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Küssen Frösche besser als Prinzen?: Liebesroman
Küssen Frösche besser als Prinzen?: Liebesroman
Küssen Frösche besser als Prinzen?: Liebesroman
eBook283 Seiten3 Stunden

Küssen Frösche besser als Prinzen?: Liebesroman

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Über dieses E-Book

Wenn der Traumprinz den Frosch mimt ...

Emma arbeitet als Aushilfe in einer Samenbank. Als ihr äußerst attraktiver und millionenschwerer Jugendschwarm als Spender zur Tür hereingeschneit kommt, ist eine peinliche Situation vorprogrammiert. Während sie sich noch ganz genau an Phils Selbstverliebtheit erinnert, hat ihr Traumprinz von damals keine Ahnung, wer vor ihm steht. Emma, die seit der Schulzeit mindestens so viele Kilos wie Pickel verloren hat, versucht nun in Sherlock-Holmes-Manier mehr über Phil zu erfahren. Gemeinsam mit ihrem langjährigen Freund Levi stalkt sie ihre Jugendliebe.

Bald schon steht Emma zwischen zwei Männern, die sich obendrein nicht leiden können. Welcher der beiden Frösche wird sich in ihren Prinzen verwandeln?

Über die Autorin:

Maren C. Jones schreibt moderne Lovestorys mit spannenden Charakteren - mal humorvoll, mal dramatisch, aber immer mit Herz!



SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum19. Nov. 2021
ISBN9783743823280
Küssen Frösche besser als Prinzen?: Liebesroman

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    Buchvorschau

    Küssen Frösche besser als Prinzen? - Maren C. Jones

    1

    Emma trug den Becher mit Samenflüssigkeit vorsichtig ins Labor. Eigentlich war keine Vorsicht vonnöten, das Ding war gut verschlossen.

    Ihre Freundin Isabell saß am Mikroskop.

    »Hier, die Spende von …. 0587.« Jedermanns Sperma erhielt eine Nummer.

    Mit Isabell hatte sich Emma während des Studiums ein Zimmer geteilt. Nur deswegen war sie hier als Aushilfe tätig. Sie wusste Bescheid über das Wachsen und Gedeihen von Pflanzen, von der Fortpflanzung des Homo Sapiens auf künstlichem Wege hatte sie hingegen kaum Ahnung.

    »Willst du’s dir mal ansehen?«, fragte Isabell. Sie deutete auf das Mikroskop und die winzigen Spermatozoen, die sich auf dem Objektträger befanden.

    Emma hob abwehrend die Hände. Sie war keine Ärztin, und doch arbeitete sie in einer Samenbank. Für zwei Wochen, heute war ihr vorletzter Tag. Normalerweise gestaltete sie Parkanlagen und fuhr mit ‘nem kleinen Bagger rum.

    »Ich bin dir wirklich dankbar, dass du eingesprungen bist. Ich stehe in deiner Schuld«, jammerte ihre Freundin. Sie war die leitende Ärztin. Emmas Job war es, Spenderdaten aufzunehmen und Abläufe zu erklären. Das war leicht.

    »Nein, ich danke dir.« Sie war vorher arbeitslos gewesen, also war ihr der Job sehr gelegen gekommen. Der Chef des Unternehmens, für welches sie gearbeitet hatte, war eines Tages vor die Belegschaft getreten und hatte verkündet: Jetzt war Schluss. Einfach so.

    Sie verließ das Labor. Ein neuer Spender trat ein. Rasch huschte sie zur Glasscheibe.

    »Ich habe einen Termin«, sagte er sachlich. Emma hatte nicht Zeit, sich den Neuankömmling richtig anzusehen. Mit nervösen Fingern suchte sie nach dem Formular, welches er ausfüllen sollte.

    »Wir brauchen diese Informationen von Ihnen.« Sie schob das Blatt Papier über den Tisch. Derweil starrte sie auf seine Hand. Er trommelte mit dem Zeigefinger auf den Vordruck. Jetzt sah sie auf.

    Vor ihr stand ein groß gewachsener Mann mit dunkelblondem, dichtem Haar, breiten Schultern und blauen Augen, in denen Emma in der Vergangenheit ständig versunken war - wenn sie es ausnahmsweise gewagt hatte, den Kopf zu heben und ihm ins Gesicht zu schauen.

    Er trug einen schicken Anzug, navyblau. Die Uhr am Handgelenk sah teuer aus.

    »Haben Sie einen Kugelschreiber?« Seine Stimme war wie warmer Regen. Sie streichelte Emmas Seele.

    »Ähm, ja, natürlich.« Sie legte einen Stift auf das Papier und begann endlich zu erklären:

    »Hier müssen Sie Ihre persönlichen Daten angeben, auch einige Charaktereigenschaften. Für Paare spielt nicht nur das Aussehen eine Rolle …«

    »Okay …« Er erkannte sie nicht. Emmas Hände schwitzten. Normalerweise stellten Spender viele Fragen. Deswegen hatte sie schon vorgefertigte Antworten parat. Paaren gefiel es, wenn der Vater ambitioniert oder pflichtbewusst war. Schließlich wollten sie erfolgreiche Kinder.

    »Da drüben können Sie sich hinsetzen.« Sie deutete auf ein winziges Tischchen und zwei gelbe Plastikstühle. Die Einrichtung war gemütlich. Hier sollte sich jeder wohlfühlen.

    »Vielen Dank!« Er zwinkerte ihr zu. Flirtete er mit ihr? Verlegen strich sie sich eine Locke hinters Ohr. Er setzte sich hin und begann mit dem Ausfüllen. Das Ganze schien ihm gar nichts auszumachen, dabei hatte sie schon Spender erlebt, denen die Röte ins Gesicht gestiegen war. Aber Phil blieb selbst in einer derartigen Situation absolut cool. Nichts anderes war von ihm zu erwarten. Er war damals der tollste Junge der Schule gewesen: selbstbewusst, charmant, draufgängerisch und vielleicht sogar ein wenig gefährlich.

    Sie hatten gemeinsam die Schulbank gedrückt: Emma, Phil und Levi. Wie lange war das nun her? Im Vergleich zu ihren Klassenkameraden hatte Emma sich äußerlich sehr verändert. In der Schule trug sie den Spitznamen Miss Piggy. Sie war recht füllig gewesen. Aber Phil, ihr Ritter in schimmernder Rüstung, hatte sie nie so genannt. Er hatte sich nie über andere lustig gemacht. Levi schon. Der lachte sich noch heute über den Spottnamen kaputt!

    Mit ihrer Pilzkopf-Frisur hatte sie ausgesehen wie ein übergewichtiger Beatle. Kein Wunder, dass Phil sie nicht erkannte. Sie war heute nur mehr halb so breit, die haselnussbraunen Haare trug sie lang, fast bis zum Ellenbogen, und die Zahnspange war auch raus. Nicht zu vergessen die vielen Pickel, die ihr Gesicht verunstaltet hatten! Heute war keiner mehr zu sehen.

    Ihr ehemaliger Schulkollege stand auf. Rasch holte sie einen Becher aus der Schublade. Der giftgrüne Deckel ließ sich aufdrehen. Er reichte ihr das ausgefüllte Formular. Sie trat zu ihm nach draußen und führte ihn in ein Zimmer mit Fernseher und einer Menge DVDs.

    Jetzt wurde es wirklich peinlich.

    »Lassen Sie sich Zeit«, sagte Emma. »Ein Samenerguss reicht.« Ihre Wangen glühten. Phil hingegen schaute gleichmütig auf ihre Lippen. Er saugte jedes ihrer Worte auf. »Wichtig ist noch, dass Sie in den letzten drei Tagen nicht ejakuliert haben.« Ihr Hals fühlte sich ganz kratzig an. Das wusste er vermutlich schon. Bei der Bewerbung als Spender wurde darauf hingewiesen.

    »Ich habe mich zurückgehalten«, meinte er mit einem verschmitzten Lächeln. Dann ging er in den Raum und schloss die Tür. Emma stand wie belämmert da und rührte sich nicht vom Fleck. War das gerade eben wirklich passiert?

    »Gibt’s ein Problem?«, fragte eine Mitarbeiterin. Sie trug ein hellblaues T-Shirt über dem weißen Pulli. Emma hatte auch so eins an. Das Namensschild prangte auf Brusthöhe. 

    »Nein, kein Problem«, entgegnete sie und lächelte. Wie würde wohl Levi darauf reagieren, wenn sie ihm das erzählte?

    Kopfschüttelnd setzte sie sich wieder an ihren Platz. Die Termine waren in einem großen Praxiskalender eingetragen. Phil Braun, stand da. Sie war die Namen nicht durchgegangen, warum auch? Dass jemand auf der Liste stand, den sie kannte, - damit hätte sie nie gerechnet!

    Die Tür zu dem kleinen Raum öffnete sich und Phil kam mit dem Becher heraus. Emma war sich plötzlich sicher, dass dieser Tag einer der schrägsten war, die sie je erlebt hatte. Die Probe nahm sie mit hochrotem Kopf entgegen und brachte sie ins Labor. Sie hielt gerade Phils Sperma in der Hand, sie hielt Phils Sperma … Emma schluckte schwer.

    Ihr Schulkollege, der heute noch viel besser aussah als damals, wartete derweil am Schalter. Als sie zurückkam, stellte sie ihm noch diverse Fragen. Es ging um eventuelle Erbkrankheiten und Ähnliches. Die Laboruntersuchung würde seine Aussagen später bestätigen, ihm musste noch Blut abgenommen werden. Sie zeigte ihm den Weg. Das Verfahren dauerte nur fünf Minuten.

    »Wir melden uns in ein paar Tagen bei Ihnen«, erklärte sie ihm zum Schluss. Sie hatte es während dem Gespräch möglichst vermieden, ihm in die Augen zu sehen. Zum Abschied tat sie es dann doch.

    Sie guckte hoch und erschrak. Phil musterte sie gespannt. Er hielt den Kopf schräg und runzelte die Stirn.

    Nun war es so weit. Endlich erkannte er sie!

    Mit klopfendem Herzen wartete Emma auf eine Reaktion von ihm.

    »Gut«, sagte er schließlich. »Dann werden wir uns in Zukunft hoffentlich öfter sehen!« Er lächelte spitzbübisch, bevor er ging. Emma blickte ihm sprachlos hinterher, bevor sie mit den Unterlagen zurück zu ihrem Arbeitsplatz marschierte.

    Sie war neugierig, also googelte sie Phils Namen. Warum war er hier? Lebte er nicht irgendwo in Amerika? Er war der CEO von Media Challenge International, verriet ihr eine schnelle Recherche. Emma hatte gewusst, dass seiner Familie ein riesiges Werbeunternehmen gehörte. Sofort holte sie ein Stück Papier hervor und notierte sich die Adresse einer nahe gelegenen Filiale.

    Sie hatte eine Idee ...

    Mit flinken Fingern ging sie ihrer Arbeit nach. Vorerst tippte sie Phils Daten in den Computer, eine Telefonnummer war auch dabei. Seine Schrift sah aus wie die eines zwölfjährigen Mädchens, mit großen, geschwungenen Buchstaben. Damit hatte er schon bei Schultests punkten können. Er schrieb immer vollständige Sätze, mit Punkt und Komma, in einer leicht leserlichen Schrift …

    Emmas Gedanken drifteten ab. Es fühlte sich an, als würde sie in der Zeit zurückreisen – und doch war alles anders.

    Damals hatte er noch keine Anzüge getragen. Sein Haar hatte er rebellisch nach oben gekämmt und nicht glatt auf die Seite. Alle Mädchen waren ihm verfallen. Natürlich auch Emma. Er war nämlich richtig, richtig cool gewesen. Er hatte sich nie um Regeln geschert und sich von niemandem etwas sagen lassen. Emma hatte das imponiert, da sie selbst doch immer versuchte, es anderen recht zu machen.

    Die Daten trug sie lückenlos ein. Unter Eigenschaften stand zielstrebig, geduldig und besonnen. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Phil war draufgängerisch gewesen, die Schule hatte er häufig geschwänzt, wenn er auch meist bei Prüfungen erschienen war. Weil er im Klassenzimmer geraucht hatte, bekam er eine Verwarnung. Weil er Alkohol mit in die Schule genommen hatte, auch.

    Sie wollte mehr über Phil herausfinden. Über den Phil, den sie nicht kannte.

    Eine Samenspende machte nicht reich. Mehr als eine Aufwandsentschädigung war nicht drin. Die meisten Spender waren mittleren Alters. Isabell hatte ihr das erzählt. Viele wollten einfach nur etwas Gutes tun, aber bei Weitem nicht alle Spender waren auch geeignet. Nur jeder achte oder neunte erfüllte die Anforderungen.

    Emma war mit ihrer Arbeit fertig. Sie blickte auf die Uhr. Ein Spender noch, dann war Feierabend.

    Sie musste Levi nachher einen Besuch abstatten, unbedingt. Er arbeitete oft bis spät in den Abend.

    Seit er ein eigenes Tattoostudio hatte, war er viel beschäftigt.

    Der letzte Spender trat ein. Emma leierte die Erklärungen runter. Sie konnte gut mit Menschen. Weit lieber beschäftigte sie sich aber mit Pflanzen. Mit denen unterhielt sie sich sogar. Was Levi natürlich total bekloppt fand.

    Sie führte den jungen Mann in den Raum, damit er dort ungestört masturbieren konnte. Phil war übrigens in Lichtgeschwindigkeit fertig gewesen. War das nun gut oder schlecht?

    Energisch schüttelte sie den Kopf, in der Hoffnung, ihre schmutzigen Gedanken zu verscheuchen.

    Den Becher mit Samenflüssigkeit, auf den sie eine halbe Stunde warten musste, trug sie wieder zu Isabell ins Labor.

    »Das letzte Sperma«, verkündete sie fröhlich.

    »Danke dir!« Ihre Freundin kritzelte etwas auf ein Formular. Auf sah sie nicht. Isabell, deren dicke Brille ihr halbes Gesicht verdeckte, gab sich immer wortkarg. Eigentlich hatten sie sich nie viel miteinander unterhalten.

    Emma hatte nur einen einzigen echten Freund. Und das war Levi. Sie klebten ständig aneinander. Es war fast wie ein Naturgesetz, als müssten sie andauernd zusammen sein.

    »Ich geh dann mal«, sagte Emma. Isabell winkte ihr kurz zu, dann notierte sie sich wieder etwas. Sie nahm ihre Arbeit äußerst ernst. Und das war gut so. Emma nahm ihre Arbeit ja nie besonders ernst, sie hatte den Kopf ständig in den Wolken. Das sagte jedenfalls Levi.

    Rasch warf sie sich die modische Jeansjacke über – auf den Ärmeln prangte ein Blumenmuster -, dann griff sie nach der Handtasche. Wenn sie Levi noch erwischen wollte, musste sie jetzt los.

    Draußen war es kühl, dabei war Hochsommer. Es hatte viel geregnet in den letzten Tagen. Die Straßen waren nass. Emma klackte mit ihren Pumps über die Pflastersteine. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie den Regenschirm in der Samenbank vergessen hatte!

    Bis zu Levi war es nicht mehr weit. Die Handtasche rutschte ihr ständig von der Schulter. Die engen Jeans saßen aber perfekt und ihr Po sah großartig darin aus. Sie wollte zumindest angezogen gut aussehen. Ihre Oberschenkel hatten nämlich Ähnlichkeit mit Rosinen. Abnehmen hinterließ Spuren. Immer wenn ihr jemand das Herz brach, verlor sie mindestens fünf Kilo. Viermal hatte sie schon argen Liebeskummer gehabt.

    Endlich war sie bei Levis Tattoostudio angekommen. Sie schlich eine enge Gasse entlang. Da lag ein Fenster, ganz versteckt. Von hier aus konnte sie ihm bei der Arbeit zusehen. Ein gut gebauter Kerl lag auf dem Bauch, die Hosen bis zu den Knien runtergezogen. Levi verewigte seine Kunst im nackten Hintern, der übrigens zum Anbeißen war. Wenn sie da an den Allerwertesten ihres besten Freundes dachte!

    Levi war hager wie ein Spargel. Selbst enge Hosen sahen an ihm noch zu groß aus.

    Sie grinste breit. Es wurde ihr erst bewusst, als sie im Fenster ihr Spiegelbild wahrnahm.

    Genug gespannt!

    Mit erhobenem Kopf schritt sie zur Eingangstür.

    Sie konnte es kaum erwarten, ihm von Phil zu erzählen.

    2

    Ein leises Surren erfüllte den Raum. Levi liebte dieses Geräusch.

    Er wischte die Farbe von der tätowierten Haut und tauchte die Nadel in eine orange Farbkappe. Der Kunde wollte das Bild eines Tigers mit weit aufgerissenem Maul auf seiner Arschbacke haben. Levi war der richtige Mann dafür. Realistische Tattoos waren sein Ding. Da machte ihm keiner so schnell was vor.

    Die Tür zu seinem Studio öffnete sich. Die Räumlichkeiten hatte er nur gemietet. Seit drei Monaten war er sein eigener Boss. Für mehr als zwei Mitarbeiter hatte das Geld nicht gereicht.

    Sylvie stand im Empfangsbereich hinter dem Rezeptionstisch. Sie legte Termine fest und beriet Kunden. Nicht jeder kam mit einer fertigen Idee hierher.

    Er hörte Emmas Stimme, während er die Zähne des Tigers perfektionierte. Tief holte er Luft, jetzt musste er sich auf etwas gefasst machen. In den zwei Wochen, als sie arbeitslos gewesen war, hatte sie ständig hier rumgehangen und ihm beinahe die Kunden vergrault.

    Wie erwartet stürmte sie sofort auf ihn zu. Dass er gerade einen nackten Männerarsch bearbeitete, machte ihr natürlich gar nichts aus. Der Junge, in dessen Hintern er seine Tinte stach, war nicht zum ersten Mal hier. Timo hatte in seinen knapp zwanzig Jahren fleißig daran gearbeitet, seinen gesamten Körper mit Tattoos zu verschönern. Nur noch am Hintern und im Gesicht war Platz für neue Kunstwerke.

    Ohne zu fragen, nahm Emma einen Stuhl und setzte sich neben ihn.

    »Oh, sieht gut aus«, sagte sie begeistert und deutete auf den nackten Männerpo. Timo hatte Kopfhörer auf und war eingedöst. An dem Tattoo bastelte Levi schon seit Stunden. Er war mit seiner Arbeit sehr zufrieden, so wie immer. Es ging ihm leicht von der Hand.

    »Meinst du mein Kunstwerk oder seinen Arsch?«, fragte er keck.

    »Beides.« Emma grinste von einem Ohr zum anderen. »Ist ein hübscher Hintern, findest du nicht?« Es war klar, welche Antwort sie von ihm erwartete. Auf der langen Liste seiner Verflossenen waren auch Männer zu finden. Deswegen war Emma überzeugt, er wäre stockschwul und hätte das große Coming out noch vor sich. Mann oder Frau, das kümmerte ihn wenig. Aber so etwas begriff Emma nicht, sie bekam nur weiche Knie, wenn ein echter Kerl vor ihr stand. Ihr gefiel die Vorstellung, dass ihr langjähriger Freund ausschließlich am anderen Ufer fischte. So kam er als potenzieller Partner gar nicht erst infrage. Eigentlich war es ihm völlig egal, welche Sexualität sie ihm andichtete.

    Seine Freundin stemmte die Hände auf die zusammengepressten Knie.

    »Du errätst nie, wen ich getroffen habe ...« Sie flüsterte.

    Levi wollte keinesfalls, dass Timo aufwachte. Er hatte schon oft genug erklären müssen, warum Emma durch das Studio schwirrte und ihn ständig von der Arbeit ablenkte. Er war ein absoluter Profi, noch nie hatte er eine schiefe Linie tätowiert. Und daran sollte sich auch in Zukunft nichts ändern.

    »Wen hast du getroffen?«, fragte er vorsichtshalber. Wenn sie mal anfing zu erzählen, war sie dermaßen in ihre Geschichte vertieft, dass sie nichts mehr um sich herum wahrnahm. Er nickte dann in regelmäßigen Abständen, sagte »ja« und »ach so«.

    »Ich habe Phil getroffen«, verkündete sie stolz. Gespannt wartete sie auf seine Reaktion.

    »Schön. Ein alter Freund?« Er kannte keinen Phil. War es ein Ex?

    Erneut wischte er die Tinte von der Haut. Der Tiger sah gefährlich aus.

    »Du erinnerst dich an Phil nicht mehr?«, flüsterte sie panisch. Er dachte angestrengt nach. Gesichter konnte er sich nur schwer merken, aber einen Namen vergaß er nie.

    »Phil Braun?«, fragte er. Erstmals unterbrach er seine Arbeit. Emma nickte aufgeregt.

    »Er war in der Samenbank. Er hat Sperma gespendet!« Sie verhaspelte sich beim Sprechen, so schnell wollte sie ihm von den Neuigkeiten erzählen.

    »Veralberst du mich? Sperma gespendet?«

    »Du weißt doch, dass ich für zwei Wochen in einer Samenbank arbeite!«, rief sie laut. Timo bewegte sich. War er aufgewacht? Nur die Hartgesottenen schliefen während dem Tätowieren ein.

    »Hast du mir das erzählt?«, fragte Levi perplex. Wenn er sich auf das leise Surren der Nadel konzentrierte, dann gelang es ihm hervorragend alle anderen Geräusche auszublenden. Natürlich auch Emmas Stimme. Ganz besonders Emmas Stimme.

    »Du bist doch Gärtnerin! Wie kommst du in eine Samenbank?« Plötzlich hatte er das Gefühl, so einiges verpasst zu haben.

    »Ich gestalte Parkanlagen!«, klärte sie ihn auf. Sie hatte die Ausbildung zum Landschaftsarchitekten abgebrochen. Anstatt in einem Büro zu hocken, schleppte sie lieber Steine und buddelte Löcher. Gartenbau war ihr Spezialgebiet.

    »Hörst du mir nie zu?«, fragte sie vorwurfsvoll.

    »Doch, doch, natürlich. Aber ich muss hier arbeiten, schon vergessen? Was ist jetzt mit Phil?« Wenn er sie reden ließ, hob sich ihre Laune sicher.

    »Weißt du noch, ich war damals doch so verknallt in ihn …« Es war, als hätten ihre Wangen Feuer gefangen. Sie glühten regelrecht.

    Levi konnte sich noch gut erinnern, wie Emma immer ins Schwärmen geraten war, wenn es um Phil ging. Er hingegen hatte kaum Notiz von ihr genommen.

    »Und? Hast du dich wieder verliebt?« Emma verliebte sich immer schnell und viel zu sehr. Wenn eine Beziehung in die Brüche ging, war sie dann am Boden zerstört.

    »Natürlich nicht, wir haben kaum miteinander gesprochen«, nuschelte sie verlegen.

    Levi warf einen Blick auf die Zeichnung, die er vorher angefertigt hatte. Er war bekannt dafür, dass er alles auf Papier bannen und dann in die Haut stechen konnte. Manche Kunden hatten völlig diffuse Vorstellungen von ihrem Tattoo. Ein Herz sollte vorkommen, eine Meerjungfrau, vielleicht noch ein Totenkopf – aber wenn er die Nadel beiseitelegte und die Arbeit beendete, war noch jeder zufrieden gewesen.

    »Du machst das echt toll …«, schwärmte Emma. Das sagte sie jedes Mal. Sie lobte ihn immerzu. Es war fast so, als könnte sie von seiner Kunst nicht genug kriegen.

    Der Plastikstuhl, auf dem sie hockte, war recht groß. Ihr Hintern hätte zweimal darauf Platz gehabt, dabei war es noch gar nicht so lange her, da drohte er unter ihrem Gewicht zu zerbrechen. An ihr schmales Antlitz hatte er sich noch immer nicht gewöhnt. Ihre Augen wirkten nun viel größer.

    »Was ist?«, fragte sie. Er mochte ihre Stupsnase. Starrte er zu lange? Als sie noch kugelrund gewesen war, hatte er nie gestarrt. In ihrem dicken Gesicht waren die Augen untergetaucht wie die Kirschen, die seine Mutter immer in den Kuchen drückte.

    »Nichts ist. Weswegen bist du noch mal hier? Nur um mir von Phil zu erzählen?« Levi war mit seiner Arbeit fertig.

    »Ähm, ich wollte dich um was bitten!«, rief sie. Timo wachte auf und setzte die Kopfhörer ab. Sofort holte Levi einen großen Handspiegel, sodass der Kunde das fertige Tattoo bewundern konnte. Der Junge verrenkte sich umständlich.

    »Gefällt mir!«, sagte er mit kratziger Stimme. Dann reichte er Levi seine große Pratze und sagte:

    »Danke, Mann!«

    Emma hatte sich aus dem Staub gemacht und das war gut so. Als er letztens den Penis eines heterosexuellen Mannes tätowiert hatte – und das kam nun wirklich nicht alle Tage vor! -, war ihr rein zufällig rausgerutscht, dass er schwul war.

    Er sah sich seufzend um. Sie unterhielt sich mit Sylvie.

    Eine Tätowierung war eine oberflächliche Hautwunde, die verbunden werden musste. Timo hielt kurz still, während Levi die Fettgazen aus einer Schublade kramte. Der Hintern war versorgt und der Junge zog die Hose wieder hoch. Levi erhaschte einen Blick auf seinen linken Hoden. Wie gut, dass Emma nicht neben ihm stand! Solche Dinge entgingen ihr in der Regel nicht. Dann weiteten sich ihre Augen vor Schreck und am Ende war jeder der Anwesenden – er eingeschlossen – peinlich berührt.

    Timo klopfte ihm mit einem zufriedenen Lächeln auf den Rücken. Beinahe wäre Levi einen Schritt nach

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