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ATLAN Höllenwelt 3: Dämmerung über Höllenwelt
ATLAN Höllenwelt 3: Dämmerung über Höllenwelt
ATLAN Höllenwelt 3: Dämmerung über Höllenwelt
eBook320 Seiten4 Stunden

ATLAN Höllenwelt 3: Dämmerung über Höllenwelt

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Über dieses E-Book

Februar 3113 alter Terranischer Zeitrechnung:

In dieser Zeit geht die United Stars Organisation - kurz USO - gegen das organisierte Verbrechen vor. An ihrer Spitze steht der Arkonide Atlan, Perry Rhodans bester Freund. Ein Zellaktivator verleiht dem mehr als zehntausend Jahre alten einstigen Imperator des arkonidischen Imperiums die relative Unsterblichkeit.

Ein Hilferuf seiner ehemaligen Geliebten Rhaen Tolsom hat Atlan auf deren Heimatwelt, den terranischen Kolonialplaneten Reddeye, geführt. Dort angekommen, stoßen der Arkonide und das kleine Team von USO-Spezialisten auf Hinweise einer geheimnisvollen Macht "Darakh", die sich mit ihren monströsen Söldnern zu einer Gefahr für Reddeye und die gesamte Milchstraße entwickeln könnte.

Im Kampf mit Darakhs Söldnern bleibt Atlan und seinen Begleitern nichts anderes übrig, als sich einer uralten klapprigen Kaulquappe anzuvertrauen. Mit ihr sind sie unterwegs zur Höllenwelt, einem verwirrenden Planeten, auf dem sie nicht nur bizarren Lebewesen begegnen sondern auch ein Wiedersehen mit einem Totgeglaubten erwartet ...

Folgende Romane sind Teil der Höllenwelt-Trilogie
1. "Rhaens Ruf" von Rüdiger Schäfer
2. "Das Erwachen" von Achim Mehnert
3. "Dämmerung über Höllenwelt" von Hans Kneifel
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum21. Juli 2015
ISBN9783845349503
ATLAN Höllenwelt 3: Dämmerung über Höllenwelt

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    Buchvorschau

    ATLAN Höllenwelt 3 - Hans Kneifel

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    Dritter Band der Höllenwelt-Trilogie

    Dämmerung über Höllenwelt

    von Hans Kneifel

    Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

    Kleines Who is Who

    Abel Staut und Helman Korff – die Korvetten der Leutnants landen auf Ishtar’s Island

    Atlan – der Lordadmiral der USO stellt sich einem seltsamen Duell

    Borrany – die Neversame zündelt

    Daniel Pherson, Osmooth Alerin und Varen Thorik – die USO-Spezialisten der Abteilung A912 reisen in einem Uraltraumschiff

    Darakh – ein Überwesen sucht den Weg zur Macht

    Dokkat – der junge Ekhonide fungiert als Atlans Chauffeur

    Errehart von Hartwich – der Berater des Tolsom-Clans findet ein trauriges Ende

    Fellmer Lloyd – der Telepath und Orter entdeckt Darakhs Spur

    das Flachfraßmonster – ein tückisches Biest hat diesmal Pech

    Lionarth Davinsh – ein Monstrum liebt terranische Literatur

    Maria Vajai – die Bordmedizinerin der QUESTRON hebt Atlans Stimmung

    Perry Rhodan – der Großadministrator gibt seinem Freund freie Hand

    Pertar Almoth – der Korporal der Abteilung A912 wagt den Sprung ins Ungewisse

    Rhaen Tolsom – Atlans einstige Geliebte findet ihre Erinnerung und eine neue Aufgabe

    Rulan Karkeron – der raubeinige Oxtorner übernimmt einen Botschafterposten

    Sayen Finnegan – Rulan Karkerons »Kerkermeister« wird verkannt

    Taha Kanli – seine QUESTRON wird sehnlichst erwartet

    Tira Midarka – die Funkerin vom Neptun stellt Verbindungen her

    Ungsame Tre, Intara Ra und Norreka Ret – die Neversames begleiten Karkeron in die Zitadelle des Gegners

    »… ganz entsetzlich.

    Auf schrien die Himmel, das Erdreich dröhnte.

    Der Tag erstarrte, die Finsternis kam heraus,

    Aufblitzte ein Blitz, er entloderte ein Feuer.

    Die Wolken wurden dichter, es regnete Tod.

    Dann wurde rot das weißglühende Teuer und verlosch;

    Alles aber, was herabfiel, ward zu Asche …«

    Aus dem Gilgamesch-Epos; vierte Tafel.

    Terra, Mesopotamien, ca. 2750 v.Chr.

    Kapitel 1

    Lionarth Davinshs Schatz

    In den Membranen aller Wandverkleidungen, nahezu in jedem Raum der riesigen Anlage, erschienen geräuschlos halbplastische Gesichter. Sie entsprachen, so behauptete es die Legende, dem Aussehen eines Funkmaats des Ersten Raumschiffs.

    In diesem Augenblick schien das Gesicht zu lächeln, die Lippen bewegten sich, und jeder Neversame konnte hören: »Aus der Warte des weitreichenden Wetters! Eine Warnung an alle! Eine positive und eine negative Nachricht. Zuerst die negative: Es nähert sich ein ausgedehntes Sturmsystem.«

    An der höchsten Stelle des felsigen Zentralberges, halb in einen mittelgroßen Meteoritenkrater eingebaut, befand sich die Wetterwarte. Eine flachkonkave Kuppel aus gezüchtetem Transparentgelat deckte die Station ab; bisher hatte sie jedem Orkan und jedem aggressiven Regen widerstanden. Die Lippen des Sprechers kräuselten sich optimistisch nach oben.

    »Und nun die positive Nachricht: Die Sensoren melden übereinstimmend den Sturm aus Nord. Eine riesige kalte Wolke einer Stickstoff-Sauerstoff-Mischung kommt auf uns zu, mit hohem Sauerstoffanteil.

    Es ist geboten, die Anlage während dieser Zeit gut durchzulüften, von üblen Gerüchen zu befreien und die Lufttanks neu zu befüllen. Die Warte wird wieder warnen, wenn der Wind an Wirksamkeit verliert. Ende der Nachricht – wenn die Wolke eintrifft, meldet sich der Windwart wieder.«

    Lionarth schmunzelte und sah zu, wie sich das Gesicht zurückzog und die Folie glättete. Die Konturen des unvollendeten Gemäldes, an dem er seit einigen Neuntagen arbeitete, stabilisierten sich. Als der Universal aufstand und durch das gerundete Fenster des Ateliers in die Ebene hinunterblickte, stieß er einen Fluch aus.

    Dann brüllte er: »Ich hasse sie alle! Verdammt sollen sie sein! Warum lassen sie uns nicht einfach in Ruhe?«

    Lionarths schwere Drittarmpranke fegte die Steine der Mineraliensammlung von der metallenen Arbeitsplatte. Sie prasselten gegen eine leere Schrifttafel, die vor der blauen Leuchtmoos-Bespannung schräg an der Wand lehnte. Durch die Linsenmembran der Atelierkuppel äugte Lionarth mit starrem, vorwurfsvollem Blick hinunter zur Straße, die sich zwischen den Gewächsen nach Osten schlängelte, zur Festung der »Anderen«, zu denen, die »ihren Willen verloren hatten«. Der säurehaltige Regen, der den Nebel zwischen den Ghilantebäumen niedergeschlagen hatte, zog unter der gelben Wolke in die Richtung des Gebirges weiter.

    Auf der Straße, nichts anderes als ein breiter Streifen ausgeätzten, fast schwarzen Sandes aus zermahlenem Tiefengestein, hatte ein Gleiter angehalten. Unter der verfärbten, rissigen Kuppel des schwebenden Transporters erkannte Lionarth vier Gestalten in klobigen Raumanzügen. Zwei Insassen stiegen aus und näherten sich schwerfällig den weißen Ghilante-Langstämmen, die auf Böcken aus porösem Basalt lagen.

    Yntara Ra und Ungsame Tre hatten die Bäume gefällt, entrindet und nach Lionarths Vorgaben und Zeichnungen bearbeitet. Die langen Balken sollten Torpfosten eines Gemeinschaftsraums werden, wenn sämtliche Schnitzereien ausgeführt und die Oberflächen geglättet und poliert waren. Jetzt sah der Künstler zu, wie die Kerle vom anderen Planeten zwei Antigravelemente an dem ersten Stamm befestigten und ihn zum Gleiter transportierten. Sie luden ihn auf der Ladefläche ab und bewegten sich wieder zum Straßenrand, während die anderen Gleiterinsassen die Enden mit Spanngurten sicherten. Der Vorgang lief im grellen Mittagslicht ab; die weißen Strahlen Adads, kaum gefiltert durch Partikel der Trümmerschale, stachen fast senkrecht auf die Ebene, die eiserne Stadt im Berg und durch die organischen Kuppeln und Dächer der Außengebäude.

    Aus einer der vielen Öffnungen am Fuß des Berges stürzten eine Anzahl Neversames hervor. Sie hielten einfache Waffen in ihren Extremitäten und rannten zur Straße. Aber die verdammten Räuber waren schneller. Lionarth schäumte vor Wut und Enttäuschung, als er zusehen musste, wie auch der zweite Stamm auf der Ladefläche festgemacht wurde und die Diebe in den Gleiter stiegen. Sie machten verächtliche Gesten in die Richtung der Verteidiger, als ihr Fluggerät schwerfällig beschleunigte und sich, eine halbe Mannslänge über der Straße schwebend, mit der Beute uneinholbar entfernte.

    »Wieder zu spät! Eines Tages erwischen wir sie!«, sagte Lionarth knarrend. »Und dann fange ich mit einem neuen Bild oder einem Epos an.«

    Er ließ sich schwer auf das Diaphragma des Sessels sinken und faltete seine drei Arme vor der Brust zusammen. Die Finger der Feinhändchen legten sich flach auf die Muskelstränge der Unterarme. Lionarth spürte wieder einmal sein hohes Alter und die Last der Verantwortung. Er suchte Trost im Klang der Worte, der uralten Dichtung, seines wichtigsten Besitzes – langsam streckte er die Großfinger der mittleren Hand nach dem Schatzkästchen aus.

    In der Mitte seines »Wohnwerkstattgaleriestudios« stand es auf einem Block aus poliertem Gabbro. Ein annähernd würfelförmiger Kasten aus schwerem, metallverstärktem Plastam, mit kantigen Ausbuchtungen, blitzenden, von langem Gebrauch polierten Schaltern, einigen Lautsprechern und einem Tastenfeld, einem Dutzend Kontrolllämpchen und verbunden mit einer externen Energiezelle. Die Geschichte dieses einmaligen Besitztums war lang und verworren; angeblich war es älter als drei Jahrtausende und stammte aus dem Raumschiff, das als Erstes den Planeten Reddeye angeflogen hatte, die Ur-Heimat der Neversames.

    Der Speicherinhalt war ebenso einzigartig wie grandios: Sämtliche Epen, Gedichte und Ursprungsmythen Terras aus der Zeit, als man den Planeten noch »die Erde« nannte.

    Das Gilgamesch-Epos.

    Die Ilias und die Odyssee des Griechen H…mer.

    Alighier… Dantes Divina Com…dia, die Göttliche Komödie.

    Das Wüste Land von T.S. Eliot … Hei…ich Heines Sämtliche Gedichte … William Shakespeares, des Schwans von Avon, Gesa…elte Dramen und seine Sonette, das Beowulflied mit seinen ungewohnten Stabreimen, und die Apokalypse, die Geheime Offe…arung sowie, neben vielen anderen Dichtungen, die Monarth Davinsh-Ode. von Eug…le Vasary.

    Während der ewigen Zeit, sehr weit vor Boris Parthan und Sehn Darakh, hatte auf dem langen, verschlungenen Weg von Terra bis nach Höllenwelt/Ereshkigal ein EMP, ein strahlförmiger elektromagnetischer Impuls, das Gehäuse diagonal durchschlagen und einen Teil der Speicher ruiniert. Oder ein anderer, zerstörerische Eingriff hatte stattgefunden, mit dem gleichen misslichen Ergebnis. Fast alle diese ehrfurchtgebietenden Dichtungen waren an einigen Stellen beschädigt und unvollständig; Homers Hexameter rissen, beispielsweise, mitten im Fluss des Rezitativs ab und gingen nach einer sinnentstellenden Pause weiter.

    Dass Lionarth lange Passagen der verschiedenen Dichtungen aus dem Gedächtnis deklamieren konnte, trug ihm ebenso viel Hochachtung der Neversames ein wie die meisten seiner anderen Fähigkeiten. Er war ein begnadeter Erfinder, Entwickler und Forscher; keiner konnte besser als er die Folgen und Chancen der ständigen Mutationen handhaben. Er tat dies aus wissenschaftlicher Neugierde und zum Wohl aller Neversames von Höllenwelt. Oder Ereshkigal, wie die meisten Planetarier ihre Welt nannten. Auch sein Name stammte aus dem Wissen, das irgendwann zumindest teilweise und verstümmelt von der alten Erde seinen Weg hierher gefunden hatte. Ebenso wie der Name seiner Gefährtin Sayen Finnegan.

    Lionarth, gewähltes und unangefochtenes Oberhaupt der Neversames, entnahm einem geflochtenen Vorratsbehälter einen Ghilantesamen, begann die faustgroße Kugel zu kneten und seine Gedanken laut auszusprechen. Der emphatische Schwamm der Kapsel speicherte die Worte.

    »Vieles geschieht unter den Strahlen des Sterns, den wir Neversames Adad nennen, denn dies war der Name des babylonischen Wettergottes. Und dass das Wetter unser Leben bestimmt, innerhalb der Spanne von mehr als hundertzehn Grad, mehr eisig als heiß, weiß jeder von uns. Aber jenseits der Folge statistisch nicht erfassbarer Wirbel, Stürme, Boden- und Höhenwinde, bahnt sich über unserer aufregenden Welt wieder etwas zusammen, das die Geschichte zu ändern in der Lage ist. Ich spüre es! Alle Einzelbeobachtungen bestätigen es, und das Ganze wird größer sein als die Summe der vielen scheinbar unbedeutenden Kleinigkeiten.«

    Lionarth machte eine Pause. Die schweren Nickhäute schlossen sich über seinen Augen. Er dachte an die vergangenen sieben Jahrhunderte, in denen die seltsamste Evolution stattgefunden hatte, von der er wusste. In dem gestrandeten kleinen Raumschiff hatte sich eine Bordbibliothek befunden, die von den Eingeborenen Ereshkigals zufällig, als Beute sozusagen, ausgebaut worden war. Die vielen Buchtitel schilderten die Kultur und die Zivilisation Terras. Sicherlich war dieses Wissen alles andere als vollständig, aber dies war alles, was die Neversames hatten. Lionarth war sich bewusst, dass diese »positronische Bibliothek« nur einen Teil der Erinnerung seiner fernen Vorfahren umfasste. Es war noch nicht lange her, dass es gelungen war, die riesige Textmenge auszulesen und allen zugänglich zu machen.

    Damals, vor vielen Generationen, schienen die gestrandeten Raumfahrer verloren zu sein. Aber die halbintelligenten Eingeborenen – die sich Namtar nannten und von den Schiffbrüchigen als »Hardheads« bezeichnet wurden – retteten den tödlich erkrankten Raumfahrern das Leben.

    Eine wirre, verwirrende Entwicklung begann, ohne dass Ursache und Wirkung zunächst richtig erkannt werden konnten. Die Kreaturen der Höllenwelt, Ergebnisse einer unvorstellbaren Evolution, injizierten den verzweifelten Gestrandeten bestimmte Gensequenzen, aufgelöst in einer seltsamen Flüssigkeit, ein Willkommenstrunk der Verzweiflung. Eines der vielen grässlichen Wunder dieses Planeten. Damals verstand niemand, was wirklich geschehen war; die Übertragung erfolgte durch Tröpfcheninfusion und Austausch von Körperflüssigkeiten. Die Legende berichtete von langen Dornen seltsamer »Pflanzen«, hohlen Halmen und derlei Methoden von Graswurzelärzten. Aber auf Ereshkigal gab es kein Gras. Die Evolution hatte ganz andere Wege beschritten und Unglaubliches hervorgebracht.

    Die Kreaturen hatten einigen Raumfahrern das Leben bewahrt, den Ureltern der Neversames. Eigentlich nur die Ureltern einiger Neversames, denn sie waren selbst – weiblich oder männlich – gewissermaßen auch Eltern ihrer selbst geworden, Anfänge einer jeweils individuellen »Mutationenkette«.

    »Warum fällt mir gerade jetzt die Historie unserer Welt, unserer Bevölkerung ein?« Lionarth überlegte laut. Es gab einen Grund, aber er lag tief in der Vorahnung großer Entwicklungen verborgen; in seiner, des Universals, Ahnung. Es wäre nicht das erste Mal, dass er recht behielt. Vielleicht hatte ihn der dreiste Diebstahl der fast fertiggestellten Torsäulen wieder auf diesen Gedankenpfad gebracht.

    »Immerhin gelang es den Raumfahrern, ihr Fahrzeug trotz der geraubten Einzelteile wieder zu reparieren. Zum Rückflug brauchten sie keine Bordbibliothek und auch nicht mein ›Schatzkästchen‹. Aber längst nicht alle Gestrandeten kehrten zurück …«

    Später, sehr viel später, fanden sich Erklärungen, und man konnte die Vorgänge einigermaßen verstehen. Die Menschen von Reddeye wurden horizontalem Gentransfer und viraler Re-Programmierung der DNS unterworfen. Nur durch diese Fähigkeit, die völlig unbewusst blieb, hatten die Namtar-Hardheads sich den ständig wechselnden Umweltbedingungen anpassen können. Sie erlebten es ebenso wie alle anderen Organismen dieser brutalen Welt. Wie die Urkeime dieses außerordentlich bemerkenswerten Lebens selbst zur Oberfläche der ausgeglühten ehemaligen Gaswelt geraten waren, blieb ein Geheimnis bis zum heutigen Tag.

    Lionarths Erinnerungen wurden jäh unterbrochen. Wieder zeigten sich die Konturen des Gesichts. Einen Augenblick später rief der Windwart: »Der vorausgesagte Sturm ist eingetroffen. Er hat den grünen Felsen erreicht – es droht in der nächsten halben Stunde kein Säureregen. Frischer Sauerstoff tut not; öffnet eure Luken.«

    Lionarth stand auf, bewegte sich zu einer Liane, deren Blätter und Blüten die lichtdurchströmte Kuppel über seiner Wohnwerkstatt säumten. Er berührte die weiche Rinde des Gewächses aus Lignin, verschiedenen Mineraladern und Zellulose mit den Fingerkuppen der Grobhand und wartete, bis sich die Fläche der Membran rund um die Vergrößerungslinse öffnete. Frische, kalte Luft wehte kräftig ins Innere der Behausung; aus einer Anzahl ovaler Öffnungen im Boden und in den Wänden, die lautlos aus schmalen Spalten entstanden, strömte nebelartig verbrauchte, staubhaltige Luft und wurde ins Freie gewirbelt.

    Die Menschen, die nach Reddeye zurückflogen, unter ihnen auch Boris Parthan, waren weniger von dem Gentransfer betroffen als die andere Hälfte, die Parthan rücksichtslos auf Höllenwelt zurückließ. Letztere entfernten sich mehr und mehr von menschlichem Dasein und veränderten sich innerhalb weniger Generationen. Die Veränderung ermöglichte ihnen, sich mit den Hardheads zu paaren. Aber der Keim der nergeïschen Verformung entwickelte sich weiter, unterstützt von den unberechenbaren Umweltbedingungen des Planeten.

    Lionarth genoss den kühlen Luftstrom, der durch das gesamte Gefüge des heimatlichen Berges fauchte und winselte. Die Neversames in all ihren Erscheinungsformen waren Produkte von rund sieben Jahrhunderten staunenswerter Evolution, und das war gut so. Wenn ihn seine dunkle Ahnung nicht trog, fehlte in dieser Entwicklung eine Machtzusammenballung, ein Höheres Wesen, ein Organismus, der sich als gottähnlich empfand. Ein Gott also. Oder ein Götze.

    »Und genau davor habe ich Angst«, sagte er laut mit seiner Gefühlskehle, die tief in seinem schweren Körper saß. »Aber ich werde darauf achten, dass es nicht so weit kommt.«

    Der Umstand, dass zu wenige oder gar keine Nachkommen mehr geboren wurden – dies galt auch für Wohnbezirke an anderen Stellen der Oberfläche –, beunruhigte ihn nicht. Noch nicht. Aus den buschigen Kronen des Ghilantewaldes flatterten dichte Schwärme von Springschwebern auf, kreisten im Wind und strichen in die Richtung des Gebirges ab.

    Er schaltete die Wiedergabefunktion seines Schatzkästchens ein und wählte eine Ziffernfolge. Aus den Lautsprechern drang die Stimme eines Vorlesers, der längst zu Asche geworden war. Die Gedichte eines Terraners namens Andreas Gryphius. Lionarth wusste nicht, wann der Poet gelebt hatte, und es war ihm auch gleichgültig. Auf Terra, natürlich – wo sonst? Die warnenden Worte des Dichters, indessen, galten auch heute, und sie galten auch auf Höllenwelt.

    Der Universal lauschte der kraftvollen Stimme, erfreute sich an den starken Reimen, arbeitete an seinem Gemälde weiter und verschloss, als sich der Windwart gutgelaunt wieder meldete, sein Heim. Der nächste Sturm drohte, verbunden mit ätzendem Regen und schweren elektrischen Entladungen.

    Kapitel 2

    Karkerons Kerker

    Nein, dachte Rulan Karkeron, Ereshkigal oder die Höllenwelt, das war keine Legende, sondern bestürzende, lebensgefährliche Wirklichkeit. Dass er noch unverletzt und bei angemessener geistiger Gesundheit war, grenzte an ein Wunder. Er erwartete hier, tief unter der Oberfläche dieser apokalyptischen Welt, eine gewaltige Katastrophe, die den gesamten Planeten betraf und die ihn mitreißen und umbringen konnte.

    45 Tage hatte er, Überlebender des Denar-Zwischenfalls und Angehöriger des Spezialkommandos Atropos, USO-Spezialist Captain Rulan Karkeron, schon auf Höllenwelt verbracht. Das sagte ihm seine innere Uhr. Er war bis zum heutigen Tag, bis zu dieser Stunde mit den Umständen seiner Gefangenschaft einigermaßen gut zurechtgekommen – er war alt und erfahren genug, die Einsamkeit und die quälenden Befragungen und Verhöre überstehen zu können. Sein USO-Dossier vermerkte größte Fähigkeit zum Gleichmut aufgrund philosophischer Kenntnisse und Einsichten. Selbst die Enge der Zelle störte den 190 Zentimeter großen Oxtorner nicht. Aber jetzt fühlte er, wie er an eine Grenze stieß; überschritt er sie, stürzte er in Verzweiflung und Wahnsinn. Und wenn er ins Freie flüchten konnte, würde ihn Höllenwelt binnen kurzer Zeit umgebracht haben.

    Er lag auf dem Rücken, unter sich die harte Auflage der Pritsche. Sie ächzte bei jeder größeren Bewegung. Das hohe Körpergewicht des Oxtorners, 700 Kilogramm oder 14 Zentner, und die eineinhalbfache Erdschwerkraft überforderten fast die Tragfähigkeit des Liegemöbels. Karkeron, der die 4,8-fache Erdschwerkraft seiner Heimatwelt gewohnt war, rechnete jede Minute damit, dass die Konstruktion unter ihm zusammenbrechen würde, denn auch sie schien aus einer Vielzahl biologischer Komponenten zusammengesetzt zu sein – »biologisch« in der mehr als bizarren Erscheinungsform des Lebens auf diesem geschundenen Planeten, auf dem die Existenz eines ungeschützten Homo sapiens binnen Stunden erlosch.

    Er zwang sich dazu, die Augen zu öffnen. Sein Blick richtete sich auf den zerklüfteten Fels genau über ihm. Das Aussehen der ineinander verschwimmenden Felder der Decke seines Gefängnisses hatte sich seit einigen Stunden abermals verändert. Farben und Strukturen sahen seit dem letzten Besuch Finnegans vor vier Stunden aus, als wären sie zu neuem Leben mutiert, das sich in grellen Farben und hektischen Wachstumsbewegungen zeigte. Eine Art haariges Moos, das vielleicht eine besondere Form unterschiedlicher Schimmelpilze darstellte, bewegte sich, als würden starke Windstöße in die Zelle hereinfauchen, kroch auseinander, zog sich amöbenhaft wieder zusammen und änderte ununterbrochen und lautlos seine Farbe.

    Die Decke bestand unter dem Farbmoos, dessen grelle Varianten in den Augen des Oxtorners schmerzten, aus hartem Gestein oder Metall. Anscheinend zumindest, denn in den Fugen der Farbfelder erschien stets dann, wenn sie sich zurückzogen, ein gelblichgrünes Leuchten, durch das die Struktur des Felsens zu sehen war. Zusammen mit zwei herkömmlichen uralten Beleuchtungskörpern an den Wänden – oder halb organischen Nachbildungen –, die ein fast weißes Licht absonderten, zeigte das leuchtende Muster, wie ein Netz, das in Meereswellen tanzte, eine sinnverwirrende, andauernde Bewegung. Die Schlieren und Farbflecken krochen langsam an den Wänden herunter und versickerten im schwarzen, elastischen Noppenbelag des Bodens. Jetzt zog ein Strom frischer Luft aus zahlreichen Öffnungen durch sein Verlies.

    Eine Weile lang betrachtete Karkeron das wechselnde Spiel der Farben und wirren Formen, bis er beunruhigt und mit beginnendem Kopfschmerz wieder die Augen schloss. Er wartete auf die nächste der häufigen Durchsagen des »Wetterwartes«, summte einige Takte eines Frührenaissance-Madrigals und versuchte sich an den Komponisten zu erinnern.

    Als man ihn am 14. März auf Reddeye gefangen genommen und hierher gebracht hatte, war er seiner gesamten Ausrüstung beraubt worden – bis auf den Raumanzug und die implantierten Elemente, zu denen sein miniaturisiertes Chronometer gehörte. Er besaß nicht viel mehr als sein Leben, seine Erinnerungen, seine Fantasie und die hochprofessionelle Fähigkeit des geschulten Agenten. Er konnte warten, auch wenn dies an den Nerven zerrte. Seit der ersten Nacht im Großen Rostigen Koloss – seine Bezeichnung – hatte sich eine Menge geändert.

    Und ihm gehörten auch einige Bilder, die er mehr zufällig gesehen und die ihm gezeigt hatten, dass er sich auf dem Weg ins kulturelle und zivilisatorische Zentrum einer undurchschaubaren Lebensform befand, von der die Höllenwelt besiedelt war.

    Die erste Erinnerung stammte noch vom Urwaldrand des Planeten Reddeye, unweit des Eingangs in die unterplanetarische Station.

    Zurück zum 20. Februar 3113, dachte er und hörte, wie sein Magen knurrte. Er intonierte leise einige barocke Tonfolgen und klopfte den Takt auf der Tischplatte.

    Libra-Stützpunkt auf Reddeye: Aus dem Dschungel war er am Morgen, im roten Schein der Sonne, in das unterplanetare Gewirr der geheimnisvollen Anlage eingedrungen. Sie war offensichtlich uralt; das zeigte jede Einzelheit der Einrichtung. Völlige Dunkelheit umgab ihn, nur die Mikropositronik seiner Schutzmontur projizierte aus Peildaten ein Abbild der Umgebung auf das Helminnere.

    Weiter, länger als eine Stunde! Tiefer hinein!

    Der Stützpunkt, erkannte er, konnte mehrere Tausend Menschen beherbergen. Waren sie alle an Bord der INANNA gewesen? Dann: die winzige Kontrollzentrale, zwar leer, aber mit wenigen aktiven Bildschirmen.

    Nachdem mir die Kopie einiger Dateien gelungen war, ertönte dieser grauenhafte Schrei, dessen Echowellen zitternd durch die Korridore und Hallen hallten.

    Alarm! Es gelang ihm, einen Rafferspruch mit Höchstenergie an die QUESTRON, den USO-Kreuzer Atlans, abzustrahlen, dann schaltete sich die Beleuchtung ein, und der tobende Alarmsummer mischte sich in den okrillartigen Schrei eines unsichtbaren Wächters der Station, der plötzlich aufgetaucht war und unvermittelt angegriffen hatte.

    Der Kampf gegen die riesige Bestie kostete ihn nicht nur Prellungen und schmerzhafte Beulen, sondern auch das Thermogewehr. Er, der Umweltangepasste, wandte sich zur Flucht. Es gelang ihm, auf dem gleichen Weg – wahrscheinlich! –, auf dem er eingedrungen war, das Labyrinth zu verlassen, verfolgt von den Schreien und dem Geräusch der Schritte jener Bestie. Im Lärm der Signale des Systemalarms und im flackernden Licht der uralten Beleuchtungskörper erreichte er wieder das Freie. Der Rand des Dschungels lag vor ihm.

    Es gab also jenen Un-Ort Ereshkigal. Die Höllenwelt. Eine riesige Projektionsfläche für Albträume aller Art, bevölkert von abstrusem Leben. Der Name war trefflich gewählt: Er stammte aus der längst versunkenen Welt des terranischen Zweiströmelandes, aus der Zeit, in der man das Gilgamesch-Epos in Keilschrift niedergeschrieben hatte – in langen Reihen spitz-dreieckiger Zeichen in weichem Lehm, der im Feuerbrand gehärtet wurde.

    Rulan Karkeron hastete in den Dschungel zurück und fand ohne Schwierigkeit das Versteck, in dem er den schweren Raumanzug zurückgelassen hatte. Da er fürchtete, dass jenes zweibeinige Untier sich auf seine Spur geheftet hatte und ihn verfolgte, war es logisch, in den gepanzerten Anzug zu steigen und die verbliebenen Waffensysteme zu aktivieren. Als er die Handschuhe angelegt hatte und überlegte, ob er den Helm schließen sollte, tauchten die Libra-Leute auf und umstellten ihn. Gegenwehr war sinnlos; sie hätte in einem blutigen Gemetzel geendet.

    Zwei Dutzend hervorragend

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