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Windspiele: Ein neuer Fall für Ben Ruste
Windspiele: Ein neuer Fall für Ben Ruste
Windspiele: Ein neuer Fall für Ben Ruste
eBook321 Seiten4 Stunden

Windspiele: Ein neuer Fall für Ben Ruste

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Über dieses E-Book

Als Bäuerin Anna im Internet Zerstreuung sucht, stockt ihr der Atem. Krimiautorin Liv Olsen berichtet auf ihrem Blog von mysteriösen Ereignissen - dann enden die Einträge abrupt. Anna ist überzeugt, dass Olsen einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist, aber keiner glaubt ihr. Kommissar Ben Ruste, der sonst alles für »seine« Anna tut, stürzt sich stattdessen auf einen Investmentbetrug mit Windkraftanlagen, der bis in die Spitzenpolitik reicht. Doch auch in diesem Fall ist nichts, wie es scheint. Was kann Ben noch glauben?
SpracheDeutsch
HerausgeberGmeiner-Verlag
Erscheinungsdatum3. Feb. 2016
ISBN9783839249406
Windspiele: Ein neuer Fall für Ben Ruste

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    Buchvorschau

    Windspiele - Dirk Zandecki

    Impressum

    Personen und Handlung sind frei erfunden.

    Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

    sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Besuchen Sie uns im Internet:

    www.gmeiner-verlag.de

    © 2016 – Gmeiner-Verlag GmbH

    Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

    Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

    info@gmeiner-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten

    1. Auflage 2016

    Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

    Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

    Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

    unter Verwendung eines Fotos von: © Andrea Sachs – Fotolia.com

    ISBN 978-3-8392-4940-6

    Widmung

    Für meine Familie

    Erstes Buch

    Blogeintrag – Donnerstag, 26. März

    Hallo, hier schreibt Liv!

    Hey,

    es gibt gute Neuigkeiten: Ich bin wieder in Deutschland! Nein, dieses Mal nicht für eine Krimi-Lesereise, sondern für einen »offiziellen« Job. Wie die meisten von euch wissen, ist das Krimischreiben mein geliebtes Hobby, eigentlich studiere ich in Schweden Naturtouristik.

    Die Ausbildung werde ich jetzt allerdings für ein Jahr ruhen lassen und im Regionalforstamt Kurkölnisches Sauerland in Olpe, einer Kleinstadt in Westfalen, bei einem spannenden Projekt mitmachen. Es geht dabei um die Auswilderung von Luchsen in Verbindung mit nachhaltigem sogenanntem »sanften« Naturtourismus. Genau mein Ding! Und ich freue mich riesig, dass ich den Job erhalten habe.

    Wie es dazu kam? Eines Tages lag ein Angebot für die Projektmitarbeit in meinem Briefkasten. Das Forstamt in Olpe suchte eine junge Hilfskraft aus dem touristischen Umfeld, die bei ähnlichen Projekten in Schweden bereits mitgewirkt hatte. Man sollte Erfahrung einbringen und das Vorhaben wissenschaftlich begleiten können. Welch unglaublicher Zufall! Genau das Thema hatte ich für meine Abschlussarbeit an der Uni gewählt! Und wie passend, dass Deutsch quasi meine zweite Muttersprache ist, immerhin stammt meine Mama aus Deutschland. Zudem bin ich überzeugt, dass Deutschland viel von uns Schweden in Sachen Naturtourismus lernen kann. Es hätte nicht besser kommen können! Das Resultat: Schon eine Woche nach meiner Bewerbung traf die Zusage ein!

    Vor wenigen Tagen bin ich in Olpe eingetroffen. Die Leute vom Forstamt waren so freundlich, mir ein kleines Appartement zu organisieren, etwas außerhalb des Stadtzentrums in einem Gewerbegebiet namens »In der Trift«. Das Appartement befindet sich über einer Schreinerei im ersten Stock und hat dem Betrieb früher mal als Büro gedient. Und ich liebe ja den Geruch von Holz! Die Wohnung ist zweckmäßig eingerichtet, ich habe einen kombinierten Küche-Wohn-und-Arbeitsraum, ein Bad, ein separates Schlafzimmer und sogar eine Abstellkammer. Und das alles ist sehr günstig (als Hilfskraft bekommt man bekanntermaßen nicht viel Geld), und die Innenstadt sowie das Forstamt sind schnell mit dem Fahrrad zu erreichen. Ich kann demnach nicht klagen! Meine Glückssträhne scheint nicht abzureißen!

    Und keine Angst, ich werde das Krimischreiben nicht vernachlässigen! Ich hatte euch ja einen neuen Krimi angekündigt, und ich schreibe auch fleißig daran – versprochen! Allerdings bleiben mir dafür nur die Nächte, daher wird es bis zur Veröffentlichung noch etwas dauern. Bitte habt Geduld! Außerdem möchte ein deutsches Krimi-Online-Magazin einen Artikel von mir veröffentlichen. Seid gespannt, auch daran arbeite ich!

    Doch jetzt muss ich zunächst unzählige Umzugskartons auspacken. Meine Bücher und mein restlicher Hausrat aus Schweden sind eingetroffen! Ich melde mich bald wieder!

    Bleibt mir treu!

    Eure Liv

    *

    Blogeintrag – Montag, 18. Mai

    Hallo, hier schreibt Liv!

    Liebe Krimifreunde,

    puh, bin ich erschöpft. Die Arbeit am Naturtouristikprojekt ist hochinteressant und sehr zeitintensiv. Und mit »Arbeit« meine ich nicht nur Auswertungen trockener Studien, Recherchen und Analysen am Computer, sondern auch zahlreiche Exkursionen in die umliegenden Wälder Olpes. Mit Bernd Klingenscheidt steht ein äußerst engagierter, kompetenter Forstamts- und Projektleiter an der Spitze unseres Vorhabens. Ich glaube, er kennt sämtliche weltweiten – insbesondere die schwedischen – Untersuchungen, die über die Auswilderung von Luchsen existieren. Er ist bestens mit den Rahmenbedingungen vertraut, die eine solche Unternehmung erfordern und einen langfristigen Erfolg garantieren. Wir arbeiten außerdem eng mit dem gemeinnützigen Verein Wisent-Welt-Wittgenstein zusammen, der bereits im Rothaargebirge mit der Auswilderung einer Herde Wisente Erfahrungen auf diesem Gebiet gemacht hat.

    Wenn ich abends in meine kleine Wohnung komme, bin ich hundemüde. Ich habe übrigens mittlerweile alle Zimmer eingerichtet. Und was übrig geblieben ist, habe ich einfach in die dunkle Abstellkammer gesteckt. Ziemlich praktisch! In dem Kombiraum stehen eine Ausziehcouch und hauptsächlich Regale, die billig waren und Platz sparen. Dadurch wirkt alles etwas großzügiger – fast wie in einem Loft.

    Obwohl ich echt schlapp bin, werfe ich nach dem Duschen und Abendessen meinen Laptop an, um an meinem Krimi und dem Beitrag für das Online-Magazin zu schreiben. Ich kann euch sagen, dass die Buchstaben nach einer Weile vor meinen Augen tanzen und ein Eigenleben zu führen beginnen – so müüüüde bin ich.

    Vielleicht sollte ich die Krimis für eine Weile ruhen lassen? Andererseits sind Olpe und diese Abgeschiedenheit meiner Wohnung äußerst inspirierend. In der Nacht ist keine Menschenseele weit und breit zu sehen, und jedes leise Geräusch jagt einem einen Schauer über den Rücken. Gibt es etwas Besseres für eine Krimiautorin? Auch das tägliche Umherstreifen durch die dunklen Wälder des Sauerlandes bringt mich auf viele neue Ideen. Ich kann euch versprechen, viele Motive und Schauplätze meiner neuen Umgebung werden sich im Krimi wiederfinden. Doch vorher muss ich noch unbedingt meinen Artikel für das Krimijournal fertigstellen. Die drängen schon.

    Macht’s gut!

    Mit unheimlichen Grüßen aus dem nächtlichen Olpe ;-)

    Eure Liv

    *

    Blogeintrag – Montag, 1. Juni

    Hallo, hier schreibt Liv!

    Liebe Leser,

    sorry, dass ich so lange keinen Eintrag verfasst habe! Mein Projekt für das Forstamt Olpe nimmt mich voll in Anspruch. Gleichzeitig arbeite ich mit Hochdruck an meinem Krimi für euch, allerdings geht es nur schleppend voran, da ich beim Schreiben immer wieder einschlafe und mit dem Kopf auf der Tastatur aufwache.

    Der Grund, warum ich mich jetzt bei euch melde, ist leider ein ernster, ja sogar beunruhigender: Mir ist nun am eigenen Leib etwas »Kriminelles« passiert, das äußerst mysteriös ist. Ich hatte euch ja davon berichtet, dass ich einen Artikel für ein Online-Magazin verfasse. Eigentlich sollte die Redaktion den Text exklusiv erhalten – doch nun ist etwas Seltsames vorgefallen, weswegen ich mich dazu entschlossen habe, den Beitrag heute vorab hier auf meinem Blog zu veröffentlichen. Ich kopiere ihn direkt von meiner Festplatte, damit ihr mein Unbehagen nachvollziehen könnt. Denn nachdem ich den Text abgespeichert habe, wurde er verändert!

    Wenn sich Fiktion und Realität vermischen

    Ein Beitrag von der Krimiautorin Liv Olson

    Seitdem ich begonnen habe zu schreiben, beschäftigt mich eine Frage: WArUm lieben Menschen Krimis? Verabscheut man doch solche Taten, wie sie in den Romanen beschrieben werden, im realen Leben zutieFst und leHnt sie kategorisch ab. Bereits die Erwähnung tatsächlicher Gewalt in den Medien lÖst bei uns Entsetzen aus. Sobald man sich allerdings eRkennbar in der Welt dEr FiktioN bewegt, bewirken die gleichen Gräueltaten ein inneres Prickeln. Die tödliche Spannung, vor der wir uns im wirklichen Leben fürchten, bereitet uns auf der fiktiven Ebene großes Vergnügen. Oder belügen wir uns etwa selbst? Sind wir grundsätzlich von Gewalt fasziniert?

    Keineswegs, wie neurologische Untersuchungen zeigen. Diesen zufolge reagiert bei fiktiven Gewaltszenen eine andere Region in unserem Gehirn als bei realen. Im Klartext: Unser Gehirn kann zwischen Wirklichkeit und Fantasie unterscheiden. Doch was, wenn die Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwimmt?

    Ich habe eine Reihe Krimis geschrieben, die genau auf diesen Effekt abzielen. Sie beziehen den Leser in die Handlung mit ein. Die Distanz wird aufgehoben. Die Reaktionen meiner Leser zeigen mir, dass dieses Konzept von den meisten als zusätzliche Spannung begrüßt wird. Nur wenige empfinden die geschilderten SituaTionen als bedrOhlich. Liegt es an einem schriftstellerischen Defizit, wenn dieser gewünschte Effekt nicht häufiger auftritt? Oder ist der Umstand wirklich der Tatsache geschulDet, dass es in unseren Köpfen eine unüberwindbare Grenze zwischen Fiktion und Wahrheit gibt? Dass ein ethisch und moralisch gefestigtes Konstrukt Romane in ihre Schranken weist?

    Allerdings erklärt dies nicht, warum wir uns allzu gerne von grausamen Taten in Krimis fesseln lassen. Doch auch auf diese Frage solLen meine Krimis Antworten geben. QuasI dem Leser einen Spiegel Vorhalten. In dieser Hinsicht funktionieren die Geschichten bestens.

    Sind euch die fett markierten Großbuchstaben ins Auge gesprungen? Ich schwöre euch bei meinem Leben – als ich den Artikel verfasst und gestern Abend abschließend nochmals gelesen habe, waren die einzelnen Buchstaben noch nicht hervorgehoben! Das ist wirklich beängstigend! Denn da steckt noch mehr dahinter! Ist es euch aufgefallen?

    Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, habe ich die markierten Buchstaben aneinandergereiht und musste Folgendes lesen:

    A – U – F – H – Ö – R – E – N – T – O – D – L – I – V

    In einzelnen Worten heißt das:

    AUFHÖREN

    TOD

    LIV

    Liebe Leser, bitte glaubt mir, das ist kein PR-Trick oder so was; ich würde über so etwas Ernstes niemals Scherze machen! Irgendjemand muss sich nachträglich zu meinem Text Zugang verschafft haben, um mir zu drohen! Nur wer und wie? Außer mir war niemand im Haus, und ich habe meinen Laptop gestern heruntergefahren. Kann ein Hacker einen abgeschalteten Computer manipulieren?

    Ich habe das Gefühl, dass eine Art digitaler Stalker am Werk war! Wer immer dahintersteckt, möge bitte aufhören! Ich kann darüber nicht lachen. Überhaupt nicht!

    Bitte schreibt mir, was ihr davon haltet!

    Eure Liv

    *

    Blogeintrag – Dienstag, 9. Juni

    Hallo, hier schreibt Liv!

    Liebe Leser,

    herzlichen Dank für eure Anteilnahme und die zahlreichen Tipps, wie ich meinen Computer und meine Privatsphäre im Netz besser schützen kann. Ich habe viele der Ratschläge umgesetzt. Dennoch bleibt dieses ungute Gefühl, dass jemand ein teuflisches Spiel mit mir treibt. Ich habe keine konkreten Anhaltspunkte, aber kennt ihr dieses unbestimmte Empfinden, beobachtet zu werden? Man spürt förmlich die stechenden Blicke im Rücken. Doch vielleicht bilde ich mir das alles nur ein …

    Meinen Einzug vor rund zweieinhalb Monaten in die Wohnung über der Schreinerei hatte ich zunächst als Glücksfall empfunden, doch jetzt überkommt mich Unbehagen. Nach Feierabend ist man hier mutterseelenalleine. Sobald die Fabriken in der Umgebung geschlossen sind, trifft man fast keinen Menschen mehr auf der Straße. Die Gegend ist wie ausgestorben, wie eine Geisterstadt. Anfangs hat mir das nichts ausgemacht, es hat mich sogar inspiriert, doch nachdem mein Artikel manipuliert und mir gedroht wurde, habe ich schon ein bisschen Angst. Zu Fuß wage ich mich abends kaum noch vor die Tür. Wenn ich irgendwohin muss, dann nur mit dem Fahrrad und mit einem Pfefferspray in der Handtasche. Bisher ist zwar nichts passiert, allerdings weiß man nie … Wahrscheinlich mache ich mir aber einfach zu viele Gedanken, und es ist in diesem verwaisten Gewerbegebiet sogar sicherer als mitten in der Stadt.

    Seit dem mysteriösen Vorfall mit meinem Artikel schlafe ich zudem sehr schlecht. Aus der Schreinerei unter mir dringen immer wieder Geräusche nach oben. Klar weiß ich, dass frisch verleimtes Holz sich ausdehnen und laut knacken kann, aber trotzdem: Die Laute verursachen bei mir Beklemmungen. Und dann treiben sich draußen auf dem Parkplatz auch noch Tiere im Schutz der Schatten herum, vermutlich auf der Suche nach Nahrung. Ich kann euch sagen: Wenn die Nerven einmal blank liegen, wird jedes leise Rascheln zu einem unerträglichen Dröhnen. Was ich als Krimiautorin stets prickelnd und inspirierend empfand, wirkt nun wie eine Bedrohung!

    So liege ich Nacht für Nacht wach und lausche angestrengt in die Dunkelheit. Ich warte dann nur darauf, Schritte auf der metallenen Außentreppe zu hören, die seitlich an der Fassade zu meiner Wohnung führt, bis mich irgendwann im Morgengrauen schließlich der Schlaf übermannt.

    Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr mir helfen könntet, mich aus diesem kräftezehrenden Psychodrama zu befreien! Hat jemand mit solchen Situationen Erfahrungen? Kann mir jemand einen guten Rat geben?

    Eure Liv

    *

    Blogeintrag – Montag, 15. Juni

    Hallo, hier schreibt Liv!

    Liebe Leser,

    nun bin ich mir sicher: Ich habe keinen Verfolgungswahn, ich bilde mir das alles nicht ein! Ich bin überzeugt, jemand will mir Angst einjagen oder hat sogar noch Schlimmeres vor. Wie ich zu der Gewissheit komme?

    Gestern Nacht bin ich von einem seltsamen Geräusch geweckt worden. Es war ein leises Schaben. Ich habe mir sofort meinen Pfefferspray geschnappt, der immer griffbereit auf dem Nachttisch liegt, und bin ins andere Zimmer gegangen. Doch da war niemand. Dann habe ich die Wohnungstür kontrolliert. Abgeschlossen. Auch alle Fenster waren zu. Aber das Geräusch war eindeutig aus dem Kombiraum gekommen! Nur nachdem ich aufgestanden war, war alles ruhig.

    Am nächsten Morgen habe ich schließlich die erschreckende Entdeckung gemacht! Es muss jemand in dem Zimmer gewesen sein! Meine Bücher im Regal waren vertauscht! Zunächst war es mir gar nicht aufgefallen. Man prägt sich ja die Farben der Buchrücken in ihrer Reihenfolge zwar unbewusst ein, aber wenn sie sich ändern, merkt man das nicht sofort. Es beschleicht einen nur das vage Gefühl, etwas stimme nicht – bis man genauer hinschaut. So war es bei mir.

    Ich habe meine Bücher nicht alphabetisch oder nach Genres sortiert, nur alle Titel eines Autors standen jeweils nebeneinander. Doch nun war eine Buchreihe völlig durcheinander. Ich schaute mir die jeweiligen Werke genauer an. Zwölf Romane standen nicht an ihrem ursprünglichen Platz. Sie waren nebeneinander zu einer neuen Reihe angeordnet: je ein Buch von Arne Dahl, Umberto Eco, Fred Vargas, Henning Mankell, Oliver Pautsch, Elizabeth George, Robert Ludlum, Ed McBain, Nevada Barr, Tess Gerritsen, Oliver Goldsmith, Donna Leon.

    Zuerst fragte ich mich, was das sollte. Das ergab alles keinen Sinn! Was hatten die Schriftsteller miteinander zu tun? Hatten die Titel eine Bedeutung? Ich konnte nichts Auffälliges entdecken – doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich ging nochmals die Vornamen der Autoren durch. Ich erstarrte vor Schreck, als ich die Anfangsbuchstaben der Vornamen aneinanderfügte:

    A – U – F – H – O – E – R – E – N – T – O – D

    Das kann kein Zufall sein!

    Eure Liv

    *

    Blogeintrag – Donnerstag, 18. Juni

    Hallo, hier schreibt Liv!

    Liebe Leser,

    mir geht es dreckig. Ich kann vor Angst kaum schlafen, und wenn mir doch die Augen zufallen, verfolgt mich immer der gleiche grässliche Albtraum. Ich wandle durch einen Wald aus Buchstaben, alles um mich herum ist grau: der Himmel, der Boden – nur die Buchstaben sind pechschwarz. So weit das Auge reicht, sehe ich nur schwarze Buchstaben, groß wie Fichten. Sie schwanken wie Bäume, obwohl kein Lüftchen weht. Nicht ein Hauch ist wahrzunehmen, kein Geräusch. Ich bewege mich in dieser düsteren Welt und suche nach einem Ausweg. Irgendwo muss diese unwirkliche Landschaft doch enden, denke ich. Panik steigt in mir auf. Hinter jedem der Buchstaben vermute ich meinen mysteriösen Verfolger. Ich muss meinen gesamten Mut aufbringen, um einen Blick dahinter zu werfen. Stets in der Erwartung, dass mich jemand plötzlich an der Kehle packt. Doch da ist nie jemand. Also wandere ich weiter durch diese trübsinnige Welt, in der Hoffnung, dass ich irgendwann deren Rand erreiche.

    Mit einem Mal taucht dann ein dunkler Schatten über mir auf. Eine drohende Wolke vor dem grauen Himmel. Ich blicke nach oben. Aber ich sehe nichts. Nur unendliches Grau. Ich schaue mich ratlos um. Die Buchstaben scheinen willkürlich auf dem endlos grauen Boden zu stehen, doch dann bemerke ich, dass sie einen Sinn ergeben: Sie bilden Wörter! Ich versuche, ihre Bedeutung zu entziffern … und stelle fest, dass ich nicht lesen kann. Ich kann in meinem Traum nicht lesen! So sehr ich mich auch anstrenge, die Wörter erschließen sich mir nicht! Zugleich sagt mir eine innere Stimme, dass ich sie entschlüsseln muss! Dass mein Leben davon abhängt! Schließlich wache ich schweißgebadet auf.

    Das erste Mal, als ich diesen Traum hatte, bin ich sofort aus dem Bett gesprungen und habe panisch nach der erstbesten Illustrierten gegriffen, um mich zu vergewissern, dass ich noch lesen kann. So kann es nicht weitergehen. Ich werde heute einen Arzt aufsuchen. Vielleicht treiben mich die Vorfälle mit dem Artikel und dem Bücherregal ja in den Wahnsinn. Oder in eine Schizophrenie! Ich muss mich jedenfalls unbedingt untersuchen lassen. Auf dem Forstamt habe ich mich schon krankgemeldet. Ich traue mich kaum noch vor die Tür. Aber der Gang zum Arzt ist unausweichlich.

    Ich halte euch auf dem Laufenden!

    Mit erschöpften Grüßen

    eure Liv

    *

    Blogeintrag – Freitag, 19. Juni

    Hallo, hier schreibt Liv!

    Liebe Leser!

    Dieser bescheuerte Arzt! Wisst ihr, was er meinte? Ich sei schlichtweg überarbeitet! Das sei wahrscheinlich der Auslöser für meine blühende Fantasie. Er sagte, ich stünde kurz vor einem Burn-out, die Symptome seien typisch. Meine überangestrengte Wahrnehmung würde mir Streiche spielen. Es käme daher, dass ich tagsüber in dunklen Wäldern umherstreifen und mich nachts mit Krimis beschäftigen würde, statt mich auszuruhen.

    Aus der Sicht eines Mediziners mag das vielleicht plausibel klingen, aber ich weiß es besser! Die Vorkommnisse sind keine Einbildung! Ich habe euch hier alles geschildert. Ihr seid meine Zeugen! Und was macht dieser Arzt? Verschreibt mir einfach ein leichtes Psychopräparat, das mich entspannen soll …

    Oder hat er vielleicht doch recht? Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll! Ich werde noch wahnsinnig! Aber ich habe mir doch den Eingriff in meinen Artikel nicht eingebildet, oder? Und die verstellten Bücher im Regal? Zufall? Nein, das kann nicht sein! Es muss ein Stalker sein! Es muss jemand sein, der meine Krimis kennt und mich selbst nun das Fürchten lehren will!

    Falls du diese Zeilen liest, Verfolger – sie sind an dich gerichtet: Du bist wirklich geschickt, das mag sein, allerdings reicht es jetzt! Du hast mir unheimliche Angst eingejagt. Zufrieden? Doch das wird dir in Zukunft nicht mehr gelingen. Ich habe mein Schloss austauschen lassen und ich habe mich bewaffnet! Komm mir also nicht zu nahe. Es könnte für dich gefährlich werden!

    Eure Liv, die zu allem bereit ist!

    *

    Blogeintrag – Samstag, 20. Juni

    Hallo, hier schreibt Liv!

    Meine lieben Freunde,

    diese Psychopillen, die mir der Arzt verschrieben hat, machen alles nur noch schlimmer. Gestern Nacht hatte ich wieder den gleichen Albtraum. Dieses Mal konnte ich zwar eine Anhöhe erklimmen, als ich aber auf den Wald voller Wörter hinabsah, verstand ich deren Sinn immer noch nicht. Dann braute sich am Himmel ein Unwetter zusammen. Ein Sturm und heftige Regenfälle brachen in dieser grauen Welt über mich herein. Vergeblich suchte ich Schutz. Eine Windhose fegte durch das Wirrwarr der Buchstaben und riss diese mit sich. Sie flogen wie Pfeile auf mich zu. Ich wollte wegrennen, schreien, doch die Naturgewalt packte mich, schleuderte mich hoch in die Luft … bis ich erwachte – auf dem Parkplatz vor der Schreinerei.

    Ich konnte es zunächst kaum glauben! Ich dachte, ich träume noch immer, aber es war die kalte Realität! Ich lag in meiner Pyjamahose und meinem Schlaf-T-Shirt auf dem asphaltierten Platz vor der Schreinerei! Da er von Büschen und hohen Mauern umsäumt ist, drang lediglich der schwache Schein einer entfernten Straßenlaterne zu mir. Ansonsten herrschte finstere Nacht. Und wenn ich »finster« schreibe, dann meine ich finster. Es nieselte, und keinerlei Mondlicht erleuchtete den Himmel. So lag ich da: in Dunkelheit und feuchter Kleidung.

    Ich sprang erschrocken auf, denn mein erster Gedanke galt dem unbekannten Verfolger: Er musste mich aus meiner Wohnung hinausgetragen haben! War ich von den Tabletten so betäubt gewesen, dass ich nichts mitbekommen hatte? Beklemmung überfiel mich, Hilflosigkeit. Hatte er mich etwa …? Nein, Gott sei Dank merkte ich schnell, dass ich körperlich unversehrt war. Ich hatte keine Schmerzen, nichts tat weh. Ich überlegte, ob ich selbst an der Situation schuld war. Hatte ich einen Filmriss gehabt oder geschlafwandelt – ausgelöst durch die Psychopharmaka? Das erschien mir zunächst plausibel, denn niemand kann in meine Wohnung eindringen, seitdem ich gestern Nachmittag für unverschämt hohe Kosten ein neues Türschloss habe einbauen lassen. Aber wie war ich schlaftrunken die metallene Außentreppe unbeschadet hinuntergekommen?

    Ich versuchte, im Zwielicht der Straßenlampe etwas zu erkennen. Stand da etwa eine Gestalt am Rande des Parkplatzes in den Schwaden des Nieselregens? Oder nahm ich nur die Schatten der Büsche wahr? Mich überfiel Panik, und ich hatte nur noch ein Ziel vor Augen: zurück in mein Appartement, die Tür verriegeln und einen Stuhl davorstellen!

    Mit nackten Füßen lief ich über den nassen Asphalt, als mein Herzschlag plötzlich drohte auszusetzen. Mir wurde schwindelig. Das, was sich in mein Blickfeld geschoben hatte, konnte unmöglich wahr sein! Ich war mir sicher: Ich befand mich immer noch in diesem beschissenen Traum! Ich schüttelte mich, versuchte wach zu werden, doch es half nichts. Ich musste mich in der Realität befinden! Ich starrte auf die verglaste Tür der Schreinerei im Erdgeschoss, an der ein Plakat hing. Ich konnte das dunkle Bild im Hintergrund nicht erkennen, aber die weißen Buchstaben darauf leuchteten deutlich: »TOD LIV!«

    Also war er hier! Nun schien alles klar: Mein Verfolger musste in unmittelbarer Nähe sein und auf mich lauern! Ich bekam eine Gänsehaut, meine Knie wurden weich. Schwankend ging ich auf das Plakat zu, blickte ständig über die Schulter, um mich zu vergewissern, dass er mich nicht von hinten angriff. Er musste sich irgendwo in meinem Rücken befinden. Versteckt im Gebüsch. Musste mich beobachten. Und sich an meiner Hilflosigkeit ergötzen. Vielleicht machte es ihn sogar geil, mich im nassen T-Shirt zu sehen, auch wenn er in dieser finsteren Nacht meine Figur nur vage ausmachen konnte?

    All diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, während ich auf die Glastür zuging. Als ich mich bis auf ungefähr einen Meter dem Plakat genähert hatte, hielt ich staunend inne. Erleichtert lachte ich auf, immer wieder las ich die große Headline, um sicherzugehen, dass sie sich nicht doch noch vor meinen Augen änderte: »Tom Odell LIVE!«

    Ich hatte mich verlesen! Meine Nerven lagen blank, und da habe ich offensichtlich das wahrgenommen, was mich meine Ängste glauben lassen wollten! Und nicht das, was war. »TOD LIV« statt »Tom Odell LIVE«! Ist ja wohl auch kein Wunder, wenn man nach einem Albtraum halb nackt auf dem Hof erwacht war, oder?

    Ihr könnt euch nicht vorstellen, welche Last in diesem Moment von meinen Schultern fiel! Ich brach in Tränen aus. Schluchzend saß ich im Regen vor der Tür der Schreinerei, und es wurde mir schlussendlich bewusst: Ich muss etwas tun! Entweder gibt es jemanden, der versucht, mich mit fiesen Tricks zu manipulieren, oder aber – und dieser Option kann ich mich nach gestern Nacht nicht mehr erwehren – ich werde wirklich verrückt.

    Ich könnte jetzt gut meine Freunde aus Schweden gebrauchen! Aber sie können mir nicht helfen, sie sind zu weit weg! Wir telefonieren und skypen zwar, doch die Entfernung ist einfach zu groß, und ich will ihnen nicht zur Last fallen. Es sind alles Studenten,

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