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Guan Eden: Fantasy Liebesroman
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eBook259 Seiten3 Stunden

Guan Eden: Fantasy Liebesroman

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Über dieses E-Book

Die Geschichte einer Liebe, die über das Schicksal des Universums entscheidet ...

»Ich würde sogar die Zeit zurückdrehen – ich würde es versuchen –, sollte mein sterbliches Leben nicht ausreichen, um ihn zu finden.«


Isabel ist eine Sternenreisende. Sie zieht seit Jahren durch die Galaxien, auf der Suche nach Karim, einem gottähnlichen Wesen, mit dem sie eine komplizierte Vergangenheit teilt. Da Shattwas wie Karim für den Tod ihrer Familie verantwortlich sind, hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, ihn ein Leben lang - und darüber hinaus! - zu hassen. Nur leider wollte ihr das noch nie so recht gelingen ...


Ihre Reise führt sie quer durchs Universum und zurück zum Ursprung, nach Guan Eden. Dort, wo alles begann und die Wahrheit verborgen liegt.

Ein spannender Fantasyroman voller Kuriositäten, mit einer berührenden Lovestory!

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum25. Juni 2019
ISBN9783739665825
Guan Eden: Fantasy Liebesroman

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    Buchvorschau

    Guan Eden - Maren C. Jones

    1

    Ich war achtzehn Jahre jung, als ich das Gefühl der Liebe kennenlernte. Ich erlebte eine Liebe, die so grenzenlos schien wie das Universum.

    Ich hielt inne. War das Universum überhaupt grenzenlos? Dann schrieb ich weiter:

    Leider war mir diese Liebe aufs Brutalste genommen worden! Nun zog ich durch die Galaxien, in der Hoffnung, das Verlorene wiederzufinden, und sehnte den Tag herbei, an dem sich unsere Herzen ...

    Ach, was für ein Quark.

    Taba, ein Bewohner von Querox, mein langjähriger Freund und Mentor, zudem ein Mann mit zu klein geratener Stirn, wulstigen Lippen und büschelweiser Kopfbehaarung, wie es für die Bewohner von Querox typisch war, meinte mal: »Mädel, wenn du nicht weißt, wie du eine Geschichte beginnen sollst, dann schreibe übers Schreiben. Über die Schwierigkeit des Anfangens. Dann wird’s nur so flutschen!«

    Seine Worte kamen mir in den Sinn, als ich hartnäckig versuchte, an meinem nächsten literarischen Werk zu arbeiten. Nachdem Die Memoiren einer Sternenwandererin universumsweit Erfolge verbucht hatten, nahm ich mir nun vor, ein etwas privateres Buch zu verfassen. Eine Liebesgeschichte sollte es werden. Ach, wie kitschig.

    Gestern war ich hier gelandet. Ein Wüstenplanet. Was für ein Pech. Die Sonne brannte bestialisch auf mich nieder, mein zerrissener Strohhut spendete nur dürftig Schatten. Ich saß auf einem Klappstuhl mit giftgrünem Polyesterbezug, die Beine übereinandergeschlagen, mein Notizbuch auf dem Schoß, und vermisste die Erde und ihre Technik. Wo war mein Laptop?

    Meine Habseligkeiten passten problemlos in einen großen Wanderrucksack, an den ich diesen Klappstuhl schnallte - und zwar seit einer geschätzten Ewigkeit. Die Zeit war schwer zu schätzen, sie verlief überall anders. Tage waren auf jedem Planeten unterschiedlich lang. Hier schien es nur Tage zu geben und keine Nächte. Der Planet war von zwei Sonnen umgeben. Ging die eine unter, ging die nächste bereits auf.

    In meiner langjährigen Erfahrung als Sternenreisende hatte ich eins gelernt: Man war erschöpft, nachdem man quer durch die Galaxien gewandert war. Kam man dann noch auf einem Planeten an, dessen Untergrund so uneben war, dass man Gefahr lief, sich ein Loch in den Hintern zu bohren, sollte man der Versuchung erliegen, sich hinzusetzen, um sich auszuruhen - dann war man gut beraten, einen Stuhl zur Verfügung zu haben.

    Der Boden, auf welchem ich dieses Mal mein Sitzmöbel deponiert hatte, bestand aus äußerst warmem, körnigem Sand, der vermutlich mit spielerischer Leichtigkeit unter Kleider rutschte und dort einen unangenehmen Juckreiz hervorrief.

    Ich widmete mich erneut meinen Kritzeleien. Das Schreiben war zu einer überlebenswichtigen Beschäftigung geworden. Wenn man tage- oder wochenlang auf einem unbewohnten Planeten festsaß, dann musste man sich etwas einfallen lassen wie Robinson Crusoe. Ich hatte mir bislang noch nie einen Phantasiefreund erfinden müssen, damit mir mein Verstand nicht abhandenkam, aber mein Schreibstift und mein Notizblock hatten mich das eine oder andere Mal vorm Verrücktwerden gerettet.

    Aber Xilia, so hieß der Planet, in dessen heißen Sonnen ich gerade meine nackten Unterschenkel bräunte – ich trug passend kurze Shorts und Sandalen –, war alles andere als unbewohnt. Hier tummelten sich Gestalten, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Und ich hatte viel gesehen. Als ich an meinem ersten Buch gearbeitet hatte, welches an vielen Orten im Kosmos als Bestseller galt, hatte ich Zeichnungen von den zahlreichen Kreaturen angefertigt, die mir im Zuge meiner Reise begegnet waren. Ich hatte die Bewohner vieler Galaxien studiert, ihr Aussehen, ihre Gewohnheiten, ihre Art sich zu ernähren und zu kleiden. Vorausgesetzt ihre körperliche Beschaffenheit machte es notwendig Kleidung zu tragen! Meine wissenschaftlichen Arbeiten – zumindest gefiel es mir, meine Aufzeichnungen als solche zu benennen -, fand man alle hübsch archiviert auf Querox, einem Planeten, der weithin als Weltenbibliothek bekannt war.

    Miranda, eine Bewohnerin von Xilia, die mich vom ersten Moment an freundlich aufgenommen hatte, schlängelte gerade auf mich zu. Sie hatte einen Oberkörper und ein Gesicht, welche der Form nach an eine menschliche Frau erinnerten. Auch Erhebungen am Brustkorb, ähnlich den weiblichen Brüsten, waren zu erkennen. Ihr Unterkörper jedoch ging in einen Schlangenschwanz über. Ihre ganze Haut war schuppig, kein Haar bedeckte ihren Körper. Ihr Gesicht war schmutzig weiß, mit zwei orange funkelnden Augen gespickt. Sie sprach Kildisch. Eine Sprache, die ich vor Kurzem erst erlernt hatte. Wenn ich nicht gerade schrieb, blätterte ich nämlich in den vielen Wörterbüchern, die ich ständig mit mir herumtrug.

    Miranda war auf demselben Weg wie alle anderen Sternenreisenden hierhergekommen und hatte sich gut eingelebt. Die Wesen auf Xilia waren tolerant – oder viel eher gleichgültig. Die eigentlichen Einwohner sahen nämlich aus wie zu groß geratene Trolle. Es waren keine Wesen, die Kultur und Kunst zu schätzen wussten. Sie kümmerten sich um ihren eigenen Kram.

    »Lust auf einen Frosch?«, fragte mich Miranda. Schon als sie auf mich zugeschlängelt war, hatte ich die Ausbeulung in ihrem Rachen bemerkt. Nun würgte sie ein paarmal und ein glitschiger, zerdrückter Frosch kam aus ihrem Maul. Sie meinte es nur gut, das war ihre Art mir ein Geschenk zu machen. Aber ich kämpfte mit der Übelkeit. Auf Xilia aß man nur Frösche. Wie die Frösche in dieser Dürre überleben konnten, hatte ich noch nicht herausgefunden – vielleicht fraßen sie sich gegenseitig auf? -, aber auch ihre perfekte Tarnung nützte ihnen nichts. Ihre Hautoberfläche war so braunrot wie der Wüstensand und es schien hier auch genauso viele Frösche wie Sandkörner zu geben. Eigentlich musste man nur mal richtig in den Boden langen und schon hielt man einen Frosch in der Hand. Den es zu verspeisen galt. Sie waren vitamin- und proteinreich, hatte mir Miranda erzählt.

    »Lieber nicht, Miranda, aber danke!«, meinte ich freundlich und meine neu gewonnene Freundin guckte beleidigt. Sie senkte ihr Haupt, verschlang den Frosch und zwängte ihn wieder ihre Kehle hinab. Dann ließ sie sich neben meinem Klappstuhl nieder und bettete den Kopf auf ihren eingerollten Schlangenkörper.

    »Irgendeine Spur von deinem Liebsten?«, fragte sie plötzlich aus heiterem Himmel. Ich musste lächeln. Mein Liebster? Wenn Karim das hören würde! Dass er mein Liebster war ...! Karim war der Grund, warum ich schon so lange durchs Universum tingelte. Ich war nämlich auf der Suche nach ihm.

    »Keine Spur von meinem ... Liebsten«, sagte ich und machte mir nicht die Mühe, Miranda über den eigentlichen Charakter meiner Beziehung zu Karim aufzuklären. Wir waren keine Liebenden, wir waren nicht einmal Freunde. Unsere Leben waren lange Zeit miteinander verwoben gewesen, wir teilten ein gemeinsames Schicksal. So etwas verband.

    Ich ließ meinen Blick ins unendliche Rot des Wüstensandes schweifen. Diesen Planeten hatte ich noch gar nicht ausreichend untersucht. Bei manchen Planeten war das auch schwieriger als bei anderen. Ein Planet war so klein gewesen, dass ich ihn in dreißig Tagen zu Fuß hatte umrunden können. Der Himmelskörper, auf dem ich dieses Mal einen Zwischenstopp eingelegt hatte, war hingegen um einiges größer als die Erde. Mir schwindelte beim Gedanken, wie viele Frösche es hier wohl geben mochte. Trillionen!

    »Hast du schon einen Plan?«, fragte Miranda. Ich hatte keinen Plan. Also log ich:

    »Mein Plan ist immer derselbe. Ich frage die Planetenbewohner, wenn es denn welche gibt, ob sie einen Shattwa gesehen haben. Und du bist die Einzige hier, die mich versteht und die ich befragen kann.«

    Eigentlich hatte Karim seine wahre Gestalt immer erfolgreich verborgen.

    Ich hatte ihn auf Terbaq verloren. Ein Himmelskörper, der bekannt war für seine schillernde Flora, die Blätter der Bäume leuchteten dort in Neonfarben. Ich ging davon aus, dass er noch immer auf diesem Planeten festsaß, aber sicher war ich mir da nicht! Dorthin zurückzukehren war stets meine Absicht gewesen. Leider lag es nicht in meiner Macht, das Ziel meiner Reise selbst zu bestimmen. Ich stolperte mehr oder weniger ungeschickt durchs Universum, in der Hoffnung, ihn irgendwann doch noch zu finden.

    Die Trolle von Xilia kamen aus ihren Löchern, die sie mit ihren schaufelgroßen Händen tief in den Wüstensand gegraben hatten, um vor der Sonne kurzzeitig geschützt zu sein. Sie sahen gefährlich aus, wie sie mit krummen, behaarten Rücken und hässlich entstellten Fratzen auf mich zumarschierten. Sie schienen für diese Umgebung nicht ausreichend angepasst zu sein, was verwunderlich war, denn im Kosmos gab es überall ähnliche Gesetzmäßigkeiten.

    Miranda hatte mir versichert, die Trolle seien Pazifisten. Das sollte sie mal den Fröschen erzählen! Aber es stimmte, dass die Trolle für jeden Anderen – außer für die Frösche – ungefährlich schienen. Zwei hatten bislang an mir geschnüffelt und angewidert ihre Fratze abgewandt. Lag es an meinem Shampoo?

    »Ich habe hier jedenfalls noch nie einen Shattwa gesehen, bis auf den, der mich hergebracht hat, und dem hat’s hier nicht gefallen. Hat mich abgeworfen und ist wieder weitergezogen.«

    Miranda hatte wie alle Sternenwanderer eine Shattwa-Freifahrt hinter sich. Shattwas waren Götter. Wenn ihre körperliche Hülle starb, dann ging ihre Seele auf Reisen, quer durchs ganze Universum. Sie waren die eigentlichen Sternenwanderer.

    Miranda war auf ihrem Heimatplaneten nichtsahnend unter einem Stein hervorgekrochen, um sich in der Mittagshitze zu sonnen und schwups! war sie in ein Seelenloch, eine große Lichtkugel, die jeden mit sich riss, der sich in unmittelbarer Nähe befand, gefallen. Sie war hierhergesogen, einfach mitgeschwemmt worden. Ich wusste, wovon ich sprach. Schließlich war ich auf dieselbe Weise auf der Erde gelandet.

    »Ach, die Liebe! Sie ist so romantisch!«, seufzte Miranda, während wir beide den Sonnenuntergang betrachteten, im Wissen, dass gleich hinter uns die nächste Sonne aufging. Von der Liebe verstand ich eigentlich gar nichts.

    »Oh jahhh …«, schwärmte ich dennoch theatralisch. »Die Liebe ist etwas Wunderbares!« Wahrscheinlich. Was Karim wohl dazu sagen würde? Aber Karim sage ja nie etwas. Zu nichts. Trotzdem lag ich mit meiner Vermutung wohl richtig, dass er kein Romantiker war, sondern ein Zyniker. Und dazu noch ein feiger. Er hatte sich aus dem Staub gemacht. Aber das würde er büßen. Ich würde ihn irgendwann aufspüren, noch bevor mein Körper zu Würmerfutter wurde. Ich würde sogar die Zeit zurückdrehen – ich würde es versuchen! –, sollte mein sterbliches Leben nicht ausreichen, um ihn zu finden. Und wenn ich ihn fand, würde ich ihn ohrfeigen. Und dann in die Eier treten. Genau in dieser Reihenfolge.

    In mein Notizbuch kritzelte ich jedoch:

    Karim war der Name meines Liebsten. Es war ein starker und schöner Name.

    ... Warum nicht? Vielleicht konnte ich ihn mit diesem Buch aus der Reserve locken? Mir wurde etwas mulmig zumute, wenn ich daran dachte, was für ein Gesicht Karim wohl ziehen würde, sollte er je diese Zeilen lesen! Ich schrieb weiter:

    Ich erblickte sein wunderbares Antlitz und verliebte mich sofort in die Stärke, die sich hinter seinen feurigen Augen verbarg.

    Dann strich ich alles durch. Das war zu dick aufgetragen. Davon abgesehen waren seine Augen nicht feurig gewesen, sondern ozeanblau.

    Ich hatte bislang immer nur über die Wahrheit geschrieben, auch wenn die Bewohner mancher Planeten glaubten, ich hätte eine großartige Phantasie. Bei Karim fiel es mir jedoch schwer, die Dinge so zu erzählen, wie sie sich tatsächlich zugetragen hatten.

    Ich nahm mir Tabas Ratschlag zu Herzen und schrieb nun:

    Wie beginnt man eine Geschichte? Wo beginnt man zu erzählen? Am Anfang. Vermutlich am Anfang.

    2

    Ich legte mein Notizbuch kurz zur Seite und holte die Taschenuhr aus meinem Rucksack, welche ich wie meinen Klappstuhl immer bei mir trug. Sie passte genau in meine Handinnenfläche. Die Bullaugenfassung war aus einem Material gefertigt, das es nur auf Guan Eden gab. Auf dem Ziffernblatt waren acht Nummern eingraviert.

    Die Uhr hatte meinem Großvater gehört und er erzählte mir einmal, sie würde die kosmische Zeit messen. Kosmische Zeit ...! Ich hatte nie verstanden, was er damit meinte. Entsprechend der kosmischen Zeit hatte ich vier Jahre auf Guan Eden, meinem Heimatplaneten, verbracht, und acht Jahre auf der Erde. In Erdenjahren umgerechnet war ich also achtzehn Lenze alt gewesen, als ich meine Reise durchs Universum angetreten hatte. Seit nun beinahe vier Erdenjahren war ich unterwegs.

    Guan Eden galt als das Zentrum des Kosmos‘. Das hatte ich von Kindesbeinen an gelernt. Vielleicht waren die Bewohner von Guan Eden auch nur größenwahnsinnig und das Zeitmessgerät meines Großvaters nichts Anderes als eine normale Uhr, die eben die Zeit auf meinem Heimatplaneten maß?

    Erschöpft widmete ich mich wieder meinem Notizbuch und schrieb:

    Ich war ein Kind der Erde, auch wenn ich auf Guan Eden geboren wurde, dem einzigen Ort im Universum, wo weiße Magier lebten. Meine Eltern und mein Großvater hatten zu ihnen gehört.

    ...

    Das Schreiben ging mir schwer von der Hand. Sollte das eine Autobiographie werden, eine Familiengeschichte, oder doch nur ein simpler Liebesroman? Ich war ein wenig unschlüssig und wieder erinnerte ich mich an Tabas Worte: Schreibe über das Schreiben! Nur leider war das leichter gesagt als getan ...!

    Miranda bewegte sich plötzlich. Sie war kurz eingenickt, nun riss sie aber ihr Maul weit auf. Sie gähnte.

    »Wie geht's mit deinem Roman voran?«, fragte sie.

    »Geht so«, war meine wortkarge Antwort.

    »Ist schwer über die Liebe zu schreiben«, meinte sie altklug.

    »Ach ja? Woher weißt du das?«, wollte ich schmunzelnd wissen. Miranda besaß keine Hände, die ihr das Schreiben ermöglicht hätten.

    »Auch ich war mal jung«, entgegnete sie geheimnisvoll. Ich hob überrascht die Augenbrauen. Mal abgesehen davon, dass ihr Alter auch nichts an der Tatsache änderte, dass ihr zwei Hände fehlten, um Schreibwerkzeug zu halten, fragte ich neugierig: »Wie alt bist du denn?«

    »Auf Xilia habe ich schon über tausend Sonnenuntergänge gesehen.«

    Die Kinnlatte klappte mir bis zum Boden. Über tausend Sonnenuntergänge? Ich starrte auf die Uhr meines Großvaters. Seit die eine Sonne endlich untergetaucht war, waren gerade mal zehn Minuten in kosmischer Zeit vergangen, die sich mindestens wie dreißig anfühlten. Überhaupt war ich schon seit gefühlten Stunden auf diesem Planten, aber die Konstellation der Sonnen hatte sich nur minimal verändert.

    »Hier altert man kaum. Wenn du ewig leben willst, dann bleib hier.« Ich sah mich um. Ewig leben? Auf einem Wüstenplaneten voller Frösche?

    »Ewiges Leben gibt es nicht«, sagte ich entschieden.

    »Woher willst du das wissen?«

    »Mein Großvater hat es mir gesagt. Die Zeit verläuft überall anders, aber sie geht immer voran. Nirgends steht sie still.«

    »Wenn du meinst«, erwiderte Miranda und schien sich auf ihr nächstes Nickerchen vorzubereiten. Die Trolle spazierten in ihre Löcher, um vermutlich später wieder daraus hervorzukriechen. War es die Hitze, die sie so träge machte, oder doch die Zeit, die im Schneckentempo voranzukriechen schien?

    Wieder setzte ich den Stift an, um endlich etwas Vernünftiges zu Papier zu bringen, als Miranda sich erneut zu Wort meldete: »Erzähl mir von deinem Shattwa.«

    »Von Karim?«, fragte ich unnötigerweise.

    »Ja. Ich habe viele Geschichten über Shattwas gehört, bevor mich einer hierhergezerrt hat. Aber noch nie hat mir jemand erzählt, dass ein Shattwa mit einem anderen Wesen des Universums in Kontakt getreten ist.«

    Shattwas kommunizierten in der Regel nur untereinander, wenn überhaupt. Shattwas galten universumsweit als heilige Wesen. Unerreichbar. Unbesiegbar. Die weißen Magier hatten den großen Fehler begangen, sie bezwingen wollen. Hatten sie sich mit den Göttern anlegen wollen, um so selbst zu Göttern zu werden?

    Mein Großvater war einer der bedeutendsten Magier gewesen, die je auf Guan Eden gelebt hatten. Um seine Existenz rankten sich Legenden. Und ich war seine Enkeltochter. Das allein machte mich zu einer kleinen Berühmtheit. Dass ich selbstständig durchs Universum reiste, war für Viele der Beweis, dass ich eine noch größere Magierin war als er. Dabei hatte ich noch nie in meinem Leben Magie angewandt.

    »Karim war stumm«, sagte ich.

    »Hm? Wie langweilig.« Miranda war enttäuscht.

    »Wir drei, mein Großvater, ich und Karim lebten zwölf Jahre lang auf der Erde. Karim hat in all den Jahren nicht ein Wort gesprochen.«

    »Wie langweilig ...«, sagte Miranda erneut und ich verzog mein Gesicht.

    »Man kann auch auf andere Weise kommunizieren ... «

    »Auf welche? Sag bloß, er hat dich angefasst?« Mirandas Augen weiteten sich vor Unglauben.

    Wenn ein Shattwa einen Himmelskörper berührte, hauchte er ihm Leben ein. Auch ich hatte viele Geschichten über Shattwas gehört. Eine davon erzählte vom Ursprung allen Lebens. Es hieß darin, Leben könne auf einem Planeten erst entstehen, wenn ein Shattwa diesen berührte - was auch immer das bedeutete! Aber eine Berührung eines Shattwas war etwas Mächtiges, etwas sehr Mächtiges.  

    »Was meinst du mit angefasst?«, fragte ich vorsichtig.

    Miranda rollte sich wieder auf ihrem Schlangenkörper ein und grummelte: »Diese Geschichte ist fad.« Dann schloss sie gelangweilt die Augen und genoss die heiße Wüstensonne, die ihr gar nichts auszumachen schien.

    »Was ich mit angefasst meine?«, fragte sie plötzlich, als ich schon dachte, sie wäre wieder eingeschlafen. »Was werde ich schon damit meinen!?«

    Karim hatte mich angefasst. Meine Wangen färbten sich im Moment sicher kirschrot. Miranda hatte mein Erröten bemerkt und guckte mich neugierig an.

    »Dann stimmt es also wirklich? Du ... und ein Shattwa?«

    »Äh ...«

    »Erzähl schon!« Sie schien plötzlich hellwach, dabei dachte ich, die ständige Hitze würde jeden auf diesem Planeten, auch die Frösche, ganz schrecklich träge machen.

    »Da ... gibt’s nichts zu erzählen …«, stammelte ich. Miranda guckte beleidigt.

    »Gut! Wenn du nichts erzählen willst, dann eben nicht!«, schimpfte sie und erhob sich. Sie schlängelte von mir davon und ich wandte mich kopfschüttelnd wieder meinen Notizen zu.

    Die Liebe war eine universelle Erscheinung. Die fand man überall. Die verstand jeder. Die suchte jeder. Und für die interessierte sich auch jeder.

    Karim und ich - das war kompliziert. Das war immer kompliziert gewesen. Aus vielen Gründen.

    Die Buchstaben meines Romans verschwammen vor meinen Augen. Eine bekannte Müdigkeit überfiel mich. Dem Sternenreisen musste ich Tribut zollen. Es war nun mal sehr anstrengend, wenn man permanent quer durchs Universum tingelte. Nicht umsonst trug ich die Uhr meines Großvaters ständig mit mir herum. Manchmal vergaß ich nämlich, wie lange ich schon auf der Suche nach Karim war. Ich vergaß, wie viele Tage, Wochen und Monate schon vergangen waren. Mein Hirn wurde immer öfter zu Brei. Aber die Erinnerungen an Karim hatten sich mir tief genug eingebrannt, sodass ich sie immer klar vor Augen hatte. Sich sein Gesicht ins Gedächtnis zu rufen - nichts war einfacher als das. Ich zog meinen Strohhut etwas tiefer und begann zu schreiben:

    Hatte man auf Guan Eden das zehnte Lebensjahr vollendet, so galt man als erwachsen und wurde in die Kunst der Magieanwendung eingeführt. Vorausgesetzt, man bestand die Prüfung. Die Blutsprüfung, wie sie genannt wurde.

    Die Trolle krochen wieder aus ihren Löchern. Vermutlich, um ein paar weitere Frösche zu

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