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Der Mann im Mond
Der Mann im Mond
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eBook1.020 Seiten15 Stunden

Der Mann im Mond

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Über dieses E-Book

Als Angie Morrison an ihrem Geburtstag erschlagen wird, ist ihr Täter nicht allein. Was verbirgt sich hinter diesem Hut, der nur ein viel zu großes Grinsen preisgibt?
Jahre später macht es sich auf, das zu Ende zu bringen, was es begonnen hat.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum21. Aug. 2014
ISBN9783737505147
Der Mann im Mond

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    Buchvorschau

    Der Mann im Mond - Thomas Plörer

    Der Mann im Mond

    Der Mann im Mond

    Thomas Plörer

    Copyright: © 2014 Thomas Plörer

    published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    ISBN 978-3-7375-0514-7

    Inhalt

    Intro

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Nachwort

    Outro

    Intro

    Wo beginne ich? Mit dem Aufgehen der Sonne an einem Dienstagmorgen, wo die Welt sich aus den Träumen hebt? Ein wenig simpel, keine Frage. Ein nettes Bild, aber doch zu einfach.

    Vielleicht aber mit etwas schwierigerem. Dem Mord an der kleinen Angie? Schwere Kost so früh am Tag. Vielleicht, nein, ziemlich sicher nicht jedermanns Geschmack. Mord ist möglicherweise ihr Hobby, aber nicht meines. Ganz und gar nicht. Wo hört die Kunst auf und wo beginnt das Abstoßende, das Gefährliche? Der schmale Grat zwischen Kunst und Perversion, der dünne Streifen am Horizont wenn sich der Abend und der Tag die Hand schütteln und auf der anderen Seite weitermachen mit ihren Bahnen, Licht und Schatten, Leben und Schlafen.

    Ich habe nicht viel Zeit. Sie haben sie vielleicht, aber ich nicht. Zeit ist ein kostbares Gut. Ein Sprichwort besagt, was man heute erledigen kann sollte man nicht auf morgen verschieben. Nicht wörtlich, aber das ist Ihnen bestimmt schon aufgefallen. Darauf kommt es auch gar nicht an. Aber worauf dann?

    Wenn ich alle Hintergründe der Geschichte schon früher verstanden hätte, würde mir das nicht schwer fallen. Aber es war zu verzwickt. Sagt man das so? Verzwickt?

    Man muss den Anfang kennen um das Ende zu verstehen, aber dabei sollte man auch Zwischendrin nicht zu viel übersehen. Oft sind es die Kleinigkeiten, die einen großen Unterschied machen.

    Hätte Terrence Hillshaw seine Frau in den letzten Tagen mehr beobachtet, so wäre ihm bestimmt aufgefallen, dass etwas mit ihr nicht in Ordnung war. Keine große Sache, vielleicht auch einfach nur Stimmungsschwankungen, die es bei Frauen nun wirklich oft genug gab. Terrence hatte nicht viele Frauen gehabt, drei um genau zu sein. Und eigentlich zählten die ersten beiden auch nicht wirklich. Das waren nicht mehr als aufgeplusterte Hühner gewesen, ohne Charakter oder dem, was gemeinhin als Intelligenz zu betrachten war. Keine Frage, sie würden es zu was gebracht haben. Frauen von diesem Schlag konnten vielleicht nicht den aktuellen Präsidenten bestimmen oder beantworten, was es mit diesem verflixten Krieg in Afghanistan auf sich hatte, aber sie waren dennoch in der Lage, die Wochentage anhand der Soaps im Fernsehen zu bestimmen oder den Preis eines netten Paar Schuhe in fünf verschiedene Währungen zu errechnen.

    Im Kopf.

    Nein, nicht förderlich für eine große Karrierelaufbahn, aber das Leben hatte für solche Frauen schon immer etwas anderes geplant. Früher waren es die dümmsten Frauen, die, wenn sie hübsch waren, den stärksten Jäger in der Sippe ergattert hatten. Heute wird ein Mann nicht mehr an der Größe seines Fanges gemessen sondern an der Größe seines Geldbeutels. Das Prinzip ist das gleiche geblieben. Sorgen machen mussten sich solche Frauen niemals, nein.

    Terrence war nicht wachsam gewesen. Ein dummer Fehler, aber was macht das schon. Wieso? Weil Fehler dazu gemacht sind, dass man aus ihnen lernt. Und sind es besonders schlimme Fehler, dann erinnert man sich noch Jahre daran. Er kommt einem plötzlich wieder in den Sinn wenn man abends im Bett liegt. Oft in der Phase wenn man kurz vorm Einschlafen ist. Dann erinnert man sich an das eigene Versagen oder das Versäumnis, schreckt aus dem Halbschlaf hoch und tut es entweder mit einem Lächeln ab oder denkt noch länger darüber nach. Zeitraubend, ärgerlich. Der nächst Tag kann kommen.

    Aber zurück zum Thema. Ich habe beschlossen, weder mit dem Mord an der kleinen Angie anzufangen noch mit dem Fehler von Terrence. Beides hat große Relevanz wie das ganze hier weitergehen soll, aber ich finde nicht, dass der Anfang so sein sollte. Schließlich fängt man beim Bau eines Hauses auch mit einem soliden Fundament an. Vielleicht kommen später noch kleine Spalten und Risse zum Vorschein, aber das feste Grundgerüst muss stehen. Das Grundgerüst in dieser Geschichte ist ein kurzer Anruf. Ja, mit diesem Anruf hat alles begonnen.

    Damals, am 25. September 2009, vier Tage vor dem Geburtstag von Herbert Morrison.

    Kapitel 1

    Es waren die Geräusche in der alten Wohnung, die Sarah später in Erinnerung blieben. Die Geräusche der Wohnung, der Umgebung, der Menschen. Später würde sie sich nicht erinnern, an welchem Wochentag in welchem Monat in welchem Jahr der Nachmittag war, der ihr Leben verändern sollte. Nicht die Fakten, die man auf Papier bannen kann, sondern die unsichtbare Tinte der Erinnerung in ihrem Kopf sollte ihr immer wieder vor Augen erscheinen. Das helle Pfeifen der alten Ölheizungen und das gelegentliche Gluckern des Wassers in der Spüle. Draußen auf der Straße hupten die Autos. Irgendjemand hatte irgendjemand anderem die Vorfahrt genommen und einen Unfall verursacht. Ein kleiner Blechschaden, den Knall, die quietschenden Reifen. Schreiende Menschen, keine Verletzten. Nur die Wut und der Schock, doch mit dem Leben davon gekommen zu sein. Das Ticken der Uhr im Esszimmer. Das ständige Pendeln, hin und her, tick tack. Leise Musik aus einem Radio, vermutlich im Wohnzimmer wo ihr Vater saß und über einen Stapel Rechnungen, Belegen und Verträgen gebeugt leise vor sich hin murmelte. An den Song konnte sie sich nicht erinnern, aber das war auch nicht so wichtig. Hätte sie denn zu diesem Zeitpunkt jemals daran gedacht, dass dieser Moment so wichtig sein konnte? Das dieser Moment ihr später immer wieder im Traum erscheinen würde? Und nicht als guter?

    Sarah Morrison war sechzehn Jahre alt. Fast siebzehn, nur noch zwei Monate. Sie hatte langes, blondes Haar, das ihr glatt bis über die Schultern fiel. Sie war groß, hatte sie von ihrer Mutter. Fast einen Meter und fünfundsiebzig. Sie schummelte gerne was ihre Größe anbelangte, machte sich häufig ein wenig größer. Was schadete es auch? Alle ihre Freundinnen waren kleiner als sie, sogar manche ihrer männlichen Freunde konnten ihr in dieser Hinsicht nicht das Wasser reichen. Sie war hübsch, auch wenn sie sich dessen in den jungen Jahren ihres Lebens noch nicht so bewusst war. Hätte sie ein Modellscout auf der Straße erblickt hätte er ihr bestimmt seine Karte mitgegeben. Aber eine Karriere als Modell? Sie hatte noch nie daran gedacht, wahrscheinlich hätte es ihr sogar gefallen. Ihre Mutter wäre nicht begeistert gewesen und ihr Vater hätte sie vermutlich auf ein Klosterinternat in die Schweiz geschickt (hätte er es sich denn leisten können). Ihre Vorstellungen waren andere. Vielleicht Tänzerin. Nicht an einer Stange in einem heruntergekommenen Club (denn auch das hätte ihr Vater mit allem was er hatte verhindert), sondern vielleicht Ballett oder einfach eine klassische Tanzausbildung, vielleicht mit einem eigenen Studio. Wettbewerbe, Reisen, Ansehen und Neider. Sie hatte mit ihrer besten Freundin Lucy darüber gesprochen und diese hatte ihr mit glitzernden Augen und rosigen Wangen gut zugesprochen, es doch wirklich zu probieren. Sie hätte das Talent, das Aussehen und den Willen dazu. Lucy war eine gute Freundin, das wusste Sarah. Aber sie hätte auch niemals erwartet, dass Lucy ihr irgendetwas ausredete. Dafür himmelte sie Sarah zu sehr an.

    Es war Freitag. Sarah war bereits seit zwei Stunden zuhause. Ihr Vater schon etwas länger. Er war in den letzten Tagen immer sehr früh nach Hause gekommen und seine Laune von Tag zu Tag schlechter geworden. Wohl Probleme in seiner Firma vermutete sie. Ihre beiden Brüder Peter und Junior (eigentlich Michael, aber sie nannten ihn alle Junior, sogar die Lehrer) waren in ihrem gemeinsamen Zimmer und spielten eines ihrer seltsamen Playstation-Spiele. Sie hatte die beiden lachen und schreien hören, als sie aus ihrem Zimmer durch den Gang vorbei an dem Zimmer der Jungs gegangen war. Sie hatte Hunger, aß viel mehr als man ihr ansah. Ein gesegneter Stoffwechsel, das sagte ihre Mutter immer zu ihr. Musste wohl vererbt sein, schließlich war auch ihre Mutter so mancher feuchten Traumes Ursprungs.

    Die Wohnung war nicht groß, eigentlich sogar zu klein für fünf Personen. Aber seitdem die wirtschaftliche Lage in der Fabrik, in der ihr Vater arbeitete, schlimmer und schlimmer geworden war und sie auf einen erheblichen Teil seines Gehaltes verzichten mussten, waren ihre Pläne, in ein eigenes Haus einzuziehen, weitestgehend über Bord geworfen worden. Die Wohnung war eine Bruchbude. Sie lag genau an der Kreuzung der am dichtesten befahrenen Straßen im Ort, Mainstreet Ecke Burkestreet. Die Luft war schlecht und der Lärm, der durch die windigen Fenster zu ihnen heraufdrang, Tag und Nacht, eine Qual. Das ganze Haus war seit über vierzig Jahren in der Hand derselben Eigentümergemeinschaft und diese hatte es versäumt, in dieser Zeit auch nur einen einzigen Dollar in die Renovierung zu stecken. Die Leitungen waren marode, die Sicherungen flogen mindestens einmal die Woche. Man musste schon stark aufpassen, ob man einen Fön und einen Radio im Bad zur selben Zeit laufen ließ. Wenn man Glück hatte blieb der Strom, aber Sarah hatte noch keinen Zusammenhang gesehen, wann die Sicherung jetzt wirklich flog und wann nicht. Die Abwasserrohre waren zu klein oder einfach nur so verdreckt, dass sich der Querschnitt halbiert hatte. Zweimal im Monat kam eine übelriechende, bräunliche Flüssigkeit die Leitungen hoch und überflutete wahlweise das Waschbecken in der Küche oder die Badewanne. Ihr Vater hatte schon mehrmals ihren Vermieter angerufen, war aber immer wieder nur vertröstet worden. Die Wirtschaftskrise ginge an keinem ohne Spuren vorüber und solange sie nicht überwunden war sei es einfach nicht möglich, mehr Geld in die Sanierung der Rohrleitungen zu investieren. Sobald die Wirtschaft wieder mehr in Schwung käme würde man sich diesem Problem annehmen.

    Natürlich.

    Sie zupfte sich den Träger ihres weißen Oberteils zurecht, der über die Schulter gefallen war und ging in die Küche. Hier stand ein kleines, altes Radio auf dem Fenstersims. Daraus ertönten die Klänge zum neuen Song einer lokalen Band, die einen Wettbewerb gewonnen hatte und als Preis dafür einmal täglich eine ganze Woche lang ihre erste Single auf dem Sender promoten durfte. Klang gar nicht so schlecht, fand sie.

    Sie schlenderte zum Kühlschrank, öffnete ihn und warf einen Blick hinein. Die kleine Lampe, die normalerweise leuchten sollte, flackerte kurz, dann ging sie ganz aus. Genervt tippte sie einige Male mit dem Finger gegen die Abdeckung, dann flackerte es erneut auf und warf ein armseliges Licht. Sarah fand, was sie gesucht hatte: die Reste des gestrigen Abendessens. Lasagne. Ein wenig verwundert, dass ihre verfressenen Brüder es noch nicht vor ihr entdeckt hatten, zog sie die Schüssel heraus, knallte die Kühlschranktür wieder zu und stellte sie auf dem Esstisch ab. Während sie den Deckel von der Schüssel öffnete und sich einen Teller aus dem Hängeschränk über dem Herd holte pfiff sie leise die Melodie des Liedes, das gerade im Radio lief. Sie wusste es zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht, aber als das alles vorbei sein sollte, würde sie sich diese CD kaufen. Aus dem Gewinner des lokalen Bandwettbewerbs sollte bis dahin eine Band geworden sein, die es bis in die Top-Ten der Charts geschafft haben würde.

    Sie kratzte den Rest (einen überraschend großen Rest) aus der Schüssel und schaltete die Mikrowelle ein. Sei’s drum, sie hatte Hunger und sah es nicht ein, ein weiteres Mal mit ihren Brüdern zu teilen. Sie taten es schließlich auch nicht.

    Dann klingelte das Telefon.

    Sarah überlegte einen Augenblick, ob sie es riskieren sollte, ihre Lasagne unbeaufsichtigt zu lassen, aber nach einem kurzen Blick in den Flur stellte sie fest, dass die Tür zum Zimmer ihrer Brüder geschlossen war. Sie glaubte sogar, die beiden dahinter Lachen und Fluchen zu hören, eine Kombination, die darauf hindeutete, dass sie wieder in ihre Spiele vertieft waren. Vor ihnen war sie sicher, zumindest vorläufig.

    Es klingelte wieder.

    „Gehst du ran, Schatz?", rief ihr Vater aus dem Wohnzimmer. In seiner Stimme lag eine Mischung aus Ungeduld und Wut. Seitdem er die Probleme in seiner Firma hatte war er öfter schlecht gelaunt. Er versuchte zwar, es nicht auf seine Familie abzuwälzen, aber ganz gelang es ihm nicht. Zumindest trank er nicht, worüber Sarah sehr froh war. Lucy’s Vater war Trinker. Im Sommer kam es oft vor, dass sie langärmlige Oberteile trug, weil man die Blutergüsse und blauen Flecken auf ihren Armen nicht sehen sollte.

    „Klar, Paps!" Sie stieß sich von der Anrichte ab, an der sie gelehnt hatte, und war mit zwei, drei grazilen Sprüngen am Telefon. Ein altmodischer Apparat, kein tragbares Endgerät. Der Hörer war vergilbt, die Tasten so abgenutzt, dass man nur noch erahnen konnte, was für eine Nummer sich darauf befunden hatte.

    Sie nahm ab. „Sarah Morrison, hallo?"

    Am anderen Ende der Leitung erklang ein leises Rascheln, dann ein Klacken als der Telefonhörer vom Apparat genommen wurde und es meldete sich eine helle Männerstimme. „William Anderson von „Fillman & Partner. Mit wem spreche ich?

    „Sarah Morrison", wiederholte Sarah wahrheitsgemäß und geduldig.

    Ihr Gegenüber räusperte sich, murmelte etwas Unverständliches. Dann war wieder das leise Rascheln von Papier zu hören. Für mehrere Sekunden sagte er nichts, nur sein Atem war in der Leitung zu hören.

    „Sarah ... Sarah ... ah ja, jetzt hab‘ ich’s!, rief er aus und lachte verlegen. „Entschuldigen Sie, ich musste meine Unterlagen erst sortieren. Hallo Sarah!

    „Hallo", antwortete Sarah. Ihr Blick glitt hinüber zur Mikrowelle, die leise vor sich hin rauschte. Sie hatte noch eine Minute, vielleicht ein paar Sekunden mehr.

    „Ist denn Ihr Vater zu sprechen, Sarah?"

    „Ich denke schon. Einen kleinen Augenblick bitte." Sie legte den Hörer auf die Seite und ging in Richtung Wohnzimmer. Am Türrahmen blieb sie stehen und lehnte sich dagegen. Ihr Vater saß immer noch vor seine Papiere gebeugt. Er hatte seine Brille abgenommen und wischte sie an seinem Hemd sauber. Wahrscheinlich war sie nicht wirklich verschmutzt, aber das machte er immer, wenn er nervös war oder nicht wusste, was er mit seinen Händen anfangen sollte. Ein Tick sozusagen.

    „Hey Dad, da ist jemand für dich am Telefon."

    „Kann das warten?", fragte er, ohne sie anzuschauen.

    „Weiß ich nicht. Er sagt, er ist von einer Firma namens „Irgendwer & Partner. Klingt nach einer Kanzlei oder sowas.

    Ihr Vater schaute auf. „Wie ist sein Name?"

    „Anderson. Klingt irgendwie schwedisch, oder?"

    „Hat er gesagt, was er will?"

    Sarah schüttelte den Kopf. Aus der Küche kam ein helles „Pling", ein Zeichen dafür, dass ihre Lasagne fertig war. Hoffentlich hatten ihre Brüder das nicht auch gehört.

    „Hat nur gefragt, ob du da bist. Gehst du ran oder soll ich ihn abwimmeln?"

    Ihr Vater schien innerlich kurz die beiden Möglichkeiten abzuwägen, dann stöhnte er auf und erhob sich von seinem Platz. „Schlimmer kann’s nicht werden, oder?"

    Sie machte ihm Platz, er strich ihr sanft über den Kopf und ging ans Telefon. Sarah bekam noch mit, wie er mit einem kräftigen „Hallo" das Gespräch übernahm, dann war das Thema für sie gegessen.

    Ihre Lasagne kurz darauf auch.

    „Hallo?"

    Ein kurzes Knacken am anderen Ende der Leitung. „Mr. Morrison?"

    „Am Apparat."

    „Herbert Stanley Morrison?"

    Herb verzog das Gesicht. Er konnte seinen zweiten Vornamen nicht ausstehen. „Der bin ich. Mit wem spreche ich?"

    „William Anderson von „Fillman & Partner". Ich rufe im Auftrag ihres Onkels an.

    Herb hob überrascht die Augenbrauen. „Phil?"

    „Ähm, nein. Linus Morrison."

    „Onkel Linus?" Herb war ehrlich überrascht. Von Linus hatte er nichts mehr gehört seit er noch auf der Highschool gewesen war. Hatte sich irgendwie mit seiner Mutter zerstritten und danach entweder den Kontakt nicht mehr gesucht oder ihn einfach vergessen.

    „Der Bruder Ihres Vaters, ja. Wundert Sie das? Sie klingen ein wenig erschrocken."

    Herb lachte abgehackt. „Naja, erschrocken ist vielleicht nicht das richtige Wort, Mr. Anderson. Aber von Onkel Linus habe ich seit ... fünfzehn, zwanzig Jahren nichts mehr gehört."

    „Das hat er mir erzählt. Eine kurze Pause. „Mr. Morrison, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Onkel vor wenigen Tagen verstorben ist.

    „Oh." Herb überlegte sich, ob das vielleicht nicht die richtige Reaktion war, aber etwas anderes fiel ihm nicht ein. Er hatte nie ein besonderes Verhältnis zu Onkel Linus gehabt, und nachdem er ihn seit so vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte und seit ebenso vielen Jahren auch nicht mehr an ihn gedacht hatte, traf ihn der Tod dieser Person nicht sonderlich hart.

    „Ich möchte Ihnen mein herzliches Beileid ausdrücken, Mr. Morrison. Ich weiß, dass Ihnen das keine große Hilfe sein wird, aber so bin ich nun mal erzogen worden."

    Herb räusperte sich. „Naja, danke natürlich. Aber Sie brauchen sich da keinen Kopf zu machen. Onkel Linus ist ... war ... nie wirklich jemand, dem ich besonders nahe gestanden habe. Ich hab‘ ihn seit so langer Zeit nicht mehr gesehen dass sein Tod, naja, mich nicht viel härter triff als wenn die Dallas Mavericks ein Heimspiel verlieren. Wenn Sie verstehen, was ich meine." Er wusste nicht, ob das die richtigen Worte an einen Fremden waren, wenn man vom Tod eines Verwandten sprach, aber er hatte im Moment andere Sorgen als das, was ein junger Mann irgendwo in diesem riesigen Land von ihm dachte.

    Anderson schien einen Augenblick lang verwirrt zu sein, denn er antwortete nichts. Nur das Rascheln von Papier war zu hören. Herb wartete geduldig ab.

    „Nun, begann Anderson dann wieder, „so etwas hat Ihr Onkel Linus mir auch erzählt. Er war sich nicht einmal mehr sicher, ob Sie sich noch an ihn erinnern können. Zumindest diese Sorge scheint ja umsonst gewesen zu sein.

    „Ich bin alt, aber nicht so alt", erwiderte Herb.

    „Das ist wohl wahr."

    „Woran ist er gestorben wenn sich fragen darf?"

    Wieder das Rascheln von Papier. „Er hatte einen Herzstillstand. Seine Ärzte haben gesagt, es sei irgendwann in der Nacht vom zwanzigsten auf den einundzwanzigsten September, vermutlich gegen drei Uhr morgens. Es hat wohl im Schlaf einfach aufgehört zu schlagen. Wahrscheinlich hat er davon überhaupt nichts mitbekommen."

    „Eine schöne Art zu sterben, finden Sie nicht auch?"

    „Da haben Sie recht. Kurz und schmerzlos, ohne viel Aufheben darum zu machen."

    Herb nickte, obwohl er wusste, dass Anderson ihn nicht sehen konnte. „Wie alt war er?"

    „Im Sommer ist er sechsundachtzig Jahre alt geworden."

    „Nicht schlecht. Hat gesund gelebt der Gute."

    „Ja, das hat er. Und seine medizinische Versorgung war keine schlechte, das kann ich Ihnen garantieren."

    „Sie sagten vorher etwas von „seine Ärzte?

    „Das stimmt. Mr. Morrison war stets sehr auf seine Gesundheit bedacht. Er ist viel gewandert und so weiter. Anderson lachte. „Wahrscheinlich in der Woche mehr als Sie oder ich in einem ganzen Monat zurücklegen. Verstehen Sie?

    „Ich kann Ihnen folgen."

    „Und das, was sonst noch zu tun war, haben seine Ärzte erledigt. Einen Hausarzt, einen Chiropraktiker und noch drei weitere erfahrene Männer und Frauen aus der Medizin, die ihm jedes Mittel und jede Pille, die es legal auf dem Markt gab, besorgt haben. Er machte eine kurze Pause. „Und manchmal auch die, die es noch nicht auf dem Markt gab. Nochmal eine Pause. „Oder nicht mehr."

    „Aber gegen den Willen Gottes kommen selbst die besten Mediziner nicht an."

    Anderson lachte wieder kurz. „Wenn man an einen Gott glaubt oder etwas Gott-ähnliches sicher nicht. Ihr Onkel hat keine Zeit damit verbracht, sich um ein Leben nach dem Tod zu sorgen. Für ihn war das Leben auf der Erde, das hier und jetzt, wichtig. Er war kein gläubiger Mensch. Sind Sie ein gläubiger Mensch?"

    Herb zuckte mit den Schultern. Das war er einmal bei seiner Hochzeit gefragt worden und er hatte mit Ja geantwortet. Mittlerweile war er sich da nicht mehr so sicher. Wenn es einen Gott gab hatte er im Moment wenig Zeit für ihn und seine Familie.

    Trotzdem antwortete er mit „Ja."

    „Dann beten Sie dafür, dass er jetzt dort oben sitzt und tut, wonach ihm ist."

    „Amen."

    Eine kurze Pause. Herb schaute sich um und sah Sarah auf der Anrichte in der Küche sitzen. Sie schaufelte genüsslich einen Berg Lasagne in sich hinein und wippte mit den Beinen im Takt der Musik. Deine Brüder werden nicht erfreut sein, wenn sie das sehen, dachte er. Als er sah, was für ein winziges Oberteil sie trug (einer der Träger war schon wieder über die Schulter gerutscht und hing auf halber Höhe ihres Oberarms) war auch er nicht mehr ganz so erfreut. Aber darüber würde er später mit ihr reden. Sie alle würden später miteinander reden müssen sobald

    Katherine aus der Arbeit zurück war.

    „Mr. Morrison, vielleicht sollten wir jetzt zu dem Punkt kommen, warum ich eigentlich bei Ihnen anrufe. Ich will Sie nicht länger aufhalten, als es unbedingt nötig ist. Wie spät ist es bei Ihnen gerade?"

    Herb schaute auf die Uhr. „Kurz nach vier."

    Anderson pfiff durch die Zähne. „Bei mir ist es schon spät in der Nacht. Verrückt, diese Zeitzonen, finden Sie nicht auch?"

    Herb wusste nicht, was er darauf antworten sollte, darum stimmte er ihm einfach zu. Dämliche Frage.

    „Wir bei „Fillman & Partner sind darauf spezialisiert, das Vermögen unserer Klienten zu verwalten. Herb musste unwillkürlich an ein Werbeprospekt denken, als er diesen Satz hörte. „Aber wir sind nicht nur einfach gesichts- und seelenlose Gestalten in einem Bürogebäude, zumindest nicht alle von uns. Es sollte lustig sein, aber Herb stieg nicht darauf ein, also machte Anderson nach einer kurzen Pause weiter. „Wir versuchen immer, eine persönliche Bindung zu unseren Klienten aufzubauen und ihnen als Freunde mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ihr Onkel, Mr. Morrison, kam vor fünf Jahren zu uns und wollte unsere Hilfe in Anspruch nehmen. Ich bekam ihn zugeteilt, habe eine Menge Gespräche mit ihm geführt - bei mir im Büro aber auch bei ihm zuhause. Ich habe seine Akten studiert, sein Vermögen verwaltet und mit ihm zusammen auch ein Testament aufgesetzt. Das war letzten Frühling, als ob er gewusst hatte, dass er nicht mehr lange auf dieser Welt verweilen sollte. Schon seltsam, finden Sie nicht auch?

    „Ja. Aber im Grunde sind wir auch nur Tiere, nicht wahr? Die wissen oft schon lange vor ihrem eigentlichen Tod, dass es bald zu Ende sein wird."

    „Richtig. Und Ihr Onkel war ein überaus intelligenter Mann, Mr. Morrison. Er hatte ein Händchen dafür, zu welchem Zeitpunkt man auf dem Markt tätig werden musste. Einkauf und Verkauf, verstehen Sie? Und auch bei seinem Testament war er peinlichst genau darauf bedacht, nichts zu vergessen. Oder jemanden zu vergessen."

    Herb horchte auf. „Sie meinen, er hat uns etwas vererbt?"

    „Richtig, Mr. Morrison. Wenn man es genau nimmt hat er eigentlich nur Ihnen etwas vererbt, aber Sie haben laut meinen Unterlagen eine große Familie, richtig? Papier raschelte. „Sie sind verheiratet und haben drei Kinder?

    „Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht."

    „Das ist mein Job, erwiderte Anderson, nicht ohne ein wenig Stolz in seiner Stimme. „Ich habe eine ganze Akte von Ihnen und Ihrer Familie angelegt. Wahrscheinlich gibt es so gut wie nichts was ich nicht von Ihnen weiß. Dem Internet sei Dank!

    Herb wusste nicht, ob er dem so ohne weiteres zustimmen konnte. Fluch und Segen lagen oft nicht weit voneinander entfernt.

    „Sie sind seit über zwanzig Jahren mit Lucy Katharine Swan verheiratet und haben neben ihrer Tochter Sarah, mit der ich schon das Vergnügen hatte zu sprechen, zwei Söhne: Peter Alexander und Michael. Außerdem arbeiten Sie seit fünfzehn Jahren bei „Millroy’s Automotive als Angestellter im Wareneinkauf, haben ein durchschnittliches Gehalt und waren in den letzten fünf Jahren nur vier Wochen krank, weil Sie sich bei einem Unfall das linke Bein gebrochen hatten. Ihre Frau arbeitet in einer Fabrik, die als Zulieferer für große Elektronikhersteller Platinen und anderes Kleinzeug herstellt. Ihr Gehalt ist eher unterdurchschnittlich - zusammengenommen sind ihre beiden Gehälter wahrscheinlich nicht ausreichend dafür, dass sie sich ein Leben in den besten Gegenden ihrer Stadt leisten können. Stimmt das soweit?

    Herb war sprachlos. „Das alles haben Sie aus dem Internet?"

    „Und ich habe natürlich noch eine Menge Kontakte und Beziehungen."

    „Verdammt ..., flüsterte Herb erstaunt. „Ist das legal was sie da tun?

    Anderson lachte schallend und Herbert musste sich den Telefonhörer ein paar Zentimeter vom Ohr weghalten, weil er Angst um sein Trommelfell hatte. „Mr. Morrison, ich habe keine Gesetze gebrochen, wenn Sie darauf hinaus wollen. Ich habe lediglich den Spielraum, der einem geboten wird, optimal ausgenutzt. Sie brauchen keine Angst zu haben, dass ich Kameras in Ihrer Wohnung oder Ihrem Auto platziert habe."

    Der Gedanke war Herb noch gar nicht gekommen. Obwohl er nicht wirklich glaubte, dass Kameras in seiner Wohnung waren, lief ihm ein kalter Schauer den Rücken hinunter. „Wenn Sie das sagen. Was wissen Sie sonst noch?"

    Er stellte die Frage, weil es ihn wirklich interessierte, aber Anderson tat sie als Scherz ab und lachte nur knapp. „Nichts, was man nicht irgendwie auch als private Person erfahren könnte, Mr. Morrison. Aber vielleicht sollten wir wieder zum eigentlichen Thema kommen."

    „Dem Erbe?"

    „Dem Erbe, Mr. Morrison. Was wissen Sie von Ihrem Onkel? Haben Sie eine ungefähre Ahnung, was er die letzten fünfzehn, zwanzig Jahre gemacht hat?"

    Herb dachte nach. Wenn er es sich genau überlegte, wusste er nicht einmal, was Linus davor gemacht hatte. Er und sein Vater waren sich nicht besonders nahe gestanden oder aber hatten das immer ganz gut verbergen können. Er war einmal zufällig in der Nähe gewesen, als sein Vater und seine Mutter über Linus geredet hatten und hatte dort mehrere Sprachfetzen aufnehmen können, in denen sie nicht gerade gut über ihn gesprochen hatten, insbesondere seine Mutter. Sie musste einen wahnsinnigen Groll gegen ihn gehegt haben, aber die Gründe dafür hatte Herb nie erfahren.

    „Mr. Morrison? Sind sie noch da?"

    „Oh ja, Entschuldigung. Ich war ... in Gedanken. Er lächelte nervös und schaute in die Küche, wo Sarah ihre Mahlzeit beendet hatte und den Teller in die Spüle stellte. Sie schien seinen prüfenden Blick zu spüren, und als sie sich umdrehte musste er nicht einmal etwas sagen, damit sie sich erneut umdrehte und den Teller abwusch. Sie rollte mit den Augen und stöhnte, aber Herb nahm das ohne Schuldgefühle zur Kenntnis. „Ich hab‘ keine Ahnung.

    „Kein Problem. Linus hat schon vor vielen Jahren angefangen, in Immobilien zu investieren. Es begann mit seinem Haus in Ihrem Heimatort. Sie waren bestimmt als Kind einmal dort."

    Herb bejahte, war sich aber keineswegs sicher. Seine Kindheit lag weit zurück.

    „Später ist er ein wenig Risiko eingegangen und hat bei Aktiengeschäften einen beträchtlichen Gewinn gemacht. Damit hat er weitere Immobilien im ganzen Land gekauft. Häuser an den Küsten, Wohnungen in Innenstädten und Landhäuser an Seen."

    „Die ganze Palette."

    „Von allem etwas, ja. Die meisten hat er vermietet, zu einem guten Preis. Einige hat er erweitert und Hotelanlagen daraus gemacht. Bis zur großen Immobilienkrise ging es ständig aufwärts und sein Vermögen ist in dieser Zeit beträchtlich angewachsen."

    „Die Krise hat das aber geändert, richtig?"

    Andersons Stimme wurde etwas tiefer und bedauernder. „Leider ist sie an keinem ganz spurlos vorüber gegangen. Ihr Onkel musste viele Häuser verkaufen, um die Kredite zurückzuzahlen, die er bei den Banken für den Umbau weiterer Häuser bekommen hatte. Er hat viel verloren."

    Hoffentlich hat er uns keine Schulden vererbt, betete Herb, sprach es aber nicht laut aus. Sarah drängte sich an ihm vorbei und ging in ihr Zimmer. Ihr Träger war wieder über ihre Schulter gerutscht, aber Herb beließ es bei einer Notiz an sich selbst, sie später darauf anzusprechen. Noch während sie aus seinem Blickfeld verschwand hörte er das Klappern eines Schlüssels an der Haustüre, dann einen kurzen Luftzug und das Schlagen der Tür. Jemand rief leise und schnaufend Hallo! und Herb erkannte seine Frau. Sie kam früh aus der Arbeit zurück.

    „Ihm ist letztendlich nicht mehr viel übrig geblieben. Mehr als Sie jetzt vielleicht denken, Mr. Morrison, mehr als viele von uns jemals besitzen werden, aber für ihn war es nicht mehr viel. Eigentlich nur noch ... - Herbert hörte wieder das Rascheln von Papier - „sein großes Herrenhaus südlich von L.A., eine kleine Wohnung in Dallas und eine weitere Wohnung in einem Vorort von Chicago.

    „Verteilt im ganzen Land", warf Herb bewundernd ein und dachte daran, dass er es in seinen über fünfzig Jahren Lebenszeit noch nicht einmal soweit gebracht hatte, dass er ein einziges Haus oder eine einzelne Wohnung sein Eigen nennen konnte. Als er sich das zum ersten Mal so richtig vor Augen führte fühlte er sich mit einem Schlag wieder schlecht. So schlecht wie vor dem Telefonanruf, als die wahren Probleme seines Lebens vor ihm ausgebreitet auf dem Tisch gelegen hatten.

    „Linus ist viel rumgekommen. Aber diese Immobilien sind nach seinem Tod direkt in den Besitz einer Stiftung gegangen, die er gegründet hat."

    „Was für eine Stiftung ist das?"

    Anderson zögerte. Herb hätte das vielleicht stutzig gemacht, aber in diesem Moment zupfte ihn etwas an der Schulter und er drehte sich um. Katharine stand hinter ihm. Sie trug noch ihre dünne Sommerjacke und lächelte ihn freundliche an. Aber ihre Augen lächelten nicht und obwohl sie ihm einen freundlichen Kuss auf die Wange gab spürte Herb sofort, dass etwas nicht stimmte. Ihre Augen glitzerten und sie drehte sich sofort wieder von ihm weg als sie spürte, dass er sie musterte. Sie verschwand zurück ins Wohnzimmer, das er von seiner Position aus nicht direkt einsehen konnte.

    „Das kann ich Ihnen gar nicht genau sagen, Mr. Morrison. Darüber haben wir nicht so viel gesprochen und wir haben sie auch nicht bei seiner Vermögensplanung berücksichtig, auf seinen eigenen Wunsch hin. Wir haben nur festgelegt, was nach seinem Ableben an seine Stiftung gehen sollte. Wenn Sie wollen, kann ich mich aber gerne etwas schlau machen."

    An seiner Stimme konnte Herb hören, dass er das überhaupt nicht gerne tun wollte. Und eigentlich war es ihm auch egal.

    „Nicht nötig. Sagen Sie mir lieber, warum Sie genau anrufen. Ich erbe etwas, soweit waren wir schon. Bitte verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, aber ich habe im Moment eine ganze Menge Probleme zu lösen und die Zeit läuft nicht gerade für mich."

    Anderson antwortete nicht gleich darauf sondern beließ es bei einigen Sekunden Schweigen. Nur das Geräusch seines Atems machte Herb klar, dass er noch nicht aufgelegt hatte. Er musste den Hörer irgendwie verdreht am Kopf halten, dachte Herb, sonst konnte man nicht so laut hinein atmen.

    „Mr. Morrison, fuhr er dann fort. In seiner Stimme lag eine Mischung aus ernst und sachlicher Angeberei. „Wenn Sie damit Ihre aktuellen Geldsorgen meinen lassen Sie mich eines feststellen: wenn wir die ganzen Formalitäten hinter uns gebracht haben, werden Sie sich nie mehr auch nur den geringsten Gedanken um Geld machen müssen.

    „Ich verstehe nicht, warum sie sich das überhaupt noch gefallen lässt. Hast du sie in letzter Zeit mal gesehen? Diese Augenringe? Mein Gott, sie war so ein schönes Ding!"

    Berta, die eigentlich Alberta hieß, aber diesen Namen nie benutzte, auch nicht bei Ämtern und Behörden, biss in ihr dick belegtes Sandwich hinein. Wie immer bei einem Sandwich, das nicht von Profis gemacht worden war, fiel die Hälfte hinten, die andere Hälfte bei den Seiten heraus und hinterließ eine riesige Sauerei. Wie bei den großen Burgern von McDonalds, dachte Katharine belustigt und musste sich unfreiwillig das Video von David Hasselhoff vor Augen führen, dass ihr Peter vor einigen Monaten im Internet gezeigt hatte. Darauf zu sehen der wieder einmal stark betrunkene ehemalige Frauenschwarm aus Baywatch und Knight Rider beim Versuch, im totalen Suff einen dieser Burger zu essen. Sie hatte es traurig gefunden und war noch trauriger geworden, als ihr klar wurde, dass dieses Video von seiner Tochter gedreht worden war.

    „So ein Mist!", rief Berta aus und kratzte mit ihren fleischigen Fingern alles wieder zusammen und versuchte, den Inhalt wieder zwischen die zwei Weißbrotscheiben zu stopfen. Katharine musste sich mit einem Lächeln auf den Lippen abwenden. Früher hatte sie sich vor Leuten wie Berta geekelt, aber mittlerweile war sie ihr irgendwie auch sympathisch geworden. Sie schob ihre Gewichtsprobleme gerne auf ihre Drüsen und ihren Mann, der sie vor vier Jahren verlassen hatte, weil er eine jüngere und hübschere Schnalle gefunden hatte. Dieses Wort benutzte sie gerne in diesem Zusammenhang. Sie wollte eigentlich immer Schlampe sagen, aber laut ihrer Meinung würde sie davon in die Hölle kommen. Fluchen ließ einen irgendwann am selben Tisch wie Hitler und Saddam sitzen.

    „Ich schwöre dir, irgendwann bekomme ich den Kerl, der diese Dinger belegt, zu fassen. Und dann werd‘ ich ihn so fest drücken dass seine Innereien genauso aus ihm heraus quellen."

    „Glaubst du, sie lässt sich bald scheiden?, fragte Katharine, um wieder auf das ursprüngliche Thema zurück zu kehren. „Wegen der Kinder?

    Berta zuckte mit ihren wuchtigen Schultern. „Hoffen wir’s doch, oder? Lange geht das nicht mehr gut. Entweder er bringt sie um oder sie tut es selbst."

    „Was macht dich eigentlich so sicher, dass ihr Mann das Problem ist?"

    Berta schaute von ihrem Sandwich auf und blickte sie aus kleinen, zu Schlitzen zusammengepressten Augen an. „Wie meinst du das?"

    Katharine zuckte ebenfalls mit den Schultern, jedoch waren diese wesentlich schlanker und graziler. „Hast du mal mit ihr gesprochen? Ich glaube nicht, dass James an allem schuld ist. Mary hat Probleme."

    „So? Berta biss wieder in ihr Sandwich. Erneut fiel die Hälfte heraus, aber dieses Mal achtete sie nicht weiter darauf und kehrte es zusammen während sie antwortete. „Du meinst weil sie säuft?

    „Nicht so laut!, zischte Katharine und schaute sich um, ob sie nicht jemand gehört hatte. Sie saßen in dem geräumigen Gemeinschaftsraum der Fabrik, die zeitgleich als Brotzeitraum und Besprechungszimmer genutzt wurde, falls ihr Schichtleiter wieder eine selbstgefällige Ansprache hielt. Es war jetzt kurz nach drei Uhr Nachmittag und Berta legte jene Pause ein, die sie als „Spät-Lunch bezeichnete. Das eigentliche Mittagessen war vor zwei Stunden nicht weniger deftig ausgefallen. Aber gut, die Drüsen, die Männer ...

    „Ist doch eh fast keiner da", rief Berta und schaute sich kurz um. Außer ihnen waren noch zwei Männer aus der Verwaltung da, allerdings mehrere Tische neben ihnen. Sie schienen sehr in ihr Gespräch vertieft zu sein und hoben die Köpfe nur, um sich mit den Händen die schmierigen Haare wieder in Form zu bringen.

    „Ich glaube schon, dass ihr Problem in diese Richtung geht, ja. Ist dir noch nie aufgefallen, wie stark ihre Hände zittern kurz vor Feierabend?"

    Berta nickte. „Und ihr Atem am Morgen... Sie verzog das Gesicht und hatte jetzt mehr Ähnlichkeit mit einer Figur aus Knetmasse als mit einem echten Menschen. „Starkes Mundwasser, meinst du nicht auch?

    Katharine zuckte mit den Schultern. Sie mochte es nicht, schlecht über andere zu sprechen, aber in diesem Fall konnte sie sich nicht ganz so zurückhalten, wie sie es gerne hätte und wie sie es Sarah immer beigebracht hatte.

    „Glaubst du, wir sollten mal mit ihr reden?"

    Berta schüttelte den Kopf und nahm einen großen Schluck Cola. „Vielleicht sollten wir uns da nicht einmischen. Ich meine: wie gut kennen wir diese Frau? Unter Umständen fühlt sie sich in die Ecke gedrängt und sticht uns nieder. Hab‘ ich letztens erst im Fernsehen gesehen. Gruselige Geschichte, kannst du mir glauben." Sie stieß einen so lauten Rülpser aus, dass sogar die beiden Männer ihr Gespräch unterbrachen und mit überraschten Gesichtern zu ihnen herüber schauten.

    Berta hob entschuldigend die Hand. „Mein Fehler, Jungs. Nichts für Ungut. Dann wandte sie sich wieder Katharine zu. „Oder willst du mir ihr reden?

    „Ich weiß nicht. Vielleicht tut sie sich was an, ich glaube das ist gar nicht so unwahrscheinlich. Sie hat hier doch sonst keinen, mit dem sie reden könnte."

    „Ja, ja, da könntest du recht haben. Berta wägte die Möglichkeiten in ihrem Kopf ab und verzog dabei den Mund. „Werd‘ sie mal drauf ansprechen, Kleine. Aber du weißt wessen Namen du der Polizei sagen musst, wenn ich erstochen in einer Mülltonne gefunden werde, ja?

    Berta nannte sie häufiger Kleine. Nicht dass sie körperlich größer gewesen wäre, denn Katharine war für eine Frau sehr groß, fast einen Meter siebenundsiebzig, aber Berta war zum einen wesentlich älter als sie und zum anderen eine solch wuchtige Erscheinung, dass sich das Diskutieren zu diesem Thema schnell erübrigte.

    „Natürlich. Sie lächelte ihr zu und warf einen kurzen Blick auf die vergilbte, alte Uhr über dem Getränkeautomat. „Wir müssen los, sonst gibt’s wieder Ärger vom Chef.

    Berta stieß noch einmal genüsslich auf, dann erhob sie sich und räumte ihre Sachen in ihre Tasche zurück. „Hast ja Recht, Kleine. Zum Glück ist dieser Tag bald zu Ende, meine Beine bringen mich noch um!"

    Eigentlich ja eher umgekehrt, dachte Katharine, beließ es aber bei einem Lächeln. Sie drehte sich gerade um, als sie draußen am Fenster, das die Produktionshallen zeigte, einen Mann vorbei eilen sah. Es handelte sich um Thurston Wettington, einem übereifrigem Bücherwurm, der seine Stelle, so erzählte man sich unter den Frauen, nur deshalb bekommen hatte, weil er die homosexuellen Vorlieben ihres Chefs kannte und nicht abgeneigt gewesen war, ein bisschen mehr für seinen Job zu geben als manch anderer Bewerber. Thurse, wie er sich selbst nannte, hatte schmale Schultern und dicke Brillengläser, hinter denen kleine, aber sehr aufgeweckte Augen alles beobachteten und sondierten. Er war alles in allem nicht ganz so groß wie Berta, und die war ihrerseits bestimmt einen halben Kopf kleiner als Katharine. Eigentlich konnte man ihn nicht ernst nehmen, aber er hatte das Vertrauen des Chefs und das machte ihn umso gefährlicher.

    Er öffnete die Tür, nickte den beiden Männern kurz zu und ging dann ohne Umwege auf Katharine und Berta zu. Einen Meter vor ihnen blieb er stehen.

    „Guten Tag Mrs. Morrison. Mrs. Burton." Er nickte ihnen kurz zu.

    „Hi, Thurse, antwortete Berta. „Alles klar bei Ihnen?

    Thurston warf ihr einen verachtenden Blick zu. Man konnte ihm sofort ansehen, dass er Berta hasste. Das wusste Berta auch selbst, aber das beruhte ohne Zweifel auf Gegenseitigkeit. Sie mochte seine schleimige, aufgesetzte Art nicht und ließ sich ihrerseits nicht den Mund verbieten. Thurston hatte, als er hier angefangen hatte, ziemlich früh den Fehler gemacht, Berta dumm anzusprechen. Berta, die als gewählte Stimme der Belegschaft einen anderen Status in der Firma innehatte als ihm zu diesem Zeitpunkt bewusst gewesen war, hatte sich das nicht bieten lassen und seitdem waren die Fronten zwischen ihnen verhärtet. Thurston hätte alles dafür getan, Berta aus dem Unternehmen zu bekommen, aber solange die Belegschaft hinter ihr stand war da nichts zu machen. Berta wusste von seinen Plänen, und nachdem sie ihn ohnehin nicht leiden konnte, provozierte sie ihn nur noch mehr.

    „Kann mich nicht beklagen, Mrs. Burton."

    „Sie können mich Berta nennen, Thurse. Das tun hier alle, hab ich Ihnen doch schon einmal gesagt."

    Thurse atmete tief ein und sein linker Mundwinkel zuckte ein wenig. „Ich bleibe bei Mrs. Button, danke. Und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich nicht Thurse nennen würden. Mein Name ist Mr. Wettington, außer für meine Freunde."

    „Sind wir denn keine Freunde, Thurse?"

    Thurston schloss die Augen, beließ es aber dann dabei. „Egal, Mrs. Burton. Ich bin nicht wegen Ihnen hier, also lassen wir es doch einfach sein. Eigentlich bin ich wegen Ihnen hier, Mrs. Morrison." Er wandte sich an Katharine, die das Gespräch der beiden belustigt von der Seite beobachtet hatte. Jetzt horchte sie überrascht auf.

    „Wegen mir? Warum denn das?"

    „Der Boss möchte mit Ihnen sprechen. Haben Sie einen Augenblick Zeit um mich zu begleiten?"

    Katharine und Berta warfen sich einen kurzen Blick zu, der Thurston nicht entging. „Alleine."

    „Um was geht es?", warf Berta ein, doch Thurse machte eine wegwerfende Handbewegung.

    „Das darf ich Ihnen nicht sagen, Mrs. Burton. Und es wäre mir sehr recht, wenn Sie sich nicht einmischen würden."

    Berta holte tief Luft und wollte Thurston mit einem wahren Sturm eines vor den Latz knallen, aber Katharine winkte ab und Berta lies die Luft geräuschvoll aus ihren mächtigen Lungen entweichen. Ihr Blick blieb aber an Thurston geheftet, gespannt und prüfend.

    „Dann gehen wir", sagte Katharine. Thurston nickte und machte auf der Stelle kehrt. Katharine warf Berta noch einen kurzen Blick zu, Berta nickte und machte ihr mit einer Geste klar, dass sie aufpassen würde.

    Sie gingen durch die Tür, bogen links ab und gingen am Rand der großen Halle entlang. Das Büro von Mr. Green, Geschäftsführer und schon seit fünfzehn Jahren im Unternehmen, lag auf der anderen Seite des Geländes in dem dreistöckigen Bürogebäude, wo die Verwaltung saß. Das Gebäude war vor über fünfzig Jahren errichtet worden, lange bevor die Firma hier Fuß gefasst hatte. Ursprünglich war es ein Gebäude der Stadtverwaltung gewesen, dann aber für fünf Jahre leer gestanden als die Stadt in ein Gebäude näher am Ortskern gewechselt hatte. Als dann im Jahr 1984 die Firma „Advanced Technologie" hier einzog, war das Haus nicht mehr in einem Zustand, in dem man es hätte beziehen können. Also wurde es von Grund auf saniert und mit einem futuristischen, wellenförmigen Dach versehen, das zwei oder drei verschiedene lokale Architekturpreise erhalten hatte. Katharine fand es einfach nur hässlich, aber das war bei den meisten Leuten der Fall, wenn es um moderne Kunst und Architektur ging. Eben alles Geschmackssache.

    Mr. Greens Büro lag im dritten Stock. Außer seinem Büro war dort noch das Büro seines Sekretärin, Mrs. Amanda Silver, und ein großer, nobel eingerichteter Besprechungsraum. Amanda war Mitte zwanzig und für den Beruf nicht unbedingt qualifiziert. Mr. Green verzieh ihr das wohl wegen ihres Aussehens. Und auch jetzt, als Thurston und Katharine ihr Büro betraten, trug sie nicht sehr viel mehr Stoff am Körper als eine Prosituierte auf der Straße im Sommer.

    „Hallo, Mr. Wettington. Sie müssen noch einen kleinen Moment warten, Mr. Green telefoniert noch."

    „Schon gut, Amanda." Er ging an ihr vorbei und schaute aus dem großen Fenster, das fast die ganze Wand hinter ihrem Schreibtisch einnahm. Katharine bemerkte, wie er sie nicht einmal eines Blickes würdigte, was sie für einen Mann, auch wenn es Thurston war, für eine beachtliche Leistung hielt. Wahrscheinlich war er wirklich schwul. Ihr selbst nickte Amanda nur knapp zu, ehe sie sich wieder in eine Zeitschrift vertiefte.

    Sie mussten nicht mehr als drei Minuten warten, dann ging auf dem Telefon vor Amanda ein rotes Licht aus - das Signal, dass die Leitung wieder frei war. Sie griff nach dem Apparat, drückte eine Taste und gab Mr. Green Bescheid, dass Mr. Wettington jetzt für ihn zu sprechen sei.

    „Sie können zu ihm, sagte sie, als sie den Hörer aufgelegt hatte. „Er erwartet Sie bereits.

    Thurston nickte und ging voran, Katharine folgte ihr wortlos. Amandas Blick folgte ihnen, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, dann verzog sie das Gesicht zu einem Gähnen und blätterte wieder in ihrer Zeitschrift.

    Mr. Green war ein großer Mann mit dunklem Haar, das an den Seiten bereits leicht grau schimmerte. Alles in allem machte er einen sportlichen, gepflegten Eindruck. Er trug keinen Bart, seine Augenbrauen waren mit ziemlicher Sicherheit gezupft und seine Fingernägel akkurat auf eine gleichmäßige Art und Weise getrimmt, wie man es selbst wohl kaum schaffte. Er trug einen hellen Anzug und eine Krawatte, die bestimmt über einhundert Dollar gekostet haben musste. Sein Büro war hell und die Sonne, die einen ihrer besten Tage in einem ansonsten verregnetem Jahr zu haben schien, brannte herein. Die Fenster waren gekippt und an der Decke hing ein Ventilator, der sich leise, aber nicht geräuschlos drehte. Es roch nach Tabak, aber nicht nach Zigaretten. Vielmehr nach einem guten, teuren Pfeifentabak, wie Katharines Vater ihn immer geraucht hatte.

    Als sie sein Büro betraten stand er von seinem Stuhl auf, gab ihnen beiden die Hand und bot ihnen Plätze an. Seine Stimme war freundlich, aber in seinem Gesicht spiegelte sich das nicht wieder. Er wirkte angespannt.

    „Vielen Dank, Mr. Wettington."

    Wettington nickte selbstzufrieden und sank selig in seinen Stuhl. Er wirkte auf Katharine wie das personifizierte Glück.

    Mr. Green war wieder hinter seinem Schreibtisch verschwunden und blätterte in einer Akte. Obwohl sie den Namen nicht lesen konnte war sich Katharine doch sehr sicher, dass es sich um ihre eigene Akte handelte. Ein mulmiges Gefühl, das sie bisher erfolgreich verdrängt hatte, stieg in ihr hoch und sie bekam eine Gänsehaut.

    „Mrs. Lucy Katharine Morrison. Mr. Green lächelte und warf ihr einen freundlichen Blick zu. „Ein sehr schöner, klangvoller Name. Meine Großmutter hieß auch Lucy, aber mit zweitem Namen.

    „Sie können mich Katharine nennen, das machen alle." Das stimmte. Ihren ersten Namen benutzten nur die wenigsten. Für sie klang er zu sehr nach Landei, aber das wollte sie nicht laut sagen.

    „Also gut, Katharine. Er nickte, aber sein Blick war zurück in die Akte geglitten. „Sie wissen nicht, warum ich Sie in mein Büro gebeten habe?

    „Nein, nicht im geringsten." Das entsprach der Wahrheit.

    „Das ist schade, Katharine. Nicht die leiseste Ahnung?"

    Er blickte auf und in seinen Augen war ein Ausdruck, der ihr noch mehr Angst machte. Es schien fast so, als flehten seine Augen sie an, ihm etwas zu sagen.

    Zu gestehen?

    Sie schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, Mr. Green. Ich habe keine Ahnung."

    Er verzog den Mund und stieß leise, aber doch hörbar, den Atem aus. „Ich habe nicht viel Zeit, darum müssen Sie entschuldigen, wenn ich mich jetzt kurz fasse und Ihnen vielleicht nicht die ganze Aufmerksamkeit schenke, die Sie verdient hätten."

    „Was meinen Sie?"

    Green räusperte sich. „Sie sind gefeuert", sagte er zögernd. Sein Blick blieb dabei auf ihr Gesicht gerichtet so dass sie in seinen Augen sehen konnte, dass dies nicht die Worte waren, die er eigentlich sagen wollte.

    „Bitte was?, keuchte sie und legte die Stirn in Falten. „Warum?

    „Ich hoffte eigentlich von Ihnen, dass Sie mir das selbst sagen könnten. Das würde uns eine Menge Ärger ersparen und wir könnten uns vielleicht einigen."

    „Ich verstehe nicht, was Sie meinen."

    „Wirklich?"

    Irgendetwas in ihr sagte ihr, dass er diese Frage ernst meinte, aber sie konnte nichts erwidern.

    „Wollen Sie nicht etwas dazu sagen?" Es klang fast wie ein Flehen.

    Katharine, der jetzt Tränen der Fassungslosigkeit in den Augen standen, zuckte nur mit den Schultern.

    Green zog eine Schublade aus seinem Schreibtisch heraus und zog eine Packung Taschentücher hervor, die er ihr hinhielt. Sie nahm sich eines und tupfte ihre Augenwinkel damit trocken.

    „Gut, meinte Green schließlich und schlug die Akte zu. „Dann kläre ich Sie eben auf. Er räusperte sich erneut. „Sie wurden beim Diebstahl von Firmeneigentum beobachtet. Es gibt mehrere Aussagen von unterschiedlichen Personen, die dies bezeugen können. Wollen Sie mir dazu etwas sagen?"

    „Diebstahl?, rief Katharine erschrocken auf. „Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein?

    „Ich wünschte, es wäre nicht so, glauben Sie mir. Diese Situation ist für mich viel unangenehmer als Sie vielleicht denken. Aber, Katharine, mir sind da die Hände gebunden. Die Regeln in dieser Firma sind klar definiert und bei Diebstahl gibt es eben nur diese eine Antwort - und die heißt Kündigung."

    „Wer behauptet, dass ich etwas gestohlen hätte?", rief Katharine wütend aus.

    „Bitte, Katharine, verstehen Sie mich doch. Ich kann Ihnen die Namen nicht nennen. Das wäre unter Umständen gefährlich für alle Beteiligten."

    „Glauben Sie, dass ich ihnen was antue? Katharine schüttelte den Kopf und musste den Blick abwenden. Jetzt liefen ihr Tränen über die Wangen, aber sie machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen. „Ich kann es nicht fassen.

    Green machte ein gequältes Gesicht. „Ich wünschte, es wäre nicht so. Aber die Beweislast gegen Sie ist wirklich erdrückend. Er machte eine Pause. „Wenn Sie mir wenigstens ein Geständnis anbieten würden, dann könnte ich die Sache vielleicht abwenden, aber so sind mir die Hände gebunden.

    „Ich kann doch nichts gestehen was ich nicht getan habe!, rief Katharine. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen.

    Green schaute ihr tief in die Augen, dann nickte er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Dann tut es mir leid, Katharine. Sie sind eine gute Mitarbeiterin gewesen, aber leider gibt es für Sie hier keinen Platz mehr." Er klappte die Akte zu. Katharine sah, wie seine Hände dabei leicht zitterten.

    „Wir werden davon absehen, eine Anzeige gegen Sie zu erstatten. Wenn Sie mir hier einfach eine Unterschrift geben können Sie mit der Gewissheit gehen, keine weiteren Konsequenzen aus Ihrem Handeln befürchten zu müssen."

    Er schob ihr ein Blatt Papier zu, auf dessen Kopf das Logo der Firma abgedruckt war. Sie nahm ihn zu sich, wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen und las ihn durch. Zusammengefasst ließ sich sagen, dass die Kündigung in ihrem Einverständnis zustande gekommen sei und sie selbst wie auch die Firma von weiteren Schritten absehen würden, sobald dieser Zettel unterschrieben war. Die Unterschrift von Green war bereits darauf, ebenso der Stempel mit dem heutigen Datum.

    „Das darf nicht wahr sein, flüsterte sie. Sie schaute zu Green, doch in seinem Gesicht stand der Entschluss bereits so fest verankert, dass sie sich jeden weiteren Kommentar sparte. „Geben Sie mir einen Stift.

    Sie unterschrieb das Dokument, schob es mit einem gereizten Ruck quer über seinen Tisch, stand auf und stürmte aus dem Raum, ohne sich auch nur noch einmal umzudrehen oder zu verabschieden.

    Amanda hob nicht einmal den Blick von ihrer Zeitschrift.

    „Ich hab keine Lust mehr!" Michael warf den Controller seiner Xbox aufs Bett und stand genervt auf.

    „Schlechter Verlierer, kleiner Bruder? Peter grinste bis über beide Ohren, schließlich hatte er seinen Bruder bereits den fünften Tag in Folge beim „Major League Baseball 2009 geschlagen, eigentlich ja eine seiner Schwächen. Obwohl er an der Schule in der Schülerauswahl spielte und seine Mannschaft bei den Landesmeisterschaften vertrat war es ihm bislang nicht vergönnt gewesen, auch in der virtuellen Welt bei den Besten mitzuspielen. Als Maßstab konnte er nur seinen Bruder nehmen, der online eine Art Heldenstatus bei den meisten Spielen innehatte. Aber: Glück im Spiel, Pech in der Liebe, oder?

    Michael zeigte ihm den Mittelfinger und wischte sich dann eine Locke aus dem Gesicht. Seine Frisur, wenn man es so nennen wollte, glich nach zehn Monaten ohne Friseur mittlerweile mehr einem Wischmopp oder diesen Perücken, die man an Halloween oft kaufen konnte, wenn man als „Pennywise oder „Ronald McDonald unterwegs war um „Süßes oder Saures" zu spielen.

    „Geh‘ mir nicht auf den Sack, Pete. Wenn ich so lange Zeit zum üben hätte wie du dann ... Er überlegte kurz und winkte dann ab. „Arschloch.

    Peter grinste. Er war die letzten beiden Wochen krank gewesen, Sommergrippe. Zwar war er seit fast einer Woche wieder fit, aber wenn der Arzt sagte, er solle daheim bleiben, dann blieb er eben daheim. Er machte die Regeln nicht, er befolgte sie nur.

    Er legte seinen Controller auf den Nachttisch und schaltete die Konsole und den Fernseher aus. Dabei bekam er von dem alten Röhrengerät einen leichten Stromschlag und zuckte zurück. Er hob den Blick, aber Michael hatte es nicht bemerkt. Dafür dankte er dem großen Allmächtigen innerlich.

    „Ich geh‘ was essen. Sport macht mich immer hungrig." Michael öffnete die Tür und verschwand aus ihrem gemeinsamen Zimmer. Peter hasste es, dass sie sich ein Zimmer teilen mussten. Nicht nur, weil er seinen Bruder oft nicht sonderlich gut leiden konnte, sondern auch wegen so mancher anderer Sachen. Keine Mädchen, keine Geheimnisse, keinen Platz um sich zurückzuziehen. Sogar zum Masturbieren musste er auf die Toilette gehen wie ein gestörter Perverser.

    Pete fand, dass sein Bruder eine gute Idee hatte, und folgte ihm. Als er von seinem Bett aufstand blieb er mit dem rechten Fuß an einem der Kabel hängen, die überall auf dem Boden lagen. Es gab einen kurzen Ruck, dann fiel eine der zwei E-Gitarren seines Bruders aus der Halterung an der Wand und landete auf dem Boden. Zum Glück Teppich, sonst wäre vielleicht schlimmeres passiert. Michael war schon weg und hatte das Missgeschick nicht bemerkt. Wieder ein Stoßgebet an den großen Allmächtigen. Fast schon zu viel Glück für einen Tag.

    Er wollte gerade auf den Flur hinaus gehen, als ihm Sarah entgegenkam. Sie würdigte ihn keines Blickes und so sah er es auch nicht ein, auch nur einen halben Schritt zur Seite zu machen. Sie rumpelten aneinander, keiner von ihnen gab nach und nach einer kurzen Demonstration seiner Stärke ächzte sie genervt auf und drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand, um sich an ihm vorbei zu drücken. Sie murmelte etwas, wahrscheinlich etwas wie Idiot oder Penner, aber genau konnte er es nicht verstehen. Er schaute ihr nach, bis sie in ihrem Zimmer am Ende des Flurs verschwunden war. Sie war hübsch, das fand sogar er. Wenn sie wüsste, was einige seiner Freunde so über sie redeten, wäre sie wahrscheinlich aus der Haut gefahren und hätte jedem von ihnen das Gesicht zerkratzt - aber grundsätzlich hatten sie recht. Pete zweifelte nicht daran, dass sie irgendwann entdeckt werden würde und mit ihrem Aussehen eine Menge Geld verdienen konnte.

    „Hi, Mum!"

    Peter drehte sich wieder um. Michael hatte inzwischen die Küche erreicht. Sein Vater stand in der Diele und telefonierte mit irgendjemandem. Seine Mutter musste wohl im Wohnzimmer sein, denn er konnte sie nicht sehen sondern nur hören.

    „Hi Michael. Alles klar bei euch?"

    „Ja. Eine Pause, dann ein leises Scheppern. „Scheiße!

    „Was?", rief die gedämpfte Stimme seiner Mutter.

    Michael kam mit wütendem Gesicht aus der Küche, zwängte sich an seinem Vater vorbei und stellte sich in den Türrahmen zum Wohnzimmer. Peter ging auf ihn zu.

    „Hast du die Reste von gestern gegessen?"

    „Nein, Schatz. Bin gerade erst bei der Tür hinein. Hi, Peter!"

    „Hi Mum. Er schaute auf die Uhr, die siebzehn Minuten nach vier anzeigte. „ Warum bist du schon hier?

    „Später, Peter. Sie zeigte auf seinen Vater. „Weißt du, mit wem er spricht?

    Er zuckte mit den Schultern. „Bin gerade erst gekommen."

    „Geht’s dir wieder besser?"

    Michael gab einen abfälligen Laut von sich. „Dem ging’s noch nie schlecht."

    Pete puffte gegen seinen Oberarm, beachtete ihn aber nicht weiter. „Ja. Ab Montag kann’s wieder losgehen."

    „Aber noch nicht mit Training. Du weißt, was Dr. Bernstein gesagt hat."

    Peter verdrehte die Augen. Damit war das Thema abgeschlossen.

    „Kein Essen mehr da?"

    Michael schüttelte den Kopf. „Nichts mehr. Er machte eine Kopfbewegung zum Zimmer von Sarah. „Das war bestimmt sie.

    „Natürlich. Wer denn sonst."

    „Ich koch gleich was. Warten wir noch auf euren Vater." Sie lehnte sich auf dem alten, ausgeblichenen Sofa zurück und schloss für einen Moment die Augen.

    „Auf Wiederhören."

    Peter drehte den Kopf zu seinem Vater. Dieser hatte einen verwirrten Gesichtsausdruck und sein Mund stand noch einen Spalt offen, als er den Hörer auflegte. Seine Stirn glänzte vor Schweiß, obwohl es in der Wohnung nicht besonders warm war. Das war es nämlich nicht mal im Hochsommer - ein Umstand, für den Peter hin und wieder recht dankbar war. Aber im Winter war es die Hölle und er dachte mit Schrecken daran, was in den Monaten Dezember und Januar im letzten Jahr passiert war, als die Heizung für Wochen nicht funktioniert hatte.

    „Alles klar, Dad?, fragte Michael besorgt. „Du siehst nicht gut aus.

    Ihre Mutter stand auf und schob sie sanft aber bestimmt zur Seite, um zu ihrem Mann zu gelangen. Sie gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange, nahm dann sein Gesicht in ihre Hände und schaute ihm tief in die Augen.

    „Wir müssen uns unterhalten, Herb. Ich habe Neuigkeiten."

    Herb, der immer noch etwas abwesend aussah, verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln, aber in seinen Augen spiegelte sich das nicht wieder.

    „Ja, Schatz, sagte er mit belegter Stimme. „Ich auch.

    Kapitel 2

    Ich war zum ersten Mal im „Mountain View Hotel". Zu diesem Zeitpunkt, lieber Leser, wusste ich noch nicht, wohin mit meinem Leben, meiner Zeit, meinem Drang, etwas zu schaffen, zu bauen. Kein Haus, nein. Ich hielt auch schon zu diesem Zeitpunkt nicht viel von den klassischen Vorstellungen, die einem anerzogen werden. Baue ein Haus, pflanze einen Baum, heirate, bekomme zwei Kinder, einen Hund usw. Sie verstehen sicher, was ich meine.

    Vielmehr sah ich es als meine Aufgabe, etwas zu erschaffen, woran man sich später noch erinnern konnte. Leichter gesagt, als getan. Meine Zeit war noch nicht reif, aber ich war drauf und dran, einen Weg zu finden, mein Ziel zu erreichen. Wie macht man sich unsterblich? Sicher, man könnte den Weg einschlagen, den viele vorher gegangen sind. Töte Menschen, zünde Schulen oder öffentliche Gebäude an - irgendwer wird sich danach definitiv sein ganzes Leben lang an dich erinnern. Wenn du alle tötest gibt es immer noch einen Angehörigen, dem du etwas genommen hast. Sohn, Tochter, was auch immer. Du bist in der Presse, die Zeitungen und die Fernsehsender berichten über dich, du bist in aller Munde. Je nachdem, wie schwer deine Tat wiegt, spricht sich das alles noch viel weiter rum. Plötzlich bist du eine Berühmtheit in Japan oder Ägypten, Menschen lassen sich deinen Namen auf die Brust tätowieren und ganze Gruppen von Menschen, die deine „wahren" Ziele und Absichten kennen, schließen sich deinem Ideal an, gründen Clubs und Online-Communities.

    Aber seien wir mal ehrlich: wer will schon so in Erinnerung bleiben? Nur psychisch gestörte Personen. Oder Kranke. In dem Moment, in dem ich aus dem Taxi stieg, das mich bis an die Pforte des Mountain View gefahren hatte, war ich weder gestört noch krank. Ich war voller Tatendrang, daran besteht kein Zweifel. Aber dieser Tatendrang lies mich keine verrückten Sachen machen. Noch nicht, um bei der Wahrheit zu bleiben.

    Das Hotel steht sehr idyllisch an einer Klippe, ziemlich hoch oben an einem Berg, dessen Namen mir im Moment nicht mehr einfällt. Nach Norden hin kommen noch zwanzig, fünfundzwanzig Meter Wiese, ehe es fast zweihundert Meter in die Tiefe geht. An der Südseite geht, auf der anderen Seite der Straße, der Berg noch einige Meter in die Höhe. Er hat keine richtige Spitze wie die Berge in den Zeichnungen von Kindern, vielmehr gleicht er dem Rücken eines Wales. Von März bis November schafft es die Sonne, seinen Buckel zu überflügeln und scheint das Hotel dann den ganzen Tag mit aller Kraft an. Von Dezember bis Februar bekommt man nur am Morgen etwas davon ab, wenn man dem gemütlichen Sonnenaufgang zuschauen kann. In diesen Monaten sind nur sehr wenige Gäste da, aber das Hotel ist niemals leer. Wanderer und Ruhesuchende gleichermaßen können hier finden, wonach sie suchen.

    Im Westen erstreckt sich ein kleiner Parkplatz zwischen Waldrand und Hotel, gerade einmal groß genug für zwanzig Wagen. Hier steht auch der Geräteschuppen mit dem Schneemobil, falls die Straße nach einem heftigen Schneefall für einige Tage nicht befahrbar sein sollte (was in diesen Breitengraden öfter mal vorkommt). Im Osten ist der wunderschöne Garten mit vielen, liebevoll getrimmten Hecken und Sträuchern, einem Spielplatz, einem großen Springbrunnen mit den Figuren von Kindern und Pferden in Stein gehauen, einem Grillplatz und noch so viel mehr was sich zu erzählen lohnen würde, aber den Rahmen einfach sprengen würde. Sie müssen es sich einfach selbst ansehen.

    Oh, sehen Sie, in diesem Moment fährt der Wagen der Morrisons vor. Hat den Aufstieg also geschafft, ein Glück. Herb parkt auf dem Parkplatz und steigt aus, streckt sich - anstrengende Fahrt.

    Die Tür ins Foyer öffnet sich. Ein Mann im Anzug tritt heraus und bleibt wenige Schritte vor der Tür wieder stehen. Er lächelt.

    Aber zu viel erzählt - sehen Sie selbst.

    Herb war überwältigt. Nicht in seinen kühnsten Träumen hätte er daran gedacht, dass das Hotel so schön ist - und vor allem nicht, dass es so gut in Schuss war. Die Ziegel des Hauses, aus denen der größte Teil des Haupthauses zu bestehen schien, glänzten in einem strahlenden rot, die aufwändigen Auf- und Umbauten an den Flügeln und oberen Stockwerken waren aus hellem, starken Holz. Das Dach war in einem dunklen Grün gehalten, das sich mit dem Wald um das Haus herum deckte. Vor den Fenstern im Erdgeschoss war ein kleiner Streifen mit Blumenfeldern und Sträuchern angelegt, der das Haus wie eine Mauer für Gartenzwerge umrahmte. Die Einfahrt war kreisförmig angelegt, so dass man zu keiner Zeit wenden musste, sondern die Schleife, herum um einen formschönen Brunnen, einfach noch einmal drehen konnte, um zurück auf die Zufahrt zur Hauptstraße zu gelangen. Die Hauptstraße selbst war etwa einhundert Meter entfernt. Im Winter, wenn die Bäume ihre Blätter verloren haben würden, könnte man sie vielleicht sehen. Aber selbst wenn: hier fuhren so wenige Autos, dachte Herb, dass sich keiner über den Lärm beschweren konnte.

    „Scheiße", flüsterte Michael, der neben ihm stand, ehrfürchtig. Herb gab ihm einen leichten Stoß mit dem Ellbogen, obwohl ihm die Wortwahl eigentlich treffend vorkam.

    „Du bist sicher, dass wir uns nicht verfahren haben?", fragte Sarah. Sie trug eine große Sonnenbrille, die ihr halbes Gesicht bedeckte, und schob diese jetzt mit dem Zeigefinger ein wenig nach unten, so dass sie darüber hinweg schauen konnte.

    „Ich meine: das Ding ist riesig!"

    Herb nickte. „Ich denke schon. Katharine?"

    „Ganz sicher", antwortete Katharine, die lässig an der Beifahrertür ihres alten Ford lehnte und ein Blatt Papier in der Hand hatte. Sie betrachtete das Stück Karte auf dem Dach des Fahrzeuges und verglich es mit dem Zettel, den sie sich vor zwei Tagen in einem Internetcafe ausgedruckt hatte. Darauf standen

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