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Tödliches Rheiderland. Ostfrieslandkrimi
Tödliches Rheiderland. Ostfrieslandkrimi
Tödliches Rheiderland. Ostfrieslandkrimi
eBook232 Seiten3 Stunden

Tödliches Rheiderland. Ostfrieslandkrimi

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Über dieses E-Book

Die Ferienhäuser an der ostfriesischen Küste sind nicht mehr sicher! Zudem scheinen die Einbrecher echte Profis zu sein, die keinerlei forensischen Hinweis hinterlassen. Das einzige wiederkehrende Merkmal ist das Zeichen der 436er, einer Jugendgang aus Leer. Aber steckt die Bande wirklich hinter der Einbruchsserie, oder soll sie nur als Sündenbock herhalten? Die Jugendlichen lachen über die Anschuldigungen, bis die Polizei im nächsten verwüsteten Ferienhaus die Leiche einer jungen Frau entdeckt! Die Kripo Emden hat nun einen neuen Mordfall, und als wäre dieser nicht schon brisant genug, muss Kommissarin Rike Waatstedt auch noch kurzfristig auf ihren Partner Richard Faber verzichten und die Leitung der Ermittlungen übernehmen. Schnell wird Rike und ihrem Team bewusst, dass sie sich in einer Art Wettrennen befinden. Denn noch jemand sucht den Schuldigen, um tödliche Rache zu nehmen. Eine wichtige Spur führt ins ostfriesische Rheiderland. Jetzt zählt jede Sekunde, um weitere Tote zu verhindern...

SpracheDeutsch
HerausgeberKlarant
Erscheinungsdatum16. Juli 2021
ISBN9783965864245
Tödliches Rheiderland. Ostfrieslandkrimi
Autor

Elke Nansen

Elke Nansen ist das Pseudonym einer Autorin, die den Norden und Ostfriesland liebt. Die Nordsee, die unendliche friesische Weite, das platte Land mit seinen ganz speziellen Charakteren – diese Region hat ihren eigenen rauen Charme, hier kann Elke Nansen ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Und so schreiben sich die spannendsten Geschichten manchmal wie von selbst … Besonders angetan haben es der Autorin die ostfriesischen Inseln, die sie alle schon besucht hat. Als leidenschaftliche Taucherin liebt Elke Nansen die See und das Wasser. 8 Jahre hat sie im niedersächsischen Städtchen Verden an der Aller gelebt.

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    Buchvorschau

    Tödliches Rheiderland. Ostfrieslandkrimi - Elke Nansen

    Prolog

    »Bitte, Malte, werde endlich erwachsen! Ich weiß ja, du meinst es gut, aber es ist der falsche Weg! Du musst dir eine Arbeit suchen und die Sache mit der Gang endlich abblasen.« Das hübsche Mädchen sah ihn mit ihren traurigen großen blauen Augen an. In ihrem jungen Gesicht war immer noch die Liebe zu erkennen, die sie ihm entgegenbrachte. Doch waren ebenso Enttäuschung und etwas Verzweiflung in ihrem Seufzen. Sie presste ihre Lippen zusammen, sodass ihr Lipgloss glänzte. Dann fuhr sie sich mit ihren Fingern durch den blonden Pony, der über ihren Augenbrauen hing. Eine Geste, die Malte gut kannte. Eine Geste der Resignation.

    »Was willst du denn von mir?«, fuhr er sie mit bebender Stimme an. Seine muskulösen Oberarme verschränkten sich abwehrend vor seiner Brust. An seinem Bizeps war seit ein paar Monaten eine Tätowierung. Sie zeigte den verschnörkelten Schriftzug der 436er und darüber rankte sich ein silbernes Röschen, so wie es im Wappen von Leer zu finden war. »Ich habe alle Kfz-Werkstätten, alle Autohäuser, selbst ADAC und AvD abgeklappert, keiner will mich einstellen. Soll ich zu DHL wie so ein Flüchtling und mich ausnutzen lassen beim Paketeausliefern? Da kann ich mich eher mit einem Hut in die Leeraner Innenstadt stellen und die Leute anbetteln. Dabei verdiene ich mehr!«

    Sie schüttelte geknickt den Kopf. Es war nicht ihre erste Diskussion, und wenn sie es nicht beenden würde, wahrscheinlich auch nicht ihre letzte. Sie sah sich in seiner Einzimmerwohnung um. In letzter Zeit wurde er schlampiger. Es roch nach abgestandener Pizza, wahrscheinlich hatte er tagelang nicht gelüftet. Seit er diese Gang gegründet hatte, legte er keinen Wert mehr auf die Wohnung, auf sein Äußeres und vor allem auf ihre Beziehung. Sie versuchte trotzdem, ihn erneut zu überzeugen.

    »Warum nimmt dich denn keiner? Wegen deiner Jugendstrafe, die wird jedoch nächstes Jahr gelöscht. Wenn du die Füße stillhalten würdest, bist du in zwölf Monaten völlig clean, was Straftaten angeht. Mein Gott, verstehe das endlich. Lieber mit Flüchtlingen Pakete ausfahren als mit deiner Scheißgang gegen das Gesetz verstoßen. Merkst du denn gar nicht, wie kurz du davor stehst, dein Leben für immer zu versauen? Und keiner derjenigen, denen du jetzt hilfst, wird dann für dich da sein. Wenn du mich genug liebst, dann löse die Gang auf. Hör endlich auf, Märchen hinterherzuhängen. Denn tatsächlich ist das nur Kinderkram, wenn auch krimineller Kinderkram!«

    Er sah sie an, als wollte er sie mit Blicken töten. Sie kannte dieses Gesicht zur Genüge. Sein Chef-Gesicht, wenn er vor den Halbwüchsigen, seinen 436ern, stand. Malte hatte die Streetgang gegründet und führte sie nach dem Vorbild der New Yorker Banden. Den Namen 436er hatten sie vom Stadtring. Der verlief nur ein paar Meter hinter der Sozialbausiedlung, in der die meisten seiner Gangbrüder irgendwo wohnten. Das Gebiet um den Hermann-Lange-Ring und den Hermann-Tempel-Ring war ein Brennpunkt der sozial Schwachen in Leer. Ein Gebiet, in dem es immer wieder krachte, weil dort Eigentümer von Reihenhäusern und die Bewohner der Sozialbaublöcke als Nachbarn zurechtkommen mussten. Und wer hier bei Beschwerden eine gewichtigere Stimme hatte, sah man, wenn es zum Polizeieinsatz kam. Leider bediente Malte mit seiner Gang genau dieses Klischee von Gewalttätigkeit. Auch wenn sie sich nicht schlugen oder anderen drohten, so war allein ihre Anwesenheit ein Grund dafür, sich nicht zu laut über die Sozialhilfeempfänger in der Nachbarschaft zu echauffieren.

    »Was für eine Bitch bist du eigentlich? Du bist meine Bitch und tust, was ich dir sage. Und jetzt hör auf, mich zu kritisieren! Baby, wir sind eins! Und meine Gang ist meine Familie, da gibt es nichts mehr zu diskutieren.«

    Sie stand auf und atmete ein letztes Mal tief durch. Mit bitterem Ernst in der Stimme sagte sie: »Du hast es wieder getan. Ich habe dich beim letzten Mal gewarnt. Redest du noch einmal mit mir, als wäre ich nur die Hure eines Gangchefs, dann verlasse ich dich. Malte, dies ist kein verdammter Film, in dem der Chef einer New Yorker Streetgang ein Held ist. Hier und jetzt, das ist Realität und von deiner Realität habe ich genug. Es ist endgültig Schluss! Ab jetzt kannst du machen, was du willst.« Mit diesen Worten raffte sie ihre Sachen zusammen, die sie in seiner Einzimmerwohnung noch liegen hatte. Ohne ein weiteres Wort ging sie zur Wohnungstür. Dort fummelte sie Maltes Schlüssel von ihrem Bund und öffnete das Kettchen, das um ihren Hals hin. Das kleine goldene M, die Robbe und ein Herz waren die Schmuckstücke, die ihr Malte in den letzten drei Jahren jeweils zu ihrem Geburtstag geschenkt hatte. »Pass auf dich auf«, murmelte sie traurig. Dann öffnete sie die Tür zu dem nach gebratenem Knoblauch und Kohl miefenden Flur des Wohnblocks.

    »Dann hau doch ab, du Bitch«, schrie er ihr nach, aber folgte nicht. Er war niemals gegen sie gewalttätig geworden, auch wenn er bereits wegen Körperverletzung eine Jugendstrafe auf Bewährung hinter sich hatte. Als sie sich damals kennenlernten, lebte sie mit ihrem versoffenen Vater in einer der Sozialbausiedlungen. Sie war erst vierzehn Jahre alt und Malte gerade einmal sechzehn. Es funkte auf den ersten Blick bei ihnen.

    Seitdem war viel Zeit vergangen. Und die junge Frau war in ihrem Leben ebenfalls mit Meilenstiefeln vorangeschritten. Nur Malte stampfte wütend mit den Füßen auf der Stelle wie ein zorniger klei­ner Junge. Zwar hatte er seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker abgeschlossen, nur war er noch am selben Tag aus seiner Lehrfirma rausgeflogen. Sein großes Maul, seine stadtbekannte Streetgang, die er vor zwei Jahren gegründet hatte, und die Verbrechen, die man ihnen nachsagte, hatten seinem Lehrmeister genügt. Von heute auf morgen saß er auf der Straße und konnte keinen Job finden.

    Sie hingegen hatte sich Hilfe vom Sozialamt geholt, eine kleine Wohnung im Süden von Leer eingerichtet und war seit einem Jahr in einer Lehre zur Speditionskauffrau. Man mochte sie in der Firma, weil sie klug, nett und gesellig war. Sie würde als eine der Besten des Landkreises die Prüfung bestehen, das war jetzt schon ersichtlich. Ihr Vorgesetzter, der Inhaber der Holzeisen Spedition, war stolz darauf, eine so erfolgreiche Auszubildende zu haben. Die Kolleginnen und Kollegen schätzten das hübsche junge Mädchen. Doch einige kannten ihren Freund und hatten sie bereits mehr als einmal gefragt, was sie mit solch einem Verlierer wollte.

    »Du miese Bitch«, murmelte Malte und knallte die Wohnungstür mit einem Schlag zu. Er konnte gar nichts dagegen tun, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. Das machte ihn nur noch wütender. Sich einzugestehen, dass er darüber traurig war, sie zu verlieren, das ging nicht. Diese Tränen wurden zu Tränen des Zorns erklärt. Darum schrie er plötzlich laut: »Du wirst schon sehen, was du davon hast. Das wirst du bereuen, du verdammte Bitch!« Ohne zu denken, schlug er mit der Faust in den Flurspiegel, dass die Splitter flogen. Auch wenn sich seine Sicht trübte von den Tränen, sah er verschwommen die roten Blutstropfen, die von seinen aufgeschnittenen Knöcheln auf den abgewetzten Teppichboden tropften.

    Kapitel 1

    »Morgen ist schon der sechste Januar und wir fangen wieder an zu arbeiten. Du hast jedoch in der Sache immer noch nichts unter­nommen. Du musst dich endlich entscheiden«, sagte Rike zu ihrem Mann. Die beiden hatten den Arbeitsbeginn im neuen Jahr absichtlich auf den Mittwoch verlegt, damit die erste Woche nicht zu lang wurde. Jetzt saß sie mit ihrem Mann, Richard Faber, am Esstisch. Beide hatten das Raclette noch einmal angeschmissen, um die letzte Packung Käse, die von Silvester übrig geblieben war, aufzuessen. Rike Waatstedt war Kommissarin des Polizeikommis­sariats in Emden, und Richard Faber war nicht nur ihr Ehemann, sondern auch ihr Chef. Er leitete als Hauptkommissar den Kriminal- und Ermittlungsdienst Emden/Leer.

    Faber, wie er von fast allen genannt wurde, als ob es sein Vorname wäre, nickte bedrückt. Leider waren die Weihnachtsfeiertage und das Neujahr mit einer dunklen Wolke überschattet worden. Kurz vor Weihnachten war ein ehemaliger Kollege aus Frankfurt in Ostfries­land aufgetaucht. Er hatte behauptet, dass Faber eventuell Vater eines kleinen Jungen sein könnte. Und zwar aus der Beziehung, die Faber mit seiner Ex-Verlobten, Beatrice Kanderrath, gehabt hatte. Der hessische Kriminalbeamte hatte Faber einmal sehr unrecht getan und wollte sich mit dieser Geste bei ihm entschuldigen. Damit Faber die Behauptung prüfen konnte, hatte Frank Kreiger ihm Haare des kleinen Jungen mitgebracht.

    »Ich weiß, ich wollte Philipp über die Feiertage nicht damit belästigen. Aber ich werde ihn kontaktieren, sobald wir im Büro sind, und ihm die Haare von Benny schicken. Er soll dann einen DNA-Vergleich mit mir machen«, erwiderte er und seufzte. Lustlos kratzte er mit dem Holzspachtel den Käse und Schinken auf seine Kartoffeln. So ging es ihm seit zwei Wochen. Immer wenn er an das Thema dachte, verlor er den Appetit.

    Der Chef der Pathologie, Doktor Philipp Schorlau, war nicht nur beruflich für die beiden Kommissare zuständig. Er war über die Jahre auch Richards und Rikes bester Freund geworden. Es entsprach nicht ganz der Legalität, auf diese Weise eine Vaterschaft zu bestimmen. Philipp würde jedoch dem Kriminalhauptkommissar den Gefallen tun. Vor allem, weil er letztes Jahr in einer ähnlichen Situation steckte. Damals hatte Philipp geglaubt, plötzlich eine zwölfjährige Tochter zu haben. Es hatte den Anschein, dass ihnen die Kinder momentan einfach vor die Füße fielen.

    »Hör mal, du musst es ja nicht von Philipp machen lassen, wenn du nicht willst, dass er es erfährt. Hauptsache, du entscheidest dich. Wenn du es nicht wissen willst, dann lass es. Wir vergessen einfach, dass dieser Frank Kreiger überhaupt hier war. Ach, komm schon, mach nicht so ein Gesicht«, versuchte ihn seine Frau aufzumuntern.

    »Liebes, ich kann das nicht einfach ignorieren«, erwiderte er. »Und wenn ich schon etwas Illegales tun muss, dann lieber mit meinem Freund Schorlau im Boot. Ich möchte einmal in Ruhe mit ihm darüber sprechen, wie es damals für ihn war, als er dachte, Vater zu werden. Immerhin hat er eine ganze Weile daran geglaubt. Wahrscheinlich kann er mir mit seiner Erfahrung helfen, richtig damit umzugehen. Im Übrigen weiß ich nicht, wie sicher diese Vaterschaftstests aus dem Internetversand sind. Vor allem, wenn man nur Haare hat und keine Speichelprobe.«

    Rike seufzte und sagte nicht gerade begeistert: »Wenn du meinst.«

    Faber sah sie an. Ihre kurzen, stoppeligen kirschroten Haare standen in alle Richtungen. Rikes schmales Gesicht mit den grünen Augen und die kleine, zierliche Gestalt seiner Frau ließen sie für Faber immer wie eine Elfe wirken. Richard nannte sie manchmal seine Tinkerbell, nach der Elfe aus dem Peter-Pan-Buch. Denn wenn Rike lachte, glich sie Julia Roberts, die Tinkerbell in einer der Verfilmungen großartig verkörperte. Auch wenn ihr Gesichtsaus­druck jetzt eher besorgt und etwas traurig aussah, verlor er sich ganz in ihren Anblick und meinte: »Weißt du, wie sehr ich dich liebe?«

    Rike lächelte und musste an die Anfänge ihrer Beziehung denken. Als er vor dreieinhalb Jahren von Frankfurt nach Ostfriesland versetzt wurde, war er für Rike nichts als ein lästiger Störenfried. Er hatte ihre Beförderung verhindert. Weil er den Job bekam, auf den sie spekuliert hatte. Er war damals arrogant und belehrend und leider darüber hinaus verdammt sexy. Je mehr sie ihn kennenlernte, umso lieber wurde er ihr. Dabei war es gar nicht einfach gewesen, sein verwundetes Herz zu erobern. Auf eine Liebesbeziehung war er wirklich nicht scharf.

    Er war von seiner Ex-Freundin Bea schändlich hintergangen worden. Sie war damals schwanger, und Richard wollte sie heiraten. Er hatte fast sein gesamtes Geld in ihr altes Haus gesteckt. Anschließend hatte er es für seine zukünftige Familie umgebaut, in dem festen Glauben, der Vater des ungeborenen Babys zu sein. Und als er dann auch noch sein sehr erfolgreiches Arbeitsverhältnis bei der Frankfurter Kripo zugunsten eines Ausbilderjobs auf der Polizeischule aufgeben wollte, kam es zum Eklat. Obwohl er nur an Bea und das Kind dachte, denen er so mehr Zeit widmen konnte, war Bea Kanderrath ganz anderer Meinung gewesen. Sie wollte eines Tages mit einem hart arbeitenden, hoch angesehenen Kriminalrat verheiratet sein. Und so als die Frau an seiner Seite mit der politischen und wirtschaftlichen Prominenz Frankfurts verkehren. Auf diese Weise hatte sie ihre Zukunft mit Richard Faber gesehen, den sie grundsätzlich bei seinem zweiten Vornamen Chris nannte, weil das cooler klang.

    »Ja, das weiß ich, mein Liebster«, beantwortete Rike plötzlich seine Frage, nachdem sie ihn einige Zeit fixiert hatte. »Und weil wir, du und ich, miteinander glücklich sind, wird alles gut! Wir schaffen das gemeinsam, solange wir nur immer zusammen sind. Diese Frau wird uns mit diesem Kind nicht dazwischenfunken.«

    Richard seufzte, rang sich ein Lächeln ab und aß einen Happen. Während er kaute, drifteten seine Gedanken jedoch zurück zu Beatrice. Sie hatte ihm damals im Streit gesagt, dass er nicht der Vater ihres ungeborenen Kindes war. Dass sie ein Verhältnis mit seinem besten Freund und beruflichen Partner, Hauptkommissar Frank Kreiger, hatte und dass Frank auch der leibliche Kindsvater war. Richard war ausgeflippt. Er hatte Frank krankenhausreif geschlagen, sein Haus verloren und fast auch noch seinen Job. Mit den letzten Resten seines alten Lebens hatte er sich ans Ende der Welt versetzen lassen. Nach Emden in Ostfriesland. So war er nicht nur Rikes Chef geworden, sondern auch ihr Nachbar. Es war ein Zufall, dass er die baufällige Alte Schule neben Rike und ihrem Großvater Knut Waatstedt gekauft hatte. Tja, und dann, dachte Richard, dann haben wir uns verliebt und jetzt bin ich der glücklichste Mensch auf der Welt, wenn da nicht …«

    »Hör auf, du grübelst schon wieder. Iss etwas!« Rike stand auf und schenkte ihnen noch einen Schluck Rotwein ein.

    »Ich komme mir leider immer noch vor wie ein Idiot«, meinte er plötzlich und trank einen Schluck Primitivo. »Beatrice sagt mir, ich bin nicht der Vater, und ruiniert mir fast mein Leben damit. Und am Ende bin ich glücklicher, als ich es jemals war. Mit dir als meiner Frau und Knut, dem besten Schwiegeropa der Welt. Ich habe ein fantastisches Team und in Philipp einen großartigen Freund. Da taucht diese Frau wieder wie ein apokalyptischer Reiter in meinem Leben auf und haut alles durcheinander.«

    Rike schnaubte verächtlich. »Das passiert nur, wenn du ihr die Macht darüber gibst, Richard«, meinte sie ernst.

    »Leichter gesagt als getan. Es muss stimmen, was Frank Kreiger uns vor ein paar Wochen sagte, nämlich, dass er nicht der Vater von Benjamin ist. Bea hat Frank geheiratet und jetzt lässt sie ihn sitzen. Frank dachte die letzten drei Jahre, dass Benny sein Sohn ist, und plötzlich haut Bea ihm um die Ohren, dass es nicht stimmt. Er ist Kriminalkommissar, sie wusste genau, dass er das sehr schnell mithilfe eines der Gerichtsmediziner prüfen kann.«

    »Ich weiß das doch alles, Richard. Und als Entschuldigung hat er dir die Haare von Benjamin gebracht. Damit du prüfen kannst, ob du der Vater des Kindes bist. Liebster, diese Beatrice ist ein Unmensch, das muss ich dir nicht sagen. Sie hat schon den zweiten Mann todunglücklich gemacht.«

    »Ja!«

    »Fast kann einem dieser Frank leidtun. Kannst du dir vorstellen, was in deinem ehemaligen Freund vorgeht? Er war wahrscheinlich bei der Geburt des Kindes dabei, hat ihn gewickelt, für ihn gesungen, mit ihm gespielt. Und plötzlich wird ihm gesagt, dass er das Kind nicht mehr sehen kann und keinerlei Rechte hat. Wie furchtbar ist das!« Sie stand auf und trat hinter Richards Stuhl. Sie beugte sich runter und umarmte ihn von hinten. Dann drehte sie seinen Kopf zur Seite und küsste ihn innig. »Wenn du es unbedingt wissen willst, dann lass Philipp den DNA-Test ganz schnell machen. Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass Bea dir und Frank Hörner aufgesetzt hat. Dann ist der Vater vielleicht jemand ganz anderer.«

    Plötzlich stand er auf und nahm seine Frau in den Arm. Er blickte auf sie herab, denn seine zierliche Frau war über zwanzig Zentimeter kleiner als er mit seinen eins achtundachtzig. »Ach, Rike, ich wollte mit dir Kinder. Erst seit ich dich liebe, seit ich dich und Knut kenne, weiß ich, was es bedeutet, eine Familie zu haben. Was wird Opa sagen, wenn er hört, dass ich bereits ein Kind habe?«

    Rike stieß ein glockenhelles Lachen aus. »Opilein? Ach, mien Snuutje, unser Knut ist das kleinste Problem. Er ist der gerechteste Mensch in ganz Ostfriesland. Dir würde er nie einen Vorwurf machen. Versprich mir: Wenn Benjamin dein Kind ist, fragen wir Opa, was zu tun ist. Aber ehrlich gesagt, hoffe ich immer noch, dass es nicht so ist. Und unsere gemeinsamen Kinder können noch eine ganze Weile warten. Bitte mach dir keine Sorgen um Knut.«

    »Meinst du wirklich?«, fragte Faber skeptisch, dabei wusste er selbst nicht genau, worauf seine Frage abzielte. Die gemeinsamen Kinder, die noch eine ganze Weile warten konnten, oder dass er sich keine Sorgen machen sollte. Auch wenn es für Rike nicht einfach werden würde, er war davon überzeugt, dass seine Frau Loyalität bewies, wenn Benny sein Sohn wäre. Doch was war mit Knut? Die Liebe seines Schwiegeropas zu verlieren, dass Knut ihn womöglich nicht mehr als ›sien Jung‹ bezeichnen würde oder ihn mit herabwürdigendem Blick ansehen könnte, wäre nur schwer zu ertragen. »Bist du dir sicher, ich bleibe sien Jung, wenn ich plötzlich mit einer anderen Frau ein Kind habe?«

    »Richard, du wirst sein Junge bleiben, bis er nicht mehr hier bei uns ist. Hast du das

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