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MEDEA: Tanith-Lee-Werkausgabe, Band 3
MEDEA: Tanith-Lee-Werkausgabe, Band 3
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eBook336 Seiten4 Stunden

MEDEA: Tanith-Lee-Werkausgabe, Band 3

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Über dieses E-Book

- Ein verlassener, sterbender Planet. Eine Frau, die zurückbleibt. Die Begegnung mit einem fremden Raumfahrer. Ein Picknick in Ruinen.

- Eine vollständig automatisierte und anonymisierte Welt. Eine perfekte Maschine, bedient von perfekte Menschen. Und ein Geist, der in der Maschine und in den Träumen der Menschen umgeht.

- Eine Königin in weißem Witwengewand, verborgen vor der Welt im höchsten Turm eines Schlosses, das nicht von dieser und auch von keiner anderen Welt ist. Und ein rabenschwarzer Besucher, der jener Königin eine traurige Geschichte erzählt.

- Ein Turm in einer einsamen Oase. Ein Magier; ein kriegerischer Wanderer. Und ein Fluch, der besiegt und doch niemals gebrochen werden kann.

- Eine radioaktiv verstrahlte Erde. Zwei Klassen: Menschen, die dem nuklearen Regen ausgesetzt sind und Menschen, die unter der schützenden Sicherheit einer Kuppel leben. Und eine Mutter, die ihre Tochter an den meistbietenden Kuppelbewohner verkauft, um sie vor dem Tod durch Krebs zu schützen.

- Eine Hexe aus dem Norden kommt in eine reiche Stadt des blühenden Südens – ist sie die Botin eines dämonischen Gottes? Ein Dieb versucht, die Rätsel im Haus der Spiegel zu ergründen – und er entdeckt das Geheimnis menschlicher Eitelkeit.

- Nach dem Untergang Roms: Ein ehemaliger Feldherr des Imperiums erwirbt im Tausch gegen zwei kostbare Schriftrollen aus der Bibliothek von Alexandria eine Frau von geradezu überirdischer Schönheit – und von der es heißt, sie könne durch Zauberkraft Gold herstellen.

- In einer Zeit, in der Heterosexualität als abartig gilt, wagt eine Frau das Undenkbare: Sie verliebt sich in einen Mann.

- Ein geflügeltes Vampirgeschöpf. Eine Prinzessin, die keine Prinzessin ist. Und eine Liebe, die zum größten möglichen Opfer bereit ist.

- Im Jahr 2190: Cryo-Technik, die zum Instrument einer ebenso perfiden wie unaufhaltsamen Invasion wird...

MEDEA: zehn meisterhafte Erzählungen aus der Feder der legendären britischen SF-/Fantasy-Autorin TANITH LEE (1947 – 2015) – zwischen surrealem Märchen und beklemmender Dystopie; Band 3 der großen TANITH-LEE-Werkausgabe im Apex-Verlag. Kongenial farbig illustriert von Christian Dörge.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum18. Okt. 2017
ISBN9783739683874
MEDEA: Tanith-Lee-Werkausgabe, Band 3

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    Buchvorschau

    MEDEA - Tanith Lee

    Die Autorin

    Tanith Lee.

    (* 19. September 1947, + 24. Mai 2015).

    Tanith Lee war eine britische Horror-, Science Fiction- und Fantasy-Schriftstellerin und Verfasserin von Drehbüchern. Sie wurde viermal mit dem World Fantasy-Award ausgezeichnet (2013 für ihr Lebenswerk) und darüber hinaus mehrfach für den Nebula- und British Fantasy-Award nominiert.

    Im Laufe ihrer Karriere schrieb sie über 90 Romane und etwa 300 Kurzgeschichten. Sie debütierte 1971 mit dem Kinderbuch The Dragonhoard; 1975  folgte mit The Birthgrave (dt. Im Herzen des Vulkans) ihr erster Roman für Erwachsene, der zugleich auch ihren literarischen Durchbruch markierte.

    Tanith Lees Oevre ist gekennzeichnet von unangepassten Interpretationen von Märchen, Vampir-Geschichten und Mythen sowie den Themen Feminismus, Psychosen, Isolation und Sexualität; als wichtigsten literarischen Einfluss nannte sie Virginia Woolf und C.S. Lewis.

    Zu ihren herausragendsten Werken zählen die Romane Trinkt den Saphirwein (1978), Sabella oder: Der letzte Vampir (1980),  Die Kinder der Wölfe (1981), Die Herrin des Deliriums (1986), Romeo und Julia in der Anderswelt (1986), die Scarabae-Trilogie (1992 bis 1994), Eva Fairdeath (1994), Vivia (1995), Faces Under Water (1998) und White As Snow (2000).

    1988 gelang ihr mit Eine Madonna aus der Maschine (OT: A Madonna Of The Machine) ein herausragender Beitrag zum literarischen Cyberpunk; eine Neu-Übersetzung der Erzählung wird in der von Christian Dörge zusammengestellten Anthologie Cortexx Avenue enthalten sein.

    Ihre wichtigsten Sammlungen von Kurzgeschichten und Erzählungen sind: Red As Blood/Tales From The Sisters Grimme (1983), The Gorgon And Other Beastly Tales (1985) und Nightshades: Thirteen Journeys Into Shadow.

    Tanith Lee war seit 1992 mit dem Künstler John Kaiine verheiratet und lebte und arbeitete in Brighton/England.

    Sie verstarb im Jahre 2015 im Alter von 67 Jahren.

    Der Apex-Verlag widmet Tanith Lee eine umfangreiche Werkausgabe.

    Das Buch

      - Ein verlassener, sterbender Planet. Eine Frau, die zurückbleibt. Die Begegnung mit einem fremden Raumfahrer. Ein Picknick in Ruinen.

      - Eine vollständig automatisierte und anonymisierte Welt. Eine perfekte Maschine, bedient von perfekte Menschen. Und ein Geist, der in der Maschine und in den Träumen der Menschen umgeht.

      - Eine Königin in weißem Witwengewand, verborgen vor der Welt im höchsten Turm eines Schlosses, das nicht von dieser und auch von keiner anderen Welt ist. Und ein rabenschwarzer Besucher, der jener Königin eine traurige Geschichte erzählt.

      - Ein Turm in einer einsamen Oase. Ein Magier; ein kriegerischer Wanderer. Und ein Fluch, der besiegt und doch niemals gebrochen werden kann.

      - Eine radioaktiv verstrahlte Erde. Zwei Klassen: Menschen, die dem nuklearen Regen ausgesetzt sind und Menschen, die unter der schützenden Sicherheit einer Kuppel leben. Und eine Mutter, die ihre Tochter an den meistbietenden Kuppelbewohner verkauft, um sie vor dem Tod durch Krebs zu schützen.

      - Eine Hexe aus dem Norden kommt in eine reiche Stadt des blühenden Südens – ist sie die Botin eines dämonischen Gottes? Ein Dieb versucht, die Rätsel im Haus der Spiegel zu ergründen – und er entdeckt das Geheimnis menschlicher Eitelkeit.

      - Nach dem Untergang Roms: Ein ehemaliger Feldherr des Imperiums erwirbt im Tausch gegen zwei kostbare Schriftrollen aus der Bibliothek von Alexandria eine Frau von geradezu überirdischer Schönheit – und von der es heißt, sie könne durch Zauberkraft Gold herstellen.

      - In einer Zeit, in der Heterosexualität als abartig gilt, wagt eine Frau das Undenkbare: Sie verliebt sich in einen Mann.

      - Ein geflügeltes Vampirgeschöpf. Eine Prinzessin, die keine Prinzessin ist. Und eine Liebe, die zum größten möglichen Opfer bereit ist.

      - Im Jahr 2190: Cryo-Technik, die zum Instrument einer ebenso perfiden wie unaufhaltsamen Invasion wird...

      MEDEA: zehn meisterhafte Erzählungen aus der Feder der legendären britischen SF-/Fantasy-Autorin TANITH LEE (1947 – 2015) – zwischen surrealem Märchen und beklemmender Dystopie; Band 3 der großen TANITH-LEE-Werkausgabe im Apex-Verlag.  Kongenial farbig illustriert von Christian Dörge.

    Medea

      I.

      Im Herzen der verlassenen und teilweise verfallenen Stadt streckten sich die achtundneunzig Stockwerke eines alten Hotels in die klare Luft des Sonnenuntergangs. Das Hotel war nicht unbedingt die gewaltigste Struktur, die von dieser Stadt übriggeblieben war. Es war eine sehr moderne Metropole gewesen, mit vielen, sehr hohen Gebäuden. Aber es hatte sich so ergeben, dass verschiedene der Häuser um das Hotel herum zusammengefallen waren, aus was für einem Grunde auch immer. Nun war diese aufgetürmte weiße Architektur, die wie eine Hochzeitstorte für Titanen wirkte, von nahezu jedem Punkt der Stadt aus zu sehen - und noch Meilen entfernt, jenseits der trockenen staubigen Ebenen des Planeten, sah man das Hotel.

      Der Sonnenuntergang auf diesem Planeten dauerte mehrere Stunden, und er war von großer Schönheit. Die Konturen des Hotels verschwammen in einem weichen, rosigen Licht. Der Stuck und die Ornamente, vom Wind zernagt, waren im Laufe der Jahre zum Nistplatz der großen Kletterechsen geworden. Während der Stunden, in denen die Sonne unterging, tauchten sie auf, krabbelten an der Fassade hinauf und hinab, vorbei an den leeren Fenstern, hinter denen ebenso leere Zimmer lagen. Ihre Panzer blinkten golden, ihre Scheusals-Gesichter stierten hinweg über die großen verlassenen Blöcke der Stadt, die golden zurückblinzelten. Doch die großen Echsen waren klug genug, diese glitzernden Wolkenkratzer nicht mit etwas Lebendigem zu verwechseln. Das einzige Leben außer ihnen und einigen weißen, skelettartigen Vögeln, die gelegentlich über sie hinweg strichen, existierte im 98. Stock. Von Zeit zu Zeit konnten die Echsen es sich hinter der Doppelverglasung bewegen sehen, und hin und wieder durchdrang das Pochen der Maschinen oder von Musik das Innere des Hotels und ließ die Steine erbeben, und die Echsen, die sich festklammerten, zitterten und lauschten mit ihren großen, beweglichen Ohren.

      Medea lebte im 98. Stock.

      Oft war sie durch die Glastüren sichtbar - eine junge Erdenfrau, so schien es, mit kohleschwarzem Haar, das bis auf ihre Hüften herunterfiel. Sie wirkte wie ein klassisches Bild der Ruhe, der in sich Ruhenden. Einen großen Teil des Tages und oft auch weite Teile der Nacht saß oder lag sie nur still da. Es schien, als bewegte sie sich überhaupt nicht - da war nicht das Zucken eines Fingers, nicht das Zittern eines Augenlides. Erst bei längerem Hinsehen konnte man gewahr werden, dass sie atmete.

      In diesen Zeiten, durchschnittlich siebenundzwanzig Stunden jedes Sechsunddreißig-Stunden-Tages, den dieser Planet auf seiner Umlaufbahn durchlief, testete Medea - völlig regungslos - verschiedene Zustände ihres Denkens. Im Geiste durchreiste sie eine Unzahl von Landschaften, physische und nicht physische, über Gebirge, unter Ozeanen, ja, kreuz und quer durch die Galaxien. Sie hatte brennende Sterne passiert und das kalte Nichts des Raumes, wo die letzten Welten hingen wie die Wasserflecken auf den Fensterscheiben ihrer Zimmer. Endlose Arten von Kreaturen kamen und gingen auf den Pfaden ihrer geistigen Reisen. Wesen des Landes, des Wassers, der Luft und aus den Schluchten zwischen den Sonnensystemen. Städte und andere Konglomerate erstanden und versanken so einfach, wie die Urwälder und die kultivierten Landstriche durch sie hindurch zogen. Sie fühlte, dass alle diese Visionen auch sie betrafen, sie durchdrangen. Dass sie etwas in sie hineinwob, dass etwas von ihrem Ich dazu gehörte, wenn sie sie nicht sogar formte und so einen Teil ihrer eigenen Verflechtungen bildete. Sie durchdrang sie alle mit ihrer Liebe, war ohne Furcht, und wenn sie davonzogen, fühlte sie den sanften Schmerz des Verlustes.

      Aber nur für einen Augenblick.

      Denn nur wenn sie wachte, fühlte Medea die Einsamkeit.

      Ihre Augen würden sich öffnen. Sie würde um sich schauen. Sie würde sofort aufstehen und in ihrem Apartment, das die Maschinerie des Hotels in tadellosem Zustand hielt, umhergehen.

      Alle drei Räume waren bequem und zwei davon sogar elegant. Ein Wintergarten mit Hartglaswänden ragte aus der Gebäudefassade hervor: Darin blühten und reiften riesige Pflanzen. Es gab ein Badezimmer mit einem in den Boden eingelassenen Becken aus Marmor, in dem man schwimmen konnte. Literatur und Musik, Kunst und Theater zahlreicher Welten standen ihr reichlich zur Verfügung. Auf Knopfdruck wurden Medea exzellente Speisen aus den Tiefen heraufgebracht. Zu seiner Zeit war das Hotel in über zwanzig Sonnensystemen berühmt gewesen.

      Sie selbst ging die Treppen nie hinunter. Vor Jahren hatte sie es mitunter getan. Sie war über das staubverkrustete Pflaster der Straßen gewandelt oder, indem sie sich in eines der winzigen Schwebeautos setzte, durch die Mauerschluchten geglitten, an den gähnenden Fenstern vorbei, über die Brücken - und schließlich wieder zurück. Nachts hatte sie auf der üppigen Veranda des Hotels gesessen und einen Kaffee oder ein Sherbet geschlürft. Wie Marionetten an Fäden ließen die Generatoren noch wenige Lichter in der Stadt aufflackern, wenn die Sonne unterging. Sie gab sich nicht der Illusion hin, dass es in jenen fernen erleuchteten Gebäuden noch Leben geben könnte. Manchmal stahl sich eine der Echsen zu ihr hinauf. Trotz ihrer Größe waren sie sehr vorsichtig. Sie streichelte die, die sich nahe heranwagten und es sich gefallen ließen. Aber die Echsen brauchten sie nicht und sie verstand sie nicht, wenn sie wachte.

      In früheren Jahren hatte sie oft oben auf der Spitze ihres Turmes gestanden. Allerdings gab es keinen Grund mehr dafür, ihr Apartment zu verlassen. Das sah sie ein.

      Aber ebenso oft, wenn sie wachte, und mit offenen Augen weinte, fühlte sie ihren Verlust. Sie empfand diesen Schmerz ständig, wenn auch stets auf unterschiedliche Weise: scharf wie ein Rasiermesser, stechend wie eine Nadel, dumpf wie eine Verletzung.

      »Ich bin allein«, sagte sie.

      Sie warf einen Blick von ihrer Höhe herunter, sie sah zu, wie die Echsen auf und ab huschten. Sie schaute über die Stadt bis zu dem Dunstschleier, der über den Ebenen jenseits davon lag. Ihre Traumgewebe waren ihr Trost. Doch das genügte nicht.  

      »Allein«, seufzte Medea mit leiser, trauriger Stimme.

      Sie drehte dem Fenster den Rücken zu.

      Und so übersah sie den neuen goldenen Funken, der bizarr durch die Luft des Sonnenunterganges stob, und den weißen Federschweif aus Dampf, den er hinter sich her zog.

      Jaxon landete seine Raumfähre in etwa einer halben Meile Entfernung vor der Stadt. In voller Rüstung trat er in den langen Sonnenuntergang hinaus und stellte aus reiner Gewohnheit alle Maschinen auf Verteidigung. Dabei gab es hier - mit hoher Wahrscheinlichkeit - nichts, wogegen es sich zu verteidigen galt. Der Planet war vom Mutterschiff aus sorgfältig abgetastet worden.

      Jaxon schlenderte in die Stadt. Er war ein Abenteurer, der sich von Leuten mieten ließ, die ihn gut zu bezahlen wussten. Was ihn hierher auf diesen gottverlassenen Flecken - weit ab von allen neuen Welten und alten Handelsrouten, die normalerweise sein Spielfeld waren - verschlagen hatte, war die Idee eines freiberuflichen Kapitäns, dessen Schiff im Moment über ihm hing. Sie hatten sich in einer Kneipe am Rand der Lyra kennengelernt. Jaxon, die goldene Figur, die er immer darstellte, das Gold aber etwas befleckt durch die blutige Nase und das blaue Auge, die er sich in einem gerade überstandenen Kampf eingefangen hatte.

      »Na dann, jedenfalls vielen Dank, dass Sie meine Haut gerettet haben. Und was wollen Sie jetzt von mir?«

      Der Kapitän entrollte vor ihm eine alte Sternenkarte und zeigte auf einen Planeten.

      »Und was ist damit?«, fragte Jaxon. Der Kapitän erklärte es ihm. Zu diesem Zeitpunkt war es nicht mehr als eine Geschichte, doch derlei Geschichten zogen manchmal Taten nach sich.

      Anscheinend war vor einem Jahrhundert auf jener kleinen Welt eine Maschine von ungeheurer Energie verborgen worden. Die Kolonie wurde prompt unter dem Vorwand evakuiert, dass der Planet eine instabile Bebenaktivität entwickelte. Eine ganze Stadt wurde aufgegeben. Niemand kehrte je zurück. Jenseits aller Grenzen und gestrichen von den aktuellen Karten, war der Planet bis jetzt übersehen, vergessen worden. Nur die Geschichte von dieser Maschine lebte weiter und tauchte schließlich wieder auf.

      Nun gut; Jaxon nahm an, dass der Kapitän darauf aus war, dass jemand – Jaxon - dort etwas unternahm. Welche Kräfte mochte diese verborgene Maschine freizusetzen in der Lage sein? Zweifellos mussten Wachen existieren - welcher Art waren sie?

      »Es war eine Art Kriegsmaschine. Deshalb musste sie verschwinden. Wer immer sie in die Finger kriegen würde, könnte alle nach seiner Pfeife tanzen lassen.«

      »Ist ja reizend«, tönte Jaxon und blies in seinen spendierten Drink.

      »Andererseits kann alles auch bloß ein Gerücht sein. Aber wir wollen dieser Sache mal nachgehen, allerdings ohne unseren Hals zu weit vorzustrecken.«

      »Also wollen Sie statt dessen lieber meinen Hals vorstrecken.«

      Der  Kapitän erläuterte den Handel. Jaxon dachte darüber nach. Erst als sie schon an Bord des Schiffes waren, stellte er noch Fragen. »Sie haben mir immer noch keine genauen Antworten auf meine Fragen gegeben. Was ist der Zweck dieser Maschine? Wie wird sie beschützt?«

      »Na gut. Das ist jetzt vielleicht etwas apokryph. Ich habe gehört, dass es sich um einen Radierer handelt. Das ist der Slang-Ausdruck für etwas, das jahrzehntelang ein allgemeiner Alptraum war und von allen solaren und galaktischen Regierungen verurteilt wurde, etwas, das es im Grunde gar nicht geben kann

      »Wir reden also von einem Materie-Zerstörer?«, hakte Jaxon ein.

      »Ja. Das ist der springende Punkt. Und - lachen Sie ruhig darüber: Die einzige Wache für dieses verdammte Ding ist eine einsame Frau in einem Luxushotel.«

      Im Weltraum wimmelte es von Legenden, geboren in Kneipen und verlorenen Gegenden, von den Handelsschiffen wie Samen im Raum verstreut, in fruchtbare Gehirne verpflanzt, im Normalfall dazu bestimmt, einzugehen.

      Aber Jaxon, der etwas wie Leidenschaft hinter diesem Geschäft witterte, bekam schließlich doch die Wahrheit heraus. Die Sache mit dem freiberuflichen Kapitän war eine Finte. Der wirkliche Auftraggeber, der hinter der ganzen Sache steckte, war die Regierung - die wirkliche Mission war, die Maschine zu finden und zu zerstören, sofern sie existierte. Alles andere war Tarnung. Eine Art Freibeuter auf einem neuartigen Abenteuerpfad, der nach einem Computerschatz suchte - so sollte es aussehen. Sobald die Mächte, welche die Maschine versteckt hatten, von der Sache Wind bekämen, würde es einen Mordswirbel und galaktische Verwicklungen geben. Wegen eines kleinen Fassadenkletterers, der einen bestohlen hat, fängt aber niemand einen Krieg an.  

      »Andererseits könnte der Fassadenkletterer auch in seine Bestandteile aufgelöst werden.«

      »Oder das Ganze ist nur ein Gerücht und nichts ist dahinter. Eine Mordsgeschichte. Lügen. Ein Sturm im Wasserglas.«

      »Haben Sie schon einmal einen Sturm im Wasserglas gesehen?«, fragte Jaxon. »Ich schon. Ein Trick, den irgendein Typ eines Nachts in einer Bar vorführte. Da war der Teufel los.«

      Und als er schließlich die Stadt betrat, die von den himmelhohen Pylonen der Brücke eingerahmt war, sah Jaxon das Hotel.

       Er blieb stehen und betrachtete es, dachte an die Frau, die den MZ bewachte; jene Maschine, die das Chaos entfachen und alles - Planeten, Sonnen, den ganzen Weltraum – zu zerstören vermochte. Wenn irgendetwas dran war an der Sache, musste sie ein Roboter sein oder ein Android. In dem flachen goldenen Ring, den er immer bei sich trug, hatte er ein Peilgerät untergebracht. Das würde ihm auf hundert Meter Entfernung genau mitteilen können, was sie war – wenn es sie gab.

      Eines der Schwebeautos glitt heran. Jaxon stoppte es und stieg ein. Es trug ihn sanft in Richtung dieses exzentrischen Hotelkastens. In einer Entfernung von siebzig Metern konsultierte Jaxon den Ring. Dieser teilte ihm sofort mit, dass es diese Frau wirklich gab - und was sie wär. In der Vergangenheit war ihr Name ins planetarische Register aufgenommen worden.

      Sie hieß Medea.

      Sie war kein Roboter, auch kein Androide oder irgendwie, nach gegenwärtiger Analyse, biologisch manipuliert. Sie war eine junge Frau mit einer schwarzen Löwenmähne, blassem reinem Teint, dunklen Augen. Sie wog...

      »Warte«, unterbrach Jaxon, »was im Moment wichtiger ist: Hat man ihr etwas eingepflanzt?«

      »Nein, keine Fremdkörper.«

      Das Fahrzeug war jetzt nur noch zehn Meter von dem Gebäude entfernt und begann, sanft wie ein Aufzug, nach oben zu steigen. 60. Stockwerk, 69., 70. ...

      »Kontrolle wiederholen«, befahl Jaxon.

      Die Echsen glotzten ihn mit ihren vorspringenden Augen an, als er vorbei schwebte, aber er hatte sie schon überprüfen lassen - es gab über zweitausend von ihnen, die im oder am Gebäude lebten. Es handelte sich um Saurier, friedfertig, halbwegs intelligent, harmlos und nicht mechanisch. Ein Vogel flog einige fünfzig Meter über ihm.

      »Kontrollier‘ das«, schnappte Jaxon und beäugte grimmig die Echsen. Aber es handelte sich nur um einen Vogel. 79, 80, 81... das Fahrzeug hielt.

      Jaxon sah die Frau, die Medea hieß. Sie stand am Fenster und betrachtete ihn durch das dicke Doppelglas. Ihre großen Augen leuchteten.

      Jaxon beugte sich vor, lächelte und flüsterte: »Darf ich hereinkommen?«

      Er war aus purem Gold.

      Goldene Haut, goldfarbene Augen, ein goldenes Vlies aus Haar. Auch diese Halb-Uniform, die er trug, war aus schimmerndem gelbbraunem Material. Wer ihn ansah, wurde geblendet.

      Medea trat vom Fenster zurück und drückte auf den Knopf, der die Glashaube hob. Der Mann trat geschmeidig aus dem Fahrzeug und über die Balustrade.

      Die Glashaube senkte sich wieder.

      Sie könnte ihn dort stehen lassen, überlegte Medea, ein interessantes Objekt Mensch, gefangen in einer Falle. Aber seine Gegenwart war zu überwältigend, und das innere Glas mochte auch zu zerbrechlich sein. Also ließ die zweite Glaswand nach oben steigen, und der goldene Jaxon trat zu ihr in den Raum.

      Es gab verschiedene Eröffnungszüge. Er hatte sich bereits für den besten entschieden:

      »Guten Abend«, sagte Jaxon, »ich nehme an, der Name unter dem du dich kennst, ist Medea, M-E-D-E-A. Meiner ist normalerweise Jaxon, J-A-X-O-N. Ich wurde auch schon anders genannt. Du hast es sehr schön hier. Ist der Service noch in Ordnung? Ich hoffe es. Das Klima muss auch angenehm sein. Wie kommst du mit den Echsen klar?« Während er sprach, kam er auf sie zu. Sie wich nicht vor ihm zurück, ihre Augen trafen sich, sie wartete. Als er nur noch wenige Schritte von ihr entfernt war, hielt er inne: »Und die Maschine«, fuhr er fort, »wo befindet sie sich?«   Sie fragte: »Welche Maschine? Hier gibt es mehrere.«

      »Komm, du weißt genau, welche Maschine. Nicht die, die das Bett macht oder den Salat mischt oder die Musik anstellt. Nicht der Stadtcomputer, der für das Funktionieren der Schwebekabinen sorgt. Auch nicht die Generatoren, die in den Stockwerken das Licht brennen lassen.«

      »Andere gibt es nicht«, behauptete sie.

      »Aber ja, es gibt sie. Oder warum sonst bist du hier?«

      »Warum ich... ?« Ihre Augen weiteten sich erstaunt.

      Während dieser ganzen Zeit sandte der Ring feine Impulse durch seine Haut, seine Finger, Botschaften, deren unbemerkte und schnelle Kenntnisnahme er schon vor langer Zeit erlernt hatte.

      Sie lügt nicht.

      Sie ist über seine Ankunft schockiert und reagiert emotionslos.

      Das Gefühl wird wieder durchbrechen.

      Ihr Puls ist so und so hoch, er steigt, wird schneller.

      Aber sie lügt nicht.

    (eine Gehirnwäsche, die verhindert, dass sie Bescheid weiß?).

      Möglich.

      Puls steigt, schneller, schneller.

      »...hier bin«, lachte sie kurz auf, »weil ich zurück geblieben bin. Das ist alles. Der Kern dieses Planeten ist instabil. Wir sollten ihn verlassen. Aber ich beschloss, hier zu bleiben. Ich bin hier geboren, weißt du. Und meine ganze Familie ist hier gestorben. Mein Vater war der Architekt, der dieses Hotel entworfen hat. In diesem Hotel bin ich aufgewachsen. Als die Schiffe abhoben, bin ich nicht mitgeflogen. Wohin hätte ich auch gehen sollen? Wohin, wohin... wie exzentrisch, zurückbleiben zu wollen. Aber die Bebenaktivität ist nicht so gefährlich, wie sie gesagt haben. Ein schwaches Grollen. Das Hotel ist stabilisiert, obwohl die anderen Gebäude manchmal - erst vor sechs Monaten fiel einer der Blocks auf der anderen Seite des Platzes zusammen; eine Staubwolke wirbelte eine halbe Stunde lang auf. Ich rede viel zu viel«, unterbrach sie sich. »Ich habe kein menschliches Wesen mehr gesehen seit - ich kann mich gar nicht erinnern - zehn Jahren, nehme ich an?«

      Das war eine Frage, als ob er es besser wüsste und ihr dies sogleich mitteilen würde.

      Sie legte ihre Hände vor ihr Gesicht und fiel ihm langsam entgegen. Jaxon fing sie auf und hielt sie in seinen Armen, als sie weinte.

    (Keine Lügen. Wahrheit. Gefühlsausbruch. Der Ring gab ihm ununterbrochen seine Informationen, weiter.)

      Auch für ihn war eine lange Zeit vergangen, seit er eine Frau auf diese Art in seinen Armen gehalten hatte. Er überdachte es logisch, seine Gedanken flossen weiter zu anderen Folgerungen. Wie aus weiter Feme fand er Gefallen an dieser warmen Berührung, ihrem weichen dunklen Hexenhaar.

      Gefallen daran, sie zu trösten.

    II.

      Sie hatten Zeit, alle Zeit der Welt. Denn niemand und nichts konnten ihn drängen. Die einzige Notwendigkeit war - sicher zu sein. Und von Anfang an war er sich sicher genug, es war nur eine Frage des Beweises für diese Sicherheit, die Gewissheit jenseits der Gewissheit.

      Neben den winzigen Apparaturen, die er immer bei sich trug, hatte er noch seine eigenen wachen Sinne. Jaxon wusste innerhalb der ersten zehn Minuten, dass es hier nichts gab, was auch nur entfernt der mächtigen Technologie eines MZ entsprochen hätte: Mit anderen Worten: doch kein Schlüssel zum Jüngsten Gericht. Das Schiff der Regierung kreiste weiter über ihm, sondierte die Wellen der Hügel, die Tiefen des Planeten, die natürlichen Höhen und Schluchten. Und er, auf seinen Streifzügen durch die Stadt, mit den kleinen, jederzeit bereiten Schwebekabinen – fand nicht den leisesten Anhaltspunkt.

      Etwas Seltsames aber gab es, das er nicht definieren konnte.

      Oder war das nur seine Entschuldigung, um noch etwas länger zu bleiben?

      Am ersten Abend, als der Sonnenuntergang sich langsam in Nacht auflöste, hatte sie zu ihm gesagt: »Du bist hier, und ich weiß ich nicht, warum. Ich verstehe dich nicht. Aber wir haben Champagner. Wir werden den Ballsaal öffnen.«

      Und als er gequält grinste, fuhr sie fort: »Oh, bitte sei nett zu uns. Sei nett zum Hotel. Es lechzt nach einem Gast.«

      Und das stimmte, das Hotel erwachte durch Knopfdruck zum Leben. Es putzte sich heraus und schmückte sich mit den Juwelen vieler Lichter. Im Ballsaal aßen sie vom Feinsten, jede Platte, jedes Glas, jedes Messer verziert und graviert mit dem Emblem des Hotels. Sie tranken aus kristallenen Pokalen und tanzten auf kristallenem Boden die sinnlich lasziven Tänze, die vor zehn Jahren modern gewesen waren, während sich die Musik wie aus Fontänen über sie ergoss. Jaxon, weltgewandt und anspruchsvoll, war weder erstaunt noch verlegen. Medea wurde wieder ein Kind oder eine junge Frau: Dies war ihre physische Jugend gewesen, in der sie glücklich gewesen war, bevor die Fremden mit ihren Schiffen gekommen waren, bevor die Stadt gestorben war und die Schiffe und alle sie verlassen hatten.

      Aber sie war kein Kind.

      Und obwohl sie auf ihre Art die Unschuld eines kleinen Mädchens besaß,

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