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FM4 Wortlaut 22. Ausreden: Der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb.
FM4 Wortlaut 22. Ausreden: Der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb.
FM4 Wortlaut 22. Ausreden: Der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb.
eBook127 Seiten1 Stunde

FM4 Wortlaut 22. Ausreden: Der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb.

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Über dieses E-Book

Sich ausreden, jemanden ausreden lassen oder auch Ausreden erfinden. Ausreden oder ausreden. Es ist den Autor*innen überlassen, welche Schreibweise und Bedeutung sie bevorzugen, worüber sie schreiben wollen.
FM4 bietet allen Schreibenden die Chance, sich in kurzer Form literarisch über das Thema "AUSREDEN" auszulassen. Die redaktionelle Vorjury wählt aus den cirka 1.000 Einreichungen 20 Texte aus, die anonymisiert an die hochkarätige Jury weitergegeben werden. Diese kürt dann die Gewinner*innen, die zehn besten Beiträge schaffen es in die Anthologie FM4 Wortlaut 22. AUSREDEN.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum14. Dez. 2022
ISBN9783903422148
FM4 Wortlaut 22. Ausreden: Der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb.

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    Buchvorschau

    FM4 Wortlaut 22. Ausreden - Eva Burmeister

    Keine Ausreden

    Eine gute Kurzgeschichte ist spannend und prägnant. Sie holt uns unmittelbar hinein in die Welt der Protagonist*innen, sie kommt auf schnellstem Weg zum Punkt. Sie ist ein bisschen wie Marmelade, nachdem die Kirschen, Erdbeeren, Marillen eingekocht sind, also das Eingemachte, die Essenz. Kein langes Drumherumerzählen, kein kopfloses Gequatsche, kein unnötiges Wort. Keine Ausreden.

    „AUSREDEN ist das Thema von Wortlaut, dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb 2022. Absichtlich großgeschrieben, damit nicht nur das Verb, sondern auch das Substantiv möglich ist. Einerseits die Ausrede, die kleine, charmante oder billige Lüge. Dazu da, einer Person, einer Sache oder einer Situation zu entgehen. Andererseits jemandem etwas ausreden wollen. Und natürlich das klärende Ausreden im Sinne eines Gesprächs oder die Möglichkeit, jemand anderen eben nicht ausreden zu lassen. Frei nach dem amerikanischen Kurzgeschichtenmeister Raymond Carver: „Würdest du bitte endlich still sein, bitte.

    Das galt natürlich nicht für unsere Hörer*innen, bzw. unsere Autor*innen. Knapp 600 Kurzgeschichten haben uns zum Thema „AUSREDEN" erreicht, dafür wollen wir uns herzlich bedanken.

    Die redaktionelle Vorjury (die FM4 Redakteur*innen Zita Bereuter, Jenny Blochberger, Diana Köhler, Barbara Köppel, Maria Motter, David Pfister, Lena Raffetseder, David Riegler, Lisa Schneider, Simon Welebil und Jürgen Lagger vom Luftschacht Verlag) hat viele Lesestunden verbracht, drinnen und draußen, gemeinsam und allein. Sie hat kommentiert, sich Meinungen gebildet, die Geschichten weitergereicht. Und wieder gelesen, und wieder kommentiert.

    Die beschriebenen Ausreden – oder die Unmöglichkeit, auszureden oder ausreden zu lassen – waren äußerst umfangreich. Es geht um den ersten, aufregenden Konzert- oder Vergnügungsparkbesuch, es geht um Freundschaft und Loyalität und natürlich um die Liebe – in guten wie in schlechten Zeiten. Es geht um sozialen Status und schwere Krankheit, es geht um Familiengeschichte und die vielen Geheimnisse, die gern unter ihren Teppich gekehrt werden. Die Vorjury hat wie jedes Jahr die zwanzig besten Texte ausgewählt und anonymisiert an die Hauptjury weitergereicht.

    Unser großer Dank für ihr Engagement und ihre Zeit – die Jury hat ohne Honorar gelesen, diskutiert und ausgewählt! – geht an Milena Michiko Flašar (Autorin), Arno Geiger (Schriftsteller), Nicole Seifert (Literaturwissenschaftlerin und Autorin), Luca Manuel Kieser (Gewinner Wortlaut 2021) und Scheibsta (Storytelling und Freestyle Rap).

    Es war eine intensive Jurysitzung, in der diskutiert, gelobt, und gegenseitige Überzeugungsarbeit geleistet worden ist. Die zehn besten Texte auszuwählen, war keine einfache Entscheidung. Umso mehr freuen wir uns, sie jetzt mit diesem Buch herzeigen zu können.

    Unsere Gratulation geht an die ausgezeichneten Autor*innen!

    Zita Bereuter und Lisa Schneider

    Eine Infusion aus Jetzt und Hier.

    Häufig wollen literarische Texte vor allem Literatur sein, und je mehr Aufmerksamkeit Autorinnen und Autoren bekommen, desto größer die Gefahr, dass sie die herkömmlichen literarischen Erwartungen bedienen. Die Texte, die ich für die Wortlaut-Jury gelesen habe, waren unter diesem Aspekt in größerer Zahl auf erfrischende Weise frei, unverstellt, direkt und im guten Sinn einem „kleinen Thema" zugewandt. Die Rahmenbedingungen – der kleine Raum einer Kurzgeschichte – fördert die Wahl von kleinen Themen: Da verspürt einer das Gefühl der Entfremdung von seiner Partnerin, er lässt die wachsende Distanz zwar spüren, kann sie aber nicht mitteilen. Die allermeisten werden eine solche Situation kennen.

    Ein Roman ist wie ein Supertanker, er braucht das offene Meer und die große Tiefe unter dem Kiel. Die kurze Form hingegen kann man mit einem Ruderboot vergleichen: beweglicher, wendiger, fähig, auch küstennahe zu manövrieren. Auf den ersten Blick „kleine Themen", auf den zweiten Blick von hoher Relevanz, nahe an der Lebensrealität.

    Etliche Texte habe ich als außergewöhnlich eigenständig empfunden, mit viel Eigensinn geschrieben und mit wenig Anbiederung, aus einem spontanen Impuls heraus. Etwa: „Warum ich nicht in N verliebt bin". Treffend, böse, witzig und ausdauernd. Einfach frei Schnauze. Aber vor allem habe ich die Texte in ihrer Vielfalt als Stimmungsbild wahrgenommen, als Panorama dessen, was jüngere Leute umtreibt. Wie drücken sie sich aus? Wie versuchen sie der Welt habhaft zu werden? Auch literarisch. Das Zusammenspiel all dieser Texte erzeugt in meinen Augen eine Qualität, die über die einzelnen Kurzgeschichten hinausgeht: eine zeitgenössische Realitätsinfusion, eine Infusion aus Jetzt und Hier.

    Schön, dass es den Wortlaut-Preis gibt: als Möglichkeit und als Plattform. Es ist ein Ort, an dem man sich mit seinem Schreiben ausprobieren und mit anderen Schreibenden in Beziehung setzen kann. Ein öffentlicher Raum, in den man hineinschreiben kann. Solche Orte sind rar, solche Orte sind wichtig. Denn letztlich entwickelt sich Talent auch in der Auseinandersetzung mit Öffentlichkeit.

    Arno Geiger, * 1968 geboren, lebt in Wien und Wolfurt. Seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet. Für seinen Roman Es geht uns gut erhielt er 2005 den Deutschen Buchpreis. Zuletzt erschien 2018 Unter der Drachenwand. Von seinen Weg vom jungen Mann zum Schriftsteller erzählt er in dem 2023 erscheinenden Werk Das glückliche Geheimnis.

    Drei Hälften

    Eva Scheidweiler

    Foto: Martin Gröbner

    *1981 in Lienz. Studierte an der KunstUni in Linz „Grafik Design & Fotografie", als die Matrikelnummern noch mit einer Zahl aus dem letzten Jahrtausend starteten. Nach Zwischenstopps in den USA, Steyr und back home in Osttirol, lebt sie nun in Salzburg und arbeitet dort als selbständige Grafikerin. Zwischen Familie, Kunden, Hund & Heim schreibt sie ihre Geschichten ständig und überall im Kopf … für den fm4 Wortlaut bringt sie hin und wieder eine davon tatsächlich zu Papier.

    Die Oma hat immer ein bisschen nach dem Opa gerochen, der sie ab und zu verdroschen hat, wenn ihm etwas nicht geradeaus gegangen ist. Ich weiß nicht, warum die Oma keinen eigenen Geruch hatte, vielleicht weil sie sich nicht getraut hat. Die beiden sind seit 4 Jahren tot. Die Oma ist am Brustkrebs gestorben, der Opa am Kummer, weil die Oma nicht mehr da war. Ich hab einmal gehört, dass sich der Krebs von der Angst, den Sorgen und der Verzweiflung der Leute ernährt. Jede Träne, die ein Patient herausdrückt, ist in Wahrheit der Schweißtropfen einer Krebszelle, die sich gerade unter großer Anstrengung teilt. Und da beißt sich dann die Katze in den Schwanz, weil natürlich hat man Sorgen, wenn man Krebs hat, haben soll man die aber nicht, damit man ihn wieder los wird. Beim Opa war der Kummer schneller als der Krebs. Hut ab vor dem Kummer!

    Ich lasse mich auf den Stuhl fallen und nehme mein Handy in die Hand. Andi bringt die Kinder ins Bett und ich versuche nachzuholen, was ich untertags verpasst habe. Ich kenne heute noch nicht einmal den aktuellen Stand der Corona-Zahlen und auch nicht das Ergebnis der Wahlstimmenauszählung in Frankreich. Dabei sind alle Zahlen jetzt schon 10 Stunden alt und damit auch schon wieder überholt. Das Handy zeigt noch 2% Akku an. Ich mühe mich leise schimpfend von meinem Sessel auf, weil das eigentlich für die nächste Stunde nicht geplant war und tausche mein Telefon gegen Andis aus. Die face-ID erkennt mich nicht gleich, weil ich zu geplagt dreinschaue. Beim zweiten Mal klappt’s. Ich öffne die Nachrichten-App und fange an zu wischen. Frankreich ist schon gar nicht mehr auf der Startseite zu sehen, so viel tut sich in 10 Stunden auf der Welt. Eine Nachrichtenvorschau poppt am oberen Ende des Bildschirms auf „miss u like hell". Ich verstehe nicht, reagiere nicht sofort. Ich nehme die Ladehemmung in meinem Hirn wahr, kann mich nicht organisieren. Was ist das? Die Vorschau verschwindet und ich trau mich nicht, ihr nachzulaufen. Ich verharre einen Moment, schaue ins Loch neben dem Bildschirm.

    Noch eine Nachricht „hey hun, bist du blocked? ist sie neben dir? poor baby!, ein Teddybär, der ein Herz umarmt, und 3 pulsierende pinke Herzen blinken am Ende der Nachricht. Ich tippe auf WhatsApp und sehe die beiden Nachrichten vor mir, keinen alten Chatverlauf. Der Cursor blinkt im Antwortfeld und ich tippe wie in Trance „yeah, sorry, spüre, wie sich der Magen bereit macht zu kotzen. Ich suche nach dem Button, der zu den Emojis führt, die ich selbst – bis auf eines – nie benutze. Ich entscheide mich für ein Männchen, das resignierend die Handflächen nach oben hält und einen Bussi-Smiley. Ich schicke die Nachricht ab. Mein Herz rast, ich kann mich

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