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Funtastik: Funtastische Kurzgeschichten
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eBook373 Seiten4 Stunden

Funtastik: Funtastische Kurzgeschichten

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Über dieses E-Book

Ist eine unwahrscheinliche Wahrscheinlichkeit schlimmer als eine wahrscheinliche Unwahrscheinlichkeit?
Was passiert, wenn sich das Motiv eines Gemäldes selbstständig macht?
Kann man den Kampf gegen einen Drachen delegiert?
Kann eine gesetzestreue Invasion eines Planeten gelingen?
Was passiert nach einer katastrophal falschen Lagerung von Eiern?
Und sind gute Abenteuer planbar?

Vielleicht werden sie Teile der Antworten verunsichern, mit Sicherheit aber belustigen. Dass Fantasy und SF nicht nur ernst sein muss, das zeigen die Autoren in diesem skurilen, krankhaft aberwitzigen Buch.

Mit wahrlich funtastischen Geschichten von Ju Honisch, Michael Edelbrock, Lea Baumgart, Reneé Engel, Marie Braun, Thomas Heidemann, Jürgen Höreth, Alisha Pilenko, Christian Reul, Patricia Rieger, Frank Sawielijew, Corinna Schattauer, Martina Schiller-Rall und Christina Wuttke.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum20. Juni 2016
ISBN9783945230176
Funtastik: Funtastische Kurzgeschichten

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    Buchvorschau

    Funtastik - Ju Honisch

    Funtastik

    14 unterhaltsame und skurrile Kurzgeschichten

    Marc Hamacher (Hrsg.)

    Leseratten Verlag

    Funtastik

    ISBN 978-3-945230-17-6

    1. Auflage, Allmersbach im Tal 2016

    Cover: Christine Schlicht

    Satz und Layout: Tanja und Marc Hamacher

    Lektorat: Tanja und Marc Hamacher

    Druck: Winterwork, Borsdorf

    Herausgeber: Marc Hamacher

    © 2016, Leseratten Verlag, Backnang

    www.leserattenverlag.de

    Vorwort

    Liebe Leserinnen und Leser,

    willkommen in der Welt der Funtastik. Als Verleger darf man hier und da träumen, einfach mal dem eigenen Geschmack folgen und sich einen Herzenswunsch erfüllen. Als privater Leser bin ich ein Fan lustiger Fantasy. Autoren wie Terry Pratchett, Douglas Adams, Tom Holt, Piers Anthony, Robert Asprin, A. Lee Martinez, Christopher Moore und vor allem Robert Rankin zieren mein Regal. So manche Stunde saß ich als Student lesend und dabei irre kichernd in der U-Bahn meiner Heimat Köln und verwirrte damit die Menschen um mich herum.

    Dass es auch in Deutschland irgendwo einen Quell des Irrsinns geben muss, dessen war ich mir immer sicher. Was mir fehlte, war der Beweis. Deswegen machte ich mich auf die Suche in den unendlichen Weiten der Autorenschaft. Das Ergebnis dieser Suche ist dieses kleine Buch, bei dem ich sehr viel Spaß beim Lesen der Einsendungen und der Erstellung der Anthologie hatte. Nun hoffe ich, dass es dem Rest der Welt genauso gut gefallen wird.

    Eine fette Dankesrunde geht an alle Autoren, die mitgemacht haben - auch diejenigen, die es diesmal aus Platzgründen nicht ins Buch geschafft haben. Danke an Chris fürs geile Cover. Einen gigantischen Dank an Torsten Low, der einem Neuling wie mir immer mit Rat zur Seite steht. Best Kollege ever! Und at least… die Sonne meines Lebens, danke an Tanja Kummer.

    Aufgewachsen ist Lea Baumgart im Rhein-Erft- Kreis und pendelt nun beständig zwischen ihrem Elternhaus und ihrer Wohnung in Siegen hin und her, wo sie Literatur, Kultur und Medien studiert. Ihre freie Lebenszeit als Student widmet sie unter anderem ihren Hobbys, dem Schreiben, Essen und Schlafen.

    Das Herz des Drachen

    Cooper schritt ins Innere der finsteren Höhle. Dafür fiel ihm wahrlich kein vernünftiger Grund ein. In der Tat erschienen ihm die drei Schusswaffen, die man auf seinen Hinterkopf gerichtet hielt, allesamt sehr unvernünftig. Es war ihm ein Rätsel wie er – wieder einmal – in eine solche Situation hatte geraten können. Als er sich für die Laufbahn als Naturforscher entschieden hatte, hatte er dabei in erster Linie Bäume und Blumen im Sinn gehabt. An besonders aufregenden Tagen vielleicht auch mal den ein oder anderen Stein; wenn möglich die Sorte ohne Zähne. Niemand hatte die Drachen erwähnt. Natürlich nicht, nie erwähnte jemand die Drachen.

    Für Dinge, die fliegen konnten, hatte Cooper nie besonders viel übrig gehabt. Und wenn es auch noch fliegende Echsen in einer bestimmten Größenordnung waren, war die Sache für ihn ganz vorbei. Nach Coopers Ansicht sollte eine Echse keinesfalls eine Größe überschreiten, der man mit einem stabilen Wanderstiefel gut beikommen konnte. Sollte er jedoch versuchen, einem ausgewachsenen Drachen damit einen Tritt zu versetzen, musste der Schuh schon sehr stabil sein. Insbesondere, wenn man darauf hoffen wollte, dass zumindest die Sohle übrig blieb. Der Rest von ihm wäre zu diesem Zeitpunkt aller Wahrscheinlichkeit nach schon nicht mehr als ein kleiner Haufen Asche irgendwo auf dem Höhlenboden.

    »Hört mal, Jungs«, hob er an. »Das ist wirklich eine ganz schlechte Idee. Da unten gibt es nichts, was der Mühe wert wäre.«

    Unsanft stieß ihn etwas in den Rücken, von dem er inständig hoffte, dass es kein Pistolenlauf war.

    »Du hast uns von dem Herz erzählt«, knurrte einer seiner Entführer.

    Unglücklicherweise konnte Cooper diese Tatsache nicht leugnen. Er hatte den drei Verbrechnern Flausen in den Kopf gesetzt. Und er hätte kein Problem damit gehabt, wenn ihm in ihrer Vorstellung dabei nicht die Rolle des Schutzschildes zuteilgeworden wäre.

    »Es ist ja eigentlich eher eine Legende. Vermutlich gibt es dort unten überhaupt nichts«, wiegelte er ab.

    »Gestern Abend klang das aber noch ganz anders.«

    Cooper sah ein, dass es keinen Sinn hatte, eine Diskussion anzuzetteln. Er kannte diesen Menschenschlag nur zu gut, und mit diesem ließ sich leider nicht streiten. Es waren die Ausgebeuteten, die ewig Unterdrückten. Unentwegt zwang man sie, die Drecksarbeit zu verrichten, ohne dass sich jemand auch nur ihre Namen merkte. Und das alles ohne Bezahlung. Kein Wunder, dass die Macht sie trunken machte, wenn sie endlich einmal am Abzug saßen.

    Er hätte sich nur gewünscht, dass das in seinem Fall weniger wörtlich zu nehmen gewesen wäre. Es gab nichts Schlimmeres als durchgedrehte Praktikanten.

    »Ja, aber da habe ich vielleicht ein wenig übertrieben …«, räumte er ein.

    »Ist dieses Herz von überirdischer Schönheit?«, erkundigte sich Praktikant Nummer eins.

    »So erzählt man sich«, seufzte Cooper ergeben.

    »Und ist es mehr wert als sämtliche Besitztümer auf Erden?«, hakte Praktikant Nummer zwei nach.

    »Wenn es existiert, sicherlich.«

    »Und befindet es sich angeblich dort unten in den Höhlen?«, wollte Praktikant Nummer drei wissen.

    »Angeblich, ja.«

    Er hatte sich gegen das Leugnen entschieden und beschlossen, stattdessen zu improvisieren.

    Die Gänge um sie herum wurden schmaler und dunkler Fels schien immer dichter auf sie einzudringen. Cooper wusste, dass auch unterirdische Höhlen in das Gebiet des Naturforschers fielen, doch er hatte diese Kategorisierung immer als ein wenig unfair empfunden. Nichts an diesen Höhlen erschien ihm natürlich. Ganz im Gegenteil, sie kamen ihm genauso artifiziell erzeugt vor, wie ein frisch geschaufeltes Grab.

    Über den Boden vor ihm tanzte der klägliche Lichtkreis einer batteriebetriebenen Taschenlampe. Er wusste, dass sie ihren schwachen Schein bald nicht mehr brauchen würden, denn die Höhle lag bereits kurz vor ihnen.

    Obwohl Cooper es in den letzten Jahren zu seiner erklärten Politik gemacht hatte, sich von unterirdischen Gewölben ebenso fernzuhalten, wie von sämtlichen Formen von Ungeheuern, hatte es doch eine Zeit gegeben, in der er diese Regeln etwas lockerer gehandhabt hatte.

    Wie alle jungen Leute war auch Cooper einst abenteuerlustig, leichtsinnig und überaus geldgierig gewesen. Mit der Erfahrung hatte sich jedoch auch eine Schwerpunktverschiebung bei ihm eingestellt. Er hatte erkannt, dass Abenteuerlust und Leichtsinn einem sehr schnell das Leben kosten konnten. Geldgier kostete in der Regel nur anderen Menschen das Leben und wurde deshalb in seinen Augen immer attraktiver. Als ein Kollege ihm im Scherz vorgeworfen hatte, dass er sich wie ein dekadenter König bald Sklaven zulegen würde, die ihr Leben für seinen Reichtum riskierten, war Cooper auf die Idee mit den Praktikanten verfallen.

    Diesmal war sein Plan allerdings nach hinten losgegangen und Schusswaffen hatten sie bisher auch noch nie gehabt.

    »Macht das Licht aus«, kommandierte er.

    Eine Weile konnte er in seinem Rücken ein stummes Ringen hören, doch schließlich erlosch das Licht der Taschenlampe.

    Jetzt konnten sie das Schimmern erkennen, das den Gang vor ihnen erhellte. Warm und rötlich ähnelte es dem Schein eines großen Feuers, doch war es beständiger, ohne das ständige Zittern und Flackern, das die Flammen sonst bescherten.

    »Was ist das?«, fragte einer der Praktikant in andächtigem Flüsterton.

    Er schien die Waffe in seiner Hand völlig vergessen zu haben, und die Rollen waren dabei sich wieder in ihre alte Position zu verschieben.

    »Das ist das Nest. Wir sind gleich da«, erklärte Cooper in seinem Dozententonfall, den er stets für seine Praktikanten anzuschlagen pflegte.

    Er hoffte dadurch, weise und ein wenig herablassend zu klingen.

    Sie bogen um eine Ecke und seinen Praktikanten klappten nacheinander die Kinnlade herunter. Cooper war immer der Meinung gewesen, dass man die Intelligenz eines Menschen danach beurteilen konnte, wie schnell das Entsetzen ihn erreichte. Den Klugen wurde am schnellsten klar, dass sie keine Chance hatten. Er hatte damals nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde gebraucht, um zu wissen, dass er diesen Bereich der Forschung jemand anderem überlassen würde.

    Auch jetzt konnte er nichts dagegen tun, dass ihm noch immer der Atem stockte. Der Anblick war einfach überwältigend. Die Höhle war riesig, wirkte jedoch um einiges kleiner dadurch, dass sie von Giganten bevölkert wurde. Mindestens dreißig der monströsen Echsen schlängelten sich auf dem Boden, die Flügel angelegt und Schuppen überall. Das Nest erinnerte Cooper auf eine ungute Weise an eine Schlangengruppe. Vielleicht wäre es ein Segen gewesen nicht alles so genau erkennen zu können. Doch die Höhle lag in gleißendem Licht, erhellt von der schuppigen Haut der Drachen. Rot und golden wie Feuer schienen sie von innen heraus zu leuchten. Und die Berge von Gold, die den gesamten Boden bedeckten, reflektierten den Schein.

    Früher hatte Cooper sich von all dem Gold beeindrucken lassen. Heute wusste er, dass all das wertlos war im Verhältnis zu dem, was jeder Drache mit einer seiner Klauen bedeckte. Rot schimmerte der Diamant, der die Größe eines Straußeneis erreichte.

    »Das Herz des Drachen«, verkündete er stolz, jedoch mit gedämpfter Stimme.

    Über die Ernährungsgewohnheiten der Riesenechsen war er sich nie so ganz klar geworden, aber er vermutete stark, dass sie ihren Cooper gut durch bevorzugten.

    »Ich dachte, das wäre nur ein Name«, stammelte einer der Praktikanten und das Sprechen schien ihm mit offenem Mund nicht ganz leicht zu fallen.

    »Ja, die echten Drachen hat nie jemand erwähnt«, schloss sich ihm ein anderer an.

    Innerlich verdrehte Cooper die Augen. Es hatte gute Gründe, warum die Existenz der mystischen Echsen geheimgehalten wurde. Es schien ihm unnötig dies zu erläutern. Für ihn war diese Regel recht simple. Man erwähnte die Drachen nicht. Nie erwähnte jemand die Drachen.

    »Wenn ihr euch einen von den Steinen schnappt, sind wir für den Rest unseres Lebens reich«, erinnerte er sie an den eigentlichen Plan.

    Zumindest war es Coopers Plan gewesen. Die einzige Abweichung war freilich, dass er sich jetzt in die Höhle begeben würde und nicht seine Praktikanten. Verzweifelt versuchte er, nicht an das Wort Barbecue zu denken. Vor der Höhle hätte er sich bedeutend wohler gefühlt, während die jungen Leute sich um seine Rente kümmerten.

    Vielleicht hätte er ihnen sogar etwas von dem Vermögen abgegeben. Zumindest denen, die nicht verbrannten.

    »Nun, ich denke, dass wir uns vielleicht lieber zurückziehen und noch einmal über die Sache nachdenken«, schlug einer der Möchtegern- Abenteurer vor.

    »Oder wir lassen es gleich ganz«, ergänzte der Klügste von ihnen.

    Falls er überlebte, würde Cooper ihm ein positives Empfehlungsschreiben ausstellen.

    »Er kann doch das Herz für uns besorgen«, schlug der Dritte vor, der bisher geschwiegen hatte.

    Mit dem Pistolenlauf wedelte er vielsagend in Coopers Richtung und einen Moment lang betrachtete er den jungen Mann eingehend. Sein Gesicht hatte etwas Rattenhaftes an sich und seine kleinen Augen blickten verschlagen drein. Er erinnerte Cooper sehr an sich selbst, als er noch jung gewesen war. Augenblick erfasste ihn eine tiefe Abscheu für den Praktikanten.

    »Ein Einzelner alleine wird wohl kaum eine Chance haben, gegen all die Bestien«, gab er zu bedenken.

    In der Tat war es diese Überlegung gewesen, die ihn dazu bewogen hatte, gleich drei Praktikanten einzustellen. Allerdings hatte er so unbedacht dafür gesorgt, dass sie sich plötzlich in der Überzahl befanden.

    »Es sind entweder diese Bestien oder eine Kugel in den Kopf.«

    Er musste nicht einmal überlegen, ob der Junge seine Drohung wahr machen würde. Wie gesagt, erinnerte der Praktikant ihn zu sehr an sich selbst und der wusste, wie er sich in dieser Situation verhalten hätte.

    »Also schön, die Bestien«, gab er auf.

    »Dann los«, stieß ihn unsanft ein anderer Praktikant an, der übermütig geworden zu sein schien.

    Cooper warf ihm einen finsteren Blick zu.

    »Gut, bleibt ihr nur genau hier, während ich eben gehe. Wenn eine Stichflamme kommt, duckt euch am besten, dann kann euch eigentlich nichts passieren«, riet er seinen Anvertrauten. Dann schickte er sich an, seinen ersten Schritt in die Höhle zu setzten.

    »Warte«, zischte es hinter ihm.

    Zufrieden hielt er inne. Vermutlich war das der Intelligente.

    »Du willst uns doch reinlegen. Hier ist es überhaupt nicht sicher. Am besten warten wir am Ausgang, dort können die Drachen uns nicht entdecken.«

    Innerlich ließ Cooper sich zu einem trägen Applaus herab. Der Applaus galt ausschließlich ihm selbst.

    »Aber wie können wir dann darauf vertrauen, dass er wirklich versucht, das Herz zu bekommen?«

    Es war offensichtlich, dass die jungen Leute sich noch in ihrer Ausbildung befanden. Sie beherrschten nicht einmal die einfachsten Vorschriften für kriminelle Vereinigungen. Man sollte niemals vor dem Gefangenen offenbaren, dass untereinander Uneinigkeit herrschte. Cooper war diesem Fauxpas immer aus dem Weg gegangen, indem er nie einer kriminellen Vereinigung beitrat. Er kam auch gut alleine zurecht.

    »Ganz einfach. Wenn er versucht, ohne den Stein wieder aus der Höhle zu kommen, erschießen wir ihn. Entweder er stirbt bei dem Versuch, es zu bekommen. Oder er versucht es nicht und stirbt mit Sicherheit.«

    Leider musste Cooper zugeben, dass diese Rechnung durchaus Sinn ergab.

    Er war trotzdem froh zu beobachten, wie seine drei Praktikanten sich langsam Richtung Höhleneingang zurückzogen. Jetzt hatte er immerhin Zeit sich einen neuen Plan zurechtzulegen. Das war besser als von hinten mit einer Pistole bedroht zu werden, während man vorne verbrannte. So musste er sich wenigstens nur noch auf eine qualvolle Todesart konzentrieren.

    Langsam trat auch er den Rückzug an. Insgeheim schmerzte es ihn, das Herz des Drachen so einfach aufgeben zu müssen. Doch die Alternative, sein Leben dafür geben zu müssen, erschien ihm noch weniger erstrebenswert.

    Er würde nach einem weiteren Ausgang suchen und sich unauffällig aus dem Staub machen. Ein wenig ärgerlich war es schon, dass seine drei Praktikanten weiterhin die Höhle belagern würden, sodass er in nächster Zeit keinen neuen Versuch unternehmen konnte zu Macht und Reichtum zu gelangen, aber dieser Preis erschien ihm verhältnismäßig niedrig angesetzt.

    Orientierungslos irrte er durch die steinernen Gänge, die sich scheinbar ohne künstliche Eingriffe in den Stein gefressen hatten. Je weiter er sich von den Drachen entfernte, desto dunkler wurde es. Und obwohl er wusste, dass das eigentlich ein gutes Zeichen war, und die Chancen erheblich senkten heute noch auf dem Grill zu enden, kam er doch nicht umhin, der angeborenen Angst vor der Finsternis anheimzufallen. Etwas furchteinflößender als einen mehrere Meter hohen, feuerspeienden Drachen konnte er sich nicht vorstellen. Andererseits hatte er sich jahrelang nichts Schlimmeres vorstellen können als eine überfüllte U-Bahn. Das war natürlich, bevor er von den Drachen erfahren hatte. Danach hatte das Innere eines Drachenmagens abrupt das Innere einer U-Bahn von Platz eins der unliebsamsten Orte verstoßen.

    Nach einer Weile wusste Cooper auch nicht mehr, ob er sich eher nach oben bewegte, oder immer weiter nach unten in das Felsgestein hinein. Die Wände, an denen er sich entlang tastete, waren erstaunlich nass, als würde der Stein unter seinen Fingern schwitzen. Irgendwann tauchte ein entfernter Lichtstrahl vor ihm auf. So entfernt und so schwach, dass er sich erst nicht sicher war, ob er ihn überhaupt sah. Seine Augen hatten sich bereits so an die Finsternis gewöhnt, dass ihm alles nur noch wie ein undurchdringliches Zwielicht vorkam.

    »Hallo?«, rief eine zögerliche Stimme aus der Dunkelheit vor ihm.

    Cooper hielt inne. Entweder, er war schon länger hier unten, als er vermutet hätte und gerade dabei seinen Verstand zu verlieren, oder er war nicht länger alleine.

    »Ja?«, antwortete er unsicher.

    Der Lichtstrahl zitterte auf ihn zu und nach einer Weile erkannte er den Mann, der scheinbar dahinter stand. In der Dunkelheit sah es beinahe aus, als würde er von dem Schein der Taschenlampe hinterhergezogen werden.

    »Ah, guten Tag, könnten Sie mir freundlicherweise den Weg zum Schatz weisen?«, erkundigte die Gestalt sich und er musterte den Neuankömmling kritisch.

    Er war äußerst breit gebaut und die Taschenlampe in seiner Hand wirkte wie ein Glühwürmchen an der Pranke eines Bären. Allerdings mochten seine Umrisse auch täuschen, denn die silberne Rüstung, die er trug, verschleierte so einiges. Sie sah so unhandlich aus, dass Cooper sich ernsthaft wunderte, wie der Fremde es geschafft hatte, sich derart lautlos durch die Höhlen zu bewegen. Zu allem Überfluss trug er auch noch ein gigantisches Schwert in der freien Hand, das in seiner altmodischen Wucht die kleine Plastiklampe nur noch stärker kontrastierte.

    »Entschuldigung, wer sind Sie?«, wollte Cooper wissen.

    Ihm kamen Ideen von altertümlichen Rittern, die schon seit Jahrhunderten durch die verwunschenen Drachenhöhlen irrten, und ihm graute bereits vor einem ähnlichen Schicksal.

    »Ich bin ein Held. Man hat mir gesagt, dass es hier unten einen gewaltigen Schatz zu finden gäbe.

    Bedächtig nickte Cooper. Wo es Drachen gab, gab es in der Regel auch Helden. Es war ungefähr so wie das Prinzip des Magnetismus und hatte irgendetwas mit gegenseitiger Anziehung zu tun, das Cooper nicht ganz begriff. Cooper hatte weder Drachen noch Helden jemals als sonderlich anziehend empfunden.

    »Wer hat dir denn von dem Schatz erzählt?«, erkundigte er sich.

    »Oh, die freundlichen Herren, die am Eingang der Höhle kampieren. Sie sprachen von unermesslichen Reichtümern.«

    »Haben die sonst noch etwas erwähnt?«, vergewisserte er sich.

    Der Held blinzelte ihn durch den Schlitz in seinem Helm verständnislos an.

    »Nein, sonst nichts. Gibt es noch etwas, was ich wissen sollte?«

    Beschwichtigend winkte Cooper ab. Er hätte sich denken können, dass sie ihm nichts verraten hatten. Nie erwähnte jemand die Drachen.

    »Ich habe mich nur gefragt, ob sie bloß von dem Gold sprachen oder auch von dem, was es hier unten wirklich zu holen gibt«, wich er aus.

    Obwohl er mit seinen Praktikanten diesmal daneben gegriffen hatte, bildete Cooper sich so einiges auf seine Menschenkenntnis ein. Für ihn ähnelte das Innenleben eines Menschen einem komplizierten Webteppich, bei dem man nur einen Schritt zurücktreten musste, um das Bild darin zu erkennen. Helden waren da keine allzu große Herausforderung. Ihr Innenleben glich in den meisten Fällen eher einer einfachen Fußmatte.

    »Etwas Wertvolleres als Gold?«, wiederholte der Held langsam, da diese Vorstellung offensichtlich seinen Intellekt überforderte.

    »Unermesslich viel wertvoller.«

    Kurz bereute es Cooper, das Wort unermesslich verwendet zu haben. Es war so lang, dass dieser Held hier Gefahr lief an seinem Ende bereits den Faden verloren zu haben.

    »Was ist es?«, brachte sein Gegenüber schließlich atemlos hervor, nachdem er offensichtlich entschieden hatte, sich nur auf den Teil des Satzes zu beschränken, den er verstanden hatte.

    »Man nennt es das Herz des Drachen. Es ähnelt einem Edelstein, ist jedoch aus einem Material, das den Menschen bisher beinahe unbekannt ist. Wer dieses Herz in Händen hält, ist der reichste Mann auf Erden.«

    Einen Moment starrte er vor sich hin, als habe er sich vollkommen in der Vorstellung verloren, doch dann schüttelte er den Kopf.

    »Aber es wäre zu hoch gegriffen für mich, davon zu träumen. Man müsste schon ein Held sein, um seiner würdig zu sein«, sagte er. Lauernd hielt er dann einen Moment inne und wartete geduldig darauf, dass sein Begleiter die Aussage verarbeiten konnte.

    »Ich bin ein Held«, stellte er schließlich fest.

    Cooper hielt sich davon ab, erleichtert aufzuseufzen. Für einen Moment hatte er daran gezweifelt, dass sein neuer Schüler diese Abstraktionsleistung fertigbringen würde.

    »Wenn jemand das Herz gewinnen könnte, dann du!«, stimmte er zu und ließ gerade die richtige Menge Bewunderung in seine Stimme einfließen, während er die Gestalt in der klobigen Rüstung bestaunte.

    »Könnte ich mit diesem Herzen auch eine Prinzessin erobern?«, grübelte der Held über seine letzten Zweifel nach.

    »Mit diesem Herzen könntest du dir hundert Prinzessinnen kaufen«, bot Cooper an, nicht sicher, ob dies den gewünschten Effekt erzielen würden.

    Von Prinzessinnen hatte er nie viel verstanden und es auch nie für erstrebenswert gehalten, eine zu besitzen. Er konnte sich eine Menge Dinge vorstellen, für die er sein Geld lieber ausgeben würde. Bedienstete und Schokoladenpudding standen dabei auf der Liste ganz oben.

    Dennoch schienen seine Worte ihre Wirkung nicht zu verfehlen, denn der Held nahm augenblicklich Haltung an.

    »Und wo finde ich dieses Herz des Drachen?«

    »Folge mir!« Triumphierend wandte Cooper sich auf dem Absatz um. Die meiste Zeit hatte er sich geradeaus bewegt, es sollte also keine Schwierigkeiten bereiten, seinen Weg zu rekonstruieren.

    »Es gibt da etwas, was dir aber klar sein sollte«, merkte er an, während sie durch die Gänge schritten. »Diese Männer, auf die du da am Eingang gestoßen bist, die sind auch auf der Jagd nach dem Herzen. Wenn du damit die Höhle verlässt, werden sie mit Sicherheit versuchen, es dir abzunehmen.«

    Der Held ließ ein erschüttertes Klirren vernehmen.

    »Aber wenn ich es finde, steht es mir zu. Nur ein Schurke würde versuchen, es unrechtmäßig in seinen Besitz zu bringen.«

    Kurz fühlte Cooper sich geschmeichelt, dann besann er sich eines Besseren.

    »Manche Menschen sind bereit, alles für Reichtum zu tun. Sie sind hinterhältig und verschlagen.«

    »Ja«, seufzte der Ritter hinter ihm niedergeschlagen. »Sie kamen mir gleich ein wenig schäbig vor.«

    Dem konnte Cooper nur zustimmen. Wie bereits erwähnt, stellten Praktikanten für ihn einen ganz eigenen Menschenschlag dar.

    »Du musst damit rechnen, dass sie dich angreifen.«

    »Dann werde ich mich eben zur Wehr setzten.«

    Auch bei Helden schien es sich um einen ganz eigenen Menschenschlag zu handeln, denn der Tonfall des Sprechers war wahrlich unnachahmlich. Getragen und pathetisch klang es, als laste das Gewicht der Welt auf seinen Schultern.

    »Zweifellos würdest du aus einer Auseinandersetzung als Sieger hervorgehen«, schmeichelte Cooper, war sich da jedoch nicht so sicher.

    Ein Schwert mochte nützlich sein, aber gegen eine Feuerwaffe kam es nur schwerlich an. Ein gewisses Maß an Intelligenz stellte zudem auch immer einen ganz gewaltigen Vorteil dar.

    »Vielleicht wäre es klüger, wenn du mir das Herz anvertrauen würdest. Ich verstecke mich in der Nähe des Eingangs und du sagst ihnen, dass du den Schatz nicht gefunden hättest, aber ich umgekommen wäre. Sie werden dich überprüfen, aber du wirst das Herz nicht bei dir tragen. Also werden sie dir glauben und bald abreisen. Du wirst natürlich vor ihnen gehen, damit sie keinen Verdacht schöpfen, und einige Kilometer nördlich der Höhle auf mich warten. Da sie mich für tot halten werden, kann ich unbehelligt zu dir gelangen und das Herz zu dir zurückbringen.«

    Der Held nickte und Cooper lächelte. Sein Weg würde ihn von der Höhle aus direkt nach Süden führen.

    »Du bist sehr geschickt, was diese Taktiken angeht«, komplementierte der Held ihn. »Nur, was soll ich sagen, woran du gestorben bist? Sie werden es wohl kaum einfach so glauben.«

    »Oh doch, das werden sie.«

    Der rötliche Schein erhellte inzwischen die Wände rings um sie her und Cooper fiel auf, dass sämtliche Gewölbe hier wärmer zu sein schienen.

    Sie bogen um die Ecke und der Held schnappte nach Luft.

    Cooper gönnte ihm einen Augenblick, um sich an den Anblick zu gewöhnen.

    »Das sind Drachen«, stammelte der junge Mann und der Forscher nickte wohlweislich.

    »In der Tat. Siehst du das Herz?«

    »Niemand hat die Drachen erwähnt«, klammerte der Kämpfer sich

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