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ÖSTLICH VON MITTERNACHT: Tanith-Lee-Werkausgabe, Band 5
ÖSTLICH VON MITTERNACHT: Tanith-Lee-Werkausgabe, Band 5
ÖSTLICH VON MITTERNACHT: Tanith-Lee-Werkausgabe, Band 5
eBook219 Seiten2 Stunden

ÖSTLICH VON MITTERNACHT: Tanith-Lee-Werkausgabe, Band 5

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Über dieses E-Book

Dem jungen Sklaven Dekteon gelingt die Flucht. Er verbringt die Nacht an einem geheimnisvollen Ort, einem merkwürdigen Ring aus Steinen, den ihm ein alter Sklave gezeigt hat. Als er am Morgen erwacht, findet er sich in einer anderen, ihm fremden Welt und in einem anderen Körper wieder – und verstrickt in ein Spiel, das unversehrt zu überstehen er kaum eine Chance hat, denn er steckt im Körper eines Königs, dessen rituelle Hinrichtung unmittelbar bevorsteht...

ÖSTLICH VON MITTERNACHT, der fünfte Band der großen TANITH-LEE-Werkausgabe im Apex-Verlag, beschreibt eine Welt, die durchdrungen ist von Traditionen, die zu brechen einem Sakrileg gleichkommt, und von Zauberei, die eine ohnehin schon fremde, von Frauen dominierte Welt noch um ein Vielfaches fremder erscheinen lässt...

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum18. Okt. 2017
ISBN9783743800151
ÖSTLICH VON MITTERNACHT: Tanith-Lee-Werkausgabe, Band 5

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    Buchvorschau

    ÖSTLICH VON MITTERNACHT - Tanith Lee

    Die Autorin

    Tanith Lee.

    (* 19. September 1947, + 24. Mai 2015).

    Tanith Lee war eine britische Horror-, Science Fiction- und Fantasy-Schriftstellerin und Verfasserin von Drehbüchern. Sie wurde viermal mit dem World Fantasy-Award ausgezeichnet (2013 für ihr Lebenswerk) und darüber hinaus mehrfach für den Nebula- und British Fantasy-Award nominiert.

    Im Laufe ihrer Karriere schrieb sie über 90 Romane und etwa 300 Kurzgeschichten. Sie debütierte 1971 mit dem Kinderbuch The Dragonhoard; 1975  folgte mit The Birthgrave (dt. Im Herzen des Vulkans) ihr erster Roman für Erwachsene, der zugleich auch ihren literarischen Durchbruch markierte.

    Tanith Lees Oevre ist gekennzeichnet von unangepassten Interpretationen von Märchen, Vampir-Geschichten und Mythen sowie den Themen Feminismus, Psychosen, Isolation und Sexualität; als wichtigsten literarischen Einfluss nannte sie Virginia Woolf und C.S. Lewis.

    Zu ihren herausragendsten Werken zählen die Romane Trinkt den Saphirwein (1978), Sabella oder: Der letzte Vampir (1980),  Die Kinder der Wölfe (1981), Die Herrin des Deliriums (1986), Romeo und Julia in der Anderswelt (1986), die Scarabae-Trilogie (1992 bis 1994), Eva Fairdeath (1994), Vivia (1995), Faces Under Water (1998) und White As Snow (2000).

    1988 gelang ihr mit Eine Madonna aus der Maschine (OT: A Madonna Of The Machine) ein herausragender Beitrag zum literarischen Cyberpunk; eine Neu-Übersetzung der Erzählung wird in der von Christian Dörge zusammengestellten Anthologie Cortexx Avenue enthalten sein.

    Ihre wichtigsten Sammlungen von Kurzgeschichten und Erzählungen sind: Red As Blood/Tales From The Sisters Grimme (1983), The Gorgon And Other Beastly Tales (1985) und Nightshades: Thirteen Journeys Into Shadow.

    Tanith Lee war seit 1992 mit dem Künstler John Kaiine verheiratet und lebte und arbeitete in Brighton/England.

    Sie verstarb im Jahre 2015 im Alter von 67 Jahren.

    Der Apex-Verlag widmet Tanith Lee eine umfangreiche Werkausgabe.

    Das Buch

    Dem jungen Sklaven Dekteon gelingt die Flucht. Er verbringt die Nacht an einem geheimnisvollen Ort, einem merkwürdigen Ring aus Steinen, den ihm ein alter Sklave gezeigt hat. Als er am Morgen erwacht, findet er sich in einer anderen, ihm fremden Welt und in einem anderen Körper wieder – und verstrickt in ein Spiel, das unversehrt zu überstehen er kaum eine Chance hat, denn er steckt im Körper eines Königs, dessen rituelle Hinrichtung unmittelbar bevorsteht...

    ÖSTLICH VON MITTERNACHT, der fünfte Band der großen TANITH-LEE-Werkausgabe im Apex-Verlag, beschreibt eine Welt, die durchdrungen ist von Traditionen, die zu brechen einem Sakrileg gleichkommt, und von Zauberei, die eine ohnehin schon fremde, von Frauen dominierte Welt noch um ein Vielfaches fremder erscheinen lässt...

    ERSTER TEIL

      1. Der Sklave

    Dekteon öffnete die Augen.

    Er schaute hoch und sah durch das rote Haar, das ihm ins Gesicht hing, einen leuchtend roten Herbstwald und dahinter das kalte Rot der aufgehenden Sonne. Er lag auf der Seite - so hatte er auch geschlafen -, und jetzt schmerzte sein Körper. Sein erster Gedanke galt den Hunden. Er lauschte. Nichts war zu hören. Das beunruhigte ihn. Das letzte, woran er sich erinnerte, war, dass er unter der klammen Finsternis der Steinplatte gelegen hatte und die Hunde über ihm bellten - und jetzt befand er sich nicht mehr unter der Erde, sondern hier in einem Wald, den betreten zu haben er sich nicht erinnerte, und die Sonne ging auf.

    Schwerfällig erhob sich Dekteon, rieb wieder Gefühl in seine Arme, die Beine und den ganzen Körper. Es war ein frostklarer Tag ohne jeden Laut, nicht ein Vogel zwitscherte. Umso erschreckender war das Geräusch, das plötzlich durch die Bäume zu vernehmen war. Ein Wagen kam herbei, gezogen von einem Rotschimmel. Etwas war seltsam an diesem Wagen, seine Form vielleicht. Dekteon war sich nicht sicher. Ein Mann mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze beugte sich über die Zügel. Dekteon glaubte, der Mann habe ihn nicht gesehen, aber der Wagen hielt vor ihm an. Auch an dem Pferd war etwas Merkwürdiges. Es war gedrungen, viel breiter um die Brust und mit dickerem Kopf als die Pferde, die Dekteon bisher gekannt hatte. Seine Beine...  

    »Komm!,« rief der Mann unvermittelt. Er konnte nur Dekteon meinen. Weiß schimmerte das Gesicht unter der Kapuze, es wandte sich ihm zu. Konnte sein Herr ihn geschickt haben, damit er nach ihm suche? Nein, wenn schon die Hunde ihn in den Hügeln nicht erwischt hatten, dann hatte dieser Mann ihn ganz sicher nicht verfolgen können, auch nicht mit seinem seltsamen Wagen und dem merkwürdigen Pferd. Er sah wie ein Fremder aus einem fernen Land aus, und seine Stimme klang irgendwie gespreizt. Und doch- und das war das Eigenartigste - auf gewisse Weise wirkte er auch vertraut.

    »Komm!«, rief der Fremde erneut. »Beeil dich!«

    Mit gezwungener Forschheit entgegnete Dekteon: »Ich kenne Euch nicht. Was wollt Ihr von mir?«

    »Man wartet auf dich. Mein Gebieter wünscht, dass du dich beeilst.«

    »Wer ist dein Gebieter?«, fragte Dekteon schon nicht mehr mit der gleichen Ehrerbietung wie zuvor. »Ist er Lord Fren von Am-See?«

    »Nein. Beeil dich! Man wartet auf dich!«

    Das Pferd schüttelte den Kopf. Die Glasperlen am Zaumzeug glitzerten. Seine Hufe waren nicht beschlagen, ja, es hatte gar keine Hufe, sondern eher Tatzen wie ein Bär.

    Ein Schauer rann über Dekteons Rücken. Dies war bestimmt keines von Lord Frens Pferden.

    »Komm!«, forderte der Fremde ihn erneut auf. »Wo willst du denn sonst hin?«

    Das wusste Dekteon auch nicht. Er schluckte. Die Kälte biss an den Striemen, die Lord Frens letztes Auspeitschen hinterlassen hatten, und wenn er sich bewegte, rissen die Blutkrusten wie morscher Stoff auf. Ohne Unterschlupf und Essen würde er hier nicht lange durchhalten.

    »Na schön, ich komme mit. Aber wenn du etwas Ungutes mit mir im Schilde führst, bringe ich dich um. Ich bin ein entflohener Sklave - aber das weißt du ja, nicht wahr? Ich habe demnach nichts zu verlieren.«

    Selbst in seinen eigenen Ohren klangen diese Worte bedrohlich. Er kletterte auf den Wagen hinter den Fremden.

    Ein dickes Fell lag auf dem Boden des Wagens und darauf ein großes Stück kalter Braten und ein praller Trinkbeutel. Es sah aus, als warte es nur auf ihn. Misstrauisch beäugte Dekteon die Sachen, aber er war ausgehungert, sein Magen leer seit zwei Tagen. Schließlich aß er das Fleisch und trank aus dem Beutel. Nichts war ungewöhnlich an ihm oder dem schalen Bier, das er enthielt.

    Dekteon legte sich auf das Fell und schloss die Hand um das gefeilte Metall, das ihm als Messer gedient hatte. Er beschloss, nicht zu schlafen. Ein wenig benommen fragte er sich, wohin der Mann im Kapuzenkittel ihn bringen mochte.

    Mit Dekteon würde es ein böses Ende nehmen, das hatte er immer gewusst. Der alte Sklave im Uferhaus, das zum Besitz derer von Am-See gehörte, hatte ihn immer und immer wieder ermahnt und gewarnt. Doch Dekteon war jung und stark, und er hatte rotes Haar, ein Rot so dunkel wie gebackener Ton. Es war schlimm, ein Sklave mit solchem Haar zu sein, selbst wenn man als Sklave geboren war.

    Und sein Haar war es, woran seine Herren sich am leichtesten erinnerten, viel leichter als an seinen Namen. In drei Häusern hatte er gedient, und in jedem hatten sie ihn nur Roter oder Rotschopf genannt:

    »Roter, hol das Brennholz, und gefälligst etwas schneller, du fauler Teufel!«

    »Rotschopf, du hast das Zaumzeug nicht ordentlich eingefettet!«

    »Schafft diesen roten Hund herbei! Wird Zeit, dass er seine Peitschenhiebe bekommt!«

    Dekteon war das Kind einer Sklavin. Für Sklaven gab es so etwas wie Heirat und Ehe nicht, und er wusste nicht, wer sein Vater war. Die ersten zehn Jahre seines Lebens hatte er auf einem der großen Güter im Süden zugebracht. Das Herrenhaus war riesig gewesen mit einer großen Halle und einem offenen Kamin in der Mitte, und an den Wänden schimmerte Seide. Von der Tür aus hatte Dekteon das alles gesehen, aber nie war er eingetreten.

    Die Unterkunft der Sklaven war armselig und ihre Habe gering. Der Herr hatte einen großen Garten gehabt, dessen schwarzgrüne Bäume zu allen möglichen Formen geschnitten waren, und ein rundes Becken mit Goldfischen.

    Mit acht Jahren hatte Dekteon einen dieser Fische mit der Hand gefangen. Dafür war er zum ersten Mal in seinem jungen Leben ausgepeitscht worden. Dann hatte man ihn zum Hundejungen gemacht, und er war für die Hunde seines Herrn verantwortlich gewesen. Doch als er zehn war, hatte sein Herr sich mit einem anderen hohen Herrn verfeindet, und es kam zur blutigen Fehde. Bei einem Überfall wurde das Herrenhaus ausgeplündert und die Sklaven verschleppt. Das war das letzte Mal, dass er seine Mutter gesehen hatte.

    Er diente seinem neuen Herrn, bis er siebzehn war. Mit dreizehn hatte man ihm das Brandzeichen aufgedrückt. Dazu wurde einem ein Fetzen zwischen die Zähne geschoben, damit man sich das Schreien verbiss, wenn das Eisen einen berührte, aber auch, um die Schreie zu dämpfen. Dekteon war an der Schmiede mit anderen Jungen in einer Schlange gestanden. Jedem hatte man einen Lumpen in den Mund gestopft. Das weißglühende Eisen zischte. Jeder Junge brüllte, und der Lappen fiel aus dem Mund. Dekteon hatte sich fest vorgenommen, nicht zu schreien, aber er tat es trotzdem. Dabei war ihm, als brülle ein anderer auf, der sich einfach seine Stimme geliehen hatte. Das Brandmal hatte die Form von zwei kleinen Flügeln mit einem Stab dazwischen, ein typisches Seeland-Brandzeichen für Sklaven, das bedeutete: Dieser Vogel kann nicht fliegen. Als er siebzehn war, verspielte sein Herr ihn bei einem Wagenrennen. Er kam zu Lord Fren ins Uferhaus derer von Am-See.

    Dekteon war als Sklave geboren und aufgewachsen. Er wusste, was von ihm erwartet wurde und was nicht, aber irgendwie hatte er nie das gelernt, was ein Sklave lernen sollte. Er hatte stattdessen Pferde und Hunde versorgt, Bäume gefällt, Wölfe gejagt und war weite Strecken gelaufen. Er war stark und kräftig und, weil er viel im Freien aufhielt, auch sehr widerstandsfähig. Die anderen Sklaven tuschelten untereinander, schlichen umher, kauerten sich in dunkle Winkel und zitterten oder beugten sich schmeichlerisch, wenn ihre Gebieter vorbeikamen. Dekteon ließ seinen Herrn erst ein paarmal nach ihm rufen, ehe er zu ihm lief. Wenn er sich scheinbar achtungsvoll verbeugte, schnitt er ungesehen Grimassen. Stumm und unerkannt regte sich Grimm in ihm und wuchs und machte sich auf ebenso dumme wie verwegene Weise Luft.

    Dekteon stahl aus der Küche und aus dem Obstgarten seines Herrn, wilderte in seinen Wäldern und fischte in seinen Bächen. Er ritt auch Lord Frens Rapphengst im Hof bei den Stallungen, bis Lord Fren ihn eines Tages dabei ertappte. Dafür wurde Dekteon geprügelt. Ein Sklave gewöhnt sich an Prügel und Peitschenhiebe, aber so schmerzhaft war er noch nie zuvor bestraft worden. Am nächsten Vormittag, nachdem Lord Fren schlechtester Laune von einer Auseinandersetzung mit seiner Hauptfrau gekommen war, gab er seinem Pferd die Sporen einmal zu viel, und es warf ihn ab. Dafür gab er Dekteon die Schuld, er war überzeugt, dass dieser dem Tier etwas angetan, es verhext habe. Ein alter Sklave achtete nicht auf seine eigene Sicherheit und warnte Dekteon, dass er mit einer weiteren Züchtigung zu rechnen habe. Dem Rothaarigen war klar, dass noch einmal Prügel - und so kurz hintereinander – zu viel sein würde. Selbst sein widerstandsfähiger Körper würde sich nicht so schnell erholen, wenn er noch einmal, auf die offenen Striemen, gepeitscht würde. Er geriet in Panik und versteckte sich im Heustadel. Das war sehr dumm von ihm und unüberlegt gehandelt. Schon bald entdeckte ihn der hochnäsige und eingebildete Aufseher. Und dann tat Dekteon das Allerdümmste und Unüberlegteste, das er in seinem Fall nur tun konnte: Er setzte sich gegen die Männer des Aufsehers zur Wehr, schlug dem Aufseher selbst ein paar Zähne aus, und irgendwie kippte dabei eine Lampe um, und der ganze Heustadel fing Flammen. Schließlich bekam Dekteon von hinten einen Schlag auf den Schädel, und eine Weile danach wurde er ausgepeitscht.

      Später, als er von Schmerzen geschüttelt und von Fieber glühend in dem Schuppen lag, wo das Brennholz aufgestapelt war, schlich sich der alte Sklave wieder zu ihm. Nie hatte Dekteon erfahren, wie der Alte hieß, noch was seine Pflichten in Lord Frens Haushalt waren. Der Alte aß nicht mit den anderen Sklaven und bekam auch nicht solche Arbeiten wie sie zugeteilt. Manchmal sah Dekteon ihn tagelang nicht, doch er war immer bereit zu helfen, wenn Hilfe benötigt wurde, oder zumindest erteilte er seine gut gemeinten Ratschläge, auch wenn sie nicht gefragt waren. Jetzt half er, so gut es in seiner Macht stand. Er hatte einen Becher mit Wasser mitgebracht, aber der Bursche, der die Tür bewachte, hatte ihn gestoßen, dass das meiste Wasser übergeschwappt war. Während Dekteon gierig den Rest schluckte, berichtete der alte Sklave ihm von Frens Plänen. Der ungehorsame rote Hund sollte an die Kupferminen verkauft werden.

    Das war gleichbedeutend mit einem Todesurteil, würde jedoch seinem Herrn gutes Geld einbringen, denn ein kräftiger Sklave war für die Minen viel wert. Vielleicht hielt er sogar zwei Jahre durch, ehe die unbeschreiblichen Zustände zu seinem Tod führten.

    Dekteon lag im schmutzigen Stroh und stierte mit weiten Augen ins Leere. Er spürte weder Schmerz noch Fieber, nur allesbeherrschende Verzweiflung, die schlimmer war als beides.

    Der alte Sklave beugte sich über ihn, steckte ihm ein Stück Brot in die Jacke und durchschnitt mit einem zum Messer gefeilten Metall den dicken Strick, mit dem man ihn gefesselt hatte. Dekteon staunte, und die Tat des Alten verlieh ihm neuen Lebenswillen. Dankbar blickte er seinen Retter an, der leise sagte: »Sie halten dich für zu schwach, als dass du jetzt entkommen könntest, und das bist du wohl auch, doch du musst es versuchen. Nur ein Mann hält Wache an der Tür, und es wird bald dunkel, dann ist auch Abendessenzeit. Lauf zum Kuppelberg und überquere ihn.«

    »Aber... «  Dekteon schluckte. »Wo soll ich denn hin?«

    Der Alte wirkte seltsam, ja fast weise. Seine Augen glommen.

    »Folge dem Hochland. Drei, vier Berge, ein Nachtmarsch, dann kommst du zu einem Kreis aus verwitterten Steinen – dies ist ein alter Ort. In seiner Nähe findest du einen Fluss, durchwate ihn. Auf der anderen Seite befindet sich Wildnis, dort leben viele Gesetzlose. Als ich noch jung war, flohen ein paar Sklaven von hier dorthin, und Frens Vater hat sie nie gefunden.«

    In seinem Fieber regte der Gedanke an Flucht Dekteon an. Schließlich steckte der Alte das gefeilte Eisen durch Dekteons Gürtel und verließ ihn.

    Selbst bis hierher drang der Geruch des Bratens aus der großen Halle und der Rauch frisch angezündeter Lampen. Jemand brachte Dekteons Wächter zu essen, und während dieser sich darüber hermachte, schlich der Rothaarige aus der Tür hinter ihm und schlug ihm ein Holzscheit über den Schädel. Dann setzte er den bewusstlosen Wächter mit dem Rücken an die Schuppenwand, als schliefe er. Dekteon hatte das behelfsmäßige Messer nicht

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