Leben in Hartz IV – Armut und Menschenwürde
Von Tanja Kuhnert
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Über dieses E-Book
Fachpersonen, die Hartz-IV-Empfänger unterstützen, benötigen eine fundierte Expertise über diesen Arbeitskontext und passende Handlungsansätze für ihren professionellen Umgang. Tanja Kuhnert gibt einen Überblick über die rechtlichen, gesellschaftlichen und psycho-sozialen Herausforderungen in diesem Kontext. Sie zeigt den Kontakt zum Job Center, mit den damit verbundenen Regelungen, Vorgaben und Erwartungen auf und diskutiert ihn hinsichtlich der Konsequenzen für Leistungsbeziehende und ihr Lebenssystem (Familie, Partnerschaft).
Aber auch die Bedeutung von Schamerleben sowie die Trauer über sich verändernde Lebensentwürfe müssen in der systemischen Beratung von Hartz-IV-Beziehenden berücksichtigt werden. Aus ihrer Berufspraxis schildert Tanja Kuhnert die Lebensrealität von Leistungsbeziehenden mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten sowie die jeweilige Bedeutung für systemische Begleitung und Beratung. Sie benennt hilfreiche Methoden und systemische Grundprinzipien, und plädiert dafür, dass auch Systemiker/-innen sich politisch positionieren und einmischen. Sie fordert von den Fachpersonen, ihr Wissen über die Auswirkungen von Ungleichheit in Gesellschaftssystem einzusetzen und sich als Partner/-innen zur Entwicklung von gesellschaftlichen Veränderungs- und Lösungsansätzen zur Verfügung zu stellen.
Tanja Kuhnert
Tanja Kuhnert, M.A. Gesundheits- und Sozialmanagement, Diplom-Sozialarbeiterin, ist Lehrende für Systemische Beratung, (Familien-)Therapie, Coaching und Supervision (DGSF) und Mitglied in DGSF und SG. Sie ist Redaktionsmitglied der Zeitschrift systeme. Online-Beraterin (DGOB), Traumafachberaterin (DeGPT/BAG), Traumatherapeutin (PITT) und PEP-Anwenderin, seit über zehn Jahren in der systemischen Weiterbildung sowie in eigener Beratungspraxis Lösungsraum Köln tätig, Gründerin und Geschäftsführerin von cambiat-systemisches institut in Köln. Aktuelle Schwerpunkthemen in Fortbildung und Trainings sind Trauma und psychische Belastungen (Erkrankungen) aus systemischer Sicht.
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Rezensionen für Leben in Hartz IV – Armut und Menschenwürde
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Buchvorschau
Leben in Hartz IV – Armut und Menschenwürde - Tanja Kuhnert
Der Kontext
Nach der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe im Jahr 2005 wurde das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, kurz »Hartz IV« genannt, offiziell »Arbeitslosengeld II« (ALG II), als Zweites Sozialgesetzbuch (SGB II) in die Sozialgesetzbücher eingefügt. Das bisherige Arbeitslosenhilfegesetz wurde nach der Schaffung einiger neuer und veränderter Gesetze in das Dritte Sozialgesetzbuch (SGB III) überführt. Peter Hartz war Vorsitzender der Kommission, die im Rahmen der Agenda 2010 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder die Arbeitsmarktgesetzgebung reformieren sollte. Das ausgearbeitete Gesetzespaket wurde zunächst nach dem Kommissionsleiter Hartz benannt (Butterwegge, 2015, S. 119). Ausführende Behörden sind das Jobcenter und die Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) »als Mischverwaltung aus Bundesagentur für Arbeit und Kreis bzw. kreisfreier Stadt« (Deutscher Landkreistag, 2016).
1 Hartz IV, Arbeitslosigkeit und Armut
In diesem Buch verwende ich Hartz IV als Synonym für Armut in unserer Gesellschaft. »Ein Vergleich des Niveaus der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II (Mindestsicherungsleistungen) mit den Armutsgefährdungsschwellen ergibt, dass tatsächlich für fast alle untersuchten Haushaltskonstellationen die Mindestsicherungsleistungen im Armutsgefährdungsbereich liegen« (Kraußer, 2011, S. 210). Für mich ist Hartz IV das Synonym für Armut: Hieran lässt sich ablesen, wie wir als eines der reichsten Länder der Welt – 2015 auf Platz 18 (Global Data, 2017), 2016 Platz 11 von 149 Staaten (Legatum Institute, 2017) – mit denjenigen umgehen, die unter schlechten Wohnbedingungen leben, finanziell eingeschränkte Möglichkeiten haben, deren Lernbiografien nicht optimal verlaufen sind und ihnen später nur geringe Arbeitsmöglichkeiten eröffnen; mit denjenigen, deren familiäre Herkunft weniger behütete und förderliche Bedingungen bereithielten und die aufgrund dessen vielleicht psychisch belastet ins Leben gestartet sind. Also mit Menschen, denen der Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen einer Demokratie nicht in jeder Hinsicht offensteht, da sie den Zugang dazu nicht kennen oder er ihnen verwehrt bleibt, und die damit nicht am Gesellschaftssystem partizipieren. »Im Hinblick auf Teilhabe werden die Schwächen des SGB II offenkundig«, erläutert Joß Steinke: »Für einen relevanten Teil der Leistungsempfänger fehlen die Mittel, Freunde zum Essen einzuladen, ins Kino zu gehen o. ä. Offensichtlich besteht im Bereich der sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Teilhabe die Tendenz, sich aus dem sozialen Leben zurückzuziehen – mit der Gefahr von Marginalisierung und Isolation« (Steinke, 2011, S. 353). Diese Entwicklungen haben Auswirkungen auf das Zusammenleben einer Familie, eines Paares, auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, auf Nachbarschaften, Freunde, auf den sozialen Frieden. Im Rahmen dieses Buches wird darauf näher