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Dubioses im Dunkeln: Kurzgeschichten
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Dubioses im Dunkeln: Kurzgeschichten
eBook103 Seiten1 Stunde

Dubioses im Dunkeln: Kurzgeschichten

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Über dieses E-Book

12 Kurzgeschichten ...

... über Menschen in der Dunkelheit.

Bizarr anmutende Gestalten fernab des gesellschaftlichen Mainstreams. Sie alle sind Verlorene, die suchen: Die eine sucht ihren Hund ... die andere auf ihre letzten Tage noch den "Kick" ... eine Tochter sucht in einem dubiosen Altersheim lieber nach Ablenkung statt endlich ihren Vater anzurufen ... zwei Einbrecher gieren nach der großen Beute ... ein Mann kann nach einer durchzechten Nacht seine Frau nicht wiederfinden und macht stattdessen eine Entdeckung, die ihm besser auf ewig verwehrt geblieben wäre ... und eine Etage tiefer, im Kellerloch der menschlichen Natur, wollen andere nur den Weg aus ihrer ganz persönlichen Nacht finden.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum18. Okt. 2017
ISBN9783743810884
Dubioses im Dunkeln: Kurzgeschichten

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    Buchvorschau

    Dubioses im Dunkeln - Hope Vania Greene

    Fort

    Die stachelige Grüne von gegenüber tanzte in der Urgewalt. Jetzt vor die Türe zu treten war nur etwas für Geübte – Clara gehörte dazu, seit Terry bei ihr war. Das lange Haar des Mischlingsrüden wehte im Wind. Sie sah verträumt zu, wie sich darin immer neue Wirbel bildeten.

    Nur mühsam gelang es ihr, den Blick vom Hund zu nehmen und sich vom Fleck zu rühren. Doch es wurde Zeit. Terry war unruhig, stupste immer wieder an ihr Knie. Ein Wink, dass er sich nun dringend lösen musste.

    Die Grüne wurde wie immer verschont. Stattdessen würde es wieder die Blaue am Ende der Straße werden. Terry liebte die daran angrenzende große Wiese, auf der er nach verrichtetem Geschäft stets herumtoben durfte. Manchmal warf Clara dort einen Ast, den Terry jauchzend zurückbrachte, meist so flink, dass sie mehr außer Atem war als ihr Hund.

    Heute aber würde es wohl nichts mit dem Apportieren. Das Wetter nahm ihr die Luft zum Atmen. Die besonders harten, langen Sturmböen waren am Schlimmsten; die taten ihr richtig weh, piekten auf der Haut, stocherten sie rosig und drückten sich obendrein wie ein Kissen auf Nase und Mund.

    Es waren nicht allzu viele Schritte bis zur Blauen, insgesamt vielleicht an die hundert. Heute kam Clara die kurze Strecke wie ein langer Marsch durch ein Kriegsszenario vor. Sie schauderte, zog sich den Kragen bis ans Kinn und versuchte, in ihre Jacke zu atmen. Doch die stickige, heiße Luft bereitete ihr noch mehr Unbehagen. Der Blick auf Terry heiterte sie auf – schwanzwedelnd trabte er erhobenen Hauptes einen halben Schritt voraus und schien den Wind wie eine zusätzliche Streicheleinheit zu genießen.

    Endlich war die softe Blaue erreicht. Niemand war da.

    An windstillen Tagen ohne Regen war die große Wiese ein beliebter Ort für Picknicks und Hundesport. Etliche Halter aus der Nachbarschaft trafen sich hier zufällig, manchmal auch verabredet, ließen sich gerne auf einer der beiden alten, aber bequemen, Metallsitzbänke nieder. Die Hunde genossen derweil das Leben, jagten einander oder gönnten sich Nähe.

    Clara ließ Terry von der Leine und sah dabei zu, wie er zunächst gegen den Stamm der Blauen pinkelte und schließlich in weiten Kreisen über die Wiese sauste. Wie ein Wirbelwind im Sturm, dachte sie und lächelte verzückt, während sie sich auf einer Bank niederließ.

    Der Hund rannte und rannte. Claras Blick erstarrte für einen Moment in Sehnsucht. Dann ließen sich ihre Augen von der Kulisse entführen. Nicht nur die sanfte Blaue bot ihr eine augenfällige Vorstellung, sondern auch all die bunt gefleckten Laubbäume, die das Ende der Wiese markierten. Dahinter lag ein düsterer Privatwald, in den sich Clara noch nie reingewagt hatte.

    Sie richtete den Blick zum Himmel und bestaunte die vorbeihastenden Wolken. Keine Reibung, kein Erguss. Eine Träne. Dann verpasste ihr der Wind eine Schelle.

    Eine Stimme flüsterte ihr ins Ohr.

    „Na, heute ganz alleine hier?"

    Sie zuckte zusammen. Ihr Blick fiel aus dem Himmel, ruckartig, so dass es krachte. Ein ungläubiger Blick zu den Bäumen. Dann wirbelte sie herum und blickte in das strahlende Gesicht von Felix, das ihr im ersten Moment wie eine Laterne vorkam, so übermäßig hell wirkte es an diesem dimmen Spätnachmittag. Er kicherte, wohl wegen ihrer offensichtlichen Verblüffung, und begann, zart an ihrer Schulter herumzustochern.

    „Huhu, jemand da? Oh Mann, Clara … Wo ist denn dein Hund?"

    Erst jetzt bemerkte sie, dass da etwas fehlte. Die Bäume tanzten noch, vollführten weiterhin ihre wilden Kombinationen. Auf dem Feld dazwischen aber war das Kreisen verschwunden. Terry. Etwas in Clara fiel. Sie hörte, wie es bleiern schwer und eisig kalt durch ihren Magen schnellte und im Darm aufschlug. Mit einem Mal sprang sie auf und schrie:

    „TERRY!" Sie versuchte, zu pfeifen. Es misslang.

    Kein Hund. Kein Bellen. Nichts. Claras Augen in irrer Weite, rot, rau, Wasserfälle. Darunter bebte es fürchterlich. Zu viel. Sie ließ sich klatschend auf die Bank fallen und heulte dort weiter.

    Felix hatte die Bank zu diesem Zeitpunkt längst umrundet und setzte sich neben sie. Er machte eine Bewegung, als wollte er ihr den Arm um die Schulter legen, hielt aber doch inne. Dann besah er die Wiese, ließ die Augen sorgfältig darüber tasten, kratzte sich an der Schläfe und meinte:

    „Nun verzweifel doch nicht. Der kann doch eigentlich nur in den Wald gelaufen sein. Hast du das denn nicht gesehen, wo er hin ist?"

    Die Frage ließ Clara aufschluchzen. Dann presste sie mühsam hervor:

    „Ich Kuh hab die ganze Zeit woanders hingestiert! Ich hab ihn auf dem Gewissen!"

    Totenbleich kauerte sie auf der Bank. Die Augen glitten durch Felix hindurch. Die Gesichtszüge erschlafften. Jedwede Kraft war fort.

    Sekunden verstrichen. Ein ausgedehnter Moment, in dem Felix Clara musterte und doch nichts sah.

    Plötzlich zuckte einer ihrer Finger. Und mit einem Mal fuhr sie sich mit der Hand durchs Gesicht, rappelte sich auf und verkündete mit fester Stimme:

    „Verdammte Scheiße, ich muss ihn suchen!"

    Dann stapfte sie los in Richtung Wald. Felix sah ihr nachdenklich hinterher. Er kannte sie schon länger. Einen Augenblick verharrte er mit gekräuselter Stirn, dann eilte er hinterher und schloss schnell zu ihr auf. Claras Gang war seltsam, mal rannte sie einige Schritte, dann stolperte sie und wurde seltsam kleinschrittig, so dass Felix immer wieder anhalten musste, um ihr nicht zu enteilen.

    Irgendwann hatten sie den Waldrand erreicht. Clara blieb stehen und blickte zu Boden. Einen Moment lang verharrte sie so. Dann wagte sie einen flüchtigen Blick in das finstere Dickicht, das auf den ersten Blick aus einem Irrgarten von hundert dicken Stämmen bestand. Alles war dunkel und unübersichtlich. Das trübe Sonnenlicht durchdrang die üppigen Baumkronen nur spärlich.

    Clara versuchte, den Blick durch das Dunkel gleiten zu lassen und Terry zu erspähen. Doch es misslang. Dann rief sie seinen Namen. Die Bäume schienen ihr Rufen aufzusaugen. Kein Bellen. Kein Hund. Mit bebender Unterlippe stierte sie in die nicht einsehbare Ferne. Felix' Stimme ließ sie aufschrecken:

    „Hey, lass uns mal losgehen! Es ist Herbst. Wird früh dunkel. Wenn's richtig düster wird, sieht man gar nix mehr."

    Clara drehte sich vom Wald weg, in die Richtung Felix' und sah ihm tief in die Augen. Er blinzelte, drehte sich von ihr weg und sah in Richtung der Bäume. Da sie keine Reaktion zeigte und weiter auf die Stelle stierte, wo gerade noch seine Augen gewesen waren, umklammerte er ihren Oberarm, ging weiter und zog sie mit sich.

    Hastigen Schrittes durchlief Felix die ersten paar Meter der unebenen Strecke. Bemooste Unebenheiten, weit ausladende Wurzelstränge und verschiedene Abhänge machten es ihm schwer, in möglichst ebenmäßigem Schritt zu führen. Noch immer hielt er Clara fest. Sie kam immer wieder ins Straucheln und lief ihm mehrmals in den Rücken, so dass er Mühe hatte, nicht nach vorne überzukippen.

    Das, was um sie herum wucherte, nahm Clara nur mit beschränkter Sicht wahr. Die prallen Pilzköpfe kamen ihr wie die maroden Emporkömmlinge eines alles verzehrenden Todesschwamms vor. Was wenn Terry von ihnen gefressen hatte und nun unrettbar vergiftet war? Wie würde er sich dann nur quälen? Wieder dieses schwere Fallen in ihr. Ein dumpfer Schmerz im Abdomen, ein Schrillen im Kopf. Sie schloss die Augen, übersah das hohe Wurzelgeflecht vor ihren Füßen und stolperte so schwungvoll, dass sie in hohem Bogen gegen den Rücken von Felix flog. Der konnte der immensen Wucht des Aufpralls nicht standhalten

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