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Das Wettermädchen
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eBook288 Seiten4 Stunden

Das Wettermädchen

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Über dieses E-Book

Als Ilena auf Liam trifft, dessen Augen in einem sonnigen Gelb erstrahlen, ist sie wie gefesselt. Auch wenn sie nicht glauben kann, dass er aus einer anderen Welt kommen soll, lässt sie sich der Liebe wegen auf dieses Abenteur ein und geht mit ihm. Während ihr Liebster, und nebenbei Prinz seiner Welt, ihr Leben auf den Kopf stellt, bahnt sich Unheil an und Ilena erfährt nach und nach die Wahrheit über ihre eigene Geschichte und die Bedeutung ihres Lebens.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum15. Juli 2015
ISBN9783732350698
Das Wettermädchen

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    Buchvorschau

    Das Wettermädchen - Sina Alschner

    1

    „Es geht ihr nicht besser", die Stimme des Doktors geistert in meinem Kopf umher. Es geht ihr nicht besser. Gemeint hat er: Es wird nie wieder besser werden!

    „Erzähl mir etwas!", sagt sie mit leiser, angestrengter Stimme und ihre mattblauen Augen sehen mich an. Sie sind mal so strahlend, hell und aufmerksam gewesen. Nun muss sie sie schließen, schon wenige Minuten des Sehens strengen sie an und ihr Atem geht flach. Ich sehe dabei zu, wie sich ihr Brustkorb hebt und senkt. „Erzähl mir von dem Wettermädchen!" Sie lässt die Augen geschlossen, aber ihr schmaler Mund formt sich zu einem leichten Lächeln, und dann erzähle ich von dem Wettermädchen, dessen Haare vom Wind verweht wurden, der so kühl und aufgebracht war wie das tiefste Innere ihrer Seele.

    „Ilena zog den Kragen ihres grünen Wollpullis höher, es fröstelte ihr. Der Wind schien zu toben, verwüstete ihr kastanienbraunes Haar und wirbelte ihr Laub entgegen – aber das störte sie nicht. Das Wetter passte in diesem Moment, denn sie war zornig und erfüllt von Wut, die sie nicht auszudrücken vermochte. „Wut ist nichts, was du zum Ausdruck bringen solltest!", hatte Tante Elvira ihr in der Kindheit irgendwann gesagt und seitdem musste Ilena jedes Mal an diese Worte denken.

    Worüber sie verärgert war? Über ihre beste Freundin Emily, über ihre verkorkste Klassenarbeit und über ein Versprechen, das sie ihrer Tante niemals hätte geben dürfen.

    „Komm, setz dich zu mir auf den Teppich!", hatte Tante Elvira gesagt und die weißen Haare gestreichelt. Was für ein Tier das wohl mal gewesen sein mochte? hatte Ilena sich gefragt und sich auf das weiche Fell gesetzt. Irgendwie war ihr bei der Situation nicht ganz wohl.

    Tante Elvira hatte die Augen auf sie gerichtet und schließlich in ruhigem Ton gesagt: „Mein Kind, versprich mir, dass du niemals nach deiner Herkunft suchen wirst."

    Wie hatte Ilena dieses Versprechen nur geben können? Sie war jetzt 17 Jahre alt, bald würde sie endlich auf eigenen Beinen stehen, endlich nach ihrer wirklichen Identität suchen können. Wieso nur hatte sie nach zweiminütigem Schweigen die Hand ihrer Tante umschlossen und leise gesagt: „Ich schwöre es!" Und warum in aller Welt hatte sie das Gefühl, dass sie das Versprechen nicht würde brechen können?

    Als sie die Haustür öffnete, schlug ihr die Leere der Wohnung entgegen, die sie nur allzu gut kannte. Nie war jemand zu Hause, wenn sie nachmittags vom Familienbesuch zurückkam, und wenn doch mal jemand da war, dann höchstens ihr schrecklicher Pflegevater, auf den sie auch durchaus verzichten konnte. Er war schrecklich, launisch, manchmal schlug er sie. Nie so, dass man etwas von seinen Schlägen sehen konnte, aber spüren konnte man sie.

    Sie stellte ihre Schuhe in den kleinen Schuhkasten neben der Tür, hing ihre Jacke an einen Haken und legte ihren Schal in die oberste Schublade. Alles musste ordentlich sein, darauf legte ihre Pflegemutter großen Wert. Ilena betrat die Küche durch die feine weiße Tür, die ebenso penibel sauber war: kein Krümel vom Frühstück auf dem kleinen Küchentisch, kein schmutziges Geschirr, das herumstand.

    Sie zog einen kleinen Topf aus dem Küchenschrank, stellte ihn auf den Herd und drehte die Platte auf eine mittel hohe Stufe. Dann ging sie in die kleine Abstellkammer, öffnete eine neue Flasche Apfelsaft und schüttete ihn zusammen mit einigen Gramm ihrer leckeren Gewürzmischung in den Topf. Ein warmes Getränk konnte sie jetzt sehr gut gebrauchen. Wenn es ihr schlecht ging, machte sie sich immer ein warmes Getränk. Manchmal kochte sie einen Tee, manchmal eine heiße Schokolade und seit neustem einen Apfelpunsch. Während das Getränk heiß wurde, suchte Ilena nach einem kleinen Leckerbissen, wurde aber nicht fündig.

    Ihre Pflegeeltern hatten selten einmal etwas zum Knabbern im Haus, nur ab und zu mal ein wenig Gebäck oder eine Tüte Gummibärchen. Alkohol hatten sie dagegen zu Genüge im Haus. Wenn Ilena eine Party veranstalten würde, wie es ihre Klassenkameraden manchmal taten, dann würden auf jeden Fall alle genug zu Trinken bekommen; doch Ilena spielte nicht einmal mit dem Gedanken.

    Sie trank kaum Alkohol und sie verabscheute es, wenn andere Menschen total betrunken waren. Ihr Pflegevater war der schlimmste Fall. Nach Außen hin tat er, als wäre alles in Ordnung, versteckte seine Sucht. Selbst seine Frau schien davon nichts mitzubekommen, aber die war ja auch fast nie da. Georg, so hieß ihr Pflegevater, arbeitete Schichtweise und verbrachte dazwischen viel Zeit im Wohnzimmer. Er saß in seinem großen Ohrensessel, eine Flasche Bier oder ein Glas Whiskey in der Hand und schaute sich irgendwelche blödsinnigen Filme im Fernsehen an.

    Doch auch ihre Klassenkameraden tranken manchmal zu viel, redeten dann nur noch Schwachsinn und benahmen sich absolut daneben. Meistens ging sie dann und wollte nicht dabei bleiben, wenn die Besoffenen zu Kotzen begannen.

    Sie hielt die Hand über den Topf, fand ihren Punsch warm genug und schüttete ihn in eine große blaue Tasse mit einem Engel darauf. Sie war ein Geschenk von Emily gewesen.

    Den Topf stellte sie direkt in die Spülmaschine, dann ging sie mit dem Getränk in ihr Zimmer im ersten Stock. Ihr Zimmer war klein, eine Wäschekommode aus dunklem Holz stand darin, ein kleiner Schreibtisch und ihr Bett, ebenfalls aus dunklem Holz. Über dem Schreibtisch gab es ein schräges Fenster, von dem sie in den grauen Himmel sehen konnte. Ihr Bettbezug war gestreift, in mehreren Grüntönen. Sie setzte sich darauf, hielt den dampfenden Punsch in der Hand und dachte an Emily.

    „Man, Ilena! Ich will dir doch gar nichts Böses. Ich will einfach nur nicht, dass er dich verletzt, und das wird er!, Emily hatte versucht, nach ihrer Hand zu greifen, doch Ilena hatte sie weggezogen. „Und wie kommst du darauf?! Timo ist der liebste Mensch, den es nur gibt!, hatte sie ihre Freundin angefaucht und begonnen, aufgebracht im Zimmer umherzuwandern. Erst der Besuch bei ihrer Tante und dann benahm sich auch ihre beste Freundin plötzlich seltsam. Wie kam sie darauf, Timo zu unterstellen, dass er Ilena nur ausnutzte?

    „Ilena, Schatz, bitte. Jetzt setz dich erstmal wieder hin und hör mir ganz genau zu, ja." Emily hatte neben sich aufs Sofa geklopft. Kirschrot war es, weil es zu Emily passte. Ihr Schal, der die Länge der Niagarafälle hatte, war farblich darauf abgestimmt. Auch sonst war Emily ein sehr roter Mensch, vom Lippenstift auf ihren vollen Lippen bis zu dem Paar hoher Stiefel, das bei ihr im Schrank stand. So hatte Ilena sie kennen gelernt und so würde sie wohl auch immer sein.

    „Ich möchte mich nicht setzen, danke, und zugehört habe ich auch schon lange genug. Du bist doch nur eifersüchtig! Weil ich endlich den Menschen fürs Leben gefunden habe und deine Beziehung mit Phillip ein absolutes Chaos war! Ihre Freundin hatte große Augen gemacht, sie dann geschlossen, tief durchgeatmet und Ilena ruhig angeblickt. „Wenn du das so siehst. Ich wollte dir nur helfen! Emily schrie nicht, Emily war nicht schlecht gelaunt, Emily brachte nichts aus der Ruhe. Nie. „Ja, das sehe ich!", hatte Ilena gezischt, die alte knautschende Zimmertür ihrer Freundin aufgerissen und war durch den Flur zur Haustür gelaufen. Sie hatte sich nicht noch einmal umgedreht, obwohl sie den Blick der Freundin im Rücken hatte spüren können.

    Sie waren sich doch sonst immer einig, Ilena stellte die leere Tasse auf die Kommode und zündete ein Räucherstäbchen an. Selbst wenn sie mal nicht einer Meinung waren, standen sie darüber und sagten einfach: „Hey, können wir auch nicht ändern! Dann grinsten sie sich an, Emily legte ihren Arm um Ilenas Schultern und sie gingen los, um darauf einen alkoholfreien Cocktail im „Alten Ochsen zu trinken. Emily bestellte Cherry Colada, schob den Strohhalm zwischen ihre roten Lippen und setzte sich mit überschlagenen Beinen auf einen Barhocker.

    Diesmal war es Ilena zu ernst und es schien ihr, dass auch Emily das so sah, sonst wäre sie ihr doch nachgelaufen, oder?

    Timo, ihr Timo und sie verletzen? Nie im Leben! Sie hatte keine Ahnung, wie Emily auf so etwas kam und es verletzte sie, wie ihre beste Freundin über ihren Freund dachte. Was hatte sie gegen Timo? Oder war sie etwa tatsächlich eifersüchtig? Darauf, dass Ilena mit dem am hübschesten Typen der Schule zusammen war, oder darauf, dass sie so viel Zeit mit ihm verbrachte? Als Emily mit Phillip zusammen gewesen war, hatte sie auch mehr mit ihm, als mit Ilena gemacht, das war doch nun wirklich nicht so schlimm gewesen.

    Seufzend öffnete sie ihre Zimmertür und ging die schmale Treppe hinunter, um das Abendessen zu kochen und auf ihre Pflegeeltern zu warten. Sie würde schnell essen, wie immer, und dann noch mit etwas mit Timo unternehmen. Schließlich war Freitag.

    „Komm her, Süße!", Timo klopfte mit den Händen auf seine Oberschenkel, um ihr zu verstehen zu geben, sich zu setzen. Lächelnd schob sie sich zwischen Torben und Thorsten durch, zwei schlaksigen Jungen aus Timos Klasse. Seine Oberschenkel waren weich und warm, schienen Ilena zu begrüßen, als sie sich setzte. Sie hoffte, dass sie nicht zu schwer war. Timo zog sie ein Stückchen näher an sich heran, legte eine Hand locker auf ihre Hüfte und strich mit der anderen sanft über ihr rechtes Bein, während er mit Kai, dem Fünften im Bunde, diskutierte.

    „Ich habe doch schon tausendmal gesagt, dass wir das knicken können. Das werden meine Eltern niemals erlauben!", Kai verdrehte genervt die Augen und lehnte sich in seinem bequemen Drehstuhl zurück. Sie saßen gemeinsam in Kais Wohnzimmer, das Ilena so groß erschien wie das gesamte Haus ihrer Pflegefamilie. Sie war das erste Mal bei Kai zuhause. Natürlich hatte sie schon vorher gehört, wie reich er war, gesehen wie er mit seinem silbern-blauem Hybridauto vor die Schule vorgefahren war, aber erst durch Timo hatte sie Kontakt zu ihm bekommen. Er war nett, sehr nett. Sie hatte vermutlich einfach zu viele Vorurteile gegen diesen reichen Schnösel gehabt.

    Kai war zwar in eine reiche Familie hineingeboren worden, entzog sich dem Geld aber so gut es ging. „Am liebsten möchte ich direkt nach dem Abi eine Weltreise machen, mit nichts als ein wenig Zeug zum Schlafen dabei und mich von hier nach dort treiben lassen, hatte er ihr bei ihrem letzten Treffen im „Alten Ochsen erzählt.

    Nein, er war ganz anders als erwartet.

    „Ey, komm schon, Mann! Als ob die das nicht erlauben. Ich dachte dein Vater wäre nächstes Wochenende in Chile? Und deine Mutter trifft sich doch samstagabends eh immer mit ihren Waschweibern! Die anderen lachten und Kai schüttelte seufzend den Kopf: „Das sind ihre Freundinnen vom Fitnesscenter und außerdem heißt das noch lange nicht, dass sie’s erlauben.

    Jetzt schaltete sich auch Thorsten in die Unterhaltung mit ein: „Kai, mach dich mal locker. Die kriegt doch, selbst wenn sie zuhause ist, davon nichts mit. Schließlich liegt noch der Garten zwischen deinem und ihrem Haus." Die anderen drei nickten zustimmend und Ilena bedauerte Kai ein wenig. Vermutlich war es nicht einfach, der Junge mit den besten Feiermöglichkeiten zu sein, und so wie die Anderen ihn gerade bedrängten.

    Timo hatte vor lauter Argumentieren aufgehört, ihren Oberschenkel zu streicheln und starrte Kai nun genauso begierig an, wie die anderen Beiden. Raubtiere, die auf ihr Futter warteten.

    Wenigstens von einem Blick kann ich Kai befreien, dachte Ilena und drehte ihren Kopf zu Timo. Sie legte ihre Hand an seine Wange und sorgte so dafür, dass sein Blick zu ihr wanderte, ehe sie ihre Lippen sanft auf seine legte.

    Emily hatte einfach so Unrecht! Timo war so sanft, so liebevoll. Unvorstellbar, dass er ihr etwas vorspielte oder sie absichtlich verletzen könnte. Vorsichtig löste er seine Lippen von ihren und schaute sie mit seinen blauen Augen an. Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, lächelte verschmitzt und wandte sich dann wieder an Kai: „Die Party wäre ideal! Rede doch wenigstens mal mit deinen Eltern."

    Ilena sah, wie Kai den Widerstand aufgab, nickte und ihr dann einen raschen Blick zuwarf.

    „Na, wenn das geklärt ist: Wollen wir noch zusammen ins Tuch?", lachte Torben und stand auf, wobei er ein wenig unbeholfen wirkte. Wie ein Giraffenkind, für das die Beinchen einfach zu lang sind. Mit seinen 1,97 m war er aber auch ziemlich groß und dass er auch noch sehr schlank war, verhalf auch nicht gerade zu einem besonders kraftprotzenden Eindruck.

    Auf Tanzen hatte Ilena Lust. „Na los, Leute, lachte sie und sprang von Timos Schoß, „sonst macht das Tuch zu, ehe wir da sind!

    Es war voll, wie immer, aber in einer der gemütlichen Sofaecken fanden die fünf Jugendlichen noch ein Plätzchen. „Mensch, dahinten ist ja Christian!", rief Torben, noch ehe er sich gesetzt hatte und lief eilig in Richtung Tanzfläche. Ilena wollte sich auch nicht setzen. Viel zu wenig Bewegung hatte sie in letzter Zeit gehabt, wenn man von ihrem empörten Hin- und Herlaufen bei Emily absah.

    „Was haltet ihr davon, ein wenig Tanzen zu gehen, anstatt sich hier gleich wieder in die Ecke zu schmeißen? Sie schaute abwartend in die Runde, ließ den Blick von Timo über Kai zu Thorsten und wieder zurück zu Timo wandern. „Ne du, sagte dieser und ließ sich auf eines der schwarz glänzenden Sofas fallen, „ich will erst noch ein wenig sitzen, Süße, ich hatte einen anstrengenden Tag." Auch Thorsten schüttelte den Kopf, während er es sich neben Timo bequem machte. Kai schaute kurz aufs Sofa, lächelte dann und schob Ilena zur Tanzfläche.

    Es war nicht ihre Lieblingsmusik, die gespielt wurde, aber es war eben eine Disco. Hauptsache sie konnte tanzen. Sonst war sie oft mit Emily hier. Bevor sie Timo kennen gelernt und bevor sie sich gestritten hatten. Dann ließen Emily und sie die Fetzen fliegen. Es war nichts Ungewöhnliches, dass sie auf den grauen Marmorsäulen, die die Tanzfläche umgaben, tanzten oder die wildesten, unpassendsten Headbangings hinlegten. Beide in hohen Stiefeln oder Riemchensandalen. Emily in einem roten Oberteil und kurzem Rock, Ilena in Jeans.

    Jetzt hier ohne sie zu tanzen war ungewohnt, fast ein wenig beängstigend. Vorsichtig bewegte sie sich im Takt der Musik, an Headbanging dachte sie nicht im Traum. Kai bewegte sich ähnlich zaghaft wie sie, schien aber Freude an der Bewegung zu haben.

    Die Tanzfläche ließ nur wenig Spielraum offen, so dass die Beiden eng nebeneinander tanzen mussten. Als eine aufgetakelte Blondine über ihre eigenen, riesig hohen Schuhe stolperte und Ilena zur Seite drückte, lag sie direkt in Kais Armen. „Wow, nicht ganz so stürmisch bitte!, lachte dieser und stellte sie mit einer schwungvollen Bewegung wieder auf die Beine. In dem Moment kamen auch Thorsten und Timo von der Seite und nach einem seltsamen Blick in Richtung Kai, den Ilena nicht deuten konnte, sagte er: „Du wirst doch wohl nicht meine Kleine anmachen?

    Während die zwei Jungen sich neckten, legte Timo ihr die Hände auf die Hüften und bewegte sich in ihrem Rhythmus weiter.

    Er war anders als Kai. Er schien auf der Tanzfläche geboren zu sein. Kam Ilena aus dem Takt, brauchte er nur leicht die Hände zu bewegen und schon regelte ihr Becken alles weitere. Es war ein irres Gefühl von einem tanzenden Gott gehalten zu werden und Ilena schloss die Augen, um sich von dem Gefühl ein wenig erfüllen zu lassen.

    Als sie die Augen wieder öffnete, konnte sie sehen, dass mindestens ein Dutzend hübscher Frauen zu ihnen herüberschaute. Einige blickten hingerissen zu Timo, bewunderten seine Schönheit, seine Perfektion, aber ein paar Wenige starrten Ilena an und in ihren Blicken lagen Neid und Hass. Ich kenne diese Frauen und Mädchen doch gar nicht, dachte Ilena, erschrocken darüber, wie schnell Menschen hassen können.

    „Hass ist kein Gefühl, das du zum Ausdruck bringen solltest!", würde ihre Tante jetzt sagen, und dieses Mal gab sie ihr sogar Recht.

    Sie lenkte ihren Blick auf die Bar zu ihrer Rechten und beobachtete, wie der Barkeeper mit einem jungen Burschen sprach, der ihm in einer schnellen Bewegung etwas zusteckte. Geld? Drogen? Ilena wusste es nicht, aber wenigstens war sie von den bösen Blicken der fremden Mädchen abgelenkt. Sie malte sich aus, wie der junge Bursche durch jeden Club der Stadt zog und seine Drogen vertickte. An Reiche, an Abhängige, an Neugierige. Sie hatte schon oft Bücher über Drogen gelesen und Filme darüber gesehen. Drogen waren etwas Abscheuliches, aber vielleicht konnten manche Menschen die Realität einfach nicht mehr ertragen, hielten es in ihr nicht mehr aus. Dann brauchten sie eine Möglichkeit, ihr zu entkommen.

    Ilena war rundum glücklich mit Timo und zufrieden in dieser Realität. Niemals wollte sie in eine andere Welt abtauchen. Nur hier tanzen, Timo an ihrem Rücken spüren, Thorsten und Kai lachen sehen und einfach genießen.

    Sie wünschte sich solche Momente einfach festhalten und immer wieder zu ihnen zurückzukehren zu können.

    „Schlaf gut, meine Süße!, Timo hatte Ilena bis zu ihrer Haustür gebracht und stand nun, die Hände in den Taschen vergraben, vor ihr. Ilena ließ ihren der geraden, schmalen Nase gleiten. Sie betrachtete die leichten Lachfalten an seinen Augen. „Wieso guckst du so?, fragte er sie und zog eine Hand aus der Hosentasche um ihr eine ihrer braunen Strähnen hinters Ohr zu schieben. Sein Haar war dunkler als ihres, fast schon schwarz.

    „Ich gucke dich eben gerne an, bevor ich schlafen gehe", Ilena sog noch einmal die durchdringende Farbe seiner blauen Augen auf, ehe sie sich umdrehte und im Hausflur verschwand. Sie hörte, wie er die Stufen vor dem Haus hinab stieg und lehnte Blick über sein makelloses Gesicht mit sich mit einem wohligen Seufzer an die Tür. Der Geschmack seiner Lippen lag noch auf ihren und es fühlte sich so gut an. Der Abend war trotz der komischen Frauen sehr spaßig gewesen, vor allem als Torben und Christian darum gewettet hatten, wer sich am meisten auf der Tanzfläche blamieren kann. Ihre Darbietung hatte allen anderen, die Bescheid wussten, eine wahre Freude bereitet. Besonders die irritierten Blicke der umstehenden Nicht-Eingeweihten waren unbeschreiblich belustigend gewesen.

    Jetzt stand Ilena alleine im Hausflur und rekapitulierte jede schöne Berührung von Timo. Er war den ganzen Abend aufmerksam und liebevoll mit ihr umgegangen und hatte sie wie immer nach Hause begleitet, obwohl er ganze 30 Minuten Fußweg entfernt wohnte. Ihre Vorfreude auf die Feier bei Kai am kommenden Wochenende stieg, und mit einem wohligen Lächeln machte sie sich auf ins Bett.

    2

    Ilena lief mit einer Kiste Cola durch den Raum. Kai hatte sie gebeten, ihm beim Transport der Getränke zu helfen und sie war froh, dass sie so erst mal ums Trinken herum kam. Sie hatte keine Lust, den überwiegend älteren Freunden zu erklären, warum sie Alkohol verabscheute.

    „Hey Süße! Soll ich dir helfen? Timo kam ihr entgegen und streckte seine Arme nach der Kiste aus. Sie übergab sie ihm dankend. „Nur noch eine Kiste aus dem Keller. Bis gleich! Sie schickte ihm einen gehauchten Kuss und schob sich an zwei Mädchen aus seiner Klasse vorbei. Es waren schon viele Leute gekommen, viel mehr als je zu einer Feier von Ilenas Klassenkameraden. Kai hatte einen Keller und das gesamte Erdgeschoss eines zweistöckigen Hauses für sich. Im Obergeschoss wohnten drei Studenten in einer Wohngemeinschaft, die an diesem Abend auch mit einigen Kommilitonen vor Ort waren. Sie hatte die jungen Männer nur kurz im Vorbeigehen gesehen. Langsam stieg sie die steinernen Stufen hinunter, die linke Hand ließ sie über das Geländer gleiten. Im Keller war es feucht-kühl und es roch leicht modrig. Sie öffnete die Tür zum Getränkeraum und starrte die letzte Kiste, gefüllt mit Mischbier, an. Sie wollte noch nicht hinauf. Timo hatte oben seine ganzen Kumpels, bei denen er vom einen zum anderen rannte, eine Flasche Bier in der Hand. Also setzte Ilena sich auf die große weiße Kühltruhe, die an der Wand stand, zog die Knie ans Kinn und starrte aus dem kleinen Kellerfenster. Es war noch früh, vielleicht gerade siebzehn Uhr und der Himmel war hell, aber von leichten Wolken durchzogen. Wenn es noch weiter zuzog, würde es bald regnen.

    Wäre Emily hier, könnten die beiden Mädels gemeinsam nach oben gehen, alkoholfreie Cocktails trinken und wenn jemand fragte, würde Emily sagen, dass es Stil hätte. Dann würde sie den Strohhalm zwischen die kirschroten Lippen schieben und mit den Augen klimpern. Jeder Kerl wird bei so einem Augenaufschlag schwach.

    Das war allerdings auch nicht immer von Vorteil, wie man an ihrer Beziehung mit Phillip hatte sehen können. Von wegen Liebe! Für ihn war sie doch nur die Vorzeigefreundin gewesen. Da Emily aber nicht bereit war, vor der Ehe Sex zu haben, war er zum Vögeln zu anderen Mädchen gelaufen. Oft war Emily weinend an die Tür gekommen, wenn Ilena sie besuchte. Bis ihr Stolz schließlich gegen die Liebe überwiegte und sie Phillip vor die Tür gesetzt hatte. Ilena hatte aufgehört zu zählen, wie oft er bis dahin fremdgegangen war.

    Mit Emily hätte sie jetzt kein blödes Gefühl bei der Feier. War sie etwa schon so abhängig von ihr? Sie lachte leise und rutschte langsam von der Truhe. Sie konnte sich ja nicht ewig dort verstecken.

    In ihrer kurzen Abwesenheit war die Anzahl der Gäste oben um das Dreifache gestiegen und Ilena brauchte einige Sekunden, bis sie Timo entdeckte. Er stand neben einer Blondine aus seinem Jahrgang, einer ziemlich eingebildeten Zicke, wie Ilena schon mitbekommen hatte, aber leider auch ebenso hübschen. Die Beiden schienen sich angeregt zu unterhalten und auf einmal hatte sie es eilig zu ihm zu kommen. Eifersucht war schon etwas

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