11 Uhr Schreiben: Die Freude am Schreiben in der Gruppe
Von Beatrix Schulte
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Über dieses E-Book
Einführung ins Freie Schreiben
Was Schriftsteller brauchen
Was Schriftsteller nicht brauchen
Impulse, Satzanfänge, Sinnbilder, Fragen für das Gestalten eines eigenen Schreibworkshops
Texte aus den Schreibgruppen
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Buchvorschau
11 Uhr Schreiben - Beatrix Schulte
Vorwort
Der Psychiater George E. Vaillant begleitet die Grant-Studie zur menschlichen Entwicklung, die schon über 75 Jahre läuft und seither über 20 Millionen US-Dollar kostete. Er formuliert ein Ergebnis das Glück betreffend in folgendem Satz:
„Glück ist gleich Liebe. Punkt."
So viele Jahre an Forschung und Geld und mehr kommt nicht dabei heraus als ein Kalenderspruch? Er führt weiter aus, dass diejenigen glücklich sind, die etwas tun, was der Gemeinschaft nützt und die fähig sind, einfühlsame Verbindungen zu anderen Menschen einzugehen.
Für mich und viele andere ist das Schreiben in einer Gruppe etwas, das wir lieben, ohne manchmal klar sagen zu können, warum. Franz Kafka sagt: „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns." Vielleicht ist es das, gemeinsames Schreiben bricht sich Bahn im oft zum Eis erstarrten Innenleben. So darf ich der Grant-Studie hinzufügen:
„Gemeinsames Schreiben ist gleich Liebe. Punkt."
Wenn man eine Arbeit fertig stellt,
gehört sie den Menschen,
aber der Prozess gehört dem Künstler.
Pattie Smith
Einleitung
Dieses Buch ist Teil des NRW-Stipendiums „Auf geht`s", für das ich sehr dankbar bin.
Im ersten Teil möchte ich euch einführen in das, was es braucht, um sein Leben voller Begeisterung dem Schreiben zu widmen und was es nicht braucht. Im zweiten Teil habe ich meine Ideen zu Schreibkursen gesammelt und für euch in Satzanfängen, Listen, Fragen zur Biographie und weiteren Impulsen eingeteilt, sodass ihr, wenn ihr eine eigene Schreibgruppe gründen wollt, frei daraus wählen könnt.
Meine Online-Schreibkurse, die je eine Stunde dauern, wurden mit dem Bildungszentrum Sorpesee (VHS) in der Coronazeit konzipiert für samstags und sonntags jeweils um 11 Uhr, daraus ist der Titel entstanden. Die vielfältigen Texte der Teilnehmer, die in dieser Zeit geschrieben wurden, findet ihr im dritten Teil des Buches. All denen, die dabei mitgemacht haben, gilt mein Dank. Ohne euch gäbe es keine Texte und keine neuen Schreibideen.
Mögen unsere gemeinsamen Schreibreisen Früchte tragen und für ein friedliches Miteinander sorgen, denn „obwohl unsere Kunst nicht, wie wir es uns wünschen würden, vor Kriegen, Entbehrungen, Neid, Gier, Verfall oder Tod bewahren kann, kann sie uns doch inmitten all dessen erwecken" (Ray Bradbury).
Eure Beatrix Schulte
Je mehr der Schriftsteller liest, beobachtet, hört und lernt, je mehr er über Eindrücke nachsinnt, desto umfassender und vielseitiger wird seine Vorstellungswelt.
Enid Blyton
Was Schriftsteller brauchen
Erzählen
Ich erinnere mich noch gut an die Samstag Nachmittage meiner frühen Kindheit, wenn ich in der Küche abtrocknete und nebenan auf dem Schallplattenspieler mein Lieblingsmärchen lief. Es kam dafür nur eins in Frage: Schneeweißchen und Rosenrot, die beiden Mädchen, die den Rosenbäumchen im Garten glichen. Ob meine Mutter die Platte bewusst für mich kaufte, weil darin solche Sätze vorkamen, wie „sie waren so fromm und gut, so arbeitsam und unverdrossen, weiß ich nicht, und wenn, muss sie schnell entdeckt haben, dass das bei mir nicht fruchtete. Ich mochte besonders Schneeweißchen, die stille und sanfte und mir gefiel die Verbundenheit der Schwestern. „Die beiden Kinder hatten sich so lieb, dass sie sich immer an den Händen fassten, sooft sie zusammen ausgingen
und sie wollten sich nicht verlassen, solange sie lebten. Ich liebte die Szene, wenn die Mutter nach getaner Arbeit vor dem Kamin aus dem „großen alten Buch" vorlas, während die Töchter an der Spindel saßen.
Auch meine Mutter konnte wunderbar von ihrer Kindheit auf dem Bauernhof erzählen und uns mit ihren spannenden Geschichten umgarnen. Sie gab uns dabei das Gefühl, ein Teil einer ganz besonderen Familie zu sein. Wenn sie erzählte, häkelte sie lange Decken oder stopfte Strümpfe. Für mich übte dabei das Nähkästchen einen besonderen Reiz aus. Dieses konnte man auseinanderziehen und gleichzeitig öffneten sich auf jeder Seite drei kleine Fächer. Darin lagen neben Nähgarn, glänzende Steinchen, Stoffreste und Nadeln. Diesen Krimskrams konnte ich auf dem Sofa ausbreiten, bewundern und neu ins Kästchen einordnen, während ich meiner Mutter zuhörte. Dass sie mir damals die beste Lektion im Schreiben erteilte, war mir nicht bewusst. Erzählen, zuhören und schreiben bedingen einander und nur zusammen führen sie zu in sich schlüssigen und spannenden Texten.
Zuhören
Wenn ich ein Problem nicht hatte, dann Freundinnen in meiner Schulzeit zu finden, was nichts damit zu tun hatte, dass ich so beliebt war, sondern eher, dass ich so anpassungsfähig war. Ich stand sowohl in der Grundschulzeit als auch auf dem Gymnasium zwischen zwei Freundinnen, die sich darum stritten, wer meine beste Freundin sei. Mit wem ich morgens in die Grundschule ging, hing davon ab, ob ich rechts die Straße runter ging mit der einen oder links hoch mit der anderen. Meine Mutter meinte, ich wäre links hoch versichert, weil ihr die rechts runter nicht gefiel. Ich ging abwechselnd beide Wege.
Auf dem Gymnasium bekam ich während des Unterrichts viele dieser bis in die hinterste Ecke vollgekritzelten Papierschnipsel. Während also unter dem Tisch im wahrsten Sinne des Wortes die Post abging, wusste ich über dem Tisch nicht, wie ich auf die dringliche Frage auf dem Zettel antworten sollte, ob die Absenderin meine beste Freundin sei. „Du erinnerst mich an Momo, du hörst genauso gut zu", versicherte mir eine Mitschülerin, die auf dem Flur von einem Schulraum in den nächsten unbedingt mein Ohr brauchte. Dass ich anderen bei ihren Lebensbeichten gut zuhören konnte, hatte nichts mit Empathie zu tun, sondern weil ich mich selbst meistens nichts zu sagen traute und es gewohnt war, von mir abzulenken. Ich war für andere da, mich gab es so gut wie nicht. Ich war nicht wichtig genug. Ich fühlte mich unsicher und gab alles, damit die Freundin sich sicher und wohl bei mir fühlte. Später lernte ich, mich nicht mehr in den Erzählungen der anderen zu verlieren, sondern mich auch einzubringen und zu behaupten. Was ich daraus für das Schreiben gelernt habe, war, wirklich zuzuhören, und zwar auch das, was nicht gesagt wurde. Das ist wichtig für den Figurenaufbau in Kurzgeschichten. Dem Schreiber sollte klar sein, was seine Figuren verschweigen, was sie nicht erzählen.
Lesen
Für mich sind Bücher seit Enid Blytons Hanni und Nanni und Hermann Hesses Steppenwolf eine Selbstverständlichkeit. Als ich in meine jetzige Eigentumswohnung zog, war es mir wichtig, endlich ein geschreinertes Buchregal zu bekommen, damit ich meine Bücher nicht mehr vorgefertigten Regalen anpassen musste. Entweder waren die Regalfächer zu hoch und meine Bücher verschwanden darin oder sie waren nicht tief genug und die Bücher standen