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Kurzum - Kurzgeschichten: Vierter Teil:  Mein Sofa, die Erde
Kurzum - Kurzgeschichten: Vierter Teil:  Mein Sofa, die Erde
Kurzum - Kurzgeschichten: Vierter Teil:  Mein Sofa, die Erde
eBook315 Seiten3 Stunden

Kurzum - Kurzgeschichten: Vierter Teil: Mein Sofa, die Erde

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Über dieses E-Book

Willkommen zurück in der faszinierenden Welt der "Kurzum-Kurzgeschichten"! Im vierten Band dieser herausragenden Reihe entführt Sie der Berliner Autor und Herausgeber Bernd Kleber erneut in eine unvergleichliche Symbiose aus explosiven, unterhaltsamen und beeindruckenden Erzählungen. Hier finden Sie literarische Meisterwerke von Autorinnen und Autoren, die Kleber während seiner kreativen Reise entdeckt, schätzen gelernt hat. Die Wertschätzung, diese Geschichten in einem Band zu vereinen, ist mehr als verdient – das werden Sie spüren, wenn Sie die literarischen Perlen dieser Sammlung entdecken. Der renommierte Autor Marco A. Rauch bringt es in seinem begeisterten Vorwort auf den Punkt: "Dieses Buch bietet Ihnen eine Reise in ganz unterschiedliche Welten, ... ", bereiten Sie sich darauf vor, sich in Welten zu verlieren, die so vielfältig sind wie das Leben selbst. Doch Vorsicht! Einmal angefangen, können Sie dem Sog dieser fesselnden Erzählungen nur schwer entkommen. Die süchtig machende Kraft, die bereits die ersten drei Alben dieser Reihe ausgezeichnet hat, wird Sie erneut in ihren Bann ziehen.
Band Vier von "Kurzum-Kurzgeschichten" ist nicht nur ein Buch – es ist ein literarisches Abenteuer, das Sie nicht verpassen sollten. Gönnen Sie sich das Vergnügen und entdecken Sie, warum diese kleine, feine Reihe so viele Leser in ihren Bann zieht. Viel Vergnügen beim Konsumieren dieser wunderbaren Kost!
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum18. März 2024
ISBN9783384160911
Kurzum - Kurzgeschichten: Vierter Teil:  Mein Sofa, die Erde
Autor

Bernd Kleber

Bernd Kleber wurde 1961 in Berlin geboren, ist bekennender Berliner und lebt und arbeitet hier als Kaufmann. Er schreibt beeindruckende Erzählungen, die nach mehr verlangen. Die Philologin Clara Sinn warnt augenzwinkernd vor diesem Suchtpotential. Wir lachen, schmunzeln, sind gerührt bei seinen Stoffen, die in uns nachhallen. Immer sind es emotional verpackte Geschichten, die nicht so schnell aus dem Kopf gehen. In seinen Storys hält er uns oft einen Spiegel vor oder lässt Themen des Miteinander, gesellschaftliche Aspekte einfließen. Fesselnde Unterhaltung auf hohem Niveau, sensibel illustriert aus seiner fotografischen Sammlung. Von seinen Geschichten wurden einige prämiert und in Anthologien verschiedener Verlage veröffentlicht. Viele kennen ihn auch inzwischen aus seinem erfolgreichen Podcast: „Höre, was zu lesen ist …“.

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    Buchvorschau

    Kurzum - Kurzgeschichten - Bernd Kleber

    Foto-Bernd Kleber

    Die Koryphäe – Bernd Kleber

    „Und, wie wars? Habt ihr das Interview im Kasten?"

    „Ja, aber frag’ nicht wie; es war sehr überraschend! Du, unseren Artikel müssen wir ein wenig umschreiben."

    „Wieso? Was ist passiert?"

    „Also, wir fuhren zur vereinbarten Zeit in die Villa der Schröder-Vinius. Was für ein Kasten. Du glaubst es nicht. Deren Hausdame nahm uns in Empfang. Sie brachte dann eine Karaffe Leitungswasser und zwei Gläser und wir saßen da."

    „Ja, und dann?"

    „Eine Dreiviertelstunde nachdem wir alles aufgebaut hatten, Fotokamera stand auf dem Stativ, Diktiergerät lag bereit, kamen die Herrschaften endlich. Beide steinerne Mienen, als gingen sie zum Lächeln in den Keller. Hatten sich richtig in Schale geworfen. Sie, Valentina Schröder-Vinius, fragte, ob wir erst Fotos machen wollen. Sie empfehle das!

    Ehemaliges Kinderzimmer, Musikzimmer und Küche würde sie sich vorstellen können. Wir dürften aber auch den Salon mit dem Flügel des Genies fotografieren.

    Wir sahen uns bedröppelt an, fühlten uns bisschen auf dem Holzweg, aber stimmten sicherheitshalber zu. Was man hat, das hat man, war die Devise. Er, Karl Maria Schröder-Vinius, setzte sich an den Rauchtisch in einen riesigen Klubsessel und zündete sich wortlos eine Zigarre an.

    Hier sind die Fotos. Das ist sie und da er, hier die Räume. In seinem Kinderzimmer hat sich seit seinem Auszug rein gar nichts verändert, versicherte die Alte. Und guck dir ihre Robe an, sie kam tatsächlich in glitzerndem Gold zum Interview…

    Dann saßen wir in diesem Raum, der inzwischen von ekligem Zigarrennebel eingeräuchert war. Ich hustete einmal, da sah mich der Hausherr streng an. Ich traute mich kaum noch zu atmen.

    Ich fragte endlich nach Hubert und was sie denn von seiner Karriere hielten.

    Er räusperte sich und meinte, dass sich eben nur harte Arbeit und die notwendige Disziplin bezahlt machen würden und daher hatte Hubert jeden Tag seine Stunden. Nach der Schule kam ein Privatlehrer, der mit ihm Etüden paukte. Vor allem das ‚Wohltemperierte Klavier‘ sollte sitzen und die Goldberg-Variationen sollten zu Referenzeinspielung gedeihen. Als Vorbild diente Glenn Gould. Der Junge übte jeden Tag, bis er todmüde ins Bett fiel. Seine Eltern haben abwechselnd den Übungen zur Kontrolle einige Minuten beigewohnt. Jenem Lehrer statteten wir später ebenfalls einen Besuch ab. Aber eins nach dem anderen.

    Die Alte war wohl selbst eine begnadete und gefeierte Konzertpianistin in Sankt Petersburg, bevor sie auf einer Tournee durch Deutschland ihren jetzigen Mann kennenlernte und die beiden heirateten.

    Er war Violinist bei den Stuttgartern, hat da wohl fünfunddreißig Jahre im Staatsorchester gefiedelt. Und nun seien sie so stolz auf ihren Virtuosen, die Tourneen, die Erfolge, die Plattenaufnahmen. Wir waren noch unsicher, aber sind ja nicht umsonst Investigative, dass wir nicht genau gefragt hätten. Also bohrte ich nach, welchen Erfolg ihres Sohnes sie denn am meisten bewunderten und war sehr gespannt, hat er doch mittlerweile vier goldene Scheiben und eine Platin.

    Da sagte der Alte, dieser Karl Maria … ‚Nachtigall ick hör dir trapsen, wer da bei der Namensfindung an den alten Weber gedacht hat‘ … das sei nicht einfach zu benennen. Und man betonte, dass die Häuser Schröder und Vinius nur so vor Musiktradition strotzen würden. Da müssen wir noch den Stammbaum nachrecherchieren, aber da ist die Elfi schon dran…

    Jedenfalls sagte der Karl Maria mit spitzer Zunge, dass natürlich die Neueinspielung von Schumanns 'Kinderszenen', insbesondere die 'Träumerei', die beste Einspielung ihres Sohnes sei und es nur ihm gelungen war, und nun muss ich meine Notizen vorlesen: dem Werk eine wahrhafte Strahlkraft zu injizieren. Einerseits mit einer sehr modernen Attitüde zu versetzen und trotzdem in seiner Feinheit und mit seinen Details, brillant, über jeden Zweifel an einer entstandenen Referenzaufnahme erhaben sei. Und ganz besonders freue sie natürlich, dass Hubert dafür den Echo Klassik erhalten habe, wie es ja in allen Fachgazetten geschrieben stand. Sie nannten dann Rondo, Crescendo, Das Orchester und sogar The Strad … Ja, warte, warte, sag noch nichts …

    Dann bat sie uns ins Musikzimmer und stellte eine absolut exquisite Highend-Anlage an, legte eine CD ein und wir hörten Klaviermusik, keine Ahnung von wem und was, jedenfalls zog es sich ziemlich hin. Ich sah immer wieder zu Paul hinüber und hob meine Augenbrauen, doch der drückte mit der ausgestreckten Hand nur Luft zu Boden, ich solle mal abwarten. Die beiden Alten hielten ihre Augen geschlossen und schaukelten ihre Körper.

    Dann geschah Merkwürdiges. Die Schwester von Hubert, Katharina, kam herein und äußerte, wir sollten nun zum Ende kommen, würde es ihre Eltern doch zu sehr anstrengen.

    Daraufhin wischte Karl Maria die junge Frau mit nur einer einzigen Handbewegung aus dem Zimmer. Es sah wirklich aus, als würde die Tochter diese Bewegung körperlich spüren. So verzog sie ihr Gesicht. Er wurde laut: ‚Geh, geh, Katharina, es ist unerträglich. Immer und immer wieder neidest du deinem Bruder seinen Erfolg. Dein Bruder ist eben ein musikalisches Genie.

    Störe uns nicht in unserem Interview mit der Colour. Das ist schließlich eine hochangesehene Fachzeitschrift im Klassikbereich.‘

    Katharina kniff die Augen zusammen und meinte beim Hinausgehen: ‚Ihr seht nur, was Ihr sehen wollt!‘"

    „Aha, sehr interessant!"

    „Valentina bat uns, diese Bemerkung zu überhören und davon nichts in unserem Beitrag zu erwähnen. Das Kind sei lediglich eifersüchtig.

    Ich fragte dann, ob sie Hubert schon einmal auf einer Tournee begleitet oder eines seiner Konzerte besucht hätten und wartete gespannt ihre Reaktion ab.

    Sie verwiesen auf eigene Verpflichtungen und darauf, dass ihr Sohn unter einer angeborenen „Performance Anxiety leide und keine Anwesenheit von Verwandten und Bekannten dulde. Das respektierten sie natürlich.

    „Das klingt ja alles sehr merkwürdig! Und nun? Was habt ihr dann gemacht, gesagt, getan?"

    „Wir trauten uns kaum … wir waren beide ratlos. Ich versuchte ein zweites Mal… ‚Wir sind natürlich sehr froh, hier sein zu dürfen und wissen um die grenzenlosen Erfolge ihres Sprosses. Eben darum sei es ja so wichtig, einen entsprechenden Artikel zu veröffentlichen. Haben Sie denn der Auszeichnung beim Echo beigewohnt?‘

    ‚Nein, auch da nicht. Da musste Hubert ja eine Dankesrede halten … aber wir erhielten ein Foto, auf dem er den Echo, also diese Trophäe, vor der Presse in die Luft hielt.

    Er trug ein goldglitzerndes Jackett, ähnlich dem Stoff meines heutigen Kleides hier, ihm zu Ehren … das habe ich mir nach dem Echo anfertigen lassen. Werden ihre Fotoaufnahmen dem exquisiten Material gerecht?‘

    ‚Sie sehen hervorragend aus auf den Fotos. Wir lassen ihnen gerne einige Abzüge zukommen.‘

    Wir fragten dann Huberts Eltern, wie oft dieser denn sein Elternhaus besuche, ob er denn heute zufällig käme, weil wir ihn leider nicht für ein persönliches Statement erreichen konnten.

    Sie echauffierten sich darauf ein wenig, ob wir denn so uninformiert seien, dass wir nicht wüssten, wie beschäftigt ihr Virtuose wäre.

    Ich fragte, was sie von Unterhaltungsmusik hielten. Nach Luft schnappend, erwiderte sie, das sei nur was für einfache Menschen.

    Jedenfalls wagten wir uns nicht mehr zu fragen und packten ein."

    „Was? Und dann?"

    „Dann sind wir zu besagtem Klavierlehrer gefahren. Die Adresse hat uns Valentina freimütig gegeben."

    „Und?"

    „Na, das war eine Sensation! Der war auch zuhause. Schon nach wenigen Sätzen machte er klar, Hubert konnte nie Klavier spielen.

    Immer, wenn die Eltern in den Raum kamen, spielte er das Wenige, was halbwegs makellos klang und selbst dabei fühlte er sich unwohl. Die Eltern seien die reinsten Tyrannen gewesen und noch heute.

    Grundkenntnisse in Musik hatte Hubert umfangreichere als andere Kinder und er besuchte ja auch das Konservatorium, jedoch haben seine Wurstfinger nie zum Pianisten gereicht. Beide beschlossen heimlich, also Lehrer und Sohnemann, den Jungen auf den Percussions mit Spezialisierung Triangel zu schulen. Weiß nicht, ob das mit der Spezialisierung hinkommt, denn dieser Lehrer lachte auch, als er das erwähnte.

    Jedenfalls gefiel das Hubert sehr und so wurden sie Freunde bis heute. Hubert gaukelte seinen Eltern etwas vor, fälschte Berichte und Zeitungsausschnitte, die gerahmt im elterlichen Musikzimmer prangen. Papa und Mama wüssten gar nichts von seiner tatsächlichen Karriere. Nur seine Schwester wisse Bescheid, die sei ja schließlich seine Managerin und mache die ganze Kohle mit ihm. Ich fragte noch nach Schumann und der CD, die wir bei den Alten gehört hatten. Da meinte der Lehrer, dies sei eine Raubkopie der Aufnahmen von Alfred Brendel. Er habe die Kopie für die Eltern Huberts erstellt und mit Label versehen. Und man solle den Jungen doch endlich zur Ruhe kommen lassen, ihm seinen Erfolg gönnen.

    Na, wir wieder zurück zu den Eltern, die ließen uns auch nochmals rein und fragten uns, ob wir etwas Wichtiges vergessen hätten.

    Dann startete ich vorsichtig, ob sie schon mal von Marianne Rosenberg und ihrer Marlene gehört hätten? Nein. Ob sie von dem jungen Mann aus dem Les Humphries Chor mit seinem Bett in der Natur, genauer gesagt im Kornfeld wüssten. Nein. Ob sie wüssten, dass Christians Zug nach Nirgendwo führe. Nein.

    Und dann fragte ich, ob sie je den Song mit dem Titel 'Bumswallera' gehört hätten, von Hubert Sonnenschein, mit den Zeilen:

    ‚Meine Triangel, meine Triangel, die kann so schön lange, auch in dir, auch in dir.‘ Da schmissen sie uns raus."

    „Wie? Schmissen Euch raus?"

    „Na sie schrie, warum wir so vulgär seien und der Alte verschwand in einem Nachbarraum. Als wir die Polizeisirenen hörten, sind wir eilig davon."

    „Und was wollt ihr nun über unseren Goldjungen schreiben?"

    „Na, genau das … „

    „Ehrlich?"

    „Ja: Als Hubert am Bett im Kornfeld vorbeikam, in den Zug nach Nirgendwo mit Marlene einstieg und seinen Superhit 'Bumswallera, meine Triangel' kreierte, den Malle-Feten Hit des Jahres. So ungefähr."

    „Und was, wenn die Eltern Euren Beitrag lesen?"

    „Das überlassen wir Hubert …"

    Foto - Bernd Kleber

    Flüchtig – Ina Rieder

    Auf meinem Spitzboden steht eine Kiste mit ihrem Namen darauf. Ich habe sie gleich neben der Luke platziert, damit sie jederzeit griffbereit ist. Letzten Sommer habe ich ihre persönlichen Gegenstände dort hineingepackt. Zwischen all dem Krimskrams liegt auch noch ein Funke Hoffnung.

    „Es tut mir leid!, würde ich gerne zu ihr sagen. „Du bist ein wundervoller Mensch! Ich liebe dich!

    ***

    Ich sitze in meinem schiefen Hexenhäuschen. Von Efeu umrankt, von Rosen umrahmt. Rundherum ist alles grün, von Feldern und Wiesen umgeben. Hügelig, ein bisschen Wald.

    Nicht kalt fühlt es sich an, sondern warm, wie Wasser von der Sonne erhitzt. In der Nähe fließt ein Bach, Vögel zwitschern vom Dach. Mein Tisch ist rund und gerade so groß, dass ich mich nicht einsam fühlen kann. Denn ich bin allein. Die Fenster haben Sprossen, lassen Licht ins Innere. Wenn ich nach draußen sehe, verschmelze ich mit meiner Umgebung und bitte um Vergebung. Darum, dass ich es nicht besser hinbekommen habe, das mit mir und dem Leben. Ein stetiges Beben und Streben nach Liebe. Die Stimmungen Anderer schwappen zu mir über, bringen meinen Körper zum Schwingen, meine Seele zum Singen. Worte dringen an mein Ohr, verbohren sich, beschäftigen meinen Verstand, rütteln an meinen Gefühlen. Doch irgendwie drehe ich mich immer um mich selbst, habe meinen Platz noch nicht gefunden. Unumwunden – nicht gefunden.

    Mein Blick schweift durch den Raum, bleibt an der runden Wanduhr haften. Bald fünfzehn Uhr. Plötzlich sehe ich sie in der Küche hantieren. Sie dreht sich zu mir um, lächelt mich an, als hätte sie nie etwas anderes getan.

    „Magst du auch ein Stück Kuchen und Tee?"

    Ich nicke nur, stehe auf, bringe Teller, Gabeln und Tassen. Der Duft frischen Marmorkuchens zieht durch den Raum. Sie schneidet den Kuchen in dicke Stücke, setzt sich neben mich, an meinen runden Tisch. Meine Gabel klappert auf dem Tellerrand und ich spüre ihre warme Hand.

    „Ich … Es …", stottere ich vor mich hin.

    „Pst!, sagt sie. „Nicht jetzt. Sei still!

    Wir schweigen zusammen und essen. Die Erinnerung an unseren letzten Moment werde ich nie vergessen.

    ***

    Es war im Sommer. Die Sonne senkte sich, die Grillen zirpten und es lag dieser Duft von frischem Heu in der Luft. Wir saßen draußen am Teich. Unsere Füße vom Wasser geküsst, die Köpfe erhitzt.

    „Ich muss dir was sagen", begann ich.

    Sie schaute mich an. Ich spürte Enge in meiner Kehle, ein Stich in meiner Seele.

    „Als ich das letzte Mal in der Stadt …", begann ich und stockte.

    Die Zeit stand für eine Weile still. Sekunden dehnten sich kaugummimäßig, zäh und bräsig. Ich zählte die Rosen im Wasser. Eins, zwei, drei, vier. Mein Blick wanderte wieder zu ihr.

    „Was ist passiert, als du das letzte Mal in der Stadt warst?"

    Sie zog ihre Füße aus dem kühlen Nass und rieb sie mit einem Handtuch trocken. Dann schlüpfte sie in ihre Socken und lächelte mich auf eine Weise an, die Eis zum Schmelzen bringen kann. In meinem Bauch ziepte es, als hätte jemand meine Gedärme durcheinandergerührt. So habe ich es in Erinnerung und meine Gedanken kreisten immer um diese eine Sache. Warum bin ich nicht einfach gegangen? Was hat mich so gefangen?

    „Also …", zögerte ich.

    „Na, sag schon!", drängte sie mich.

    „Ich hatte noch etwas Zeit, bis zu meinem nächsten Termin, lief ziellos durch die Stadt. Plötzlich stand ich vor ihrem Haus …"

    „Vor welchem?"

    Ich blickte zu Boden. Meine Hände zitterten, die Stimme bebte.

    „Runas", flüsterte ich und hatte das Gefühl, eine geplatzte Kaugummiblase würde meine Lippen verkleben. Der reine Klang ihres Namens brachte mein Gegenüber zum Beben.

    „Es war reiner Zufall. Ich wollte das nicht. Ehrlich. Es tut mir leid", murmelte ich.

    „Schau mich gefälligst an!"

    Ihre Stimme klang alles andere als freundlich. Mir wurde bang, ich hob meinen Kopf. Ihre Augen schienen größer, ihr Herz kleiner – alles Dank meiner.

    „Ich glaube eher, deine sehnsüchtigen Gedanken haben deine Beine vor Runas Haus gelenkt und du hast ihr dein charmantes Lachen geschenkt!"

    Eine fette Falte bildete sich vertikal zwischen ihren Augenbrauen.

    „Ich wollte mich nur mit ihr aussprechen. Doch es war wieder diese Magie zwischen uns."

    „Verschon mich, ja!"

    „Lass mich ausreden. Ich habe meine Nachmittagstermine abgesagt. Wir haben zusammengesessen, die Zeit vergessen …"

    „Was? Sie sah mich entgeistert an. „Wenn ich dich einmal darum gebeten habe, auch nur einen deiner Termine zu verschieben, war es schon zu viel!, rief sie aus, sprang auf, schaute mit verschränkten Armen auf mich herab.

    „Es tut mir leid. Nachdem wir …, hat sie mich mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen aus ihrem Haus gejagt." Ich wuchtete mich hoch. Meine Freundin schnappte stumm nach ihrem Handtuch.

    „Soll ich jetzt Mitleid mit dir haben?"

    „Bitte höre mir zu! Ich wollte das nicht! Ich habe mich in Runa getäuscht. Jede Magie hat sich mittlerweile im Nichts aufgelöst."

    „Geh bitte, bat sie mich mit einer Energie, die keine Widerrede zuließ. „Ich schlafe diese Nacht hier, sagte sie und ich sah sie nur noch von hinten, in unserem Gartenhaus verschwinden.

    ***

    Und jetzt, Jahre später, sitzt sie plötzlich wieder hier, neben mir, an meinem runden Tisch.

    „Ich liebe Dich und vergebe dir, sagt sie, als gäbe es daran nichts zu rütteln. Doch ich kann meine Schuldgefühle nicht abschütteln. Ihre warmen Worte dringen wie durch Watte zu mir durch. „Komm schon, fordert sie mich auf, steht auf und breitet ihre Arme aus. Alles in mir sträubt sich, wehrt sich und verzehrt sich. Dann gebe ich nach und lasse mich umhüllen, diese latente Leere durch Liebe in mir füllen.

    „Ich liebe dich auch. Du bist wundervoll."

    Dann ist sie weg. Flüchtig wie ein Sprühnebel im Morgenglanz. Und da ist sie wieder diese Distanz, zwischen mir und dem Leben.

    Ich steige noch einmal hoch, zu meinem Spitzboden, öffne diese Kiste mit ihrem Namen drauf. Staubwölkchen wirbeln durch die stickige Luft. Ihr Sterbebildchen wandert in meine Hand, mein Zeigefinger streift zärtlich über den Rand.

    ______________________________________________________________________

    Die Kufsteiner Autorin und Comedian Ina Rieder nutzt häufig die Stille der Nacht, um zu schreiben oder neuen Content zu kreieren. Ihre Prosa- und Lyrik-Texte sind in verschiedenen Anthologien und Magazinen vertreten. Folge Ina auf: https://www.instagram.com/autorinina/

    Foto – Bernd Kleber

    Raucherpause - Bernd Kleber

    Susanne fummelt an der Schachtel und zittert. Endlich fingert sie einen Stängel heraus und steckt ihn in ihren rotgemalten Mund. Sofort sieht man die Abdrücke ihrer Lippen auf dem Filter. Sie lehnt sich zu Klaus und nickt einmal. Der greift in die Hemdtasche und zieht ein Feuerzeug hervor. Es klickt. Sie atmet tief ein, inhaliert.

    „Er hätte ja aber auch mal was sagen können!"

    „Ja!", raunt Ewald. Der raucht nicht. Schlurft nur mit ins Freie zur Pause. Und nun sitzen sie dort. Die Nichtraucher versuchen, die Luft zu schnappen, welche nicht vom Nikotin angereichert wurde.

    Conny steht am Rand, hat eine dieser E-Zigaretten in der Hand. Wenn sie daran zieht und das Inhalat ausdampft wie eine alte Lok, dann schweben riesige Wolken vorbei. Sicher wandern die zum Himmel und bilden diese Chemtrails. Sie scharrt mit ihren Sneakers im Kies.

    „Hör doch mal auf, Conny, das klingt abartig."

    „Ja, ist ja gut!"

    „Wer übernimmt denn nun seine Schicht? Da muss sich schnell jemand finden. Ich kann nicht", sagt Evi.

    Klaus knetet seine Unterlippe.

    „Es tut mir so leid. Der arme Kerl", murmelt er.

    „Ja!", hustet Ewald und spuckt zur Seite. Seine Kippe schnipst er über die Grundstücksgrenze.

    „Ewald!", Susanne verdreht die Augen und brummt.

    „Weiß eigentlich jemand, wo er wohnt?"

    „Ich glaube im Kaskelkiez."

    „Warst Du schonmal bei ihm?, fragt Evi, „Neulich hat er mich zu einem Bier nach Feierabend eingeladen. Ich hatte keine Zeit … nee, keine Lust. Nun fühle ich mich schlecht.

    „Ja, ich war mal da, sagt Conny, „Eine schöne Wohnung, zwei Zimmer, Balkon dabei. Erster Stock. Sie schießt ein Steinchen fort.

    „Was hast du bei ihm gemacht?", schnarrt Susanne und zieht sofort an ihrer Zigarette mit einem Geräusch wie von der Intensivstation.

    Conny sieht ihre Kollegin an, zieht ihre Augenbrauen hoch und schüttelt den Kopf. „Nichts! Außer einer Gassirunde. So ein süßer Köter aber auch …"

    Es ist wieder still. Klaus sieht zur Uhr, die an der Hauswand hängt wie ein mahnendes Menetekel. Tick tack verrinnt die Pausenzeit.

    „Ich mach‘ seine Schicht!", schlägt Paul vor, der auch nicht raucht.

    Alle sehen ihn an.

    Conny fragt: „Schaffst du das?"

    „Ja, kein Problem. Ich mach‘s. Und dann müssen wir aber den Alten auffordern, den Schichtplan erstmal neu zu schreiben", gibt er zu bedenken.

    Conny schluchzt. Ewald nimmt sie in den Arm. Klaus steht daneben und hebt beide Hände.

    „Er war gerade so glücklich. Oder haben wir was falsch eingeschätzt?", heult Conny und scheint kaum Luft zu bekommen.

    Susanne räuspert sich: „Nun nimm dir das doch nicht so zu Herzen. Das Leben geht weiter."

    „Was?! Conny hält inne. Mit dem Atmen, Schluchzen, Blinzeln. „Was hast du gesagt? Was bist du nur für eine herzlose Person. Er ist tot!

    Susanne stolpert einen Schritt zurück und zuckt mit den Achseln. „Alles Leben endet einmal! Menschen, Tiere, Pflanzen sterben eben. Und ihr habt doch keine Ahnung von ihm.

    Niemand hat mal gefragt, wie es ihm

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