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Das Dimensionstor: Ein Portal in andere fantastische Welten und Zeiten
Das Dimensionstor: Ein Portal in andere fantastische Welten und Zeiten
Das Dimensionstor: Ein Portal in andere fantastische Welten und Zeiten
eBook283 Seiten3 Stunden

Das Dimensionstor: Ein Portal in andere fantastische Welten und Zeiten

Von T. S. Orgel, Gerd Scherm, Ju Honisch und

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Über dieses E-Book

Dem Wissenschaftler Prof. Dr. Groll gelingt es, von der Öffentlichkeit unbemerkt in seiner heimischen Garage ein Gerät zu bauen,welches ein Dimensionsportal öffnet. Fasziniert ergreift Max Groll einen Gegenstand nach dem anderen und schickt ihn durch das Tor, das zu fernen Orten,in andere Zeiten und sogar in phantastische fremde Welten führt …

18 Autoren– darunter Gerd Scherm, Ju Honisch, T.S.Orgel und Vincent Voss – erzählen in skurrilen, abenteuerlichen und aberwitzigen Geschichten, was diese Dinge in der jeweiligen Parallelwelt auslösen: Als göttliches Artefakt verehrt, als Auslöser von Katastrophen gefürchtet oder als Retter in großer Not willkommen … Der Leser darf gespannt sein, welche Bedeutung unscheinbare Gegenstände aus unserem Alltag in anderen Welten erlangen.

Mit spannenden Kurzgeschichten von Gerd Scherm, T. S. Orgel, Vincent Voss, Ju Honisch, Melanie Vogltanz, Robert Friedrich von Cube, Manuela P. Forst, Thomas Heidemann, Brigitta Gronau, Marion Jaggi, Günther Kienle, Navina Kleemann, Al Rey, Nicola Sadelkow, Juliane Schiesel, Günther Wirtz. Herausgegeben von Nadine Muriel und Stefan Cernohuby.
SpracheDeutsch
HerausgeberAmrûn Verlag
Erscheinungsdatum13. Mai 2017
ISBN9783958692411
Das Dimensionstor: Ein Portal in andere fantastische Welten und Zeiten

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    Buchvorschau

    Das Dimensionstor - T. S. Orgel

    Lebensläufe

    Dimensionen

    von Stefan Cernohuby

    11.04. 2006

    Eigentlich war es paradox. Maximilian Groll, seit heute offiziell Doktor der theoretischen Physik, grinste. Er konnte nicht tanzen, befand sich aber auf der Tanzfläche einer Party und tanzte zu einem Lied mit dem Titel »I don’t feel like dancing«.

    Wäre er nicht so betrunken, hätte er vermutlich laut gelacht. Stattdessen konzentrierte er sich lieber darauf, auf den Beinen zu bleiben und dem Rhythmus zu folgen. Beides war nicht leicht, denn weder hatte er in den letzten Jahren besonders viele soziale Events besucht noch hatte er sich mit den passenden Bewegungen zur entsprechenden Rhythmik beschäftigt. Doch der Elektronenübergang auf ein höheres Energieniveau beflügelte ihn - genauer, seine Promovierung. Endlich hatte er das Gefühl, dazuzugehören. Und heute hatte man sich nicht über ihn lustig gemacht. Zumindest bis jetzt nicht.

    In einem Smoking, frisch rasiert und mit Kontaktlinsen machte er sogar etwas her, wie er vor Beginn der Party selbst überrascht festgestellt hatte. Natürlich würde er die Kontaktlinsen bereuen, denn er vertrug sie nie länger als ein paar Stunden. Aber mit einer ausreichenden Menge Alkohol ...

    Das Lied endete und er taumelte von der Tanzfläche an die nächste Bar, zwängte sich zwischen zwei andere Gäste und bestellte einen Mojito. Er schnappte sich den Cocktail, den ihm der Barkeeper reichte, und trank immer wieder einen Schluck durch den Strohhalm, während er in Richtung des großen Balkons schlenderte – oder besser gesagt, leicht torkelte. An der frischen Luft klang sein Hochgefühl nicht ab. Er lehnte sich gegen die Brüstung, betrachtete den klaren Sternenhimmel und nahm einen tiefen Atemzug.

    Ja, das war endlich einmal ein Moment von grandioser Einzigartigkeit, den er in allen Dimensionen auskosten konnte.

    »Höhe, Breite und Tiefe werden kein Problem sein. Aber die vierte Dimension bedeutet für einen Moment nur ein sehr kurzes Vergnügen«, ertönte plötzlich eine Frauenstimme direkt neben ihm.

    Im Normalfall wäre Maximilian zusammengezuckt. Allerdings war er heute in einem so illuminierten Zustand, dass er fast schon elegant herumschwenkte und lächelte.

    Kurz wurde ihm klar, dass er einen inneren Monolog offenbar laut ausgesprochen hatte und er vermutlich seinen weiteren Konsum ethanolhaltiger Getränke einschränken sollte. Doch dieser Gedanke wurde sogleich vom Anblick der Dame weggespült.

    Da stand sie, etwas kleiner als er, blondhaarig, mit einem körperbetonten schwarzen Kleid sowie der passenden Figur und in einer Liga angesiedelt, an die er bei Frauen nicht einmal zu denken wagte.

    »Konventionell betrachtet haben Sie sicher Recht, werte Dame. Aber in der Quantenmechanik kommt man immerhin auf elf Dimensionen. Und ich habe vor, jede einzelne von ihnen zu genießen.«

    Er schnappte sich ihre Hand und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken.

    Die gleiche Stimme wie vorher, die gleiche Stimme wie immer, fragte ihn, ob er nun völlig übergeschnappt war, aber er beschloss, sie an diesem Abend einfach zu ignorieren.

    »Maximilian Groll, seit heute Doktor der theoretischen Physik, ganz zu Ihren Diensten – für Gespräche über Theorien aller Art und zur Umsetzung der Praxis.«

    Oh Gott, selbst wenn auch der nur eine unbewiesene theologische Theorie war, was redete er da?

    Ungeachtet des Unsinns lachte die Frau auf.

    »Und ich dachte, ihr Physiker wärt alle nur langweilige, spießige Gesellen, die höchstens einmal im Jahr aus ihren Labors kommen.« Etwas, das auf Max im Grunde durchaus zutraf.

    Sie machte einen Knicks.

    »Nadina Meerglanz ist mein Name. Ich bin Autorin und Journalistin und recherchiere für ein Buch. Und ich werde Sie nicht zu schlecht wegkommen lassen. Max Groll will man sicher nicht gegen sich aufbringen.«

    Sie lachte und Max stimmte mit ein, auch wenn der Scherz auf seine Kosten ging.

    »Freut mich.« Max feixte. »Und das ist gut so, sonst würde ich die Quantenstringtheorie nutzen, um Tore in die Realität zu reißen und Sie in meinem Groll in selbigen verschwinden zu lassen. Sie können mich aber auch einfach Max nennen.«

    »Gern, Max.«

    Meine Güte, sie lächelte immer noch. Dabei war sein letztes Gespräch mit einer Frau zwei Monate her. Die Putzfrau hatte ihn gefragt, ob sie seine Kaffeetasse abräumen konnte. Er hatte mit »Ja« geantwortet.

    Sie spielte mit einer Haarsträhne. Hinreißend. Und sein Mund redete einfach weiter.

    »Das hier ist eigentlich eine geschlossene Feier, Nadina. Wie sind Sie denn hineingekommen?«

    »Gut beobachtet. Es ist ganz einfach. Der Organisator ist ein guter Bekannter von mir. Er hält nach vielversprechenden Talenten aus der Forschung Ausschau, in die er den Jahresüberschuss des Budgets seines Institutes investieren kann.«

    Max lachte. Was für ein Tag, auch wenn er sich am nächsten Morgen vermutlich an die Hälfte davon nicht mehr erinnern würde!

    »Das heißt also, wenn ich ihm meine Idee verkaufe, wie ich durch eine Öffnung der höheren Quantendimensionen mittels Nutzung der Van-Der-Waals-Kräfte für Energie- und Impulsaustausch ein Portal in eine andere Dimension erschaffe, habe ich gute Chancen, die fünf Jahre Forschungsprojekt, die ich brauche, finanziert zu bekommen?«

    Kompletter Schwachsinn, den er da redete. Aber es klang zumindest gut.

    Eine völlig andere Stimme, weit männlicher als die seiner bisherigen Gesprächspartnerin, antwortete: »Ja, das klingt, als hätten sie bereits einen Fuß in der Tür.«

    03.05. 2010

    Am Anfang war alles so einfach gegangen. Mit Gottfried Pöll zuerst. Im Gespräch mit ihm hatte Groll nach dem ersten Stutzen festgestellt, dass seine eigene Idee eigentlich gar nicht so abwegig war. Nur hatte bisher noch niemand einen derartigen Ansatz verfolgt. Sein unermüdliches alkoholisiertes Mundwerk hatte derweil einfach weitergeredet und noch am selben Abend hatte er einen Vertrag unterschrieben.

    Und Nadina ... Das war noch weit besser gewesen. Zumindest für einige Zeit. Aber nicht heute.

    Meine Güte, es war nur ein Geburtstag! Es war ja nicht so, als hätte er es absichtlich getan. Aber manchmal war er, mittlerweile Professor Doktor Maximilian Groll, etwas zerstreut, so wie eben alle Wissenschaftler. Zudem wurde er dieses Jahr bereits vierzig, im Gegensatz zu seiner Frau, welche gerade erst Mitte dreißig geworden war – und das eben heute.

    Was er vergessen hatte.

    Weil er sich auf Termine mit Investoren, der Presse und einigen Laboranten vorbereitet hatte, die dummerweise genau auf denselben Tag gefallen waren. Und jetzt war Nadina weg. Sie hatte ein Flugzeug genommen und war wieder einmal zu ihrer Mutter geflogen. Groll verstand ihren Groll ja auf einer gewissen Ebene. Aber dass sie das so persönlich nahm!

    Ja, der schneidige, visionäre und sehr betrunkene Physiker, den sie in jener denkwürdigen Nacht kennengelernt und den sie nach seinem Gespräch mit dem Investor Pöll auf ihr Hotelzimmer mitgenommen hatte, war im Lauf der Jahre zu einem ernsthaften und eher gewöhnlichen als stets schlagfertigen Mann geworden. Sie hatte ihn trotzdem geheiratet und war bei ihm geblieben.

    Jetzt kamen gleich mehrere potenzielle Katastrophen auf ihn zu. Die Geldgeber, die er wegen des Ausbleibens erster Durchbrüche weiter vertrösten musste, wobei die Herausforderung darin bestand, gleichzeitig überzeugend um weitere Unterstützungen zu betteln. Zum Glück liebte er die Phantastik beinahe genauso sehr wie die Wissenschaft, daher konnte er ihnen in blumigen Bildern von fremden Welten vorschwärmen, die jenseits ihrer Vorstellungskraft lagen, um sie bei der Stange zu halten.

    Dann sollte er vor Journalisten Fortschritte präsentieren und im Anschluss daran die neuen Laboranten durch die Anlage führen. Man hoffte, dass vielleicht einer von ihnen talentiert und vertrauenswürdig genug sein würde, um ihnen bei den Forschungen weiterzuhelfen und gleichzeitig die Projektdetails geheim zu halten.

    Konnte der heutige Tag noch schlimmer werden?

    »Das kann ja gar nicht funktionieren!«

    Perplex drehte sich Max um, um den Sprecher zu identifizieren. Es war einer der Laboranten, denen sie die Forschungseinrichtung gezeigt hatten. Nein, eine Laborantin. Ein junger Mann schien ihr beschwichtigend ins Ohr flüstern zu wollen, doch die groß gewachsene, schlanke blonde Dame trat einen Schritt von ihm fort.

    »Nein, wirklich nicht! Die Herleitung des Massekoeffizienten ist komplett falsch. Das würde nur dann hinhauen, wenn man die Gravitation aus der Gleichung herausnehmen könnte, was auf der Erde aber nicht möglich ist. Ergo ist klar, dass die Versuche keine Ergebnisse liefern.«

    Max schluckte. Das Schlimmste war, Frau Naseweis hatte recht. Bisher hatte das allerdings noch keiner seiner Kollegen bemerkt. Jetzt konnte er geradezu sehen, wie sie die Ohren spitzten und den speziellen Teil der abgebildeten Formel näher in Augenschein nahmen.

    Er hatte sich geirrt. Schlimmer ging immer.

    31.09. 2016

    Es zischte, als sich die Luftschleuse öffnete und den Eingang freigab – ins Labor oder die Garage, wie man es sehen wollte. Von außen wirkte das Gebäude wie eine typischer Garagenabau mit einem genauso typischen automatischen Tor in einer durchschnittlichen Vorstadtgegend, mit der obligatorischen hohen Hecke. Allerdings besaß der Eigentümer des Hauses, Professor Doktor Maximilian Groll, gar keinen Wagen mehr. Er brauchte ihn nicht.

    Nachdem ein Quietschen ertönte, betrat Doktor Groll sein Refugium, aber nicht ohne der Tür vorher einen Tritt zu verpassen. Dies löste den verklemmten Mechanismus und die Schleuse schloss sich wieder.

    Max Groll seufzte und drehte sich wieder um. Sogleich erblickte er sich selbst in dem mannsgroßen Spiegel, der achtlos an die Wand gelehnt war. Er war wahrlich keine besonders eindrucksvolle Erscheinung mehr. Vermutlich war das mit ein Grund dafür, dass man ihn immer weniger ernst nahm. Er war mittlerweile übergewichtig, trug eine dicke Brille und hatte wirres weißes Haar, obwohl er gerade einmal 46 Jahre alt war. Seine Frisur hätte ihm einen gewissen »Doc Brown«-Flair verliehen, wenn da nicht seine immer größer werdende Glatze gewesen wäre.

    Er wandte sich verstimmt ab. Irgendwann würde er diesen Spiegel entsorgen, genauso wie die danebenstehende Box mit Krimskrams. Bislang hatte er es nie übers Herz gebracht, ihren Inhalt wegzuwerfen, da es sich größtenteils um Erinnerungsstücke aus seinem ehemaligen Elternhaus handelte. Also hatte er sie zusammen mit dem Spiegel, der zwar wertvoll, aber viel zu wuchtig für seine Räumlichkeiten war, im Labor untergebracht – am gleichen Ort, an dem sich all die Geräte befanden, die er während seiner Zeit im Institut hatte verschwinden lassen.

    Vier Jahre. So lange hatte er an seinem Projekt forschen können, mit genügend Geldmitteln und unter strengster Geheimhaltung. Sein Institut hatte zusätzliche Sponsoren aus der Privatwirtschaft für sich gewonnen, die lange Zeit davon überzeugt gewesen waren, dass seine Idee umsetzbar wäre. Und natürlich hatten sie sich durch seine fantastischen Erzählungen von möglichen anderen Welten gewaltige Gewinne erhofft.

    In der Theorie hatten seine Berechnungen auch wunderbare Ergebnisse geliefert. Seine Maschine benötigte weder leicht spaltbares Material noch eine große Gravitationsquelle und schon gar keine überlichtschnellen Teilchen.

    Die Basis seiner Arbeit war der Grundgedanke, die elf Dimensionen, die in den verschiedenen Superstringtheorien nur theoretisch existierten, durch den gezielten Einsatz subatomar wirkender Kräfte zu entfalten. Durch eine Umkehrung der London’schen Dispersionswirkung und mithilfe der richtigen Resonanzfrequenz des umgebenden elektromagnetischen Feldes sollte man auf subatomarer Ebene Durchbrüche zwischen den Dimensionen erzeugen können. Eben ein Dimensionsportal – ein Tor in eine andere Welt –, so hatte er es damals unwissenschaftlich beworben. Damit hatte er Institutsleiter und Geldgeber immer wieder begeistert, obwohl diese keinen blassen Schimmer hatten, was die zugrundeliegenden Theorien im Detail eigentlich bedeuteten. Alles war erstaunlich gut gelaufen, bis diese neunmalkluge Laborantin Stefanie Gasweber aufgetaucht war und den Hauptfehler in der Herleitung des Massekoeffizienten gefunden hatte.

    Jener Tag vor über sechs Jahren war wirklich der schwärzeste Tag seines Lebens geworden. Denn hier hatte der die Talfahrt begonnen. Kurz darauf hatte er seinen Job verloren.

    Nicht wegen des Fehlers. Man hatte ihn gefeuert, als klar wurde, dass er von dem Fehler im Konzept gewusst hatte. Denn natürlich war die Argumentation der jungen Frau Gasweber absolut schlüssig und einleuchtend gewesen. Darum musste er eingestehen, dass ihm die Problematik bekannt war und er daran arbeitete.

    Insgeheim hatte Groll schon immer geahnt, dass dieser Moment kommen würde. Gewiss, die Schafsköpfe von Investoren mochten sich leicht mit ein paar wüsten Geschichten von unbekannten, fremden Welten abspeisen lassen. Aber dass er sein versiertes Forscherteam so lange täuschen konnte, hatte ihn selbst gewundert. Wie oft hatte er sich nachts schlaflos im Bett gewälzt und in seiner Vorstellung wieder und wieder durchlebt, dass man ihn wegen des Fehlers zur Rede stellte! Seine beständigen Grübeleien hatten ihn gereizt und mürrisch werden lassen, ihm alle Unternehmungen mit Nadina vergällt – besonders die Treffen mit jenen Autoren, die sich mit Science-Fiction und Fantasywelten beschäftigten. Was sollte er tun, wenn man ihn entließ, sein Projekt auf Eis legte? Der Gedanke, dass dann seine gesamte Forschung vergebens, sein Lebenswerk vernichtet war, war ihm unerträglich. Also hatte er vorgesorgt, indem er die grundlegende Laborausstattung über die Jahre sukzessive in seine Garage verschwinden ließ.

    So ungern es sich Groll auch eingestand, im Nachhinein musste er zugeben, dass er fast schon erleichtert gewesen war, als sein Schwindel aufflog und die beständige Heimlichtuerei endlich vorbei war. Durch zwei Patente, die auf ihn liefen, verdiente er genug, um seine Forschungen weiter zu betreiben. Lediglich die Demütigung, dass ausgerechnet eine einfache Laborantin seine Lügen aufgedeckt hatte, schmerzte immer noch. Und mindestens ebenso unerfreulich war, dass seine Frau ihn dennoch verlassen hatte, für einen ihrer Autorenkollegen. Grolls ständige »Bastlerei« in der Garage sei unerträglich, hatte sie ihm zum Abschied entgegengeschleudert. Bastlerei, so ein Quatsch! Sie hatte mit Sicherheit gewusst, dass er als Wissenschaftler nicht einfach nur stupide vor sich hin bastelte, sondern ernsthafte Forschung betrieb - auch wenn er im Gegensatz zu ihr nicht ständig über aktuelle Projekte schwafelte. Insbesondere in diesem Fall war es ihm sicherer erschienen, nicht zu verraten, womit er sich Tag für Tag beschäftigte.

    Max Groll trat an die Steuereinheit und betätigte den Hauptschalter. Mit einem Schnalzen wurden die drei großen Scheinwerfer, die auf das Herz seiner Anlage gerichtet waren, aktiviert. Die Hyperkondensatoren wurden geladen – sie bildeten die Buffer – und die Hochleistungscomputer setzten das System in den Ausgangszustand.

    Als Versorgung hatte er die unterirdische Hochspannungsleitung angezapft. Darauf würde so schnell niemand kommen. Und doch machte es keinerlei Sinn, einen Versuchsaufbau durchlaufen zu lassen, ohne die richtigen Konfigurationsparamter gewählt zu haben. Daher musste er einmal mehr seine Berechnungen einer genauen Betrachtung unterziehen.

    Grolls Schläfen pochten schmerzhaft, als er die unterschiedlichen Ebenen der Gleichungen durchging. Er war nie ein großer Mathematiker gewesen, daher war er selbst überrascht gewesen, als er die beiden grundlegenden Theorien in eine Formel überführte und das große Ganze eine geradezu elegante Lösung ergab. Leider mit einigen Schwachstellen, die letztendlich zu seiner Entlassung geführt hatten.

    Mittlerweile hatte er jedoch genügend Zeit gehabt, um die Probleme einzeln anzugehen.

    Selbst die Herausforderung mit der Renormierung der Gravitation hatte er gemeistert, indem er den Versuchsaufbau mit Hilfe eines gegengerichteten Magnetfelds abschirmte und die Gravitation so aus der Gleichung nahm, wie es auch Frau Gasweber – mittlerweile selbst Wissenschaftlerin – vorausgesetzt hatte. Er hatte trotzdem noch keinen Durchbruch erzielt.

    Einmal hatte er bereits ernsthaft überlegt, Stephen Hawking eine E-Mail zu schreiben. Vielleicht hätte das Genie eine Idee, woran es lag, dass seine Theorie sich in der Praxis nicht umsetzen ließ. Aber dann dachte er daran, dass seine Forschungen danach auf dem einen oder anderen Weg an die Öffentlichkeit dringen würden. Das wollte er verhindern.

    Zum bestimmt hundertsten Mal ging er durch die Berechnungen. Schon längst hatte er die Hoffnung aufgegeben, dabei nochmals einen Fehler zu entdecken. Er hatte bisher zwei einfache Unzulänglichkeiten in Transformationen gefunden und jedes Mal gedacht, damit endlich das Grundproblem eliminiert zu haben. Doch das war es nicht gewesen.

    Beinahe gelangweilt fuhr er die Gleichung Zeile für Zeile entlang. Die imaginäre Zahl i zur vierten Potenz war -1 und ...

    Max Groll stoppte. Nein, war sie nicht. Zwei negative Vorzeichen ergaben ein positives. Also wurde die Energiemenge des drehenden Feldes nicht subtrahiert, sondern addiert.

    Sein Mund blieb offen stehen. Das konnte nicht sein. Nicht ein einfacher Vorzeichenfehler! Ein Anfängerfehler, der selbst einem Studenten im ersten Semester nicht unterlaufen wäre.

    Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und überprüfte die Berechnung noch einmal. Es blieb dabei. Fehler blieb Fehler.

    So oft war er diesen Teil der Formel schon durchgegangen und jedes Mal hatte er das übersehen.

    Er ging zu seinem Computerterminal und gab die neuen Ausgangsparameter für die Berechnung ein, jedoch ohne großen Enthusiasmus. Wenn ihm ein Fehler wie dieser unterlief, konnte das bedeuten, dass andere Teile seiner Formel ebenfalls nicht stimmten. Oder dass die ganze zugrundeliegende Theorie einfach nur alkoholinduzierter Schwachsinn war.

    Mit einem wütenden Druck auf die Eingabetaste bestätigte er die neue Konfiguration, dann trat er wieder zu seinem Steuerpult und betrachtete den Hauptschalter grimmig. Vielleicht sollte er das ganze abblasen.

    Vielleicht sollte er sich öffentlich für seine Verfehlungen entschuldigen.

    Vielleicht sollte er seine Exfrau anrufen und ihr sagen, dass es ihm leidtat.

    Vielleicht sollte er die Wissenschaft aufgeben ...

    Nein, das würde er nicht, verdammt!

    So kraftvoll hieb er auf den Startknopf, dass sogar die Plastikabdeckung splitterte.

    Verdammt. Schon wieder hatte er etwas kaputt gemacht. Er würde ...

    Ein Summen ertönte, als sich in der Mitte des Raums ein Feld aufbaute. Er schlug sich gegen die Stirn. Oh nein, er hatte komplett vergessen, die Polarität der beiden Hyperkondensatoren umzukehren. Durch die Änderung des Vorzeichens in der Gleichung würde es definitiv zu Energiefluktuationen kommen, die ...

    Er unterbrach seine eigenen Gedanken, als er den flackernden Umriss sah, der sich mitten im Raum gebildet hatte, direkt im Zentrum der Abschirmung. Er war mannsgroß und kreisrund.

    Vorsichtig ging er darauf zu. Er fühlte keinen Sog, keinen Energieausstoß.

    Also hatte er zumindest kein Schwarzes Loch geschaffen. Seine Kollegen im C.E.R.N. konnten beruhigt sein.

    Es war ein Energiefeld. War es das gewünschte Tor? Möglich.

    Plötzlich hörte er ein Knistern. Das Feld fluktuierte, änderte die Farbe.

    Ja, die Koppelkondensatoren.

    Sein Blick fiel wieder auf die Energiebarriere. Gab es eine andere Seite? Wenn ja, was verbarg sich dort? Ein Planet aus Eis oder eine Welt der lebenden Toten? Vielleicht auch ein Weg in die Zukunft!

    Konnte man gefahrlos einen Gegenstand das mögliche Portal durchqueren lassen?

    Er grinste. Er selbst entschied, was für den Versuchsablauf zulässig war und was nicht. Daher konnte er sich jegliches Experiment erlauben, mit dem er selbst einverstanden war. Und in diesem Fall war es einfach.

    Er wandte sich zu seinem Schreibtisch um, zog etwas aus dem Ablagestapel für den Papiercontainer, trat bis kurz vor das Kraftfeld und warf die Seiten einfach hindurch.

    Ohne jeglichen Widerstand verschwenden sie im Portal. Wo waren sie gelandet? Vielleicht nirgendwo. Vielleicht aber in einer anderen Welt.

    Plötzlich musste er sich setzen. Unsanft landete er auf seinem Allerwertesten.

    Sein Versuch war gelungen, seine Theorie bewiesen. Er hatte es geschafft, ein Tor in der Realität zu öffnen, das woanders hinführte.

    Ein Tor in andere Welten.

    Ein Dimensionsportal.

    Sein Jubelschrei drang trotz der dichten Isolierung des Garagenlabors bis nach draußen.

    Dann atmete er tief durch und brachte seine Euphorie mühsam wieder unter Kontrolle.

    Er musste herausfinden, wie das Tor reagierte und wie es auf der anderen Seite aussah. Sein Blick schweifte durch den Raum. Unnötiger Kleinkram hatte sich im Laufe der letzten Jahre zur Genüge angesammelt, in der Kiste mit Erinnerungsstücken ebenso wie auf den Regalen und Ablageflächen. Voller Begeisterung nahm er den nächsten Gegenstand zur Hand ...

    Die göttliche Botschaft

    von Gerd Scherm

    Agla und sein Assistent Harlan erschraken. Mitten in ihrem geheimen Laboratorium öffnete sich ein flimmerndes Tor. Es war wohl so breit wie ein Mann hoch und knisterte. Außerdem roch es verbrannt. Die merkwürdige Erscheinung steckte fast augenblicklich ein Regal mit Schriftrollen in Brand, das Harlan verzweifelt zu löschen versuchte. Der dadurch entstehende Wasserdampf vernebelte den Raum mehr und mehr, weshalb der Alchimist Agla erst spät die Schlange erblickte. Das Tier wand sich zuckend aus dem Tor und ragte bereits gut fünf Fuß heraus.

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