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DIE GRÜNEN FRAUEN: Erzählungen
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eBook184 Seiten2 Stunden

DIE GRÜNEN FRAUEN: Erzählungen

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Über dieses E-Book

Die grünen Frauen von Frank Duwald enthält sechs Erzählungen - meisterhaft illustriert von Alexandra F./Projekt wort:rausch -, die zwischen angedeuteter Phantastik und Spiegelungen über das Leben und die Hingabe an das Schreiben/die Kunst pendeln: »Denn das Leben zeigt sich oft als Ungeheuer, als jenes Monstrum, dem wir nie begegnen wollten. Verlust, Tod, Sucht oder Angst sind die stärksten Motoren des Seins, die Maschinerie der mondlosen Nächte. Offenbarend als schlechte Träume, als Szenarien eines Herzstillstandes. Wie ein Halloween-Schrecken bereiten uns Bücher darauf vor, öffnen den Sarg schon beizeiten.« Jede dieser sechs Erzählungen erweist sich dabei als Kunstwerk, als Kleinod, dessen erzählerische Dichte den Leser von der ersten bis zur letzten Zeile in seinem Bann belässt – und so entstehen literarisch-wahrhaftige Bilder, die unvergessen bleiben.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum2. Apr. 2019
ISBN9783748700982
DIE GRÜNEN FRAUEN: Erzählungen

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    Buchvorschau

    DIE GRÜNEN FRAUEN - Frank Duwald

    Das Buch

    Die grünen Frauen von Frank Duwald enthält sechs Erzählungen - meisterhaft illustriert von Alexandra F./Projekt wort:rausch -, die zwischen angedeuteter Phantastik und Spiegelungen über das Leben und die Hingabe an das Schreiben/die Kunst pendeln: »Denn das Leben zeigt sich oft als Ungeheuer, als jenes Monstrum, dem wir nie begegnen wollten. Verlust, Tod, Sucht oder Angst sind die stärksten Motoren des Seins, die Maschinerie der mondlosen Nächte. Offenbarend als schlechte Träume, als Szenarien eines Herzstillstandes. Wie ein Halloween-Schrecken bereiten uns Bücher darauf vor, öffnen den Sarg schon beizeiten.« Jede dieser sechs Erzählungen erweist sich dabei als Kunstwerk, als Kleinod, dessen erzählerische Dichte den Leser von der ersten bis zur letzten Zeile in seinem Bann belässt – und so entstehen literarisch-wahrhaftige Bilder, die unvergessen bleiben.

    Der Autor

    Frank Duwald, Jahrgang 1965.

    Frank Duwald ist ein deutscher Autor von Erzählungen.

    1994 erschien Frank Duwalds erste Erzählung Wörter an der Wand, der bis 2014 weitere folgten, die allesamt in den Erzählungsband Die grünen Frauen (2019) enthalten sind.

    Daneben veröffentlicht er seit Jahrzehnten Buchbesprechungen und Autorendarstellungen.

    Seit 2013 schreibt er vornehmlich für die Online-Präsenz Dandelion - abseitige Literatur (https://dandelionliteratur.wordpress.com) über vergessene und zu Unrecht missachtete Literatur.

    Frank Duwald lebt und arbeitet in Hamm.

    Vom Schreiben und den Dingen in unseren Träumen -

      Ein Vorwort von Richard Lorenz

    Warum schreiben wir?

    Es ist jene große und mysteriöse Frage, die uns beschäftigt – neben jener, was Erzählungen in uns bewirken. Gute Geschichten erzeugen einen Klang, einen Ton, wenn nicht sogar eine Melodie. Einen ganz bestimmten Sound des Leben und des Sterbens. Erzählungen müssen immer über die Unterhaltung hinausgehen, denn sonst droht ihnen das Vergessen, droht ihnen das Vergängliche. Dennoch verenden viele Bücher noch vor dem ersten Herzschlag. Vielleicht auch, weil ihnen das Grundsätzlichste fehlt: Eine Röntgen-Aufnahme der Seelen-Landschaften.

    Denn wir schreiben vorwiegend, um Dinge unvergessen zu machen. Um Abseitigkeiten zu erklären, um Unsichtbares einzufärben. Selbst scheinbare Unterhaltungs-Romane wie Stephen Kings Shining verstecken tief verborgen eine weitere Geschichte in sich. Mit Erzähl-Technik hat das allerdings herzlich wenig zu tun – sondern mit dem Drang des Autors, den Leser zu einer Operation zu verleiten. So erhellen sich die wahren Bücher erst auf den zweiten Blick, offenbaren dabei erst die ganze Wahrheit.

    Denn das Leben zeigt sich oft als Ungeheuer, als jenes Monstrum, dem wir nie begegnen wollten. Verlust, Tod, Sucht oder Angst sind die stärksten Motoren des Seins, die Maschinerie der mondlosen Nächte. Offenbarend als schlechte Träume, als Szenarien eines Herzstillstandes. Wie ein Halloween-Schrecken bereiten uns Bücher darauf vor, öffnen den Sarg schon beizeiten.

    So ist es kein sonderliches Wunder, dass wir uns vor solchen Geschichten, die über die Unterhaltung hinausgehen, fürchten. Sie beleben die Dinge in unseren Träumen. Philip K. Dick skizziert unsere Zukunfts-Ängste, Cornell Woolrich die Abgründe der Gegenwart – wenngleich beide dem Genre zugeschrieben werden, beschreiben sie doch ein Implantat, tief in den Herzkammern versteckt. Damit führen sie das Genre ad absurdum und gelten zurecht als große Schriftsteller.

    Auch der Autor Frank Duwald sucht nach diesen Ängsten in den Menschen, seziert mit sicherer Hand die Nervenstränge des Lebens. Dafür, um es sichtbar, erkennbar zu machen, brauchen wir im Grunde keine Untoten. Duwald nutzt vor allem die Abgründe in jedem Herzen, um die Absurdität der Liebe, des Hasses und des Verlustes zu malen. Dabei nutzt er die Form der Erzählung, auch weil sich in diesen Episoden immer wahres Können zeigen muss. Es gilt, keine Zeit zu verschwenden und dennoch einen ganzen Kosmos abzulichten. Blitzlichtaufnahmen einer merkwürdigen Welt, die uns allerdings vertraut erscheint, weil wir genau von jener Welt träumen.

    Seine Erzählungen sind keine harmlosen Momentaufnahmen einer besseren Gegenwart. Sie werden sich beim Lesen nicht vollkommener fühlen. Und sie dienen auch nicht der einfachen Unterhaltung zum Einschlafen.

    Duwalds Erzählungen in diesem Buch führen uns an die Abseitigkeiten heran, nehmen uns behutsam an der Hand und versprechen nichts. Und halten doch viel mehr.

    Mit den Mechanismen der Phantastik gibt Duwald Auskunft über Glück und Unglück, über dunkle Orte und noch dunklere Atemzüge. Es sind keine einfachen Chiffren des Lebens, denen er sich bedient – und gerade deshalb glimmen seine Erzählungen nach. Auch, weil in seinen Figuren immer noch mehr steckt, als man auf den ersten Blick wahrhaben möchte.

    Gleich einem Schwarm Leuchtkäfer erhellen seine Episoden eine Herbstnacht, bringen uns zurück an das Fundamentale und lassen uns jenes glauben: Das Leben hält immer Überraschungen für uns bereit.

    Ganz bewusst entscheidet sich Duwald meist für phantastische Grundelemente, da sie unserem täglichen Streben nahe kommen. Der Glauben an ein Weiterleben fundiert in Phantastik, ebenso wie die Angst vor dem Tod, als Resümee des Verlustes. Denn letztendlich spiegeln Träume nichts anderes als das Verlangen nach Unsterblichkeit und Unverletzlichkeit. Und sind somit Wahrhaftigkeit und Phantastik zugleich.

    Warum schreiben wir?

    Letztendlich kann man diese Frage nicht ganz beantworten, sie vielleicht nur erahnen. Wir schreiben aus dem gleichen Grund, weshalb wir lesen. Und Musik hören, malen und lieben. Das Leben ist grundsätzlich ein Paradoxon, das uns hinter das Licht führen möchte. Vielleicht auch nur ein Theater-Spiel auf eine sehr wackeligen Bühne, gezimmert aus den Brettern von alten Leichenhallen.

    Wir brauchen Kunst, um das alles erträglich zu machen. Um das Licht heller werden zu lassen.

    Dazu brauchen wir Musik, Bilder, Filme. Und wir brauchen Bücher. Geschichten, die uns das eigene Versagen, die eigenen Ängste erklären und abschwächen.

    Und für Bücher brauchen wir gute Autoren.

    Ich bin mir sicher, Frank Duwald gehört längst zu ihnen.

    - Richard Lorenz

      Die Wörter an der Wand

    1. Abgrund

    Ich sah die Wörter an der Wand genau in dem Augenblick als ich auf der Leiter meines Lebens auf gleich mehrere angesägte Sprossen trat und in die Tiefe stürzte.

    Die Idee, es gebe irgendeine großzügige Macht, die das Unglück gerecht auf alle Schultern verteilt, ist ein Trugschluss. Ich habe innerhalb einer Woche meine Wohnung, meinen Arbeitsplatz und meine Freundin verloren. Ich weiß, wovon ich spreche.

    Die Nachricht meiner Vermieterin, wegen Eigenbedarfs meinen im Juli auslaufenden Mietvertrag nicht weiter verlängern zu können, nahm ich ohne große emotionale Krise auf. Ein Ortswechsel, dachte ich, würde mir gut tun. Ich hatte dieses verfluchte Neubaugebiet ohnehin satt. Eifrige, bis an ihr Lebensende verschuldete Zweifamilienhauseigner, die nichts anderes im Sinn hatten als ihren Rasen zu mähen, ihre nagelneuen Autos (noch mehr Schulden!) zu waschen und irgendwo am Haus entweder zu sägen oder zu bohren, sind nie mein Ding gewesen. Trotzdem, wohl der Bequemlichkeit wegen, hatte ich es hier in einer Art stillen Niedergeschlagenheit viele Jahre ausgehalten, ohne je den entscheidenden Anstoß erhalten zu haben, der mich auf ein anderes Gleis manövriert hätte. Insofern sah ich die Wohnungskündigung als eine Herausforderung an, der Gleichförmigkeit mit neuen Impulsen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Ich freute mich darauf, zusammen mit meiner Lebensgefährtin Agnes die Wohnungsangebote in der Zeitung durchzugehen. Vielleicht würde Agnes jetzt mit mir zusammenziehen. Ich dachte an eine ruhige Wohnung auf dem Lande, in einem Altbau aus grobem, unsymmetrischem Stein und Holz. Wir könnten uns einen Hund aus dem Tierheim holen und eine kleine Familie im Grünen gründen. Als ich Agnes am Telefon auf meine Gedanken einstimmen wollte, sagte sie, dass wir uns unterhalten müssten.

    »Wir müssen uns sehen.«

    »Warum?«

    »Am besten jetzt gleich.«

    »Muss ich dir wieder einen Lippenstift aus dem Klo fischen?« Sie ließ dauernd etwas in die Toilette fallen und hatte dann nicht den Mumm, die Sache in die Hand zu nehmen.

    »Bis gleich!«, antwortete sie nur.

    Da wusste ich, dass die erste Sprosse geknackt war und ich an einer Hand über der Untiefe hing.

    Ich schnappte mir Schlüssel und Portemonnaie und ging den Kilometer zu Agnes' kleiner Wohnung. Sie öffnete auf mein Klingeln hin und ging sofort ins Wohnzimmer, da sie mich offenbar nicht ansehen konnte.

    »Wir müssen uns trennen«, sagte sie, noch bevor ich saß. Etwa eine Minute schwiegen wir. Dann stand ich auf und ging.

    »Jetzt warte doch! Ich will es dir erklären, verdammt«, rief sie mir hinterher.

    »Scheiße, scheiße«, hörte ich noch, ehe die Tür ins Schloss fiel.

    Bei dem Gedanken ist mir zum Lachen zumute. Während in sentimentalen Filmen die Frau dem Geliebten ein Ich werde dich trotzdem immer lieben hinterher ruft, waren die berühmten letzten Worte meiner Partnerin: »Scheiße, scheiße.«

    Völlig betäubt ging ich an diesem Abend nach Hause. Die Sonne ging gerade unter und vermählte sich in einem Fest aus Orange und Lila mit dem Horizont. Es war ein warmer Abend, und ich beschloss, noch eine Runde zu drehen. Ich steckte mir eine Zigarette an und wanderte ziellos durch die ausgedehnten Eigenheimparzellen. Hier und da war noch ein Frauchen mit ihrem Hund unterwegs, aber ansonsten war ich allein.

    Erst am nächsten Tag jedoch wurde mir so richtig klar, dass irgendein launischer, seniler Gott das Thema Gerechtigkeit mit einem unschönen Humor betrachtete. Mit leidender Miene, teilte mir mein Abteilungsleiter die Kündigung mit: »Sie dürfen das nicht persönlich nehmen. Das hat nichts mit Ihren Leistungen zu tun. Aber als einzigen Ledigen in Ihrer Abteilung hat es einfach Sie erwischt.«

    Es gab keine theatralischen Szenen, keine Ohrfeigen, kein wütendes Herumgebrüll. Meine Arbeitskollegen waren ehrlich betroffen, aber man sah ihnen auch die Erleichterung an, selbst noch einmal davongekommen zu sein. Ich arbeitete, wie sich das gehört, mein bereits begonnenes Angebot weiter aus und wurde um kurz vor drei damit fertig. Die Auszubildende übertrug das Leistungsverzeichnis und tippte das Anschreiben, so dass es noch pünktlich rausgehen konnte.

    Ich beschäftigte mich noch bis Viertel nach Vier und machte pünktlich Feierabend. Wie jeden Tag ging ich zum Parkplatz, ließ jedoch heute mein Auto stehen und nahm den Bus zum Bahnhof. Dort kaufte ich eine Fahrkarte nach Iserlohn. Da ich noch etwas Zeit hatte, bis der Zug kam, schlenderte ich in die Bahnhofsbuchhandlung und blätterte alle Zeitungen durch, die mich auch nur im Entferntesten interessierten. Ich las, dass ein katholischer Pastor einem Messdiener an den Popo gefasst und Jürgen Zeltinger eine neue Platte mit dem Titel Scheiße veröffentlicht hatte. Sehr treffend.

    Ich genoss die Zugfahrt. Das wilde Klappern und Rattern des Wagons hatte etwas wohltuend Anachronistisches an sich. Die aufgeschlitzten Kunststoffsitze sagten mir, dass es tatsächlich eine Welt jenseits meines Zweifamilienhaus-Kosmos gab.

    Und dann sah ich zum ersten Mal die Wörter an der Wand. Ich sah sie an und wusste, dass ich für das Leben, wie ich es kannte, verloren war.

    Ein anonymer Künstler hatte ein faszinierendes Graffito an die vergilbte Wand des Wagons gesprüht. KUSS, CATHERINE, in einer seltsam geschnörkelten und geklecksten Handschrift verfasst, stand dort. Ich beschloss, sie abzumalen. Ich hatte einen Kugelschreiber dabei, und unter dem Sitz auf der anderen Seite des Ganges fand ich einen Zeitungsfetzen. Zwar war er mit kleinen, getrockneten Ringen von einer bräunlichen Flüssigkeit übersät, aber mir erschien die Botschaft zu bedeutsam, als dass ich wegen eines versyphten Stücks Zeitung auf sie verzichtet hätte.

    Das Abteil war weitgehend leer. Nur ein Mann mit einem schmuddeligen grauen Anzug und weißem Rollkragenpulli (bei 30 Grad im Schatten, wohlgemerkt) saß drei Sitze vor mir. Manchmal schielte er, ohne

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