf. »Was sind das für Viecher?«

    Emma schluckte. Sie wartete, bis ihr Herz von einem rasenden Galopp in einen flotten Trab fiel, bevor sie sprach. »Grottenolme, schätze ich.«

    »Grottenwas?«

    »Eine Art Salamander, der in unterirdischen Gewässern lebt. Ich wusste nicht, dass es sie weiter nördlich auch gibt. Die kommen doch sonst nur in Slowenien vor.« Sie erinnerte sich an einen Artikel, den sie gelesen hatte. »Allerdings wurden in einer Höhle im Harz am Anfang des 20. Jahrhunderts einige Paare ausgesetzt. Vielleicht ist hier etwas Ähnliches geschehen. Früher hielt man Grottenolme übrigens für Drachenjunge.« Sie lachte leise, aber der Laut brach sich an den Höhlenwänden und kam wie ein verächtliches Echo zurück, das sie hastig verstummen ließ.

    Chris grinste schwach. »Spannend, aber gehen wir weiter. Wir wollen hier ja nicht übernachten.«

    Er wirkte etwas blass, aber das konnte auch an den Lichtverhältnissen liegen.

    Emma nickte. Sie schwenkte die Taschenlampe entlang der Wände. Das Licht flackerte über knubbelige Steinformationen, die oberhalb des Teiches von der Decke hingen. »Eine Tropfsteinhöhle«, sagte sie leise. »Hier muss es Kalkgestein unter dem Wald geben.«

    »Das ist ungewöhnlich?«

    »Soweit ich weiß, gibt es in dieser Gegend eigentlich wenig bis kein Kalkgestein. Also ja, sehr untypisch für diese Gegend, aber ich bin keine Expertin. Könnte auch total normal sein.« Sie leuchtete in den hinteren Teil der Höhle. »Ich glaube, dort drüben geht es weiter. Komm.«

    Der Stein unter ihren Füßen war glatt, als hätte ihn jemand poliert. Hier und dort gab es kleine Knubbel, beginnende Stalagmiten, die den Stalaktiten an der Decke entgegenstrebten.

    Der Schein ihrer Taschenlampe enthüllte einen schmalen Gang, der sich zwischen Höhlenwand und Becken in die Dunkelheit schlängelte. Grottenolme, die sich an den Rand des schwarzen Wassers gerettet hatten, flüchteten mit hektischen Bewegungen aus dem Licht.

    Der Tunnel wand sich nach wenigen Metern nach rechts und verwehrte den Einblick. Die Höhlendecke, mehrere Meter über ihnen, verengte sich und strebte dem Boden zu, bis Emma sie mit den Fingerspitzen hätte berühren können. Einmal blieb etwas Klebriges in ihrem Haar hängen, das sie hastig entfernte und an der Hose abstreifte.

    Sie folgten dem Gang, der an manchen Stellen so niedrig wurde, dass sie nur gebückt gehen konnten. Nach etwa zwanzig Metern endete er in einer kleinen Höhle. Über eine der anthrazitfarbenen Wände lief ein dünnes Rinnsal. Rote und gelbe Sedimente markierten den Lauf des Wassers, das sich am Boden in einem winzigen Becken sammelte, kaum größer als ein Suppenteller.

    »Was ist das?«, fragte Chris.

    Emma hob den Blick und folgte dem bebenden Schein seiner Taschenlampe. Jemand hatte in Augenhöhe ein Symbol auf den Stein gezeichnet, das sich durch seine rostrote Farbe kaum vom Untergrund abhob. Ein aufrechter Strich mit einem Querbalken, wie bei einem Kreuz. Die vier Enden ähnelten Schlaufen, die sich jeweils nach rechts öffneten. Ringsum prangten weitere Symbole, die Emma aber nicht erkannte.

    »Ich weiß es nicht.«

    »Sagt dir gar nichts?«

    Emma schüttelte den Kopf. Dabei hüpfte der Kegel ihrer Lampe ein wenig zur Seite. »Da steht etwas!« Sie beugte sich näher an die rostroten Zeichen.

    Chris’ Schulter berührte die ihre. »Ist das Latein?«

    Emma kniff die Augen zusammen. Die roten Buchstaben schienen im Licht auf und ab zu springen, sich zu drehen, als wollten sie sich den Augen entziehen.

    »Eine Form von Latein, würde ich sagen, aber eine eigenartige. Vielleicht von jemandem verwendet, der die Sprache nur rudimentär beherrschte.«

    »Und was steht da?«

    »Äh. Mein Latein ist ein bisschen eingerostet. Beuge dein Haupt und benetze es mit dem Wasser des Lebens. Oder so ähnlich.«

    Chris schnaubte belustigt. »Sind wir hier in der Kirche?«

    Emma warf ihm einen strafenden Blick zu. »Wenn das hier die Zuflucht verfolgter Katholiken war, könnte es sehr gut ein Colymbion sein. Ein Weihwasserbecken«, fügte sie auf seinen verwirrten Gesichtsausdruck hinzu.

    Er sog scharf die Luft ein, als Emma eine Hand nach dem Wasser ausstreckte. »Du willst das doch nicht antatschen?«

    Sie setzte ein Grinsen auf und zog ihre Hand zurück. »Natürlich nicht. Wer weiß, welche Bakterien hier herumschwirren.«

    Für einen Moment hatte sie tatsächlich den starken Impuls verspürt, ihre Finger in das Becken zu tauchen.

    Hastig wandte sie sich ab und untersuchte die Wände der schmalen Höhle. Sie fanden einige Meter weiter erneut Zeichen an der Wand, aber diesmal konnte Emma nichts entziffern. Die Symbole waren verschlungen, krakelig und ähnelten vage nordischen Runen.

    »Was heißt das?«, fragte Chris über ihre Schulter.

    »Ich weiß nicht mal, welche Sprache das sein könnte.« Sie fischte ihr Handy aus der Hosentasche und machte mehrere Fotos. »Vielleicht finde ich an der Uni jemanden, der es lesen kann.«

    Die Höhlendecke hob sich für einige Meter, dann zog sich die Blase im Felsen wieder zusammen, bis sie auf einen schmalen Durchlass geschrumpft war. Emma passte samt Rucksack hindurch, aber Chris musste seinen ablegen, damit er ihr folgen konnte. Die Beklemmung, die sie aufgrund der Enge verspürte, verflog, als sie nach wenigen Metern in eine weitere Höhle traten, die größte bisher.

    Emma half Chris, den Rucksack wieder anzulegen, als sie seinen Blick bemerkte, der auf etwas hinter ihr gerichtet war. Seine Augen weiteten sich.

    »Was ist?« Emma sah über die Schulter nach hinten. »Woah!«

    Das Licht von Chris’ Taschenlampe fiel auf eine schwarze Felsnadel, die sich in der Mitte der weitläufigen Höhle erhob. Rings um den Obelisken glitzerte schwarzes Wasser, ein ringförmiges Becken, in dem etwas kleine Wellen verursachte.

    »Weißt du was?«, presste Chris hinter ihr hervor. »Ich fühle mich wie bei Lovecraft.«

    Emma schüttelte den Kopf, um Bilder loszuwerden, die vor ihrem inneren Auge bei diesen Worten entstanden. Dinge mit Tentakeln, Wesen aus anderen Dimensionen, verrückte Kultisten, Spielarten des Wahnsinns.

    »Es ist nur ein Stalagmit. Komm schon, du Dramaqueen.«

    Sie packte ihre Taschenlampe fester, die aus dem Griff ihrer feuchten Hand zu rutschen drohte, und richtete sie auf das Gebilde, das gute fünf Meter in die Höhe ragte. Im umgebenden Becken erhaschte sie einen Blick auf bleiche Kreaturen. Noch mehr Grottenolme. Es musste einen unterirdischen Bach geben, der die Wasserflächen der Höhlen verband.

    Sie hielten sich an einer Wand, um die Größe des Raumes auszuloten. Runen, die denen aus der anderen Höhle ähnelten, bedeckten eine tischgroße Fläche zu ihrer Rechten. Ganz in der Nähe stießen sie auf einige Weidenkörbe und zwei Kisten. In den halb zerfallenen Körben fanden sie nur einige Steinchen, die im Lauf der Jahre von der Decke gefallen sein mussten. Emma drückte Chris ihre Taschenlampe in die Hand, um die erste der beiden Kisten zu öffnen. Der Deckel hob sich mit einem Knarren, das von den Wänden widerhallte. Darin befanden sich mehrere dunkle Gewänder, die sich unter ihren Fingern beinahe porös anfühlten. Sie waren aus einem groben Leinenstoff, der steif von ihren ausgestreckten Armen baumelte.

    »Roben?« Chris klang ungläubig. »Das ist ja wirklich wie bei Lovecraft.«

    »Darf ich dich daran erinnern, dass auch Priester Roben tragen? Und Mönche?«

    Chris grinste. »Schon gut. Okay, Roben also. Was noch?«

    Emma legte die Gewänder beiseite, ein gutes Dutzend, davon abgesehen war die Kiste leer. Sie öffnete die zweite, in der mehrere kleinere Kisten und Schatullen lagen. In einer davon befanden sich in grobes Tuch eingeschlagene Holzschalen, deren Böden mit bräunlichen Flecken bedeckt waren. Emma legte sie beiseite und wischte ihre Finger an der Hose ab. Sie hoffte, dass aus den Schalen nur Rotwein getrunken worden war. Als sie eine der Schatullen öffnete, stockte ihr der Atem.

    »Ist das ein Dolch?«, fragte Chris.

    Sie streckte ihre Hand aus, zog sie zurück, bevor ihre Finger den Holzgriff doch berührten. »Sieht eher aus wie eine Art Tranchiermesser.«

    Sie tauschte einen Blick aus geweiteten Augen mit Chris.

    »Denkst du, was ich denke?«, fragte er nach einem langen, drückenden Schweigen.

    »Menschenopfer«, flüsterte sie in die Stille der Höhle.

    »Bist du sicher, dass das hier eine Zuflucht für Kryptokatholiken war?«

    »Was denn sonst? Es gibt keine dunklen Kulte wie in Büchern und Filmen. Vielleicht waren sie gezwungen, im Wald nach Nahrung zu jagen. Wer weiß, wie lange sie hier draußen hausten, und von irgendetwas mussten sie schließlich leben. Nichts weist eindeutig auf Menschenopfer hin.«

    Sie fühlte sich gleich viel besser bei dieser logischen Erklärung für den Fund, aber Chris sah sie zweifelnd an.

    »Na, ich weiß nicht. Die ganze Sache wird mir immer unheimlicher. Was ist in den anderen Behältern?«

    Emma legte die Schatulle mit dem Messer zur Seite und öffnete die anderen. Sie fanden mehrere Glasphiolen, die bis auf eine leer waren. In der letzten befand sich der Rest einer dunklen, zähflüssigen Substanz. In einer anderen Schatulle lag ein Buch, eingeschlagen in ein Stück weiches Leder. Das Pergament der Seiten war mit den gleichen Zeichen bedeckt, die sie an den Höhlenwänden gefunden hatten.

    Emma machte Fotos und notierte, auf dem nackten Fels kniend, die Inhalte der Kisten, dann richtete sie sich mit einem Stöhnen auf. Ein Wirbel knackte in ihrem Rücken und sie bemerkte, wie steif ihre Finger von der Kälte waren. Ein Blick auf ihr Handy zeigte ihr, dass sie vor fast vier Stunden die Höhle betreten hatten.

    »Sehen wir uns den Rest des Raumes an, vor allem den Obelisken, dann machen wir uns langsam auf den Rückweg.«

    »Wohlklingendere Worte wurden nie gesprochen«, sagte Chris. Er rieb sich die Hände und trat von einem Fuß auf den anderen. »Vom Herumsitzen bin ich schon ganz durchgefroren. Wie kalt ist es hier?«

    »Ich schätze fünfzehn Grad, vielleicht sogar weniger. Bewegen wir uns, dann wird es gleich besser.«

    Chris gab ihr die Taschenlampe zurück und sie setzten ihren Weg entlang der Wand fort. Ihre Schritte hallten in der Höhle.

    Emma fühlte sich plötzlich beobachtet, als würden ihnen Augen in der Dunkelheit folgen. Sie wandte sich mehrmals um, aber der Lichtkegel glitt nur über Stein und den Obelisken, der wie eine Drohung hinter ihnen aufragte.

    Ein Raunen drang an ihre Ohren, ein Gewirr aus Stimmen, eindringlich und doch völlig unverständlich. Sie blieb stehen, lauschte.

    »Hörst du das?«

    Chris wandte sich zu ihr um. »Was denn?« Seine Augen glitzerten im Lampenschein.

    »Stimmen. Ein Flüstern. Ich weiß nicht.«

    »Ich höre nichts.« Chris schwenkte seine Taschenlampe durch den Raum.

    Auf dem Obelisken glitzerte etwas.

    »Noch mal zurück!«, rief sie.

    Gehorsam leuchtete Chris in die andere Richtung, aber Emmas Taschenlampe fand die Stelle zuerst.

    »Da!«

    »Wasser. Es läuft weiter oben aus dem Obelisken ins Becken. Vielleicht hast du das gehört?«

    Emma setzte zu einem Kopfschütteln an, dann zögerte sie. Vielleicht war es tatsächlich das Raunen des Wassers gewesen, das in der weitläufigen Höhle wie Stimmen geklungen hatte.

    »Ja, wahrscheinlich. Was soll es auch sonst gewesen sein«, sagte sie mit einem schuldbewussten Grinsen.

    Sie beschlossen, sich den Obelisken bis zum Schluss aufzuheben, und setzten ihren Weg fort. Am hinteren Ende der Höhle, genau gegenüber dem Tunnel, durch den sie eingetreten waren, verengte sie sich erneut zu einem Gang, der schon nach wenigen Schritten in einen kleinen Raum mit niedriger Decke mündete. Fünf einfache Betten standen entlang der Wände. Das Holz war morsch und zerbrach, als Emma versehentlich eins mit dem Fuß anstieß. Am hinteren Ende lagen Holzreste, die einmal ein Tisch gewesen sein mochten. Ein leeres Regal mit schiefen Brettern vervollständigte die karge Einrichtung.

    »Was um Himmels willen ist das?«, stieß Chris hervor.

    Emma fuhr herum.

    Seine Taschenlampe war auf eines der Betten gerichtet. In den Überresten einer dünnen Decke und dem Stroh einer vermoderten Matratze lagen bleiche Knochen, an denen ein paar Stofffetzen hingen.

    »Ein Skelett«, flüsterte sie.

    »Aber was für eines!«

    Emma brauchte einen Moment, um zu sehen, was Chris so verstört hatte. Das Skelett, obwohl menschengroß, gehörte zu keinem Menschen. Der Schädel war zu flach, der Kiefer mit schmalen, spitzen Zähnen eigenartig breit. Unter den Stoffresten waren Knochen zu erkennen, die ein seltsames Bild zeichneten. Ein langer Leib mit einem flachen Brustkorb, verkümmerte Arme und Beine, der Ansatz eines Schwanzes.

    »Sieht aus wie ein mutierter Grottenolm«, witzelte Chris.

    Emma unterdrückte ein Schaudern. »Genau so sieht das Ding aus, aber das kann es natürlich nicht sein. Vielleicht gibt es einen medizinischen Grund. Manche Krankheiten deformieren Knochen, wie Skorbut oder Syphilis.«

    »Ich finde die Version mit dem Grottenolm spannender.« Chris grinste, aber es wirkte gezwungen.

    Sie fanden in jedem der übrigen drei Betten ein weiteres Skelett, von dem jedes ähnliche Deformationen aufwies. Bei einem fünften, das in den Trümmern des zerbrochenen Bettes halb verborgen lag, waren die Veränderungen weniger stark ausgeprägt. Der Schädel könnte bei einem flüchtigen Hinsehen einem normalen, gesunden Menschen gehören, lediglich der Brustkorb wies Anzeichen auf, dass eingesetzt hatte, woran auch immer die anderen gelitten hatten.

    Emma machte einige Notizen und schob mit spitzen Fingern die Stoffreste beiseite, um die Skelette zu fotografieren.

    »Ich kenne eine Doktorandin am Institut für Anthropologie. Vielleicht kann sie etwas dazu sagen.«

    Chris nickte lediglich.

    Als Emma ihr Handy zurück in die Hosentasche schieben wollte, fiel ihr Blick auf die Uhr auf dem Bildschirm. Sie sog scharf die Luft ein. »Es ist schon nach fünf. Wir sollten zurück, wenn wir nicht im Dunkeln durch den Wald gehen wollen.«

    Zu dieser Jahreszeit ging die Sonne zwar erst gegen acht unter, aber im Wald wurde es früher dunkel, und es lag ein Fußmarsch von mindestens zwei Stunden bis zum Auto vor ihnen.

    »Wir könnten auch einfach in der Höhle übernachten und morgen zurückgehen.«

    »Willst du wirklich die Nacht hier verbringen mit den Skeletten nebenan, Chris?«

    »Absolut nicht! Ich wollte nur sichergehen, dass wir einer Meinung sind. Lieber übernachte ich im Wald mit dem ganzen Krabbelgetier.«

    Emma zog die eventuellen Unannehmlichkeiten einer Übernachtung im Wald ohne Zelt einer in der Höhle ebenfalls vor. Sie hatten für den Notfall Schlafsäcke mitgenommen und eine Plane, um sich vor der Nässe des Taus zu schützen.

    »Sehen wir uns noch den Obelisken an«, sagte sie.

    »Einverstanden.«

    Sie kehrten in die große Höhle mit der Steinsäule zurück, wo sie die andere Wand zwischen dem Gang zur Höhle mit den Skeletten und dem Ausgang absuchten. Bis auf ein paar kaputte Fässer und leere Säcke fanden sie jedoch nur eine geschmolzen aussehende Steinformation, wo Wasser von der Decke tropfte. Als sie sich dem Obelisken in der Mitte der Höhle näherten, glitt der Kegel ihrer Taschenlampen über den glänzend schwarzen Stein, der das Licht zu verschlucken schien.

    »Ich glaube, die Batterien sind bald alle«, sagte Chris leise.

    Emma schwenkte ihre Lampe zur Seite. Der Lichtschein war so stark wie eh, aber als sie wieder auf den Obelisken leuchtete, schien er schwächer zu werden.

    Chris schluckte hörbar, aber er folgte ihr, als sie sich der schwarzen Felsnadel näherte.

    Bleiche Schemen zogen sich in die Tiefe des Wassers zurück. Einige von ihnen sahen doppelt so groß aus wie die Grottenolme im vorderen Höhlenteil, vielleicht sogar noch größer.

    Emma entdeckte ein Band aus Runen, das sich von der Basis bis zur Spitze in Spiralen um den Obelisken legte. Im Licht der Taschenlampe, das über Unebenheiten hüpfte, wirkten sie beinahe lebendig. Sie machte eine Reihe von Fotos und auch ein Video, für das sie den Stein zweimal umrundete, um das Runenband vollständig zu filmen.

    Etwas Rundes, Bleiches in der Tiefe erregte Emmas Aufmerksamkeit. Sie trat an den Rand des Beckens und lehnte sich vor, die Taschenlampe schräg nach oben gerichtet, sodass ihr Licht nur schwach auf das Wasser fiel. Ihre Augen weiteten sich, als sie erkannte, was da im Becken lauerte.

    Das Wesen schob sich zur Oberfläche hoch. Tiefschwarze Augen musterten Emma aus einem Kopf, der so groß war wie der eines Kindes.

    Auf der anderen Seite des Obelisken platschte es laut. Emma stieß einen überraschten Schrei aus und der gigantische Grottenolm verschwand im schwarzen Wasser.

    »Chris?«

    Es platschte erneut, dann hörte sie Wasser auf Stein tropfen. Sie umrundete den Obelisken und fand Chris, der sie belämmert angrinste.

    »Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich bin abgerutscht.«

    Sie leuchtete ihn mit der Taschenlampe an. Seine Kleidung war nass bis zu den Schultern. Um seine Schuhe begannen sich bereits kleine Pfützen zu bilden.

    »Wir sollten los, bevor du dich erkältest.«

    Chris nickte vehement. »Hast du alles, was du brauchst?«

    Emma zuckte mit den Schultern. »Was auch immer dieser Ort gewesen sein mochte, er war definitiv kein Versteck für Kryptokatholiken. Der Fund ist sicher für irgendjemanden spannend, aber nicht für mich.«

    Sie

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