FM4 Wortlaut 18. Sterne: Der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb
Von Mercedes Spannagel, Barbara Kadletz, Lilian Loke und
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Über dieses E-Book
Mit Texten von: Stefan Adrian, Katherina Braschel, Anna Felnhofer, Barbara Kadletz, Lilian Loke, Roman Markus, Nikolaus Neu, Agnes Ofner, Mercedes Spannagel, Claire Walka
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Buchvorschau
FM4 Wortlaut 18. Sterne - Mercedes Spannagel
Czesch
Nach Sternen greifen
Wortlaut sei für ihn ein Booster gewesen, erzählt David Fuchs. 2016 hat er den FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb mit einem Text um die Teenager Ben und Ambros gewonnen. Zwei Jahre später ist aus der Episode der Roman „Bevor wir verschwinden" geworden. Die zweite Auflage ist schon nach gut einem Monat erschienen.
Von einem derartigen Erfolg der Wortlauttexte bzw. deren Autorinnen und Autoren haben wir früher kaum zu träumen gewagt. Zu sehr schien uns das nach den Sternen gegriffen. Tatsächlich aber finden Jahr für Jahr die Gewinnertexte von Wortlaut ihren Weg zu Verlagen. Auch heuer meinte eine Jurorin nach dem Lesen der besten zwanzig Kurgeschichten: „Es würde mich nicht wundern, wenn ich vielleicht sogar ein paar Sachen von einem zukünftigen Verlagskollegen gelesen hätte."
Der Ablauf von Wortlaut, dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb, ist schnell erklärt: Anfang März wird ein Thema bekannt gegeben. Dieses Jahr war das STERNE. Bis Anfang Mai haben die Hörerinnen und Hörer dann Zeit, ihre Texte einzuschicken. Rund 800 Einsendungen waren das heuer. Herzlichen Dank an dieser Stelle allen Autorinnen und Autoren! Die redaktionelle Vorjury (die FM4 RedakteurInnen Zita Bereuter, Jenny Blochberger, Claudia Czesch, Conny Lee, Maria Motter, Martin Pieper, Lisa Schneider, Simon Welebil, Irmgard Wutscher und Jürgen Lagger vom Luftschacht Verlag) hatten einige literarische Sternstunden. Selten zuvor haben wir von so vielen Sternen gelesen. Die Konstellationen waren aber so unterschiedlich und die Vielfalt und Bandbreite der Geschichten so beeindruckend groß, dass es einmal mehr schwierig war, sich auf die besten zwanzig zu einigen.
Diese Auswahl – einheitlich formatiert und anonymisiert – hat die Jury überrascht.
Alex Beer (Krimiautorin), Vinzenz Dellinger (Wortlautgewinner 2017), Lucy Fricke (Autorin), Daniela Strigl (Literaturkritikerin, Germanistin, Essayistin) und John Wray (Autor) waren voll des Lobes. Dieses hohe Niveau, die Qualität und Vielfalt der Texte hätten sie nicht erwartet. Das Lesen sei spannend aber auch unterhaltend gewesen.
Das freut uns besonders, denn die Jury stellt uns ihre Zeit und ihr Wissen gratis zur Verfügung. Das ist keine Selbstverständlichkeit und wir möchten der äußerst freundlichen und kompetenten Jury von Herzen danken! Auf dem Boulevard der Literaturjury haben alle fünf einen Stern verdient!
Dabei herrschte keineswegs immer Einigkeit. Im Gegenteil. Positionen wurden klar vertreten, Kritik pointiert angebracht, mit Lob nicht gespart. Schweren Herzens mussten sich alle von dem einen oder anderen bevorzugten Text trennen, um letztlich auf die nun vorliegenden zehn Kurzgeschichten zu kommen. Diese Auswahl bietet eine interessante Vielfalt.
Einige Stichworte aus den Jurybegründungen: „Poetisch. „Tiefgründig.
„Originell. „Knallhart.
„Spielerisch. „Lakonisch
. „Sensibel. „Witzig.
„Selbstbewusst. „Nachdrücklich.
„Ernsthaft. „Faszinierend
. „Überzeugend. „Fantasievoll.
Aber lest doch selbst!
Wir gratulieren jedenfalls den ausgezeichneten sieben Autorinnen und drei Autoren herzlich!
Ob diese Wortlauttexte auch bald in Romanen erscheinen, steht in den Sternen. Aber nach denen darf man ruhig öfter greifen …
Zita Bereuter und Claudia Czesch
Nach Stapeln greifen
Wie oft habe ich mich beworben, wie oft bin ich gescheitert, wie maßlos war und ist mein Hass auf diese Nixblicker, die über Preise entscheiden. Und immer dieser Wettbewerb. Immer besser sein wollen als die anderen, klüger, eleganter, witziger, origineller, lauter, leiser, schöner, wahrhaftiger, phantasievoller. Ja, was denn jetzt? Besonders sein müssen. Eigen sein. Den speziellen Ton haben, den unnachahmlichen.
Wie seltsam ist es, nach dutzendfachen Ablehnungen, nach dieser so oft gelesenen hohlen Phrase: „Wir wünschen Ihnen für Ihr Schreiben viel Erfolg", nach all den zerrissenen Absagen und ausgerufenen Flüchen, nun selbst in einer Jury zu sitzen, noch dazu mit dem Anspruch, es besser machen zu wollen.
Nach dem ersten Lesen lagen auf meinem Tisch drei Stapel. Nach dem zweiten Lesen waren es immer noch drei Stapel, aber der erste, der mit den besten Texten, war größer geworden, nach dem dritten Lesen noch größer. Das ist nicht die Aufgabe eines Jurymitglieds, die Stapel sollten kleiner werden, man hat sich zu entscheiden. Doch je öfter ich die Texte las, desto schwieriger wurde es. Je öfter man liest, desto mehr erkennt man. Man beginnt die Besonderheiten zu sehen und die Schwächen zu lieben. Auf den ersten Blick erkennt man das gut Gemachte, den Stilwillen, die Konstruktion. Auf den ersten Blick sieht man Oberflächen, manche sind stumpf, andere blenden. Interessanter aber ist das Material, welches gewählt und wie es bearbeitet wird, welche Wagnisse dabei eingegangen werden.
Wir haben diskutiert, gestritten, und waren uns überraschend oft einig. Trotzdem musste sich jeder von einem Favoriten verabschieden. Manchmal steht man mit seiner Liebe ganz allein da.
Zu schreiben ist ein Wagnis, darüber zu entscheiden, was andere geschrieben haben, ist es ebenso. Ich freue mich für und über jeden Text, der in diesem Band abgedruckt ist, denn das hier ist erst der Anfang, einer der besten Anfänge überhaupt.
Was jetzt folgt, ist Zähigkeit, Stolz, Glück, Trotz und die elendschöne Arbeit an jedem einzelnen Satz und Gedanken. Immer und immer wieder.
Los geht’s!
Lucy Fricke
Lucy Fricke, geboren 1974 in Hamburg, wurde für ihre Arbeiten mehrfach ausgezeichnet; zuletzt war sie Stipendiatin der Deutschen Akademie Rom und im Ledig House, New York. Nach „Durst ist schlimmer als Heimweh, „Ich habe Freunde mitgebracht
und „Takeshis Haut stand sie mit ihrem vierten Roman „Töchter
(2018) über Wochen auf der Spiegel Bestsellerliste. Seit 2010 veranstaltet Lucy Fricke HAM.LIT, das erste Hamburger Festival für junge Literatur und Musik. Sie lebt in Berlin.
Jo und ich bilden uns einen Hund ein und gehen mit ihm spazieren
Mercedes Spannagel
Foto: Privat
geboren 1995 in Wien, Studentin in Wien. Schreibt an einem längeren Projekt, da geht es um Meerjungfrauen und am Ende sind alle Männer tot. Dafür 2018 u.a. ein Arbeitsstipendium des bka erhalten und eingeladen zur Werkstatt für junge Literatur der Literaturwerkstatt Graz. Schreibt nicht autobiografisch.
1.
Es ist früh und hell in Jos Zimmer, ein weißer Morgen. Ich knie im Bett, trage einen String und sonst nichts. Ich sage zu Jo „schau und Jo schaut und ich lege mir den Zeigefinger zwischen die Hautfalten an meinem Bauch. Ich sehe, dass Jo nicht weiß, was er sagen soll, er schiebt die Unterlippe vor, ich lache, ich beuge mich vor und kneife ihm in die Wange. Ich sage: „Wenn du so schaust, dann schaust du aus wie ein Mops.
Falten auf Jos Stirn, er schüttelt den Kopf, sagt: „So ein Blödsinn. Ich sage: „Doch, doch
. Dass ein Mops viel überschüssige Haut hat, dass sich bei ihm die Hautringe am Nacken bilden so wie bei mir am Bauch, dass wir eigentlich viel kleiner sind, innerlich, und dass ein Mops genauso um den Mund ausschaut wie du, Jo, wenn du dieses Gesicht machst.
Jo sagt: „Der Mops ist wirklich ein scheußliches Tier."
2.
Wir stehen in der Küche. Jo macht mir eine Eierspeis. Ich schneide kleine Tomaten. Ich schneide eine Tomate, ich esse eine Tomate. Jo schaut auf die Pfanne und rührt ab und zu um.
Ich sage: „Ich mag einen."
Jo sagt: „Ich auch."
„Ich meine einen Mops."
„Ich meine einen mit Käse überbackenen Auflauf."
3.
Wir liegen im Bett, der Auflauf schwer in uns. Es ist so hell. Ich lege meinen Arm über die Augen. Ich beginne zu dozieren. Ich rede über Loriot. Ich zitiere: „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos." Jo richtet sich auf, zieht mir den String aus und ein bisschen bin ich böse, weil ich ernstgenommen werden möchte von Jo, aber dann beginnt er mich zu lecken.
4.
Wir verlassen die Wohnung, das Haus. Gehen vorbei am Schrebergarten Zukunft. Jo bringt mich zum 9er. Er nimmt meine Hand auf dem Weg zur Haltestelle, ich weiß nicht mehr wo. Vielleicht irgendwo zwischen Freikirche und Hundesalon. Vor dem Hundesalon steht ein weißer Transporter. Wir schauen auf die Rückseite des Transporters, auf dem ist groß das Foto der Rückseite eines Mopses. Wir stehen da und schauen auf das runde, rosa Arschloch des Tieres. „Wow, sagt Jo, „was für Aussichten.
5.
Ich habe das Fenster aufgemacht und stehe