Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Tödliche Krummhörn. Ostfrieslandkrimi
Tödliche Krummhörn. Ostfrieslandkrimi
Tödliche Krummhörn. Ostfrieslandkrimi
eBook286 Seiten4 Stunden

Tödliche Krummhörn. Ostfrieslandkrimi

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Ein mörderischer Schleier liegt über der ostfriesischen Urlaubsregion Krummhörn. Bei Bauarbeiten wird die mumifizierte Leiche einer jungen Frau entdeckt, mehrere Jahrzehnte lag sie im Fundament des Hotels Deichrose begraben. Hauptkommissar Richard Faber und seine Kollegin Rike Waatstedt von der Kripo Emden werden mit dem Fall betraut. Wer ist die tote Frau, wurde sie ermordet? Eine Identifizierung ist nicht möglich, dennoch ergibt sich schnell ein Verdacht: Silvester 1985 verschwand die Frau des Bauunternehmers Enno Dahlke unter mysteriösen Umständen. Die Ehe war unglücklich, und genau zu dieser Zeit war die Baufirma Dahlke mit der Errichtung des Hotels Deichrose in Ostfriesland beschäftigt... Je tiefer die Kommissare in der Vergangenheit graben, desto düstere Zusammenhänge kommen ans Licht. Sie stoßen auf ein Netz aus Verzweiflung, Korruption und Gier. Die Liste der Verdächtigen wird immer länger, und der Fall mehr und mehr zum Rätsel...

SpracheDeutsch
HerausgeberKlarant
Erscheinungsdatum11. Nov. 2017
ISBN9783955737085
Tödliche Krummhörn. Ostfrieslandkrimi
Autor

Elke Nansen

Elke Nansen ist das Pseudonym einer Autorin, die den Norden und Ostfriesland liebt. Die Nordsee, die unendliche friesische Weite, das platte Land mit seinen ganz speziellen Charakteren – diese Region hat ihren eigenen rauen Charme, hier kann Elke Nansen ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Und so schreiben sich die spannendsten Geschichten manchmal wie von selbst … Besonders angetan haben es der Autorin die ostfriesischen Inseln, die sie alle schon besucht hat. Als leidenschaftliche Taucherin liebt Elke Nansen die See und das Wasser. 8 Jahre hat sie im niedersächsischen Städtchen Verden an der Aller gelebt.

Ähnlich wie Tödliche Krummhörn. Ostfrieslandkrimi

Titel in dieser Serie (16)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Krimi-Thriller für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Tödliche Krummhörn. Ostfrieslandkrimi

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Tödliche Krummhörn. Ostfrieslandkrimi - Elke Nansen

    KAPITEL 1

    Der Bohrhammer der Maschine senkte sich wieder in die Grube und bearbeitete unter ohrenbetäubendem Lärm das Fundament des alten Hotels. Ein Schwarm Möwen schwang sich in die Luft, beschwerte sich mit spitzen Schreien über die Störung und drehte Richtung Deich ab. Selbst die Horde Schafe, die noch vor einer Minute gemütlich auf der Weide gefressen hatte, suchte bei dem Lärm das Weite. Seit Tagen malträtierte das Klopfen der Baumaschine Tiere und Menschen, nur Pietje, der im Führerhaus saß, schien seine helle Freude an der Arbeit zu haben. Plötzlich ging ein Ruck durch die Maschine, der Hammer hatte etwas durchstoßen und Pietje ließ den Bohrarm sofort hochschwenken und stellte den Motor ab.

    „Hannes, brüllte er in Richtung seines Kollegen. „Komm schnell rüber und sieh dir das an. Ich bin anscheinend auf einen Hohlraum gestoßen. So etwas konnte passieren, besonders bei alten Gebäuden, wenn der Beton nicht richtig gegossen worden war. Hannes hatte noch seine Schaufel in der Hand, kam zur Grube und rutschte in die Mulde.

    „Da ist ein riesiges Stück abgebrochen, meinte er zu Pietje. „So’n Schiet, da müssen wir mit dem Presslufthammer ran. Er schnappte sich ein großes Stück der Betondecke und zog es mühsam zur Seite. „Was ist das denn?, fragte er sich laut. „Pietje, komm mal mit der Hacke, da steckt irgendetwas unter dem Holz.

    „Mensch, das ist doch wahrscheinlich nur die Holzverschalung und darunter hat sich eine Luftblase gebildet", erwiderte sein Kollege, stieg dennoch aus, schnappte sich die Hacke und rutschte zu seinem Kollegen runter in die Grube. Sie bugsierten das Ende der Hacke unter das morsche Holz und drückten das Brett nach oben. In dem Moment entfuhr beiden Männern ein Schrei und sie krabbelten aus der Mulde, als ob der Teufel persönlich hinter ihnen her wäre.

    ***

    Hauptkommissar Richard Faber fuhr langsam nach links auf den Bahnhofsplatz, dann sah er endlich das gelbe Backsteingebäude mit dem Polizeischild über dem Eingang. Genervt blickte er in den Rückspiegel, die Ducati war schon eine ganze Weile hinter ihm und der Motorradfahrer machte keinen Hehl daraus, dass Faber ihm einfach zu langsam fuhr. Im letzten Moment sah Faber die freie Parkbucht und schwenkte ein. Hinter ihm quietschten Bremsen, fast hätte er das Motorrad erwischt, das in dem Moment rechts an ihm vorbeiziehen wollte. Der Fahrer rollte mit seiner aufgemotzten Tourenmaschine neben Fabers Kombi und klopfte an seine Beifahrerscheibe. Widerwillig ließ er sein Fenster nach unten gleiten.

    „Haben Sie schon einmal was von Blinken gehört?", knurrte ihn die Frau an und klappte ihr Visier hoch. Ihre grünen Augen funkelten zornig.

    „Und Sie davon, dass es verkehrswidrig ist, rechts zu überholen?", konterte er schlecht gelaunt. Sie kniff die Augen zusammen und Faber erwartete eine weitere Beschimpfung.

    Sie riss sich jedoch zusammen. „Tourist", knurrte sie nur verächtlich, fuhr dann mit der Ducati auf den Bürgersteig und bog hinter dem Polizeigebäude rechts ein.

    „Herzlich willkommen in Ostfriesland", brummte er laut und parkte seinen Privatwagen, der immer noch das Frankfurter Kennzeichen hatte. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, sich ans Ende der Welt versetzen zu lassen, dachte er, stieg aus und schnappte sich sein Jackett von der Rücksitzbank.

    „KHK Faber", wandte er sich an den wachhabenden Beamten, der hinter dem Tresen an einem Schreibtisch saß, und hielt seinen Dienstausweis hoch.

    „Moin, Kriminalhauptkommissar Faber, Sie werden schon erwartet. Zweiter Stock, dritte Tür links, meinte der korpulente Mann in Uniform freundlich, nickte auf das Treppenhaus und drückte den Summer für die Stahltür. „KHK Fendrich wartet auf Sie!

    „Schön, Sie zu sehen, wir freuen uns, dass Sie zu unserem Team stoßen, sagte Kriminalhauptkommissar Fendrich, obwohl er eigentlich schon kein Mitglied der Kripo Emden/Leer mehr war. Heute war sein letzter Tag, er ging in Pension und Richard Faber würde seinen Platz einnehmen. Fendrich betrachtete seinen Nachfolger für eine Weile. Richard Faber war mit seinen ein Meter achtundachtzig einen halben Kopf größer als er selbst. Er hatte eine sehr sportliche Figur, sein volles braunes Haar war kurz geschnitten, und seinen dunkelblauen Augen schien nichts zu entgehen. Jedoch ließ seine Miene nicht die geringste Gefühlsregung erkennen „Kommen Sie, ich stelle Sie erst einmal Ihrem Team vor.

    Als sie das Großraumbüro am Ende des Ganges erreichten, sah Faber vier Beamte in Zivil, die mit Kaffeebechern in der Hand zusammenstanden und ihn interessiert musterten. Drei Männer und eine kleine, zierliche Frau. Sie hatte kirschrotes kurzes Haar und war sehr attraktiv.

    „Das ist Kommissarin Rike Waatstedt, Rike ist …", meinte Fendrich, doch weiter kam er nicht.

    „Oh Gott, der Tourist", entwich es Rike in dem Moment. Faber taxierte sie und als er in die immer noch zornig funkelnden grünen Augen sah, wusste er endlich, wer sie war. Die Ducati-Fahrerin von gerade eben.

    „Frau Waatstedt", sagte er langsam, und zögerlich hob sie ihre Hand, um ihn zu begrüßen. Faber konnte sich nicht erinnern, wann ihn das letzte Mal jemand so voller Abscheu angesehen hatte. Die Dame ist ganz schön angespannt, nur weil ich nicht geblinkt habe, dachte er. Faber ignorierte ihre Hand und ging zum nächsten der neuen Kollegen.

    „Ich hab zu tun", meinte Rike schnippisch, nahm ihre Hand runter und ballte sie zur Faust, dann stürmte sie aus dem Zimmer.

    „Na, dann stellen Sie sich mal lieber selber vor, sagte KHK Fendrich schnell und folgte Rike auf den Flur. „Rike, rief er ihr nach und sie drehte sich um. „In mein Büro, sofort!"

    „Bist du denn von allen guten Geistern verlassen, raunzte ihr ehemaliger Chef sie an, nachdem er die Tür geschlossen hatte. „Das ist dein neuer Vorgesetzter, was sollte denn die Vorstellung jetzt? Du musst mit ihm arbeiten, ob du willst oder nicht, ermahnte er sie.

    Sie sah ihn böse an. „Warum eigentlich?, fragte sie rhetorisch. „Seit einem halben Jahr reden wir über nichts anderes, als dass ich deinen Job übernehme, wenn du in Pension gehst. Ich sollte der neue Chef der Kripo Emden/Leer werden und jetzt zaubern die Herren da oben diesen Kriminalhauptkommissar Faber aus dem Hut und mit meiner Beförderung wird es wieder nichts, knurrte sie ihn an. „Dass ich ein bisschen echauffiert bin, ist ja wohl kein Wunder."

    „Mensch, Mädchen, mach es dir doch nicht so schwer, erwiderte er väterlich und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Ich war doch genauso erstaunt wie du, als man mich davon unterrichtete. Sie haben dringend einen Platz für KHK Faber gesucht. Er musste schnellstens aus Frankfurt versetzt werden, tja und so ist er hier gelandet. Aber er hat sehr gute Referenzen, soll ein wirklich guter Polizist sein. Gib ihm eine Chance, Rike.

    Sie schüttelte ihren Kopf. „Hendrik, warum wird ein Beamter von heute auf morgen versetzt? Der war ein hohes Tier bei der Kripo in einer Großstadt wie Frankfurt und landet plötzlich hier in Emden? Rike blickte stur in Fendrichs Gesicht. „Das nennt man eine Strafversetzung, irgendetwas hat dein Superbulle ausgefressen! Henrik Fendrich schob die Brille auf sein schneeweißes Haar, stöhnte auf und schüttelte den Kopf.

    „Und wenn schon. Rike, denke daran, in zwei Jahren bist du ihn wieder los. Die Versetzung ist zeitlich begrenzt, dann gehört der Chefsessel dir", meinte er beschwichtigend, auch wenn er ihre Argumente nicht von der Hand weisen konnte. Rike hatte recht, Faber musste etwas Gravierendes angestellt haben, sonst wäre er nicht hierher versetzt worden. Der Mann hatte mit seinen fünfunddreißig Jahren eine steile Karriere hinter sich gebracht. Er war von der Drogenfahndung zur Kripo gewechselt, hatte sogar regelmäßig an Profilerseminaren des BKA teilgenommen und seine Aufklärungsrate lag weit über dem Durchschnitt. Kein Kriminalrat, der bei Trost war, ließ freiwillig einen solchen Star gehen. Besonders nicht aus einer Stadt wie Frankfurt am Main, die schon lange auf Platz eins der gefährlichsten Städte Deutschlands lag.

    „Verdammt", fluchte Rike, doch dann nickte sie.

    „Gut so, mien Deern, fiel Hendrik ins Platt, wie er es immer tat, wenn er zufrieden war. „Jetzt gehst du zurück in euer Büro und machst schön Wetter bei deinem neuen Chef, verstanden? Und halt dein zügelloses Temperament unter Kontrolle.

    ***

    Kaum hatte Rike zähneknirschend das Großraumbüro wieder betreten, kam ein Beamter in Uniform an die Tür. „Ihr habt eine Leiche, Rysumer Hammrichschloot, Hotel Deichblüte in Krummhörn, sagte er knapp. „Die zwei lokalen Kollegen sind vor Ort und haben die Meldung bestätigt. Die KTU ist angefordert und sitzt auch bereits im Heli.

    „Ist das in der Nähe des Campingplatzes, das alte Hotel, das zu einem Luxus-Spa umgebaut wird?", fragte Rike erstaunt, denn sie kannte die Ecke ziemlich gut. Nicht weit davon entfernt wohnte sie.

    „Genau, das haben die Kollegen gesagt, beim einzigen Campingplatz dort", erwiderte der Beamte und ging.

    „Sie wissen, wo das ist?, fragte Kriminalhauptkommissar Faber an Rike gewandt. Sie nickte bestätigend. „Dann los, wir beide fahren dahin, sagte er knapp, schnappte sich sein Sakko, das er über einen Stuhl gehängt hatte, und ging zur Tür. Rike sah ihn völlig entgeistert an und rührte sich nicht vom Fleck. „Was ist los, kommen Sie endlich, Frau Waatstedt, oder brauchen Sie eine schriftliche Einladung?" Sie griff in ihren Schreibtisch, holte den Schlüssel des Dienstwagens und folgte ihm. Wenn Faber mit seinen langen Beinen ausholte, brauchte sie mindestens drei Schritte, um mit ihm mitzuhalten, daher rannte sie ihm hinterher.

    „Schlüssel", sagte er knapp, als sie vor dem neuen silbernen VW Passat Kombi standen. Rike öffnete die Fahrertür, dachte jedoch nicht daran, seinem Befehl Folge zu leisten.

    „Ich fahre, bin doch nicht lebensmüde und lasse Sie ans Steuer", erwiderte sie rüde, setzte sich hinters Lenkrad und knallte die Tür zu. Faber stöhnte kurz auf und stieg dann auf der Beifahrerseite ein.

    „Wieso kommt die KTU mit einem Hubschrauber?", fragte er, als sich das Rolltor zur Seite bewegte und sie mit Blaulicht vom Parkplatz fuhr, der hinter dem Polizeigebäude lag.

    „Die Spusi Oldenburg ist für uns zuständig, und weil die auch auf die Inseln müssen, fliegen die meistens. Hat den Vorteil, dass die schnell vor Ort sind", erwiderte sie kalt, dann gab sie ordentlich Gas. Für die knapp zwanzig Kilometer brauchte Rike gerade mal sechzehn Minuten und grinste in sich hinein, als Faber sich immer wieder am Armaturenbrett abstützte, wenn sie ein riskantes Überholmanöver vollzog. Erst als sie auf eine kleine betonierte Straße abbogen, die man in Frankfurt eher als Feldweg bezeichnet hätte, wurde sie langsamer. Dennoch schaukelten die Schlaglöcher beide gehörig durcheinander.

    „Das ist das Ende der Welt", murmelte Faber leise vor sich hin und sah sich die weiten Wiesen und Felder an. Dem idyllischen Anblick mit dem in einiger Entfernung stehenden Leuchtturm konnte er so gar nichts abgewinnen.

    „Wir sind direkt am Deich, gleich dahinten is de See", erwiderte Rike, denn sie hatte seine Worte genau mitbekommen.

    „Was?", fragte Faber aus seinen Gedanken gerissen und blickte auf die begrünte Erhebung, hinter der man nur den Horizont sah.

    „Na, das Meer hinter dem Deich ist die Nordsee, wir sind an der Küste", erklärte sie sarkastisch. Faber drehte sich demonstrativ zu ihr und sah sie an.

    „Frau Kommissarin Waatstedt, ich erwarte nicht, dass Sie mich mögen. Denn ehrlich gesagt mag ich Sie bereits jetzt schon nicht, sagte er ruhig. „Aber da ich Ihr Chef bin, wie wäre es mit einem bisschen Respekt?

    „Elk een noh sien Möög!", war alles, was sie erwiderte. Faber gab auf, machte sich noch nicht einmal die Mühe nachzufragen, was das bedeuten sollte. Eigentlich fühlte er sich gerade nur müde und verstand so langsam, was mit der Sturheit der Norddeutschen gemeint war.

    ***

    Die beiden uniformierten Polizeibeamten hatten bereits ein gelbes Absperrband weitläufig um die Baustelle gezogen und versuchten die Neugierigen, die sich davor eingefunden hatten, zu verscheuchen. Durch den nahe gelegenen Campingplatz waren mehr Menschen hier, als man es von solch einem einsamen Ort erwartet hätte. Rike und Faber griffen sich zwei Polizeijacken aus dem Kofferraum. Die Jacke war ihm an den Ärmeln etwas zu kurz und spannte an seinen Schultern, doch das ging gerade noch. Jedoch hatte er mit seinen großen Füßen keine Chance, in die Gummistiefel zu gelangen. Anscheinend gehörten die Sachen Inspektor Friedhelm Steiner, der normalerweise Waatstedts Partner war und um einiges kleiner als der neue Kriminalhauptkommissar.

    Obwohl die Sonne hoch am Himmel stand und es ein warmer Sommertag war, blies direkt am Meer eine kräftige Brise. Der intensive Geruch von den gelb leuchtenden Rapsfeldern lag in der Luft, Möwen schrien und der Wind trug das Fiepen eines Austernfischers zu ihnen herüber. Doch das schien Faber nicht im Geringsten zu interessieren. Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine steile Falte gebildet und seine Mimik machte den Eindruck, als würde er gerade eine hoch komplizierte Rechenaufgabe lösen. Zügig ging er zum Absperrband und hob es an.

    „KHK Faber, warnte Rike ihn eindringlich. „Wenn Sie da jetzt hingehen und Spuren kaputttrampeln, dann bringt Sie der Chef der Spurensicherung um!

    „Deshalb bleiben Sie auch hier. Sie können mir glauben, ich weiß, was ich tue. Bei Ihnen hätte ich da meine Zweifel", erwiderte er arrogant.

    „Ach so, meinte sie höhnisch. „Und was soll ich tun?

    „Befragen Sie die Zeugen, die die Leiche gefunden haben", erwiderte er und griff in seine Sakkotasche. Er holte ein weißes Plastikplättchen heraus und klappte es auf. Es sah aus wie die gelben Tatortmarkierungen, die von der Spurensicherung benutzt wurden. Dann legte er es knapp vor dem Absperrband auf den Boden und ging dann in einer geraden Linie auf die Baugrube zu. Seine Augen waren konzentriert auf den Boden gerichtet.

    Rike schüttelte ärgerlich den Kopf und sah hoch zum wolkenlosen Himmel, denn gerade kam der Helikopter der KTU an und landete auf der Wiese vor dem Deich. Die drei Forensiker hatten sich im Hubschrauber bereits die weißen Vollschutzanzüge übergezogen und kamen zügig näher. Unwillkürlich stöhnte Rike auf, als sie den Chef der Forensik sah. Es war Dr. Schorlau, dem sie den Spitznamen Nörgelau verpasst hatten. Er war wirklich der unangenehmste von all den leitenden Kollegen bei der Spusi. Als er zu ihr trat und ihren neuen Chef mitten in seinem Tatort erblickte, wie er gerade bei der Grube angekommen war, verfinsterte sich sein Gesicht noch mehr.

    „Wer ist der Idiot, der da durch meinen Tatort stapft, Frau Waatstedt?", fragte er streng und verzog den Mund, als wollte er gleich um sich beißen.

    „Mein neuer Chef", antwortete sie, grinste und freute sich schon diebisch darauf, wie Schorlau Faber in Grund und Boden schreien würde. Doch plötzlich blickte Dr. Schorlau nach unten und sah die Markierung, die Faber aufgestellt hatte.

    „Na, vielleicht doch nicht so ein Idiot", murmelte er plötzlich und schob sich unter dem Absperrband hindurch. Er folgte Faber von der Markierung auf dem gleichen Weg, und als er bei ihm angekommen war, traute Rike ihren Augen nicht. Nicht nur, dass der Miesepeter Schorlau Faber herzlich die Hand schüttelte, er hatte dabei sogar ein Lächeln auf den Lippen. Etwas, das bei Schorlau alle Schaltjahre einmal zu sehen war. Frustriert drehte sie sich um und suchte nach den beiden Bauarbeitern, die die Leiche gefunden hatten.

    ***

    „Meine Güte, Schorlau, dass ich dich noch einmal in diesem Leben treffe, hätte ich auch nicht gedacht", sagte Richard Faber. Schorlau hatte früher beim Kriminaltechnischen Institut in Frankfurt gearbeitet. Es war eine Ewigkeit her und Faber hatte damals gerade erst die Prüfung für den gehobenen Dienst abgelegt gehabt. Doch irgendwann hatte Schorlau die Nase voll von all den Drogentoten und Gewaltdelikten in Frankfurt und war nach Norddeutschland gegangen. Dass er ausgerechnet bei der KTU in Oldenburg gelandet war, hätte Faber sich nicht träumen lassen.

    „Und du, Faber, was machst du auf dem platten Land? Ich dachte, du arbeitest daran, Kriminalrat zu werden", erwiderte Schorlau und grinste ihn an.

    „Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt, gab Faber zurück, denn so gerne er Schorlau auch mochte, wollte er diese Angelegenheit nicht mit ihm vertiefen. „Was meinst du?, wechselte er das Thema und nickte in die Grube. Mittlerweile waren die beiden anderen Kollegen der KTU bei ihnen angelangt.

    „Als Erstes fotografieren wir, dann stellt ein Zelt auf und vorher geht mir da keiner runter, wies Schorlau die beiden an, die sich sofort an die Arbeit machten. Dann wandte er sich wieder Faber zu. „Interessant, meinte er lakonisch und blickte wieder auf den gekrümmten Frauenkörper.

    „Sieht frisch aus, von hier betrachtet kaum Verwesung zu sehen", versuchte Faber, mehr aus Schorlau herauszukitzeln. Doktor Schorlau unterschied sich kaum von all den andern Pathologen, die keine voreiligen Vermutungen äußern wollten. Ständig musste man diesen Leuten die Informationen aus der Nase ziehen.

    „Da liegst du aber gewaltig schief, ließ sich der Doktor dennoch zu einem Kommentar hinreißen. „Die liegt da unten schon sehr, sehr lange. Faber sah ihn überrascht an. Die junge Frau hatte immer noch volles blondes Haar, ihr Gesicht war völlig darunter versteckt. Sie lag in Fötushaltung gekrümmt in dem Hohlraum und selbst die Kleidung war abgesehen von Verschmutzungen noch vollständig erhalten. „Sieh mal genau auf die Hand, meinte Schorlau, als Faber ihn mit gerunzelter Stirn anblickte, und dann erkannte es auch Faber. Die Haut auf der kleinen zarten Hand sah aus wie Pergament. So etwas hatte er bisher nur einmal im Laufe seines Berufslebens gesehen. „Jetzt lass mich arbeiten, in zwei Stunden weiß ich mehr, forderte ihn Dr. Schorlau auf zu verschwinden. Faber trollte sich zurück zum Absperrband und suchte seine neue Lieblingskommissarin.

    Während Faber einige Telefonate führte, sprach Rike eine ganze Weile mit den zwei Bauarbeitern. Die beiden waren immer noch blass um die Nase und konnten gar nicht begreifen, was sie dort gefunden hatten. Doch eigentlich hatten sie nicht viel zu berichten.

    „Und?", fragte Faber, als Rike endlich wieder zum Wagen zurückkam und einstieg.

    „Pietje Walters und Johannes Eberleh arbeiten beide für die Baufirma Dahlke aus Norden", fing sie an, doch Faber unterbrach sie sofort.

    „Wieso sind nur zwei Bauarbeiter hier? Macht man in Ostfriesland so einen Umbau nur mit zwei Leuten?", stänkerte Faber schon wieder rum.

    „Klar, wir ziehen hier den Hut auch mit einem Hammer auf, fuhr ihm Rike in die Parade, dann sagte sie genervt: „Weil nicht mehr nötig waren. Die beiden hatten nur den Auftrag, heute die vier Fundamentpfeiler aufzubohren. Das Haupthaus des Hotels ist fertig, das hier wird der Anbau mit dem Wellnesscenter. War früher mal ein überdachtes Schwimmbad, erklärte sie dann doch recht professionell, denn genau diese Frage hatte sie den Zeugen auch gestellt. „Auf jeden Fall sollen morgen Stahlbetonstützen geschalt und gegossen werden und dann kommen Fertigteile. So ein Wellnesscenter ziehen die mittlerweile innerhalb einer Woche hoch."

    „Verstehe, meinte Faber nachdenklich. „Und konnten die beiden Zeugen noch etwas Sinnvolles beitragen?

    „Eigentlich nicht, der Bohrhammer ist wohl auf einen Hohlraum gestoßen und darunter fanden sie die Leiche. Das war es. Das Hotel gehört einer Kette, der Projektleiter hat ein Planungsbüro in Rysum, einer der Orte, durch die wir hierher gekommen sind. Ein gewisser Olaf Schneider."

    „Dann sollten wir dem einen Besuch abstatten, meinte Faber. „Wundert mich, dass der noch nicht hier ist.

    „Weil ich angerufen habe. Ich wollte vermeiden, dass der hier gleich aufschlägt und uns auf den Füßen rumtrampelt. Er erwartet uns um ein Uhr in seinem Büro", erwiderte Rike und Faber zog anerkennend die Augenbrauen hoch.

    „Sie sind ja doch für etwas nütze", murmelte er und Rike hatte schon wieder die passende Antwort auf der Zunge, doch in dem Moment kam Dr. Schorlau zum Auto und setzte sich auf die Rücksitzbank. Ohne einen Ton zu verlieren, kramte er unter seinem Schutzanzug nach etwas.

    „Und?, fragte Rike ungeduldig und immer noch reichlich verärgert über Fabers Kommentar. „Todeszeitpunkt?

    „Gemach, gemach, junge Frau, erwiderte Schorlau und rutschte zwischen die Vordersitze. „Also in Stunden kann ich euch das nicht sagen, dafür bräuchte ich einen Taschenrechner. Doch meine ungefähre Schätzung ist, dass die Frau vor fünfundzwanzig bis dreißig Jahren starb, meinte der Pathologe mit einem morbiden Lächeln.

    „Wie bitte?", fragte Rike, drehte sich zu ihm nach hinten und sah ihn erstaunt an. Faber jedoch nickte nur. Wir haben es also doch mit einer mumifizierten Leiche zu tun, dachte er in dem Moment.

    „Aber, aber, stotterte sie. „Die Bauarbeiter haben von einem Frauenkörper geredet, nicht von einem Skelett.

    „Wie kam es zu der Mumifizierung, was denkst du?", unterbrach Faber sie und sah Schorlau an. Rike ärgerte sich schon wieder maßlos, denn für ihren neuen Chef schien diese Tatsache keine Überraschung zu sein, jedoch hatte er es ihr gegenüber mit keinem Wort erwähnt. Von Teamwork hält dieser Kerl nichts, schoss es ihr durch den Kopf.

    „Der Hohlraum, so was bezeichnet man als Pfusch am Bau. Die entstehen, wenn man bei zu niedrigen Temperaturen Beton gießt, erklärte Schorlau. „Daher würde ich so kühn sein zu behaupten, eure Leiche landete im Winter dort unten, holte der Doktor dann aus und kramte immer noch nach etwas unter seinem Schutzanzug.

    „Wie muss

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1