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DIE JAPANISCHE GELIEBTE: Der Krimi-Klassiker!
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eBook247 Seiten3 Stunden

DIE JAPANISCHE GELIEBTE: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Ist Sinjuko, die liebliche Geisha, für den Amerikaner Scott Welles ein vergessener Traum – oder gefährliche Wirklichkeit?

Eine Frage ohne Antwort – bis man Tina, Scotts Frau, erschlagen in seinem Arbeitszimmer findet. Was hat Catherine, die Adoptivtochter, gehört und gesehen? Und wo ist die japanische Geliebte?

Der Roman Die japanische Geliebte von Richard Neely erschien erstmals im Jahr 1972; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum18. Feb. 2020
ISBN9783748730033
DIE JAPANISCHE GELIEBTE: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    DIE JAPANISCHE GELIEBTE - Richard Neely

    Das Buch

    Ist Sinjuko, die liebliche Geisha, für den Amerikaner Scott Welles ein vergessener Traum – oder gefährliche Wirklichkeit?

    Eine Frage ohne Antwort – bis man Tina, Scotts Frau, erschlagen in seinem Arbeitszimmer findet. Was hat Catherine, die Adoptivtochter, gehört und gesehen? Und wo ist die japanische Geliebte?

    Der Roman Die japanische Geliebte von Richard Neely erschien erstmals im Jahr 1972; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    DIE JAPANISCHE GELIEBTE

    ERSTER TEIL

    Tokio, 1947

    Erstes Kapitel

    Notizen für einen Roman

    Der junge amerikanische Soldat und die Japanerin im Kimono - sie war gerade achtzehn - standen auf dem überfüllten Bahnsteig und warteten auf den Zug, der die beiden zu ihr nach Hause bringen sollte. Sie hatte darauf bestanden, dass der Soldat ihre Eltern kennenlernte. Hinter ihnen, auf einem anderen Bahnsteig, hielt gerade ein Zug, der ausschließlich mit Japanern besetzt war. Die Reisenden mussten aussteigen und wurden auf dem Bahnsteig von amerikanischen Sanitätern aus weiten Schläuchen mit DDT bestäubt. Man packte die Japaner am Kragen und schüttete ihnen den weißen Staub in die Halsöffnung ihrer Kleidungsstücke. Die Reisenden ertrugen die Behandlung mit gleichmütiger Geduld. Die Japanerin neben dem Soldaten senkte den Blick und tat so, als würde sie das alles nicht sehen, doch der Soldat fühlte, wie sie litt. Die nur geringe Entfernung zwischen den beiden schien sich meterweit auszudehnen.

    Dann ratterte ihr Zug heran, und der Soldat musste seine ganze Kraft aufwenden, um sie in einen der Wagen zu bugsieren, die den Mitgliedern der Besatzungsstreitkräfte vorbehalten waren. Ein halbes Dutzend Soldaten befanden sich bereits in dem Wagen, zwei davon mit ihren japanischen Freundinnen, die Rock und Pullover trugen. Als die kleine Japanerin die beiden erblickte, kuschelte sie sich beruhigt in das Polster und lächelte den Soldaten ein wenig scheu an.

    Sie kannten sich nun seit sechs Wochen, und obwohl die Nähe des anderen auf beide sehr erregend wirkte, obwohl sie häufig bewundernde und zärtliche Blicke tauschten, hatte es bisher noch keine intime Berührung zwischen ihnen gegeben. Einmal, als er auf der Ginza eine dick gepuderte, aufgeputzte Japanerin inmitten einer Gruppe von australischen Soldaten sah, hatte er sie gefragt: »Geisha?«

    »Nein«, hatte sie geantwortet. »Makura - Bettgeisha.«

    So, wie sie es sagte, in einer Mischung aus Trauer und Mitleid, drückte sie zugleich damit aus, dass dies eine Rolle war, die sie niemals würde spielen wollen - auch nicht für ihn. Koibito - Geliebte - vielleicht, aber auf keinen Fall Bettgeisha.

    Sie stiegen in der Station Akabane aus und gingen die breiten Steintreppen hinunter auf den kleinen Platz, wo Händler in Holzbuden getrockneten Fisch und kümmerlich aussehendes Gemüse feilboten. Dann weiter über eine enge, gewundene Straße ohne Asphalt, wo jeder ihrer Schritte kleine Staubwolken aufwirbelte, bis zu einer Gruppe von Häuschen aus Holz und Papier, die einander völlig glichen und in zwei parallelen Reihen dicht nebeneinanderstanden. Vor den Häuschen gab es flache Wassergräben, und davor standen Scharen von Frauen, die damit beschäftigt waren, ihre Wäsche oder ihre Kinder zu säubern. Als sie den Amerikaner näher kommen sahen, ließen sie die Arbeit sein und eilten an die Haustüren, lächelten und verbeugten sich. Die Japanerin schaute an ihm hoch und sagte Hazakashii. Verlegenheit.

    Sie machten einen großen Schritt über den Graben. Dann nahm sie ihn bei der Hand, als wollte sie ihn ermutigen, und führte ihn an die Seitenfront ihres Hauses. Sie sprach kein Wort, klopfte nicht an oder rief hinein. Dennoch glitt die Schiebetür sacht zur Seite und gab den Blick frei in einen so gut wie leeren Raum. Der Soldat schaute nach unten. Zwei Leute knieten auf dem Boden - ein Mann und eine Frau. Sie hatten die Körper und die Arme nach vorn gestreckt und berührten mit ihren Stirnen die Strohmatte.

    Er nahm den kleinen Rucksack ab, den er über der Schulter getragen hatte, und sagte schüchtern guten Abend. »Komban wa\«

    Die beiden Knienden beugten sich zurück, richteten ihre Blicke auf ihn, strahlten ihn an, als mache ihnen sein Anblick ungeheures Vergnügen, und riefen wiederholt: »Yoku irasshaimashital! Willkommen! Willkommen! Willkommen!

    Dann zogen sie sich zurück, während das Mädchen ihn sachte auf ein Podest niederzog und ihm die Schuhe abnahm. Danach betraten sie einen kleinen, viereckigen Raum, der von einer einzigen Glühbirne erhellt wurde. Sie hing an einer Fassung mit einem grünen Papierschirm von der Decke und beleuchtete eine viereckige, in den Boden eingelassene, vergitterte Feuerstelle, auf der ein dampfender Wasserkessel stand. Mama-san und Papa-san saßen einander gegenüber auf zerschlissenen, roten Kissen. Sie bedeuteten ihm, er solle sich dazwischensetzen. Er kam sich plump und ungeschickt vor, aber er folgte ihrer Einladung. Das Mädchen stellte den Soldaten seinen Eltern vor und sprach dann leise ein paar Sätze Japanisch mit ihnen. Sie schauten die Tochter zuerst mit ernstem Gesicht, doch dann mit wachsender Zustimmung an. Wie die meisten Japaner waren auch die Eltern ziemlich klein, der Vater kaum über einssechzig, die Mutter noch gut zehn Zentimeter kleiner. Der Vater war ein kräftig gebauter Mann mit gut entwickelten Muskeln, aber ohne ein Gramm überflüssiges Fett. Die Arme, die unter den Ärmeln seines Kimonos sichtbar waren, machten einen sehnigen, aber kräftigen Eindruck. Sein graues Haar war kurzgeschnitten, und er trug eine Nickelbrille, was seinem Gesicht mit den schmalen Lippen einen mürrischen Zug verlieh; aber sein Verhalten war eher leutselig und entgegenkommend. Die Mutter, ebenfalls in einen schwarzen Kimono gekleidet, hätte man ein hübsches kleines Püppchen nennen können, wenn man einmal von ihren zu sehnigen, mageren Armen absah - und von ihrem Gesicht, das zwar noch immer Spuren früherer Schönheit zeigte, aber doch schon allzu sehr von Kummer und häufigen Entsagungen gezeichnet war.

    Sie goss grünen Tee in weiße, henkellose Tassen, die neben ihr auf einem rotlackierten Tischchen standen. Die Eltern warteten, bis der Gast das erste Mal an dem Tee genippt und sein wohleinstudiertes Oishii - köstlich - herausgebracht hatte, erst dann leisteten sie ihm lächelnd beim Teetrinken Gesellschaft. Danach holte er sein Wörterbuch heraus, und bald gab es ein allgemeines Geschnatter, bestehend aus japanischen und amerikanischen Brocken, vielen Missverständnissen, fröhlichem Gelächter und einem die Sprachbarriere überbrückenden, warmen Gefühl der Verständigung.

    Zum Abendbrot aß man eine vereinfachte Version von Tempura und ungeschälten Reis, dazu Fleisch in Sauce aus den Konservendosen, die der Soldat als Gastgeschenk mitgebracht hatte. Dann, während Mama-san abräumte und fast geräuschlos das Geschirr spülte, machte er dem Mädchen ein Zeichen, und sie brachte aus seinem Rucksack eine Flasche Whisky zum Vorschein. Zuerst tranken die Männer allein und rauchten Zigaretten dazu, die der Amerikaner beisteuerte. Papa-san gab schnalzende Geräusche von sich, die seinem Entzücken über die Großzügigkeit des Gastes Ausdruck verleihen sollten. Er war ein mittlerer Angestellter in einer Seidenspinnerei gewesen, die sich in den letzten Kriegsjahren auf die Herstellung von Fallschirmen umgestellt hatte, doch jetzt, seit der Kapitulation, war er arbeitslos. Als sich die beiden Frauen zu ihnen setzten und sich ganz kleine Mengen Whisky eingossen - wobei Mama-san gierig und voller Genuss an einer Zigarette paffte -, erklärte das Mädchen, dass sie früher in einem anderen, viel größeren Haus gewohnt hatten. »Dann kommen B-Neunundzwanzig«, sagte sie. »Und wumm! Kein Haus mehr da. Kajida! Feuer.« Ihre Eltern verstanden, was sie gesagt hatte, und lachten, damit der Amerikaner es nicht als Kränkung oder Vorwurf empfinden konnte. Er fühlte sich indessen tief beschämt.

    Der Bruder des Mädchens kam herein, in einer schwarzen, hochgeschlossenen Montur. Er arbeitete bei der Eisenbahn als Gleisleger und hatte erst jetzt Feierabend machen können. Ein grinsender, gutmütiger Junge von vierzehn Jahren, sehr höflich, voll unverhohlener Bewunderung für den Amerikaner. Er berührte sogar einmal verstohlen den Ärmel seiner Uniform, um den Stoff zu fühlen, und unterhielt sich selbstbewusst in recht fragmentarischem Englisch mit ihm.

    Es war nach zehn Uhr, als der Amerikaner sich erhob, um sich von seinen Gastgebern zu verabschieden. Das Mädchen sprach leise und schnell in Japanisch auf seine Eltern ein. Sie schauten einander mit verständnisvollen Blicken an, dann nickten sie mehrmals. »Du bleiben über Nacht«, sagte das Mädchen. »Wir haben anderes Zimmer. Nicht groß, aber gut.«

    Das Zimmer, von den übrigen Räumen des Hauses nur durch eine Schiebetür getrennt, war lang und schmal und ging auf die Hinterseite des Hauses hinaus. Das Mädchen machte das Bett: seidenbezogene Steppdecken, die sie auf der Schlafmatte aus Reisstroh ausbreitete. Dann reichte sie ihm einen federleichten, purpurnen Kimono und schaute ihn an, im weichen, schummrigen Licht, das durch die Papierwände aus dem anderen Raum herüberdrang. Ihre Hand streckte sich nach ihm aus und berührte sachte seine Wange. Er wollte sich zu ihr hinunterbeugen, doch sie zog ihre Hand weg und trat einen Schritt zurück. »Ich muss gehen mit Familie sprechen«, sagte sie. Lächelnd schritt sie hinaus.

    Er kleidete sich aus und zog den Kimono an, der ihm zwar viel zu kurz, aber weit und bequem geschnitten war. Dann schlüpfte er unter die eine Steppdecke und lauschte den flüsternden Stimmen jenseits der Papierwand. Offensichtlich hielt man da draußen Familienrat. Bald wurden die Lichter ausgeschaltet, und er lag im bleichen Mondlicht da. Er drehte sich von der Trennwand weg, legte seinen Kopf auf die verschränkten Arme, schloss die Augen und dachte an die Japanerin, an ihre leuchtenden Augen, ihre Zartheit, die reizvollsten Formen eines weiblichen Körpers, die er sich vorstellen konnte. Plötzlich hörte er, wie die Trennwand zurückglitt. Er bewegte sich nicht. Eine köstliche Wärme breitete sich an seinem Rücken aus - die Wärme ihrer weichen, zarten Haut. Dann hörte er ihren Atem an seinem Ohr, die kaum hörbaren Worte: »Familie meint okay.«

    Er drehte sich um, sah im Halbdunkel, dass ihr Kimono auf dem Boden lag, und sein Arm schloss sich um ihren Körper. »Oh, ja, ja«, sagte er, »es ist takusan - sehr, sehr okay.«

    Kein ungeschicktes, hastiges Fummeln, keine zaghaften Bewegungen. Es war, als hätten sie sich auf diesen Augenblick seit langem vorbereitet und seien nun entschlossen, zu zeigen, dass sich diese Vorbereitung gelohnt hatte. Als er schließlich in sie eindrang, als sie den erlösenden Höhepunkt erreichten, als sie einander alles gaben, was ihre Körper vermochten, und sie wie ein einziger, erschöpfter Leib miteinander verschmolzen waren, da wusste er, dass er diese Lust, die sie ihm gewährte, schon seit jeher gekannt haben musste - wenn auch nur in der Phantasie.

    Später sagte sie: »Mein erstes Mal«, aber nicht in einem Ton, der zu überzeugen suchte.

    Er glaubte ihr, doch seine Neugier war erwacht. »Du warst so - so erfahren...«

    »Kiho«, erklärte sie unbefangen. »Japanische Kunst. Und Reden mit Schwester und Mama-san.«

    Sie fanden einander ein zweites Mal während der Nacht und noch einmal, während der Morgen graute, und sie zeigte ihm, wie sorgfältig sie die japanische Kunst studiert hatte - und wie erfahren die Schwester und Mama-san sein mussten.

    Als sie sich das nächste Mal trafen, reichte sie ihm feierlich ein kleines Formular, ausgefüllt und unterschrieben.

    »Von Doktor«, sagte sie und wandte ihr Gesicht ab.

    Er brauchte ein paar Sekunden, ehe er begriff, dass es sich um das Resultat einer medizinischen Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten handelte. Die Rubrik Negativ war mit roter Tinte abgestempelt.

    »Damit du sicher«, sagte sie schüchtern.

    Drei oder vier Abende pro Woche fuhr er jetzt mit dem Zug nach Akabane, wo sie auf dem Bahnsteig auf ihn wartete. Er brachte meist zwei Rucksäcke mit, den einen vollgestopft mit Konserven und Lebensmitteln, die ihm der Messesergeant des Mitsubishi-Hauses zugesteckt hatte, wo er offiziell sein Quartier aufgeschlagen hatte, den anderen mit Winterbekleidung der Gis, die jetzt im Juni nicht mehr gebraucht wurde: lange Unterhosen, Pullover, Wollmützen. Ein Freund beim Beschaffungsamt hatte sie ihm überlassen. Die Frauen an den Wassergräben huschten nicht mehr an die Türen, wenn er sich näherte, sondern lächelten und winkten ihm schüchtern zu. Manche riefen sogar: »Komban wa!« Er war ein anerkanntes Mitglied ihrer kleinen Gemeinde geworden. Das Mädchen hing an seinem Arm und strahlte.

    Drinnen verstaute man als erstes die Lebensmittel. Den zweiten Rucksack öffnete er selbst und breitete seine Geschenke wie in einem arabischen Bazar auf dem Boden aus. Er hielt sich die Unterhosen an den Körper oder zog sich eine der Wollmützen in die Stirn, machte eine komische Grimasse dazu, und seine Gastgeber schenkten ihm ein dankbares, fröhliches Lachen. Zum Bruder sagte er etwa: »Du färbst alles schwarz - kuroi - damit die M. P. es nicht merkt.« Die Kleidung würden sie ohnehin erst im Herbst und Winter benutzen. Der Gedanke, dass er dann nicht mehr hier sein würde, gab ihm jedes Mal einen Stich.

    War es Samstag oder Sonntag, so bereitete sie ihm ein morgendliches Bad - eine recht behelfsmäßige Angelegenheit, denn es gab keine der sonst in japanischen Häusern üblichen, gekachelten Versenkungen im Boden, die als Badewannen dienten. Stattdessen erwärmte sie eimerweise das Wasser auf dem Feuerrost im Wohnraum und brachte es hinaus in den Holzschuppen hinter dem Haus. Dort übergoss sie ihn mit dem Wasser und trat dann zu ihm, nur in ein weißes Baumwollhöschen gekleidet, um ihn mit der Seife aus dem PX einzuseifen. Anschließend spülte sie ihm den Seifenschaum ab und frottierte und massierte seinen Körper, bis er völlig trocken war.

    Später arbeitete er häufig mit ihr im Gemüsegärtchen - einem winzigen Fleckchen Erde, dessen Ertrag in keiner Weise der aufgewendeten Mühe entsprach. Nachmittags faulenzten sie im Haus herum, tranken Tee, spielten ein Damespiel oder liebten sich. Danach machten sie häufig einen kleinen Spaziergang.

    Er kam sich sehr wichtig vor und fühlte, dass er geliebt wurde. Zugleich war es ihm voll bewusst, dass er niemals dieses wundervolle Gefühl kennengelernt hätte, wenn er nicht selbst dem geliebten Menschen das Gefühl des Geliebtwerdens hätte geben können.

      ZWEITER TEIL

    Sausalito, 1968

    Zweites Kapitel

    Catherine seufzte tief und legte das gelbe Manuskript vorsichtig neben sich auf das Bett. Sie hatte es noch nicht zu Ende gelesen: sie musste sich erst an das sonderbare Gefühl gewöhnen, dass sie dadurch eigentlich ihren Vater zum ersten Mal richtig kennengelernt hatte. Es gab keinen Zweifel, dass der amerikanische Soldat in den Notizen ihr Vater war - nicht nur, weil er die Geschichte geschrieben hatte, sondern auch weil er sich den Japanern gegenüber in der für ihn ganz typischen Weise verhielt. Es war das rücksichtsvolle Verhalten, das er stets auch ihr gegenüber zeigte.

    Sie rutschte weiter nach oben zum Kopfende des Bettes und umarmte ihren kleinen Zoo - den riesigen Stofftiger und den ebenso großen Löwen mit seiner Mähne, die genauso blond war wie die ihre, wenn auch bei weitem nicht so lang. Sie warf einen Blick auf die elektrische Uhr am Nachttisch. Fast fünf Uhr - also noch eine Stunde, bis Tina - Mutter, korrigierte sie sich in Gedanken - vom Tennisclub zurückkommen würde. Mehr als genug Zeit, um ihre ausgeblichenen Blue Jeans und das orangefarbene T-Shirt auszuziehen, ihr Haar zu kämmen, das Pastellkleid überzustreifen, das sie getragen hatte, ehe ihre Mutter mittags weggefahren war, und mit falschem Willkommenslächeln an die Tür zu treten.

    Jeden Wochentag musste sie dieses dumme, kleine Betrugsmanöver durchführen, wobei ihr Schuldgefühl durch das Verständnis von Seiten Helens, der Haushälterin, die um zehn Uhr vormittags kam und gegen sechs wieder ging, ein wenig gemildert wurde. Am Wochenende allerdings durfte sie offiziell in Hemd und Jeans herumlaufen, denn dann war auch ihr Vater zu Hause, und sie fuhren zum Fischen oder machten Ausflüge zu Fuß und mit dem Auto zu den einsamen Stränden und in die bewaldeten Hügel der Umgebung der San-Francisco-Bay. Ihre Mutter verbrachte auch die Wochenenden überwiegend im Tennisclub, den ihr Vater hasste, und den sie selbst nur vom Vorüberfahren kannte.

    Der Gedanke an ihre Mutter jagte ihr einen leichten Angstschauer über den Rücken, wenn sie sich überlegte, wo sie das

    Manuskript und die Fotos gefunden hatte - in einer alten, zerkratzten, grünen Kiste ganz hinten in dem Abstellraum gegenüber dem Schlafzimmer der Eltern. Schon früher war sie einmal dort eingedrungen, mit einer Taschenlampe bewaffnet, und hatte gespielt, sie sei im finsteren Wald und warte auf ihren Retter. Der Traum hatte recht abrupt geendet, als ihre Mutter hereinplatzte, sie schleunigst hinauswarf und sie schrecklich ausschimpfte, weil sie offenbar versuche, sie absichtlich zu ärgern und noch zum Wahnsinn zu treiben!

    Aber Langeweile, diese schreckliche Langeweile hatte sie vor kurzem dennoch wieder dort hineingetrieben. Sie hatte ganz oben auf dem Treppenabsatz gestanden und gerade hinuntergehen wollen, um mit Helen eine Tasse Tee zu trinken, als sie merkte, dass die sonst versperrte Tür zu der Abstellkammer einen Spaltbreit offenstand. Ehe es ihr überhaupt bewusst wurde, stolperte sie über Schachteln, stieß sich an alten Möbelstücken und fiel zuletzt beinahe über eine Kiste mit verrostetem Vorhängeschloss, das sich nach einigem Hantieren leicht öffnen ließ. Und da waren sie, die Khakihosen und -hemden, die Mütze, die Uniformjacke - die Kleidung, die ihr Vater getragen hatte, damals, während seiner Militärzeit, als Besatzungssoldat in Japan. Und sie entdeckte, eingehüllt in die Jacke, ein paar zusammengeheftete Blätter mit der Aufschrift Notizen für einen Roman und Fotos von vielen Japanern in Bademänteln - nein, in Kimonos. Sie hatte die Kleidungsstücke schnell wieder in die Kiste gesteckt und das Vorhängeschloss so angebracht, dass es unversehrt aussah. Dann war sie mit ihrem Fund in ihr Zimmer gelaufen.

    Sie konnte sich gar nicht vorstellen, dass ihr Vater sich ebenfalls solch eine

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