Ottilie Finkenmeier: Ein bewegtes Leben
Von Martin Ehrensberger und Ria Raven
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Über dieses E-Book
Martin Ehrensberger
Martin Ehrensberger wurde in Regensburg geboren. Heute lebt der Realschullehrer mit seiner Frau und zwei Töchtern in einem kleinen, beschaulichen Ort auf dem Lande und verwirklicht gerne kreative Projekte. Neben dem Musizieren, Wandern und Fotografieren veröffentlichte er zwei Sachbücher. »Ottilie Finkenmeier« ist sein Debütroman.
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Buchvorschau
Ottilie Finkenmeier - Martin Ehrensberger
Inahltsverzeichnis
HEUTE MORGEN:MARIANNE UND IHRE HERREN
HEUTE MORGEN: MARIANNE UND IHRE MORGENROUTINE
GESTERN VORMITTAG: EIN BESCHWERLICHER AUFSTIEG
GESTERN VORMITTAG: DIE STADT IM WANDEL
GESTERN VORMITTAG: EINE FRAGE DER PERSPEKTIVE
GESTERN VORMITTAG: ZERBRECHLICHE FREUNDSCHAFT
GESTERN KURZ VOR MITTAG: »OPERATION DOUBLE STRIKE«
GESTERN KURZ VOR MITTAG: ENDLICH ZURÜCK
GESTERN KURZ VOR MITTAG: DIE STANDPAUKE
GESTERN ZUR MITTAGSZEIT: DER SCHMETTERLING
GESTERN ZUR MITTAGSZEIT: EIN EIGENWILLIGER GEIST
GESTERN ZUR MITTAGSZEIT: NOSTALGIE TRIFFT AUF MODERNE
GESTERN ZUR MITTAGSZEIT: EINE FAMILIENTRADITION
GESTERN NACH DEM MITTAGESSEN: DAS REFERAT
GESTERN NACH DEM MITTAGESSEN: LESEN IST MACHT
GESTERN NACH DEM MITTAGESSEN: DER WEG IST DAS ZIEL
GESTERN NACH DEM MITTAGESSEN: CHANCE ODER HÜRDE
GESTERN NACH DEM MITTAGESSEN: DIE ERSTEN GEHVERSUCHE
GESTERN KURZ VOR DEM NACHMITTAGSTEE: WEGWEISENDE POST
GESTERN KURZ VOR DEM NACHMITTAGSTEE: REISEPLANUNGEN
GESTERN BEIM NACHMITTAGSTEE: ALFREDS ANKÜNDIGUNG
GESTERN BEIM NACHMITTAGSTEE: HANS-WILHELMS ANKÜNDIGUNG
GESTERN NACH DEM NACHMITTAGSTEE: SOMMERFERIEN
GESTERN NACH DEM NACHMITTAGSTEE: NEUE ERKENNTNISSE
GESTERN NACH DEM NACHMITTAGSTEE: PRODUKTIONSSTART
GESTERN NACH DEM NACHMITTAGSTEE: AUS DER TAUFE GEHOBEN
GESTERN GEGEN 15:00 UHR: ALFREDS BLITZABLEITER
GESTERN GEGEN 15:15 UHR: PRODUKTIONS-VORBEREITUNGEN
GESTERN GEGEN 15:40 UHR: »MÉRCI JEAN-LUC«
GESTERN GEGEN 16:00 UHR: DIE EIGENE FIRMA
GESTERN GEGEN 16:15 UHR: NEUE GESCHÄFTSRÄUME
GESTERN GEGEN 16:25 UHR: SOWEIT DIE FÜSSE TRAGEN
GESTERN GEGEN 16:45 UHR: UNGLÜCK
GESTERN GEGEN 16:55 UHR: VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN
GESTERN GEGEN 17:05 UHR: AM ENDE IST ALLES GUT
GESTERN GEGEN 17:15 UHR: HARTE ZEITEN FÜR FRAUEN
GESTERN GEGEN 17:45 UHR: DAMENBESUCH
HEUTE GEGEN 5:50 UHR NICHTS UNGEWÖHNLICHES
HEUTE GEGEN 16:15 UHR NEUIGKEITEN
EPILOG
Vollständige e-Book-Ausgabe 2023
Originalausgabe: »Ottilie Finkenmeier«
Copyright © 2023 RICCARDI-Books
ein Imprint der Spielberg Verlagsgruppe, Neumarkt
Korrektorat: Kati Auerswald
Umschlaggestaltung: © Ria Raven, www.riaraven.de
Bildmaterial: © shutterstock.com
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung
können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
(e-Book) ISBN: 978-3-98756-684-4
www.spielberg-verlag.de
Martin Ehrensberger wurde in Regensburg geboren. Heute lebt der Realschullehrer mit seiner Frau und zwei Töchtern in einem kleinen, beschaulichen Ort auf dem Lande und verwirklicht gerne kreative Projekte. Neben dem Musizieren, Wandern und Fotografieren veröffentlichte er zwei Sachbücher. »Ottilie Finkenmeier« ist sein Debütroman.
Geschichte und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen wären rein zufällig.
HEUTE MORGEN:
MARIANNE UND IHRE HERREN
»Schade! Dieses Mal verging die Zeit aber wie im Flug!«, dachte Marianne, als sie wie jeden Morgen pünktlich auf die Minute um 5:50 Uhr das kaum wahrnehmbare, mechanische Knacken von Herrn Gustav vernehmen konnte. Herr Gustav hatte bereits etwa 36 Jahre auf dem Buckel, aber so genau konnte man das bei ihm nicht sagen. Grundsätzlich war er mittlerweile zu einem sehr stillen Zeitgenossen geworden.
Wie ein unverrückbarer, unerschütterlicher Fels stand Herr Gustav seiner Marianne des Nachts zur Seite und wachte über sie. Marianne hatte die Marotte, vielen Gegenständen in ihrem Leben einen männlichen Namen zu geben. Bei Herrn Gustav, seines Zeichens ein sehr betagter Radiowecker, begann jeder Tag mit demselben akustischen Ritual, welches unmittelbar an einen älteren, etwas gebrechlichen Mann erinnerte, dem beim Aufstehen sämtliche Knochen und der Rücken schmerzte. Dieses metallische Krächzen war eigentlich nur der Vorbote eines tiefen, monotonen und dennoch bisweilen nervtötenden Brummens. Irgendwie schaffte Marianne es jedoch nicht, sich ein neueres, moderneres Gerät zuzulegen, schließlich war es doch ein Geschenk zu ihrer Firmung von Tante Margarete gewesen. Die ältere Schwester ihrer Großmutter war nur wenige Monate nach dem freudigen kirchlichen Ereignis im gesegneten Alter von 87 Jahren verstorben. Der mausgraue Radiowecker hielt jedoch seitdem immer noch beständig wie ein Schweizer Uhrwerk die Stellung auf ihrem Nachttisch. Wie man aus der Presse entnehmen konnte, war die Firma, die dieses elektronische Gerät damals erschaffen hatte, nun schon mehrmals Konkurs gegangen und Teile davon lebten in Form chinesischer Wertarbeit unter anderem Namen weiter.
Ursprünglich machte dieses Gerät genau das, was es sollte: zu einer bestimmten, vorher eingestellten Uhrzeit schaltete es sich ohne klägliche und beinahe Mitleid erregende Störgeräusche ein und beendete Mariannes nächtliche Ruhe mit dem erfrischenden Klang ihres Lieblingsradiosenders. Oftmals ärgerte sie sich über die künstliche, aufgesetzt gute Laune des Moderatorenteams. Ein weiteres Ärgernis war jeden Morgen die Playlist des Senders mit den besten Hits der 80er, den größten Stars der 90er und den Chartbreakern von heute. Sie wiederholte sich täglich, sodass man nicht gerade von einem Feuerwerk der Abwechslung sprechen konnte. Aber irgendwie machte Marianne das nichts aus. Sie hatte sich oft gefragt, wieviel Drogen man als Radiomoderator wohl in Form von Kaffee zu sich nehmen musste, um diese ständig wiederkehrende Songauswahl des Musikredakteurs psychisch und physisch ertragen zu können. War der durchschnittliche Radiohörer tatsächlich so in seiner Auffassung und Wahrnehmung begrenzt, dass ihm dieser tägliche musikalische Einheitsbrei wirklich einerlei war? Marianne gab sich mit ihrer eigenen Erklärung zufrieden. Sie war überzeugt, dass dieser überschwängliche Humor und diese Fülle an flachen Späßen vermutlich eine Art Schutzmechanismus dieser wortgewandten Überlebenskünstler im Radio waren, um ihre aufgestauten, geheimen Aggressionen zu unterdrücken. Dennoch war Marianne nie dazu im Stande, sich zu überwinden und aus freien Stücken auf einen anderen Sender zu wechseln. Offensichtlich war sie ebenso wie der Großteil der Radiokundschaft gefangen in ihrer eigenen Trägheit und Hörgewohnheit. Die Beziehung zu ihrem Sender war genauso wie zu Herrn Gustav eine besondere Art von Hassliebe. Irgendwie konnte man nicht ohne den anderen.
Monotonie und Routine waren so etwas wie der Soundtrack ihres Lebens geworden. Die Zeit, beziehungsweise ihr technischer Fortschritt, waren leider jedoch auch an Herrn Gustav nicht spurlos vorüber gegangen. Trotz aller Bemühungen, seine dünne, etwa 50 cm lange Wurfantenne in einer günstigen Lage nahe des schrägen Dachfensters zu positionieren, war es Herrn Gustav seit etlichen Monaten nicht mehr möglich, Marianne mit den Stimmen ihres Vertrauens um zehn vor sechs zu begrüßen. Die Welt war digital geworden, doch Marianne und viele Aspekte in ihrem Leben, wie eben Herr Gustav, waren etwas aus der Zeit gefallen und analog geblieben.
Aber selbst diesem merkwürdigen Umstand, dass Herr Gustav sie nur noch mit seltsamen Lauten begrüßen konnte, gelang Marianne etwas Positives abzugewinnen. Er war ihr ein genauso treuer und langjähriger Weggefährte wie Herr Eder, ihre 15-jährige Perserkatze. Marianne hatte Spaß an dem Gedanken an sich, dass ihre Beziehung zu den beiden Herren auf Gegenseitigkeit beruhen würde. Schließlich hingen sie auf ihre jeweilige Art an ihr und gaben beständig Lebenszeichen von sich. Solange dies der Fall war, zog Marianne eine Trennung überhaupt nicht in Betracht. Wen sie einmal in ihr Herz geschlossen hatte, den ließ sie so einfach nicht mehr heraus. In Zeiten, in denen eine gewisse Wegwerfmentalität in vielen gesellschaftlichen Schichten nicht zu leugnen war und die Welt drohte, an Plastikmüll zu Grunde zu gehen, waren Marianne Werte wie Nachhaltigkeit und Beständigkeit außerordentlich wichtig. Ihr war es unbegreiflich, wenn sich ihre Kollegen an der Universität lieber alle paar Monate ein neues Smartphone leisteten, obwohl das alte noch einwandfrei funktionierte. Diese Wertevorstellungen spiegelten sich auch in ihrem kleinen, beschaulichen Universum in ihrer Altbauwohnung im Herzen der historischen Altstadt Regensburgs wieder. Schiefe Mauern und Wände, sowie niedrige Türen und Dachschrägen waren typisch für diese Gebäude. Doch irgendwie liebte Marianne diesen antiquierten, unmodischen und unpraktischen Charme. Einen nicht unerheblichen Platz in Mariannes Welt, in der vieles für Außenstehende auf den ersten Blick eher ungewöhnlich und sonderbar war, nahmen ihre Herren ein. Herr Gustav und Herr Eder waren auch seit Langem die einzigen tiefergehenden Beziehungen zu männlichen Wesen, sofern man einen nicht mehr funktionsfähigen Radiowecker und einen Kater zu dieser Kategorie zählen wollte. Ansonsten war der Erfahrungsschatz, den Marianne trotz ihrer mittlerweile 42 Jahren in Sachen Beziehungen zu echten Männern aufweisen konnte, sehr begrenzt.
HEUTE MORGEN:
MARIANNE UND IHRE MORGENROUTINE
Ein weiterer Grund, weshalb ihr Herrn Gustavs morgendliches Ächzen und Krächzen nichts ausmachte, war der Umstand, dass sie ohnehin jeden Tag vor ihm wach war. Sie freute sich innerlich darauf, ihn beim ersten Stöhnen auszuschalten. Im Laufe der Zeit hatte sich Marianne selbst so konditioniert, dass sie meist einige Minuten vorher bereits aufwachte. Ihre innere Uhr war so programmiert, dass sie Herrn Gustav an sich gar nicht notwendig hätte, um in den Tag zu starten. Es war eine lieb gewonnene Angewohnheit. Marianne war sich auch sicher, dass sie das morgendliche Ritual vermissen würde, wenn Herr Gustav irgendwann tatsächlich keinen Ton mehr von sich geben würde. Noch hoffte sie, ihn noch lange an ihrer Seite zu wissen. Alles in Mariannes Leben war ihren relativ strengen Regeln unterworfen. Sie ging nie später als 22:00 Uhr zu Bett, wenn sie am nächsten Tag zur Arbeit gehen musste. Samstags und sonntags konnte es schon mal in Ausnahmefällen später sein, wenn sie sich mit ihrer Freundin Marie in einer Kneipe oder einem Restaurant traf.
Auch an diesem Tag, einem frostigen Herbstmorgen im Oktober, war sie bereits kurz nach halb sechs Uhr aufgewacht und geistig sofort voll auf der Höhe. Dies war eine Eigenheit, die sie mit Zufriedenheit und einer kleinen Portion Stolz betrachtete. Die Ereignisse des Vortags wirkten offensichtlich noch nach. Marianne lag es fern, ein Morgenmuffel zu sein. Auch am Wochenende stand sie so gut wie nie später als acht Uhr auf. So etwas kam wirklich nur alle heiligen Zeiten vor. Diese Maxime hatte sie bereits als Teenager von ihren Eltern eingebläut bekommen. Egal, wie spät man auch zu Bett ging, man sollte dennoch früh aufstehen. Nur so würde man nicht den halben Vormittag vertrödeln, sondern die kostbare Zeit gewinnbringend nutzen. Selbst, als sie irgendwann in diese kleine Wohnung gezogen war, kam es ihr nicht in den Sinn, an diesem Glaubenssatz zu rütteln. So glich fast jeder Morgen dem vorhergehenden, bis auf eine Sache.
Eines Tages begann Marianne sich Fragen zu stellen. Es entsprach zum einen nicht ihrem Biorhythmus vor Herrn Gustav aufzustehen. Zum anderen war es schon eine Art Tradition und Routine, dass sie die verbleibenden Momente im Bett darauf verwenden würde, ihre Gedanken zu sortieren, und sich stets mit denselben Fragestellungen zu beschäftigen. Diese sollten mehr Glück und Freude in ihr Leben bringen. Sie war kein unglücklicher undankbarer oder unzufriedener Mensch. Dennoch war sie fest davon überzeugt, dass es immer etwas gab, was man verbessern konnte, wenn man sich mit Neugierde und Wissbegierigkeit die entsprechenden Fragen stellte. Heute beschäftigte sie die Frage, worüber sie in diesem Augenblick des Lebens glücklich sein könnte und was genau sie an diesem Umstand in Verzückung brachte.
Diese Frage war für gewöhnlich eine, deren Beantwortung ihr besonders Spaß machte. Dementsprechend leicht fiel es ihr auch. Es geschah jeden Tag etwas, das Marianne glücklich machen konnte. Sei es ein Schluck ihres Lieblingstees »Green-Lemon Ingwer«. Regelmäßig kaufte sie diese Sorte in ihrem Stammgeschäft, einem alt-eingesessenen Teeladen in der Schwarze-Bären-Straße und freute sich aufs Neue, wenn die Seniorchefin zugegen war. Man konnte sie vergleichen mit Ottilie Finkenmeier, die alte Dame, die unter ihr wohnte. Beide Damen beeindruckten Marianne sehr. Die Königin der Teesorten damit, dass sie ihr Wissen über die verschiedenen Tees, welches einer Bibliothek glich, an ihre Kunden weitergab. Man spürte bei jedem ihrer Worte ihre Leidenschaft für dieses Getränk. Marianne glaubte, dass diese Frau es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, jedem Kunden genau die individuell auf ihn zugeschnittene Lieblingssorte zu verkaufen. Genauso machte es Marianne glücklich, wenn sie im Bus der Linie 6, der hoch zur Universität fuhr, einen Sitzplatz bekam. Grundsätzlich war Marianne ein sehr genügsamer Mensch. Meistens war es eine Situation oder Begebenheit des Vortags, welche sie mit Freude erfüllte. Sei es, dass ihr Herr Eder seine Zuneigung zeigte, indem er ihr signalisierte, dass ihm diverse Kraul- und Kuscheleinheiten durchaus recht waren. Oder vorgestern, da hatte sie beim Einkauf im Bioladen in der Gesandtenstraße eine ältere Dame an der Kasse vorgelassen, die nur eine in Plastikfolie eingeschweißte Bio-Gurke bezahlen wollte.
GESTERN VORMITTAG:
EIN BESCHWERLICHER AUFSTIEG
Die erste Eingebung, die sie heute glücklich machte, war der gestrige Tag an sich. Wie jeden Donnerstag hatte sie frei. Nach einem Routinebesuch beim Arzt um 8:00 Uhr traf sie gegen 9:30 Uhr am Eingang des Hauses auf Ottilie Finkenmeier. Frau Finkenmeier wohnte ein