Judge Midnight - Des Teufels Richter: Horrorkabinett - Band 6
Von Damian Woolfe
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Über dieses E-Book
Horror und Western, in diesem Roman passt es zusammen.
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Buchvorschau
Judge Midnight - Des Teufels Richter - Damian Woolfe
Titel
Judge Midnight
Des Teufels Richter
Damian Woolfe
Impressum
Copyright: Novo-Books im vss-verlag
Jahr: 2023
Lektorat/ Korrektorat: Chris Schilling
Covergestaltung: Hermann Schladt
Verlagsportal: www.novobooks.de
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlichgeschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig
1
Dean Jessup blickte schaudernd zu der düster und einsam am Rande der Lichtung liegenden Hütte und blieb dann wie gelähmt stehen, denn der fahle Lichtschein des Wetterleuchtens ließ den verzerrten Schatten neben der Hütte aus der Schwärze der Nacht auftauchen. Entsetzt schlug Jessup ein Kreuz. Der Henker von Boston, dachte er erschrocken. Der Henker, der hier abseits der Häuser und Hütten von Gold Run in den Black Hills hauste.
„Allmächtiger Gott, steh mir bei! stammelte Jessup schaudernd, während er sein Maultier hart am Zaumzeug packte und es in rasender Eile weiter zerrte. „Die Geister der Gehenkten gehen um - da, schon wieder!
Jessup hatte sich umgesehen, aber diesmal hielt das Wetterleuchten einige Sekunden an, und so erkannte der Schnapshändler, dass ihm der Schatten eines Busches neben dem Blockhaus einen Streich gespielt hatte. Dennoch strebte Jessup, so schnell er konnte, aus der Nähe der verrufenen Hütte des Henkers von Boston. Wind strich jetzt über den Kamm des Hügels nahe dem Elk Creek und begann in den gewaltigen Schwarzkoniferen zu winseln. Kaum setzte dieses hohe Winseln ein, als Jessup auf dem glitschigen, regennassen Boden ausglitt und der Länge nach neben seinem hoch bepackten Maultier hinschlug. Das Gewinsel jener Geister, von denen jeder Mann in den Black Hills, der jemals vom Henker von Boston gehört hatte, in Saloons und an den Campfeuern sprach, ließ Jessup eine kalte Haut über den breiten Rücken rieseln.
Hier hatten Dutzende Männer, wenn sie den schmalen Pfad von Deadwood nach Gold Run benutzt hatten und gegen Mitternacht an der verrufenen Hütte vorüber gekommen waren, das laute Stöhnen und Gejammer der Gehenkten vernommen. Die grauenhaften Töne jener Unglücklichen, die Joshua Smith, der Henker von Boston, vom Leben zum Tod befördert hatte, waren von absolut furchtlosen Männern gehört worden, und es gab keinen Zweifel, dass der Henker regelmäßig von den Gestalten der Teufelswelt Besuch erhielt.
Jessup raffte sich auf, erklomm den Hang und zog sein Maultier aus dem Bereich der Bäume. Das Knarren der sich im Wind reibenden Äste, das Knacken im Unterholz und das Geheul der Windstöße verlor sich endlich.
„Gerechter Gott! stieß Jessup hervor, nachdem er das Hochplateau über dem tiefen Einschnitt des Creeks erreicht hatte. „Da bringen mich keine zehn Pferde mehr hin! Mag den Henker, den verfluchten Schlingenknüpfer, der Satan holen, damit man endlich wieder ungefährdet diesen Höhenpfad benutzen kann! Musste dieser Satansschurke ausgerechnet hier ein Blockhaus bauen? Welcher Teufel hat ihm eingegeben, dass er sich in den Black Hills und an diesem Pfad verkriechen sollte?
Schlammbedeckt blieb Jessup stehen und sah sich noch einmal um. Vor Monaten hatte ihn die Neugierde auf der Lichtung anhalten und Joshua Smith beim Bau seines Blockhauses zusehen lassen. Smith hießen so viele Leute, dass kein Mensch auf die Idee gekommen war, in diesem Smith den ehemaligen Henker von Boston zu vermuten. Joshua Smith war ein mürrischer, finster blickender Mann beträchtlicher Körpergröße und sehr kräftig, obgleich er so hager und dürr wirkte. Als Jessup ihm zugesehen und ihn angeredet hatte, hatte Smith nur karge und abweisende Antwort gegeben. Ein Sauertopf, hatte Jessup gedacht, bis acht Wochen später das schreckliche Geheimnis um Smith bekanntgeworden war.
Jemand, der lange Jahre in Boston gelebt und sich wie Tausende anderer Leute in die Black Hills aufgemacht hatte, um hier nach Gold zu suchen, hatte Smith erkannt. Von diesem Tag an mied alles den Henker.
„Hol mich der Teufel, wenn ich mich noch mal an diesem Geisterloch vorbei wage! sagte Jessup schaudernd. „Vielleicht versammeln sich in dieser Nacht alle zweiunddreißig arme und in der Hölle schmorenden Seelen jener Leute, die der verfluchte Kerl - ruck, zuck! - den Hals länger gemacht hat.
Jessup wandte sich schaudernd um, setzte seinen Weg fort und dachte an jenen Jungen, der Smiths letztes Opfer gewesen war. Ballantine hatte im Hause eines Seidenwarenhändlers in Boston gelebt und war von einem Stadtpolizisten durch das Fenster gesehen worden, wie er sich über den in seinem Blut liegenden Händler gebeugt hatte. Alle Beteuerungen des Jungen, er wäre gerade erst nach Hause gekommen und hätte seinen Hauswirt erstochen vorgefunden, waren vergeblich. Die Jury verurteilte den seine Unschuld beteuernden Ballantine zum Tode.
Einen halben Tag vor der Hinricttung Ballantines fand man in Lynn, der Nachbarstadt Bostons, einen bei einer Messerstecherei auf den Tod verletzten Matrosen. Der Sterbende gestand, als ihm die letzte Absolution erteilt wurde, er hätte den Seidenhändler erstochen. Der Bote aus Lynn kam zu spät, und so hängte - der Satan musste es so gewollt haben! - Smith den unschuldigen Jungen, der noch unter dem Galgen flehentlich um Gnade gebettelt, um Aufschub gebeten und wimmernd seine Unschuld beschworen hatte.
Es mochten die Klagen der Mutter Ballantines gewesen sein, vielleicht auch die Vorwürfe der Öffentlichkeit, jedenfalls hatte Smith sein verruchtes Amt aufgegeben und war aus Boston verschwunden. In den Black Hills war er wieder aufgetaucht: ein Mann, der keinen Tropfen trank, sein Blockhaus fest verschlossen hielt, wenn er es für zwei Minuten verließ, in Gold Run nur einkaufte, kurz bevor die Stores nachts schlossen, und sich am Tage kaum blicken ließ.
Dafür ging Smith nachts um. Er suchte kaum am Tage wie andere nach Gold, sondern tat das nachts. Smith hatte einen Claim nahe der Hütte am Elk Creek erworben. Das Stück Land lag in der tiefen Schlucht des Elk Baches, und Jessup sah unwillkürlich, als er über das Hochplateau hastete, nach links, denn dort war der Claim.
In der nächsten Sekunde packte Jessup das nackte Entsetzen. Der Schnapshändler hatte gerade einen Schluck aus seiner Blechflasche genommen, die er wegen des Regens und der kalten Nacht zur Hälfte geleert hatte, als ihm der letzte Schluck in der Kehle steckenblieb.
Links von Jessup, kaum sechzig Schritt von ihm entfernt und von plötzlichem Lichtschimmer angestrahlt, tauchten zwei Schatten auf.
Der steife Wind blies über die Hochfläche und pfiff um die Felsblöcke am Rande der tiefen Schlucht. Grauer Dunst hüllte die Bäume am jenseitigen Ufer des Baches ein. Das Licht schuf einen gelblich-roten Hof, schien flackernd aus der Tiefe nach oben und zeigte Jessup die beiden Gestalten. Jessup erkannte den Henker von Boston binnen eines Wimpernzuckens. Die hagere Gestalt des Henkers, der stets nur schwarze Anzüge trug und einen Zylinder auf dem Kopf hatte, krümmte sich gerade zusammen - und sie trug keinen Zylinder. Die andere Gestalt stand aufrecht auf einem Felsblock. Sie schien über der Schlucht zu schweben und hielt irgend etwas in beiden Händen. Eingehüllt in einen dunklen, weiten Umhang, der im Wind flatterte und den Eindruck des Schwebens noch verstärkte, wich die schaurige Gestalt zurück, wobei sie kleiner und kleiner wurde.
In diesem Moment sah Jessup das straff gespannte Seil. Jene schauerliche Gestalt auf dem Felsblock krümmte sich immer mehr zusammen, so dass sie binnen weniger Augenblicke wie eine zwergenhafte Spukfigur wirkte - ja, sie schien sich zu einer Kugel zusammenzuziehen.
Gerechter Gott, hilf mir, das ist der Teufel! dachte Jessup entsetzt - der Satan hat Smith besucht!
In der gleichen Sekunde drehte sich der Henker von Boston so um dass ihm das Licht in das Gesicht schien. Jenes geheimnisvolle, schreckliche Licht tauchte das Gesicht des Henkers in einen rotgelben Schimmer, und Jessup sah aus hervorquellenden Augen, dass Smith den Strick um den Hals hatte.
Der Satan hatte sich so weit auf dem Felsblock entfernt, dass Smith ihn nicht erreichen konnte. Jetzt war die schaurige Gestalt beinahe verschwunden, nur die Hände ragten in die Höhe, während Smith gegen den Felsblock prallte, beide Hände um die Schlinge des Henkerstrickes gekrallt hatte und wie ein Rasender gegen den schrecklichen Würgezug ankämpfte.
Das alles geschah in absoluter Lautlosigkeit - und gerade das war es, was Jessup um ein Haar den Verstand raubte. Nur der Satan selbst konnte Smith besucht haben. Dort drüben holte der Teufel jetzt den Mann, der zweiunddreißig Seelen in die Hölle geschickt hatte. Der Henker musste sterben!
*
Es war Jessup, als hielte ihn eine grausige Macht an den Beinen fest. Jessups Laterne war längst erloschen. Er hatte für die Strecke von Deadwood nach Gold