Kommissar Jörgensen und der dunkle Schatten auf weißer Weste: Mordermittlung Hamburg Kriminalroman
Von Thomas West und Chris Heller
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Kommissar Jörgensen und der dunkle Schatten auf weißer Weste: Mordermittlung Hamburg Kriminalroman
Krimi von Thomas West & Chris Heller
Katharina Wellnitz, Gerichtsmedizinerin bei der Kriminalpolizei, soll als Belastungszeugin gegen Cord Waschke aussagen, der wegen Frauenhandels und Zuhälterei angeklagt ist. Bevor sie ihre Aussage machen kann, wird sie brutal ermordet. Kurz darauf wird ein Callgirl getötet, das während des Studiums mit Katharina Wellnitz befreundet war. Die Hamburger Kommissare Uwe Jörgensen und Roy Müller ermitteln im Umfeld der beiden Frauen und stoßen auf einen mysteriösen Unbekannten, der seinerzeit den Callgirl-Ring leitete. Offensichtlich will jemand seine Vergangenheit bereinigen – und nun schwebt Melanie Beurer, die dritte im Bunde der ehemaligen Edelhuren, in Lebensgefahr ...
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Kommissar Jörgensen und der dunkle Schatten auf weißer Weste - Thomas West
Kommissar Jörgensen und der dunkle Schatten auf weißer Weste: Mordermittlung Hamburg Kriminalroman
Krimi von Thomas West & Chris Heller
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Katharina Wellnitz, Gerichtsmedizinerin bei der Kriminalpolizei, soll als Belastungszeugin gegen Cord Waschke aussagen, der wegen Frauenhandels und Zuhälterei angeklagt ist. Bevor sie ihre Aussage machen kann, wird sie brutal ermordet. Kurz darauf wird ein Callgirl getötet, das während des Studiums mit Katharina Wellnitz befreundet war. Die Hamburger Kommissare Uwe Jörgensen und Roy Müller ermitteln im Umfeld der beiden Frauen und stoßen auf einen mysteriösen Unbekannten, der seinerzeit den Callgirl-Ring leitete. Offensichtlich will jemand seine Vergangenheit bereinigen – und nun schwebt Melanie Beurer, die dritte im Bunde der ehemaligen Edelhuren, in Lebensgefahr ...
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1
Wir erreichten den Bungalow am Hamburger Stadtrand. Rot verklinkert war der, wie es hier di Bauvorschriften vorsahen. Die Fugen waren grauweiß. So lautete die Vorschrift. Für architektonischen Firlefanz blieb da nicht viel Spielraum.
Wir, das waren mein Kollege Roy Müller und ich.
Mein Name ist Kriminalhauptkommissar Uwe Jörgensen.
Wir hatten einen Tipp bekommen, dass sich hier Ibrahim Retschonow aufhielt.
Der gehörte zur Tschetschenen-Mafia, die seit einigen Jahren hier in Hamburg die kriminelle Szene aufmischt.
Die traditionellen Zuhälter und Drogenbarone beschweren sich schon. Denn die Tschetschenen gehen mit einer grausamen Kompromisslosigkeit vor, die selbst hartgesottene Gangster erbleichen lässt. Die Luden von der Reeperbahn haben es nicht geschafft, diese Teufel aus dem Geschäft rauszuhalten. Jetzt müssen sie aufpassen, dass sie nicht selbst herausgedrängt werden. Ibrahim Retschonow hatte mehrere Leute auf dem Gewissen. Es lag ein Haftbefehl vor. Es hieß., dass er schnell zur Schusswaffe griff.
Wir klingelten.
Ein Mann machte auf.
Guten Tag. Jörgensen, Kripo Hamburg.
Tag.
Herr Irfanow?
Ja.
Herr Ibrahim Retschonow soll sich hier befinden.
Hören Sie, er ist nicht hier.
Herr Retschonow wird mit Haftbefehl gesucht. Er hat mindestens fünf Menschen erschossen.
Das mag sein...
Wir haben einen Tipp bekommen, dass er hier bei Ihnen untertauchen will.
Wer hat Ihnen das gesagt? Ich kenne diesen Herrn Retschonow gar nicht. Ehrlich!
Natürlich log er uns. Vielleicht hatte man ihn unter Druck gesetzt.
Das konnte ich mir vorstellen.
Aber nicht, dass er ihn gar nicht kannte.
Das war ausgeschlossen.
Vollkommen ausgeschlossen.
Sie können gehen. Er ist nicht hier. Und falls er auftaucht, sage ich Ihnen Bescheid.
Ich sah ihn an.
Dieser Mann stand unter Druck.
Und das musste seinen Grund haben.
Er schwitzte.
Aber es war kühl und eigentlich gab es keinen Anlass dazu. Seine Augen wirken unruhig.
Er zitterte sogar ganz leicht.
Haben Sie Familie?
, fragte ich.
Eine Frau und zwei Kinder.
Und die hatte der Typ jetzt vermutlich in seiner Gewalt.
Natürlich würdeer alles tun und alles sagen, was Retschonow verlangte. Alles. Ohne Ausnahme.
Ich wechselte einen kurzen Blick mit meinem Kollegen Roy Müller.
In Ordnung
, sagte ich dann. Sagen Sie uns bescheid, wenn Sie von Retschonow hören.
Das tue ich
, versprach er.
Und dann schloss er wieder die Tür.
Ich wandte mich an Roy.
Denkst du dasselbe wie ich denke, Roy?
Wir gehen zum Wagen und tun so, als würden wir abziehen
, schlug Roy vor.
Ja.
Und dann gehen wir von hinten ins Haus.
Okay.
Aber vorher rufen wir noch Verstärkung.
In diesem Moment hörten wir einen Schrei aus dem Haus.
Anscheinend haben wir dafür keine Zeit mehr, Roy!
*
Wir gingen hinten rein und brachen die Terrassentür auf. Die lassen sich leicht aushebeln.Ich stürmte voran, Roy hinterher.
Wieder war ein Schrei zu hören. Dann redeten mehrere Stimmen durcheinander. Die Stimme von Herrn Irfanow erkannte ich wieder. Da war noch eine andere Männerstimme. Außerdem Frauengeschrei und Kindergeschrei.
Dann etwas, was sich wie ein Schlag anhörte.
Ich trat die Tür zur Seite.
Retschonow hatte Irfanow geschlagen. Der Blutete amKinn.
Es waren zwei Kinder im Raum und zwei Frauen. Eine in Irfanows Alter und eine Ältere. Vermutlich die Großmutter der Kinder.
Retschonow hatte eine Waffe in der Hand. Und die richtete er auf eins der Kinder. Offenbar glaubte er, dass Irfanow ihn doch irgendwie verraten habe oder nicht das getan hatte, was er sollte.
Waffe weg! Polizei!
, rief ich.
Retschonow wirbelte herum.
Er feuerte.
Ich feuerte ebenfalls.
Im Gegensatz zu ihm traf ich auch.
Er fiel wie ein gefällter Baum zu Boden und blieb regungslos liegen.
Es war dann von einem Moment zum nächsten vollkommen still im Raum.
Roy beugte sich über ihn. Er ist tot, Uwe
, stellte er fest.
Sie sind außer Gefahr
, sagte ich an die anderen gerichtet.
Das glauben Sie
, sagte Irfanow. Aber der Kerl hat Verwandtschaft.
*
Die Aufzugtür schob sich langsam auseinander. Mit einem guten Dutzend anderer Fluggäste der Mittagsmaschine mischte sich Katharina Wellnitz unter die vielen Menschen in der Flughalle des Münchner Airports. Es war einen Tag nach ihrem fünfunddreißigsten Geburtstag.
Sie holte ihr Gepäck ab, kaufte sich die Münchner Abendzeitung und eine Tüte Lakritze. Die Vorliebe für Lakritze hatte sie seit ihrer Kindheit nicht aufgegeben, und die meisten ihrer Freunde und Kollegen schüttelten sich, wenn Katharina in die obligatorische Tüte griff. Selbst während der alltäglichen Obduktionen kaute sie manchmal dieses schwarze Zeug.
Sie hatte ihren Geburtstag gestern bewusst als Tag der statistischen Lebensmitte gefeiert.
Die zweite Hälfte des Sandes in einem Stundenglas verrinnt immer schneller, als die erste
, hatte sie kurz nach Mitternacht zu Daniel, ihrem Mann, gesagt. Da waren die Partygäste schon gegangen, und sie hatten sich über die letzte Flasche Wein hergemacht.
Der baumlange, schwarze Kerl, der in einer Nische der Flughalle stand und so tat, als würde er telefonieren, wusste davon nichts. Nach seiner Überzeugung - und er betrachtete das von einem streng beruflichen Gesichtspunkt aus - war Katharinas Lebensmitte längst überschritten. Seit mehr als siebzehn Jahren. Er hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass sie heute noch sterben würde.
Katharina kannte den Mann nicht. Und sie beachtete ihn auch nicht weiter, als sie ein paar Meter sich an die Wand drängte, ihr Handy aus der Tasche zog und ihre Nummer in Harburg wählte. Hallo, Liebling, seufzte sie,
ich bin heil angekommen".
Böse Zungen sagten ihr nach, sie würde sich für fremde Menschen nur interessieren, wenn sie beruflich dazu gezwungen war. Manche drückten es auch drastischer aus: Wenn die fremden Menschen erwürgt, erschossen oder erstochen vor ihr auf dem Seziertisch lagen.
Dann viel Erfolg bei deinem Vortrag
, rief Daniel ins Telefon, ruf' mich an, wenn du es geschafft hast!
Okay, denk an mich!
Katharina hängte den Hörer auf und verließ die Flughalle. Der Blick des schwarzen Mannes heftete sich an ihr dunkelblaues Kostüm. Aber auch das bemerkte sie nicht. Wenn sie sich etwas gründlicher umgeschaut hätte, wenn sie im Laufe ihres Lebens auch nur eine Spur jener Antennen hätte entwickeln müssen, die einem Menschen drohende Gefahren signalisieren, noch bevor sie seine fünf Sinne erreichen - vielleicht wäre die obere Hälfte ihres Stundenglases an diesem Dienstag noch genauso voll gewesen, wie die untere. So aber drängten sich eben die letzten Sandkörner zur dünnen Spindel zwischen den beiden Glashälften hin.
Der große Schwarze - während er Katharina nicht aus den Augen ließ, wählte er jetzt tatsächlich eine Nummer - hatte solche Antennen entwickeln müssen. Er war in Altona groß geworden und konnte sich an fast keinen Tag seiner Kindheit und Jugend erinnern, an dem er sich nicht mit irgendjemandem geprügelt hätte. Oder an dem er nicht vor irgendjemandem weggelaufen wäre.
Katharina dagegen war in Eißendorf, einem Viertel von Harburg, aufgewachsen. Mit Walt-Disney-Figuren und einem Privatspielplatz im Garten ihres Elternhauses, mit einem liebenswürdigen Golden Retriever und drei älteren Brüdern, die sie mit Lakritze versorgten und sogar bemüht waren, die Mücken totzuschlagen, bevor sie ihre kleine Schwester stechen konnten.
Katharina steuerte ein Taxi an und drückte dem Fahrer ihr Gepäck in die Hand. Sie ließ sich in den Fond des Wagens fallen.
Hansen-Hotel
, antwortete sie auf den fragenden Blick des Chauffeurs.
Die Aufregung kribbelte wie eine Schar Ameisen in ihrem Bauch, als sie den Namen des Hotels aussprach. Ihr erster Vortrag! Nach fünf Jahren beim Kriminalkommissariat war man endlich auf ihre polizeiärztlichen Kompetenzen aufmerksam geworden!
Katharina war überzeugt davon, dass sie erst am Anfang ihrer Karriere stand. Diese fast naive Zuversicht hatte sie durch ihr ganzes Leben begleitet und zusammen mit ihren Brüdern dafür gesorgt, dass ihr Leben bis zu diesem Tag wie eine gleichmäßig ansteigende Kurve verlaufen war. Abgesehen von den beiden Jahren in einem dieser Viertel von Hamburg. Aber das war lange her. Und wenn die Staatsanwaltschaft sie nicht gebeten hätte, in diesem unangenehmen Prozess aussagen, würde sie überhaupt nicht mehr an dieses Intermezzo damals in den neunziger Jahren denken ...
Sie schob den Gedanken an den Gerichtstermin beiseite, der ihr am Donnerstag bevorstand, und angelte das Konzept für ihr Referat aus der Aktenmappe.
Der Lange in der Nische sagte nur einen Satz in die