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Perfekt unvollkommen: Wie ich das Unerwartete als Chance begriff
Perfekt unvollkommen: Wie ich das Unerwartete als Chance begriff
Perfekt unvollkommen: Wie ich das Unerwartete als Chance begriff
eBook221 Seiten2 Stunden

Perfekt unvollkommen: Wie ich das Unerwartete als Chance begriff

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Über dieses E-Book

Wie weit geht die Gesellschaft, um Perfektion zu fordern?

Ist vollkommene Perfektion erstrebenswert?

Tauchen Sie ein in die bewegende Lebensgeschichte von Manuela Schlüssel, einem inspirierenden Zeugnis für die Macht der Selbstfindung. Von anfänglichen Rückschlägen bis zu triumphalen Erfolgen – jede Seite ist gespickt mit unvergesslichen Momenten. Erleben Sie Mut, Entschlossenheit und die Kraft des menschlichen Geistes.

Manuelas vielfältige Erfahrungen sollen zum verbindenden Element für ihre Leser werden – quasi eine Brücke zu ihren eigenen Herausforderungen. Denn inmitten von Rückschlägen und Unsicherheiten lässt die Autorin etwas Wichtiges erkennen: Aufgeben ist keine Option!

Begleiten Sie Manuela Schlüssel auf einer Reise durch die Extreme des Lebens mit einem klaren Ziel: Perfekt unvollkommen zu sein, ist absolut in Ordnung!
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum22. Jan. 2024
ISBN9783384125330
Perfekt unvollkommen: Wie ich das Unerwartete als Chance begriff
Autor

Manuela Schlüssel

Manuela Schlüssel wurde im am 15.05.1975 in Winsen/Luhe geboren und musste schon früh lernen, was es heißt sich durchzukämpfen. Vom Pflegekind zur selbstbestimmten Frau war ein steiniger und sicherlich beschwerlicher Weg. Manuela Schlüssel wuchs unter schwierigen Umständen auf, doch sie ließ sich nie unterkriegen. Mit unglaublicher Willenskraft und Entschlossenheit arbeitete sie hart an ihren Zielen. Obwohl das Leben sie oft herausforderte, fand sie immer einen Weg, sich durchzusetzen und ihre Träume zu verfolgen. Ihre Erfahrungen prägten sie zu der starken, unabhängigen Frau, die sie heute ist. Und daher ihr Credo: Aufgeben ist keine Option.

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    Buchvorschau

    Perfekt unvollkommen - Manuela Schlüssel

    Fehlstart ins Leben

    Ich versuchte, mit meinen dünnen Armen so viel wie möglich meines nackten neunjährigen Körpers zu verbergen. Schweiß tropfte von der Nasenspitze zwischen meinen Schenkeln auf die Holzbank. Ich zählte den Abstand zwischen den Tropfen, während der Sand viel zu langsam durch die Verengung im Glas rieselte. Zuletzt waren es zwölf. Weil mich der Knall erschreckte, flog der nächste Tropfen schon nach drei Sekunden in hohem Bogen von meiner Nase.

    Der nackte Mann neben mir war rot wie eine zu lang gekochte Nordseekrabbe. Er schlug sich mit einer Rute auf den Rücken und stöhnte vor Schmerzen auf. Ich rutschte von ihm ab, bis ich mich an der Wand der Holzhütte verbrannte. So heiß konnte es nicht mal in der Hölle sein, dachte ich. Endlich hatte er ein Einsehen mit mir und goss Wasser auf die glühend heißen Steine. Das wird die Steine abkühlen und gleich wird es hier drin kühler, hoffte ich. Stattdessen umhüllte mich eine siedend heiße Dampfwolke. Durch das Fenster in der Tür sah ich den See mit dem Steg. Ich musste hier raus. Sofort! Aber eine feuchte Hand verhinderte meine Flucht aus dieser dampfenden Hölle.

    »Erst wenn die Sanduhr abgelaufen ist, Priby!«

    Mist. In der oberen Hälfte war noch mehr drin als in der unteren. Die Hitze raubte mir den Atem. Ich versuchte es durch die Nase und verbrannte mir die Nasenscheidewand. Das wusste ich so genau, weil Nase, Mund und Ohren Thema der letzten Biologiestunde waren.

    Panisch im Endstadium befreite ich mich aus den Zangen der roten Riesenkrabbe und stolperte durch die Holztür ins Freie. Ich inhalierte kühle Luft und rannte zum See, als wäre der Teufel hinter mir her. Ich spurtete über den Steg und sprang an dessen Ende in den finnischen Waldsee. Uwe hechtete nackt hinterher und kam mit wild rudernden Bewegungen auf mich zu gekrault.

    »Na, wie war dein erster Saunabesuch, Priby?«, fragte mein Vater, zu dem ich nicht Vater sagen durfte. Was nach einer Szene eines Skandinavien-Krimis klingt, war mein Sommerurlaub in Finnland.

    Nimmt man die Herausforderung auf sich, sein Leben zwischen zwei Buchdeckeln zu komprimieren, stellt sich bald eine Frage: Mit welchem Augenmaß bewertet man Erinnerungen? Mit dem meines neunjährigen Ichs? Oder mit der Abgeklärtheit einer zweifachen Mutter? In den Augen meines neunjährigen Ichs waren diese Urlaube Horror wie im Stephen-King-Roman: wild Campen und hinter eine Birke pinkeln, anstatt im kuscheligen Hotelbett zu schlafen und in einem Pool zu schwimmen. Ein Floß bauen, anstatt am Adriastrand mit dem Tretboot zu fahren. Eine Pinkelwurst ins Lagerfeuer halten, anstatt Pizza Quattro Stagione und Tiramisu zu mampfen.

    Richtige Urlaube boten die Hochglanzbroschüren an, die uns Reisebüros ungefragt ins Haus schickten und ungelesen im Müll landeten. Unsere finnischen ›Survival-Sommerferien‹ hingegen waren für mich so cool wie die geflickten Bonanza-Latzhosen, wegen denen ich in der Grundschule nach damaligen Begriffen gehänselt und, nach heutigem Sprachgebrauch, gemobbt wurde.

    Jahrzehnte später sind diese Erinnerungen zu einem Aquarell eines Blockhauses am einsamen See weichgezeichnet, an dem wir jeden Sommer vier Wochen am Stück verbrachten. Sie begannen alljährlich mit demselben Ritual: Als alle unsere Taschen im Kofferraum des Ladas verstaut waren, drückte Uwe eine Kassette ins Autoradio und drehte den Lautstärkeregler auf Anschlag. Während wir lauthals If you leave me now von Chicago aus den heruntergekurbelten Fenstern brüllten, fuhr er mit einem zufriedenen Lächeln aus der Stichstraße. Und unsere Nachbarn wussten: endlich mal wieder ein Monat Ruhe von dieser Sippe, deren Werte nicht in diese konservative Wohngegend passten. Erschreckend finde ich jedoch, dass meine schrecklichen Erinnerungen greifbarer zur Verfügung stehen als die Highlights meiner Jugend – als müssten sie durch das schwarze Loch meiner frühesten Kindheit tauchen, um ans Licht zu gelangen. Als hätte ich eine Kamera im Kopf, die dunkle Bilder tief und fest ins Unterbewusstsein ätzt, während die fröhlichen und überbelichteten Abzüge null Spuren hinterlassen. Als neunjähriges Mädchen spielte ich unheimlich gerne.

    Als fast fünfzigjährige Frau weiß ich: Das gesamte Leben ist ein Spiel. Ein Pokerspiel.

    Sobald man den Geburtskanal verlassen hat, werden dem Säugling die ersten beiden Karten im Spiel des Lebens zugeteilt. Die Frau, der das Neugeborene blutverschmiert auf die Brust gelegt wird, ist eine davon. Der Mann, der ihre Hand hält und dieses kleine Wunder noch gar nicht fassen kann, die zweite. Später kommen weitere Karten wie Ausbildung, Job und Ehepartner dazu, sodass mit dem ersten Blatt noch nichts gewonnen ist. Dennoch mischt sich mit einem König und einer Dame ein siegessicheres Grinsen ins Pokerface eines Neugeborenen. Meine erste Karte war eine Niete. Eine glatte Null. Nennen wir sie Manny. Er selbst hielt sich nicht für eine Null. Immerhin war er der Dorfheld. Mutig und stark. Zumindest, wenn er betrunken war – so wie fast jeden Tag.

    So wie auf dem Dorffest des niedersächsischen Kaffs, aus dem seine Familie stammte. Dort fiel dem Dreißigjährigen ein zierliches blondes Mädchen auf. Manny machte sich an die Siebzehnjährige heran und demonstrierte ihr bei dem blinkenden Gerät seine Stärke. Er nahm drei Meter Anlauf und knallte mit seiner Faust einen Boxsack so heftig hoch in die Verankerung, dass das Licht in der Säule von Schwächling bis zu Herkules hochschnellte und sogar ein roter Alarm ausgelöst wurde. Das beeindruckte die junge Dame. Mit diesen starken Armen könnte der Mann sie vor den aufdringlichen Jungs im Zelt beschützen. Darum ließ sie sich auf einen Drink einladen. Und danach auf noch einen. Und noch einen.

    Dass er seine starken Arme gegen sie erheben könnte, daran dachte die Unschuld vom Land nicht. Sie durfte zwar noch keinen Alkohol trinken, trotzdem flößte Manny ihr reichlich davon ein. Sie sollte ebenfalls mutig werden. Als sie kaum noch stehen konnte, führte er sie am Arm nach draußen und über die Wiese, auf der ein Dutzend Männer stand und pinkelte. Manny hielt kurz inne, weil sich das Mädchen übergeben musste, ehe er sie hinter einen Schuppen schleifte, weil ihre Füße mit seinen eiligen Schritten nicht mithalten konnte.

    Neun Monate später wurde aus dem Kind auf dem Dorffest meine überforderte Mama. Mein zweites mieses Pokerblatt, an dessen Namen ich mich nicht erinnere. Damit mir wenigstens ein Name von ihr blieb, taufte ich sie Michaela. Manny und Micha. Meine leiblichen Eltern. Dorfheld Manny hatte bald schon genug von dem unerfahrenen Mädchen mit den Puppen und Plüschtieren im Kinderzimmer. Nüchtern betrachtet, stellte sich Micha doch nicht als die Dorfprinzessin heraus, für die er sie nach sieben doppelten Rum Cola hielt.

    Doch so einfach war die Sache in der tiefsten niedersächsischen Pampa nicht. Ihre Familien kannten sich vermutlich und so wurde Manny von allen Seiten verdonnert, seiner Vaterrolle gerecht zu werden.

    Leider hatte ihm keiner erklärt, wie das geht. Seine einzige Erfahrung im Großziehen von Lebewesen bezog sich auf seinen Goldhamster Willie und auf seinen Igel namens Charlie. Willie starb nach einer Woche, weil Manny ihn mit dem Rad überfuhr, und Charly floh in den Wald, weil sein Besitzer vergessen hatte, die Käfigtür zu schließen. Vermutlich war Manny genauso mit seiner Vaterrolle überfordert wie Micha. Auf den beiden lastete der Druck von zwei Großfamilien und von Geldnot.

    Manny kompensierte ihn mit Fusel und Gewalt. Micha mit Lethargie und Gleichgültigkeit. Sie ertrug die Schreie ihres Babys genauso wie Mannys Schläge, weil diese Schreie nach Liebe einfach nicht verstummen wollten.

    In den ersten fünf Lebensjahren knipste meine innere Kamera bloß Erinnerungen, die kein geistiges Photoshop weichzeichnen könnten. Ich wuchs in einem Sumpf aus Streit, Suff, Schlägen, Dreck, Gestank und Missbrauch auf.

    Irgendein Schutzmechanismus meines Hirns hält die Details unter Verschluss. Darum basieren meine ersten Lebensjahre eher auf Vermutungen als auf Fakten.

    Hypnose könnte der Schlüssel zu dieser Schlangengrube sein – die ich besser ungeöffnet lasse. Die Aufarbeitung dieses Morasts könnte sich als Schwerstarbeit herausstellen. Meine Kindheit muss ein einziges Schütteltrauma gewesen sein. Von meinen ersten Lebensjahren erinnere ich mich bloß an einen großen goldfarbenen Labrador. Ich mochte ihn, aber ich musste mit ihm im Kinderbett schlafen, dass für uns beide viel zu klein war. Oder an den Milchreis, vor dem ich mich damals so ekelte, dass ich mich übergeben musste. Dafür gab es Schläge, und weil ich ein so böses Kind war, wurde mir eine noch größere Portion Milchreis vorgesetzt.

    In diesem lieblosen, dreckstarrenden und gewalttätigen Umfeld wurden manche Dämonen geboren – unter anderem ein etwas kompliziertes Verhältnis zu Nahrung, das mich jahrelang begleitete. Manny und Micha waren schlicht nicht in der Lage, eine Tochter großzuziehen. Diese Einsicht kam von Mannys Familie. Also machte ich eine Tournee durch Mannys Verwandtschaft und kam zur Familie seines Bruders.

    Mannys Bruder Günter war von seinen eigenen Kindern schon genug genervt. Nun musste er auch noch das verdammte Gör seines Bruders durchfüttern. Und alles nur, weil seine gottverdammte Mutter das so entschieden hat! Anstatt dankbar zu sein, ihm diesen Quälgeist abgenommen zu haben, wollte Manny den Balg zurückhaben. Von mir aus könne er sie sofort zurückhaben, hatte er seinem Bruder versichert. Als könnte diese Nervensäge von Kind Gedanken lesen, ging das Theater schon wieder von vorne los.

    »Kann man in diesem gottverdammten Haus nicht einmal in Ruhe sein Bier trinken? ANITAAA! Mach, dass das Kind zu schreien aufhört, verdammt

    Nach einem Jahr ging es weiter zu Mannys Schwester. Ich war drei oder vier Jahre alt und kam endlich ins Schlaraffenland. Tante Maria, wieder ein Name, den ich als Pseudonym einsetze, schlug mich nicht, sie schrie nicht mit mir, sie stank nicht nach Alkohol und ihre winzige Wohnung war keine Müllhalde.

    Das musste mir wie ein Paradies vorgekommen sein. Leider gab es in Tante Marias Dreißig-Quadratmeter-Heim keinen dauerhaften Platz für mich und der Druck seitens Manny und seiner Familie wurden ihr wohl zu groß, weshalb ich nach einem weiteren Jahr zurück zu meinen Erzeugern ins schmutzige Nest kam. Aber Tante Maria meinte es gut mit mir und behielt mich weiter im Auge.

    Das latente Gefühl, keine Wurzeln zu haben, nirgends dazuzugehören und von niemandem gewollt zu sein, ist ein weiterer Dämon meiner frühen Kindheitstage. Von Onkel Günter verstoßen und Tante Maria entrissen, kam ich zurück zum Labrador im Kinderbett und dem Milchreis auf dem Teller. Zu Tante Marias Entsetzen hatten sich die Zustände nur noch verschlimmert.

    Das veranlasste sie dazu, im Telefonbuch zum Buchstaben J zu blättern und Anzeige zu erstatten. Am nächsten Tag stand das Jugendamt auf Mannys Fußmatte. Mein Erzeuger öffnete den Beamten im schmutzigen Feinripp und Weinflasche in der Hand die Tür.

    Eine Stunde später wurde ich vom Jugendamt als dringender Notfall klassifiziert. Das gab ein Erdbeben, dessen Epizentrum Tante Maria war, die als einzige in dieser Familie für mich einstand. Aus Tante Maria wurde Tante Judas. Damit sorgte die Familienverräterin für zwei neue Karten im Pokerspiel meines Lebens.

    Ein Sozialpädagoge und seine Frau hatten sich als Pflegeeltern beworben. Ein Umstand, den Uwe und Angelika längst vergessen hatten, weil sie seitdem nichts vom Amt gehört hatten. Doch plötzlich herrschte Alarmstufe dunkelrot in seinem behaglichen Büro in der Deutschen Ausländischen Arbeitsgemeinschaft, für die Uwe arbeitete. Ein Mädchen suche ein neues Zuhause. Schwer traumatisiert. Zwar schon fünf Jahre alt, aber für einen erfahrenen Pädagogen wie ihn gewiss noch formbar. Uwe bekam kurze Bedenkzeit. Wegen Gefahr in Verzug. Er rief Angelika an, die das schließlich auch etwas anging.

    »Traust du dir das zu?«, fragte er sie, nachdem er Angelika über die Schattenseiten des Pflegekindes unterrichtet hatte.

    »Wieso nicht?«, meinte Angelika. Uwe musste ihr recht geben. Angelika trug maßgeblich dazu bei, seinem fünfjährigen Sohn Flori seine sozialverantwortliche Gesinnung beizubringen.

    Zwei Wochen später übergab mich meine junge leibliche Mutter einer Beamtin des Jugendamts.

    Es war das letzte Mal, dass ich meine Mama sah. Mir ist kein Bild im Kopf und auch kein Name geblieben, mit dem ich nach ihr suchen könnte. Sind an jenem Tag Tränen über ihre Wangen geflossen – oder war sie einfach nur erleichtert, mich endlich losgeworden zu sein? Sie hatte nie Kontakt zu mir gesucht, darum bleibt mir ihre Gefühlswelt für immer verschlossen.

    Inzwischen selbst zweifache Mutter, kann ich nur ahnen, wie verzweifelt sie gewesen sein musste, ihr Kind wegzugeben. Darum hege ich keinen Groll gegen sie. Angestachelt von seiner Mutter, ›kämpfte‹ Manny einige Jahre um seine ›geliebte‹ Tochter.

    Er bewirkte vor Gericht, dass er mich alle drei Monate eine Stunde unter Aufsicht einer Beamtin sehen durfte. Bei diesen Gelegenheiten saß er stumm neben mir und guckte mir beim Malen zu. Manny hatte seinem Töchterchen nichts zu sagen. Oder er brachte es nicht über die Lippen. Männer wie Manny sprachen nicht über Mädchenkram wie Gefühle. Männer wie Manny ertranken ihre Gefühle mit einem Kasten Bier.

    Meine neue Pflegefamilie strebte siebzehn Jahre lang meine Adoption an und Manny stellte sich ebenso lange quer.

    »Dann ist sie ja nicht mehr meine Tochter!«, war sein Einwand, dem seitens einer unfähigen Sachbearbeiterin des Jugendamts siebzehn Jahre lang stattgegeben wurde.

    Das führte zur ständigen Sorge, dass ich meiner Pflegefamilie entrissen werden könnte, weil Manny inzwischen weniger oft besoffen war und nicht mehr so hart zuschlug wie früher. Später heiratete Manny und gründete eine Familie. Als seine Mutter starb, erbte er Ländereien in dem Kaff, aus dem er stammte.

    Damit ich im Fall seines Todes nur bloß keinen Erbkrümel von diesem riesigen Kuchen abbekäme, verschenkte er seinen gesamten Besitz an seine neuen Kinder. Ich möchte keinen Anspruch darauf erheben – und doch stelle ich mir bis heute die Frage, was ich in meinen ersten fünf Lebensjahren und bei seinen einstündigen Besuchen verbrochen haben musste? Woher stammte seine Wut auf mich? Was hatte diesen Hass ausgelöst?

    War es wegen des Milchreises, den ich ausspuckte, weil mir kotzübel wurde? Wegen meines panischen Gebrülls, wenn er sturzbetrunken auf Mama losging oder mich schlug? Letztendlich ist es egal. Es lag nicht an mir. Sein Versagen als Vater lag an seinem Dämon – dem Dämon Alkohol, der ihn fest im Würgegriff hatte.

    Ich habe mit meinen frühen Kindheitsjahren Frieden geschlossen. Sie waren ein Fehlstart ins Leben – und trugen dennoch dazu bei, mich zu der Frau zu entwickeln, die ich heute bin. Für diese Entwicklung bin ich äußerst dankbar. Kann ich somit in der Retroperspektive von einem Fehlstart ins Leben sprechen?

    Dieses Buchprojekt soll mir auf vieles eine Antwort geben – darunter auch auf diese Frage.

    Pribys Wünsche an die magische Puderdose

    Ich durfte meine miesen ersten Blätter zurückgeben und bekam drei neue Karten im Pokerspiel des Lebens zugeteilt: Uwe, Angelika und Flori. Endlich war das Glück auf meiner Seite. Mein neuer Bruder war ein echtes Herzass! Flori war gleich alt, aber deutlich kleiner als ich, was er aber nicht mit aufgeblasenem Jungsgehabe kompensierte.

    Flori konnte sich der

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