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Migrantenfamilien: Interkulturelle Beratung
Migrantenfamilien: Interkulturelle Beratung
Migrantenfamilien: Interkulturelle Beratung
eBook98 Seiten58 Minuten

Migrantenfamilien: Interkulturelle Beratung

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Über dieses E-Book

Im Kontext von Migration und Interkulturalität ist systemische Therapie und Beratung von Familien und Kindern erfolgreich, wenn bei den Fachkräften Verständnis für die individuelle migrantische Lebenswirklichkeit besteht. Voraussetzung dafür ist unter anderem die Kenntnis der jüngeren Migrationsgeschichte, auf die Benjamin Bulgay einen präzisen und fokussierten Blick wirft, bevor er die Rolle von Sprache, Neugier und systemischer Haltung in der multilingualen Erziehungshilfe und Familientherapie herausstellt. Theorie, Methodik und Praxisbeispiele unterstreichen Empathie, Offenheit und Wertschätzung als Kompetenzen der Stunde und zeigen, dass Klient*innen im interkulturellen Kontext Kulturexpert*innen sind – und wie diese Perspektive für gelungene Beratung und Therapie genutzt werden kann. Dieses Buch räumt Missverständnisse in der systemisch-interkulturellen Arbeit aus dem Weg!
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum6. Dez. 2021
ISBN9783647994444
Migrantenfamilien: Interkulturelle Beratung
Autor

Benjamin Bulgay

Benjamin Bulgay, Diplom-Pädagoge, systemisch-interkultureller Berater und (Lehr-)therapeut leitet den 1994 von ihm gegründeten Lern-Planet (DGSF akkreditiert). Dieses Institut für multilinguale Erziehungshilfe und Familientherapie verfügt neben dem pädagogisch-therapeutischen Angebot über Seminare, Workshops, Fort- und Weiterbildungen sowie Bildungsurlaube in seinem systemisch-interkulturellen Kompetenzcentrum. Der Buchautor und Sprecher der Fachgruppe des DGSF lebt und arbeitet in Wiesbaden.

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    Buchvorschau

    Migrantenfamilien - Benjamin Bulgay

    Der Kontext

    1 Unsere eigene Migrationsgeschichte als Hintergrund dieses Buches

    Benjamin Bulgay

    Die Erlebnisse meiner Kindheit haben mich sehr geprägt und mein gesamtes Leben stark beeinflusst. Von der Geburt bis zum Alter von 10 Jahren war mein Lebensmittelpunkt die Türkei. Dann veränderte sich alles und plötzlich lebte ich in einer fremden Welt, in Deutschland. Meine Erfahrungen stehen vermutlich stellvertretend für eine ganze Generation von Gastarbeiter*innen und ihren Kindern.

    Gemeinsam mit meiner ältesten Tochter Lena, Studierende der Erziehungswissenschaft und in Deutschland geboren, werden wir mit diesem Erfahrungsbericht anhand von drei Beispielen zeigen, wie wichtig der systemische Ansatz auch bei der Arbeit mit Familien aus anderen Kulturen ist.

    Mein persönlicher Hintergrund ist ein starkes Motiv für mich gewesen, den Weg der sozialen Arbeit einzuschlagen. Ich möchte kurz ausführen, wie es dazu gekommen ist.

    Meine Eltern lebten bereits seit einigen Jahren in Deutschland und uns Kindern war damals nicht klar, warum sie weggegangen waren und ob wir sie jemals wiedersehen würden. Dann, Ende 1974, kurz vor Weihnachten wurde ich als 10-jähriger Junge gemeinsam mit meiner jüngeren Schwester zu ihnen gebracht.

    In Deutschland angekommen, freuten wir uns sehr, unsere Eltern und den drei Jahre älteren Bruder wiederzusehen. Meine Mutter war wieder schwanger, und so wohnten wir bald zu sechst in einer 1-Zimmer Wohnung im Herzen von Wiesbaden, mit einer Toilette im Treppenhaus und ohne Bad. Mehr konnten wir uns nicht leisten.

    Meine Mutter war 27 und bildhübsch als sie nach Deutschland kam, zunächst ohne meinen Vater. In der Türkei gab es zu der Zeit keine Arbeit, erklärte sie mir Jahre später. Sie bekam vom Arbeitsamt eine Adresse in Bayern und musste sich innerhalb von drei Tagen entscheiden, ob sie nach Deutschland wolle oder nicht.

    Es war damals wie heute nicht einfach nach Deutschland zu kommen. Man musste gesund sein, durfte nicht älter als dreißig sein und nicht mehr als drei Kinder haben, außerdem war ein Grundschulabschluss notwendig. Meine Mutter erfüllte als eine gesunde 27-jährige Berufsschullehrerin mit drei Kindern alle Voraussetzungen. Damals waren weibliche Gastarbeiter*innen noch selten.

    Da ihr Diplom in Deutschland nicht anerkannt war, suchte sie bundesweit nach einer Arbeit in einer Großstadt und landete so schließlich in Wiesbaden. Wiesbaden war sehr teuer, sagte sie, und viele Deutsche wollten keine Gastarbeiter*innen als Mieter*innen. Unser damaliger Vermieter war ein Jude. Er sagte wohl zu meiner Mutter, er verstehe sie.

    Nach den Weihnachtsferien saß ich in der 4. Klasse einer Grundschule. Ich verstand weder die Sprache noch die Kultur und fühlte mich furchtbar, ich weinte sehr viel in dieser Zeit. Integrationskurse, noch dazu geförderte vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), gab es damals nicht. Auch Integrationsbemühungen gab es nicht. Wir waren Kinder von Gastarbeiter*innen – wie der Name schon sagt, wir waren nur Gäste. Das sahen nicht nur die Deutschen so, sondern wir auch. Auch meine Mutter wollte nur ein paar Jahre arbeiten und dann zurück in die Heimat gehen. Auch sie wartete, wie viele andere Gastarbeiter*innen, mit einem Koffer in der Hand auf den Bus, der sie in die Heimat fahren würde. Dieser Bus kam aber

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