Ich möchte Dir ein Liebes schenken: Ausgesuchte Liebesgedichte
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Über dieses E-Book
Rainer Maria Rilke
Rainer Maria Rilke was born in Prague in 1875 and traveled throughout Europe for much of his adult life, returning frequently to Paris. There he came under the influence of the sculptor Auguste Rodin and produced much of his finest verse, most notably the two volumes of New Poems as well as the great modernist novel The Notebooks of Malte Laurids Brigge. Among his other books of poems are The Book of Images and The Book of Hours. He lived the last years of his life in Switzerland, where he completed his two poetic masterworks, the Duino Elegies and Sonnets to Orpheus. He died of leukemia in December 1926.
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Buchvorschau
Ich möchte Dir ein Liebes schenken - Rainer Maria Rilke
LIEBESGEDICHTE
LIEBES-LIED
Wie soll ich meine Seele halten, dass
sie nicht an Deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über Dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn Deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, Dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Spieler hat uns in der Hand?
O süßes Lied.
WARST DU’S, DIE ICH IM STARKEN TRAUM UMFING
Warst Du’s, die ich im starken Traum umfing
und an mich hielt – und der ich mit dem Munde
ablöste von der linken Brust ein Ding,
ein braunes Glasaug wie von einem Hunde,
womit die Kinder spielen …, oder Reh,
wie es als Spielzeug dient? – Ich nahm es mir
erschrocken von den Lippen. Und ich seh,
wie ich Dir’s zeige und es dann verlier.
Du aber, die das alles nicht erschreckte,
hobst Dein Gesicht, als sagte das genug.
Und es schien schauender, seit die entdeckte
geküsste Brust das Auge nicht mehr trug.
DAS LIED DER WITWE
Am Anfang war mir das Leben gut.
Es hielt mich warm, es machte mir Mut.
Dass es das allen Jungen tut,
wie konnt ich das damals wissen.
Ich wusste nicht, was das Leben war –,
auf einmal war es nur Jahr und Jahr,
nicht mehr gut, nicht mehr neu, nicht mehr wunderbar,
wie mitten entzwei gerissen.
Das war nicht Seine, nicht meine Schuld;
wir hatten beide nichts als Geduld,
aber der Tod hat keine.
Ich sah ihn kommen (wie schlecht er kam),
und ich schaute ihm zu wie er nahm und nahm:
es war ja gar nicht das Meine.
Was war denn das Meine; Meines, Mein?
War mir nicht selbst mein Elendsein
nur vom Schicksal geliehn?
Das Schicksal will nicht nur das Glück,
es will die Pein und das Schrein zurück
und es kauft für alt den Ruin.
Das Schicksal war da und erwarb für ein Nichts
jeden Ausdruck meines Gesichts
bis auf die Art zu gehn.
Das war ein täglicher Ausverkauf
und als ich leer war, gab es mich auf
und ließ mich offen stehn.
ZUM EINSCHLAFEN ZU SAGEN
Ich möchte jemanden einsingen,
bei jemandem sitzen und sein.
Ich möchte Dich wiegen und kleinsingen
und begleiten schlafaus und schlafein.
Ich möchte der Einzige sein im Haus,
der wüsste: die Nacht war kalt.
Und möchte horchen herein und hinaus
in Dich, in die Welt, in den Wald.
Die Uhren rufen sich schlagend an,
und man sieht der Zeit auf den Grund.
Und unten geht noch ein fremder Mann
und stört einen fremden Hund.
Dahinter wird Stille. Ich habe groß
die Augen auf Dich gelegt;
und sie halten Dich sanft und lassen Dich los,
wenn ein Ding sich im Dunkel bewegt.
DIE STILLE
Hörst Du, Geliebte, ich hebe die Hände –
hörst Du: es rauscht …
Welche Gebärde der Einsamen fände
sich nicht von vielen Dingen belauscht?
Hörst Du, Geliebte, ich schließe die Lider,
und auch das ist Geräusch bis zu Dir.
Hörst Du, Geliebte, ich hebe sie wieder …
… aber warum bist Du nicht hier.
Der Abdruck meiner kleinsten Bewegung
bleibt in der seidenen Stille sichtbar;
unvernichtbar drückt die geringste Erregung
in den gespannten Vorhang der Ferne sich ein.
Auf meinen Atemzügen heben und senken
die Sterne sich.
Zu meinen Lippen kommen die Düfte zur Tränke,
und ich erkenne die Handgelenke
entfernter Engel.
Nur die ich denke: Dich
seh ich nicht.
DU WIRST NUR MIT DER TAT ERFASST
Du wirst nur mit der Tat erfasst,
mit Händen nur erhellt;
ein jeder Sinn ist nur ein Gast
und sehnt sich aus der Welt.
Ersonnen ist ein jeder Sinn,
man fühlt den feinen Saum darin
und dass ihn einer spann:
Du aber kommst und gibst Dich hin
und fällst den Flüchtling an.
Ich will nicht wissen, wo Du bist,
sprich mir aus überall.
Dein williger