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PROJEKT GALILEI: Mordkommission Frankfurt: Der 9. Band mit Siebels und Till
PROJEKT GALILEI: Mordkommission Frankfurt: Der 9. Band mit Siebels und Till
PROJEKT GALILEI: Mordkommission Frankfurt: Der 9. Band mit Siebels und Till
eBook359 Seiten4 Stunden

PROJEKT GALILEI: Mordkommission Frankfurt: Der 9. Band mit Siebels und Till

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Über dieses E-Book

Kommissarin Lena Leisig ermittelt in ihrem ersten Fall.
In der Suite eines Frankfurter Hotels wurde die Leiche einer übel zugerichteten Frau gefunden. Sie hieß Naila und stammte aus Jordanien.
Am Tatort erfährt die Kommissarin, dass die Suite von dem LKA-Kommissar Till Krüger observiert wurde. Das LKA war einem Waffenhändler auf den Fersen.

Privatdetektiv Steffen Siebels erhält einen seltsamen Auftrag.
Er soll einen vermeintlichen Mitarbeiter des LKA identifizieren und ausfindig machen.
Seine Auftraggeberin heißt Samira. Sie stammt ebenfalls aus Jordanien und war die beste Freundin von Naila. Die beiden arbeiteten für einen exklusiven Escort-Service und wurden von hochrangigen Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft gebucht. Aber dieser Job war für die beiden nur die eine Seite der Medaille.

Projekt GALILEI dürfte es eigentlich nicht geben. Aber durch den Mord an Naila und den Auftrag für Siebels, bringen die Ermittler es nach und nach zum Vorschein und decken einen hochbrisanten Spionagefall auf.

Doch dabei überschlagen sich die Ereignisse und die Ermittler finden sich plötzlich im Mittelpunkt einer internationalen Krise wieder.
SpracheDeutsch
HerausgeberTraumwelt Verlag
Erscheinungsdatum15. Nov. 2018
ISBN9783939362395
PROJEKT GALILEI: Mordkommission Frankfurt: Der 9. Band mit Siebels und Till

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    Buchvorschau

    PROJEKT GALILEI - Stefan Bouxsein

    978-3-939362-39-5

    1

    Hauptkommissarin Lena Leisig nickte den anwesenden Kollegen von der Spurensicherung zu. Ihr Blick schweifte durch die luxuriöse Hotelsuite und blieb auf dem Boden vor dem Doppelbett haften. Dort lag das Opfer, zusammengekrümmt und übel zugerichtet. Die Kommissarin ging in die Hocke und betrachtete sich die junge Frau aus der Nähe. Aufgeplatzte Lippen, ein verletztes Auge, ein ausgerissenes Haarbüschel lag über ihrer nackten Brust. Hämatome an Armen und Beinen und Würgemale am Hals. Der Anblick schnürte der Kommissarin für einen Moment die Luft ab. Das Opfer trug nur Strapse und einen String. Die restlichen Kleidungsstücke waren in der Suite zerstreut, lagen teilweise zerrissen auf dem Boden herum. Eine Bluse, ein kurzer Rock, ein BH, ein Blazer. Neben jedem Kleidungsstück war von der Spurensicherung ein kleines Schild mit einer Nummer aufgestellt worden.

    Lena Leisig nahm die anderen Leute, die am Tatort noch ihre Arbeit verrichteten, gar nicht wahr. Sie wollte sich einen ersten Eindruck von der Tat und dem Tatort verschaffen, bevor sie sich mit den Kollegen von der Spurensicherung und der Gerichtsmedizinerin austauschte. Sie öffnete die Tür zu einem begehbaren Kleiderschrank. Darin hingen ausschließlich Anzüge, Hemden und Krawatten. In der Suite wohnte eindeutig ein Mann.

    Es war der erste Fall für die frischgebackene Hauptkommissarin und ihr Einstieg im neuen Job bei der Frankfurter Mordkommission. Sie war erst 28 Jahre alt. Jetzt sah sie, worauf sie sich dabei eingelassen hatte. Einen brutalen Mord, dessen Aufklärung nicht sehr schwer sein dürfte. Sie musste eigentlich nur in Erfahrung bringen, wer diese Suite bewohnte.

    Die Tote war eine wunderschöne Frau gewesen. Lena schätzte sie auf Anfang bis Mitte zwanzig. Auf den ersten Blick handelte es sich bei dem Opfer um eine Frau aus dem arabischen Raum. Vielleicht war sie auch Perserin. So genau konnte Lena die Ethnien nicht auseinanderhalten. Schon gar nicht bei einer Toten. Sie befand sich im Hotel Jumeirah, das zu einer Kette mit Sitz in Dubai gehörte. Das Fünf-Sterne-Hotel in der Frankfurter Innenstadt war das erste Haus der international tätigen Hotelkette, das auf deutschem Boden eröffnet hatte. Lena Leisig warf einen flüchtigen Blick aus der großen Fensterfront. Die Panoramasicht auf die Frankfurter Innenstadt und dem daraus aufragenden Hochhaus der Europäischen Zentralbank am Mainufer war atemberaubend und stellte einen krassen Kontrast zu dem Anblick des Opfers in der Suite dar. Die Kommissarin hatte freie Sicht bis ins benachbarte Offenbach. Aber sie war nicht hier, um sich die Stadt anzuschauen. Ihr Blick wanderte zurück zu der Toten und der Frau, die den Leichnam kurz vor ihrem Eintreffen noch untersucht hatte.

    »Sie sind Frau Leisig?«, erkundigte sich die Frau.

    Lena Leisig nickte noch ein wenig gedankenverloren, nachdem sie sich einen ersten Eindruck vom Tatort verschafft hatte. Sie befanden sich in der großzügig gestalteten Panoramasuite, die aus einem Arbeits- und einem Wohnbereich bestand.

    »Ich bin Anna Lehmkuhl, die Gerichtsmedizinerin. Sabine Siebels hat mir schon von Ihnen erzählt. Sabine ist eine gute Freundin von mir.«

    Lena Leisig reichte Anna Lehmkuhl die Hand. »Hi. Ja, ich bin Lena Leisig. Sabine hat mir auch schon einiges von Ihnen erzählt. Freut mich, dass wir uns jetzt persönlich kennen lernen.« Lena deutete auf die tote Frau auf dem Fußboden. »Wenn der Anlass leider auch nicht sehr erfreulich ist. Ich nehme an, sie wurde vergewaltigt?«

    Anna Lehmkuhl nickte. »Ja, die Spuren sind eindeutig. Sie hat sich heftig gewehrt. Aber der Täter ist äußerst brutal vorgegangen, das sehen Sie ja selbst.«

    »Konnten Sie die Todesursache schon feststellen?« Lena ließ ihren Blick über die tote Frau schweifen. Auch im Tod strahlte sie noch einen gewissen Stolz aus, trotz des sichtbaren Martyriums, das sie über sich hat ergehen lassen müssen, und trotz der körperlichen Blöße. Oder vielleicht auch genau deswegen. Weil sie so schön war. Schön und unnahbar. So stellte Lena sich die junge Frau vor, als noch Leben in ihr war.

    »Nach der ersten Leichenschau spricht alles für einen Erstickungstod. Sie wurde erwürgt.« Anna Lehmkuhl packte ihre Utensilien zusammen, während sie Lena ihre Erkenntnisse mitteilte.

    »Wissen wir schon, wer sie ist?«

    »Nein. Außer ihrer Kleidung haben wir keine persönlichen Sachen gefunden. Keine Handtasche, keine Geldbörse, keinen Ausweis.«

    Lena inspizierte die auf dem Boden verteilten Kleidungsstücke. »Der Blazer und die Bluse stammen aus einer Luxusboutique«, stellte sie fest. »Die High Heels kosteten bestimmt auch ein kleines Vermögen. Auf wen ist das Zimmer gebucht?«

    Anna Lehmkuhl zuckte die Schultern. »Das zu klären, gehört jetzt zu Ihren Aufgaben. Das Hotelpersonal ist jedenfalls ziemlich nervös und auf äußerste Diskretion bedacht.« Das Handy der Gerichtsmedizinerin kündigte einen Anruf an. Anna Lehmkuhl schaute kurz auf das Display und nahm das Gespräch entgegen. »Hallo, Till. Kann ich dich in ein paar Minuten zurückrufen? Ich bin gerade an einem Tatort.« Anna Lehmkuhl zog die Augenbrauen hoch, als sie hörte, was ihr Lebenspartner Till Krüger ihr zu sagen hatte. »Was? Wieso?« Sie nickte verwirrt, während sie ihrem Freund kurz zuhörte. Dann beendete sie das Gespräch und sah Lena Leisig an. »Das war mein Freund. Till Krüger. Er ist Hauptkommissar beim LKA Wiesbaden.«

    »Ja, ich weiß. Sabine hat mir schon einige alte Anekdoten erzählt. Till Krüger war ja schließlich mein Vor-Vorgänger und hat mit Sabines Mann bei der Frankfurter Mordkommission Geschichte geschrieben.«

    »Das kann man wohl so sagen. Sie können Till jetzt persönlich kennen lernen. Er sitzt in der Suite nebenan und erwartet uns.«

    Lena schaute Anna ungläubig an. »Wieso das?«

    »Das hat er mir nicht verraten. Kommen Sie, ich bin auch gespannt, was er hier zu suchen hat.«

    »Hallo, Anna«, begrüßte Till seine Freundin. »Hallo, Frau Leisig.«

    »Hallo, Herr Krüger. Das schaut ja fast so aus, als wäre das hier doch nicht mein Fall.« Till saß vor einem Monitor, auf dem er das Geschehen im Zimmer nebenan beobachtete. Um seinen Hals hing ein Kopfhörer.

    »Hast du bei dem Mord etwa zugeschaut?«, fragte Anna fassungslos.

    »Natürlich nicht«, beschwichtigte Till kopfschüttelnd. »Sie lag schon tot vor dem Bett, als ich hier Stellung bezogen habe. Ich war es, der die Polizei verständigt hat. Aber offiziell bin ich gar nicht hier. Deswegen ist und bleibt es auch Ihr Fall, Frau Leisig. Ich möchte allerdings zeitnah über Ihre Ermittlungsergebnisse unterrichtet werden.«

    »Im Gegenzug wollen Sie mir aber nicht verraten, was Sie hier tun, oder?« Lena Leisig wirkte nicht gerade erfreut darüber, bei ihrem ersten Mordfall gleich mit dem LKA konfrontiert zu sein.

    »Die Suite nebenan wurde von Gerold Haferstein gebucht«, zeigte Till sich kooperativ. »Wir beobachten ihn rund um die Uhr. Haferstein ist ein Geschäftsmann mit Hauptbetätigungsfeld internationalem Waffenhandel. Nach unseren Informationen wollte er sich heute Abend in seiner Suite mit Hassani Aziz treffen. Aziz ist Marokkaner und eine zwielichtige Figur. Ihm werden Kontakte zu verschiedenen Terrororganisationen zugeschrieben. Wir haben den begründeten Verdacht, dass er als Kontaktmann mit Gerold Haferstein einen nicht unbedeutenden Waffendeal einfädeln sollte. Deswegen bin ich hier. Wir wollen die Hintermänner von Aziz identifizieren. Die Tote da drüben bringt jetzt natürlich alles durcheinander, und ich habe leider keine Ahnung, warum sie ermordet in Hafersteins Suite liegt. Haferstein kann damit nichts zu tun haben. Den hatten wir den ganzen Tag über auf dem Radar.«

    »Na super«, stöhnte Lena Leisig.

    »Finden Sie heraus, wer die Dame war«, sagte Till. »Dann rufen Sie mich an. Vielleicht ist der Fall für Sie dann schon beendet.« Till reichte Lena Leisig seine Karte.

    »Sie wollen mich doch verarschen«, seufzte Lena Leisig resigniert. »Wenn Gerold Haferstein die Suite gemietet hat, hat er die Frau da drüben auch in ihren jetzigen Zustand befördert. Aber Sie geben ihm ein Alibi, um weiter seine Geschäftstätigkeiten beobachten zu können. Und mich lassen Sie wie ein dummes Kind einen Mordfall bearbeiten, der sowieso nie aufgeklärt wird. Das ist zwar mein erster Tag bei der Mordkommission, aber deswegen lasse ich mich nicht gleich wie einen Azubi behandeln, der mit sinnlosen Ermittlungen abgespeist wird.«

    »Da liegen Sie falsch«, beschwichtigte Till sie. »Haferstein kann es nicht gewesen sein. Der saß in einem Meeting bei der Deutschen Bank, als die Frau starb. Wir haben ihn in seiner Suite von hier aus seit seiner Ankunft auf dem Schirm. Wir haben die Suite aber natürlich nicht beobachtet, als er außer Haus war. Wir erwarten ihn aber in Kürze zurück. Deshalb habe ich hier vor ungefähr zwei Stunden Stellung bezogen. Das war eine Stunde früher, als wir ursprünglich geplant hatten. Als ich die Frau auf dem Monitor entdeckt habe, bin ich sofort rüber. Wir haben eine Schlüsselkarte. Sie muss kurz vor meinem Erscheinen gestorben sein. Sie war noch nicht richtig kalt. Da saß Haferstein definitiv noch in seinem Meeting.«

    »Vertrauen Sie ihm«, sagte Anna. »Ich kenne ihn schon eine Weile und will ihn bald heiraten.«

    »Okay. Sie erwarten Herrn Haferstein also jeden Moment zurück? Ich kann ihn dann ja wohl befragen, oder?«

    »Selbstverständlich. Er wird bald kommen. Ich halte hier noch die Stellung und schaue, wie er auf die Situation reagiert. Ob er sein Treffen mit Hassani Aziz heute noch wie geplant abhält, wage ich allerdings zu bezweifeln. Wir haben die Observation nur bis heute Nacht vorgesehen gehabt. Der größte Teil des Teams zieht sich gerade zurück. Mir bleiben nur noch zwei Leute.«

    Lena Leisig hatte sich von Anna Lehmkuhl und den Kollegen von der Spurensicherung verabschiedet, nachdem diese ihre Arbeit in der Hotelsuite erledigt hatten. Nun saß sie im Büro des Hoteldirektors. Udo Liermann war Ende dreißig, hatte schwarzes, akkurat geschnittenes Haar und zupfte nervös an seinem Krawattenknoten. »Wer hat eigentlich die Polizei verständigt?«, fragte er. »Ich wurde von dieser Sache völlig überrumpelt und weiß noch gar nicht, wie ich damit umgehen soll.«

    »Am besten beantworten Sie jetzt erst mal meine Fragen«, schlug Lena Leisig ihm vor. »Wir bekamen übrigens einen anonymen Hinweis. Mehr kann ich Ihnen dazu im Moment nicht sagen.«

    »Einen anonymen Hinweis?« Der Direktor weitete seinen Krawattenknoten noch ein wenig. »Der kann doch nur vom Täter gekommen sein, oder? Aber außer Herrn Haferstein und dem Zimmerpersonal hat gar niemand Zutritt zu der Suite.«

    »Und damit kommen wir auch schon zu meinen Fragen«, unterbrach Lena die Gedanken des Direktors. »Kannten Sie die Tote?«

    »Nein, ich denke nicht. Ich konnte aber nur einen ganz kurzen Blick auf sie werfen. Ihre Kollegen haben mich ja gar nicht ins Zimmer gelassen. Wegen der Spurensicherung.«

    »Die ist jetzt abgeschlossen. Kommen Sie, gehen wir zur Suite und schauen uns das Opfer nochmal an, bevor es zur Gerichtsmedizin gebracht wird.«

    Udo Liermann stand mit gefalteten Händen und gesenktem Blick vor dem Bett und schaute widerwillig auf den am Boden liegenden Leichnam. »Schrecklich«, flüsterte er. »Sie ist noch so jung. Wer tut denn so etwas, sie wurde ja schrecklich zugerichtet. Sie muss doch um Hilfe gerufen haben, warum hat sie denn niemand gehört?«

    »Schauen Sie sich ihre aufgeplatzten Lippen an«, forderte Lena ihn wenig mitfühlend auf. »Wahrscheinlich wurde ihr der Mund zugehalten, vielleicht war sie auch geknebelt. Haben Sie die Frau nun schon einmal gesehen, als sie noch unter den Lebenden weilte?«

    »Nein, ich glaube nicht. Aber hier im Hotel kommen und gehen die Gäste natürlich tagtäglich. Manche bringen Besuch mit aufs Zimmer. Hatte sie denn eine Schlüsselkarte für die Suite bei sich?«

    »Wir haben keine gefunden.«

    »Das ist aber sehr merkwürdig«, wunderte sich der Direktor.

    »Kann es sein, dass Sie die Frau doch schon mal gesehen haben? In der Hotelbar? Oder im Spa-Bereich. Hat sie sich hier vielleicht als Prostituierte verdingt?«

    »Wir sind ein erstklassiges Hotel«, protestierte der Direktor umgehend.

    »Das würde ja passen. Die Dame war auch erstklassig, das lässt jedenfalls ihre Garderobe vermuten.« Lena Leisig schielte an die Stelle der Gardinenschiene, an der sie die Kamera vermutete, die die Bilder ins Zimmer nebenan übertrug. Aber sie konnte keine ausmachen. Das hatten die Kollegen vom LKA sehr professionell eingerichtet, kam es ihr mit einer Spur von Bewunderung in den Sinn.

    »Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass sich unsere Gäste gewisse Damen mit auf die Suite nehmen«, stammelte der Direktor. »Aber wir gehen damit sehr diskret um.«

    »Wollen Sie mir etwas Bestimmtes damit sagen?« Lena Leisig schaute den Direktor herausfordernd an. Sie hatte ihre Laufbahn bei der Milieukriminalität begonnen und kannte sich in dem Gewerbe bestens aus.

    »Wir zählen zu unseren Gästen natürlich auch viele Geschäftsleute, die sich für ein paar Tage in der Stadt aufhalten. Die reisen oft allein und wollen abends nach ihren Geschäftstreffen noch das eine oder andere kulturelle Event erleben. Einen Besuch in der Oper oder im Theater zum Beispiel. In Begleitung einer netten, jungen, kultivierten Dame ist das natürlich noch um einiges angenehmer.«

    »Sie meinen Damen von einem Escort-Service?«

    »Wir nennen es Begleit-Service«, versuchte der Direktor die Integrität eines solchen Dienstes herauszustellen.

    »Die Tote hat sich hier im Hotel also als Begleitdame für wohlhabende und einsame Geschäftsleute angedient?«

    »Das klingt so banal aus Ihrem Mund«, echauffierte sich der Direktor.

    »Schauen Sie sich die Tote noch einmal genau an, Herr Liermann. Und dann gehen wir wieder zurück in Ihr Büro. Ich glaube, Sie haben mir noch einiges zu sagen.« Lena Leisig war sich jetzt sicher, dass der Direktor die Frau heute nicht zum ersten Mal gesehen hatte. Sie wollte vor den Augen und Ohren des LKA jetzt aber nicht zu viele Details aus dem Direktor herausholen. Das waren ihre Ermittlungen und dieser Till Krüger konnte sich ja jederzeit an sie wenden, wenn er Informationen haben wollte. Dazu musste er sie aber als gleichberechtigte Partnerin behandeln, sonst würde sie ihn auf Granit beißen lassen.

    Als sie die Suite wieder verlassen wollten, trafen sie auf dem Hotelflur auf die Männer von der Pietät, die den Leichnam in die Gerichtsmedizin überführen sollten. Sie wurden von zwei jungen Hotelangestellten begleitet.

    »Nehmen Sie den Lift Nummer drei und verlassen Sie das Hotel durch den Lieferanteneingang, Herr Schröder«, ordnete der Direktor an.

    »Selbstverständlich, Herr Liermann. Wir haben schon alles Nötige veranlasst, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen«, beeilte sich Schröder seinem Vorgesetzten zu versichern.

    Zurück im Büro des Direktors verlangte Lena Leisig eine detaillierte Auskunft über die Aktivitäten der Damen vom Begleit-Service im Hotel.

    »Wir arbeiten da mit einem bestimmten Unternehmen zusammen«, windete Udo Liermann sich zähneknirschend und Lena Leisig zückte Bleistift und Notizblock.

    »Wie heißt dieses Unternehmen?«

    »Das wird wirklich alles sehr diskret gehandhabt«, druckste der Direktor noch herum und tupfte sich Schweißperlen von der Stirn.

    »Die Frau wurde ja auch sehr diskret umgebracht«, versuchte Lena Leisig ihrem Gegenüber mit Galgenhumor auf die Sprünge zu helfen.

    »Die Damen halten sich nicht im Hotel auf, wenn sie nicht gebucht sind«, erklärte Liermann.

    »Und wo kann man die Damen buchen, wenn man bei Ihnen als Gast abgestiegen ist? Erledigen Sie das?«

    »Natürlich nicht. Nur bei uns gut bekannten Gästen geben wir auf Anfrage eine entsprechende Telefonnummer weiter. Wie gesagt, wir behandeln das äußerst diskret.«

    »Ich ermittele auch sehr diskret«, zwinkerte Lena Leisig ihrem Gesprächspartner zu und wurde im gleichen Moment lautstark. »Aber wenn mich das nicht weiterbringt, pfeife ich auf Diskretion und ich fordere auf der Stelle zwanzig uniformierte Kollegen an, die im Hotel von Tür zu Tür gehen und Ihre Gäste auf absolut indiskrete Art und Weise befragen werden. Alles klar?«

    »First Class Escort van Bergen«, flüsterte der Direktor.

    »Wie bitte?«

    »First Class Escort van Bergen«, rief er nun lauter als nötig. Sein Widerstand war gebrochen.

    »Aha. Gibt es auch einen Ansprechpartner?«

    »Justine van Bergen. Sie leitet das Unternehmen. Zu ihren Kunden gehören ausschließlich einflussreiche Geschäftsleute, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

    »Sie meinen, dass die Zusammenarbeit mit diesem Begleit-Service ein sehr diskretes, aber wirkungsvolles Instrument zur Kundenbindung für Ihre wohlhabenden Hotelgäste ist.«

    »Denken Sie doch, was Sie wollen«, winkte der Direktor ab.

    »Wo erreiche ich diese Justine van Bergen?«

    Seufzend zog der Direktor eine seiner Schreibtischschubladen auf, holte eine Visitenkarte hervor und reichte sie der Hauptkommissarin. Lena Leisig warf einen kurzen Blick auf die Karte. Es stand nur eine Handynummer darauf. Und die Initialen JvB waren unscheinbar und in kleiner, schnörkeliger Schrift auf der unteren linken Ecke aufgedruckt.

    »Wir zwei werden doch noch ein richtig gutes Team«, zeigte Lena sich erfreut. Der Direktor verzog die Mundwinkel. »Hat Herr Haferstein denn diese Telefonnummer von Ihnen ausgehändigt bekommen?«

    »Nein. Definitiv nicht. Das letzte Mal haben wir vor ungefähr drei Wochen einem Gast auf Anfrage in dieser Angelegenheit weiterhelfen können.«

    »Ach, führen Sie darüber etwa Buch?«

    »Wir behalten das im Auge, damit es nicht ausartet. Mit dem Service von JvB hatten wir bisher keine Probleme. Sie bedienen nur einen auserlesenen Kundenkreis, und die Damen erscheinen tatsächlich nur selten in unserem Hause.«

    »Jetzt ist es aber leider doch irgendwie ausgeartet«, spöttelte Lena. »Wie wird Herr Haferstein eigentlich empfangen, wenn er wieder ins Hotel zurückkommt?«

    »Er wird direkt in mein Büro gebracht. Es sei denn, Sie fangen ihn vorher ab und verhaften ihn.«

    »Ich warte hier auf ihn. Momentan betrachten wir ihn noch nicht als Tatverdächtigen, auch wenn der Mord in seiner Suite stattgefunden haben muss. Sorgen Sie doch bitte zwischenzeitlich dafür, dass ich die Videoaufnahmen der letzten 24 Stunden ausgehändigt bekomme.«

    »Natürlich, Frau Leisig. Unser Sicherheitschef wird sich sofort darum kümmern.« Liermann griff zum Telefonhörer, tippte eine Kurzwahl ein und gab den Wunsch der Kommissarin an den zuständigen Mitarbeiter weiter.

    2

    Steffen Siebels saß an seinem Schreibtisch und sortierte Unterlagen, die er für seine Steuererklärung benötigte. Zwei Jahre war er mittlerweile als Privatdetektiv tätig, nachdem er den Dienst bei der Frankfurter Mordkommission quittiert hatte. Die meiste Zeit davon hatte er keine Aufträge gehabt und sich um seinen Sohn Denis gekümmert. Nach den bevorstehenden Sommerferien würde Denis eingeschult werden. Die Jahre flogen nur so dahin, dachte Siebels wehmütig. Seine Tochter aus erster Ehe studierte mittlerweile in Hamburg. Ab und zu telefonierten die beiden miteinander. Mit seiner Ex-Frau hatte er schon seit Jahren kein Wort mehr gesprochen. In zweiter Ehe war er mit Sabine verheiratet. Die beiden hatten sich bei einem Fall kennen gelernt, den er als Hauptkommissar bei der Frankfurter Mordkommission bearbeitet hatte. Es war der erste Fall gewesen, bei dem er gemeinsam mit einem jungen Kollegen ermittelte. Der junge Kollege hieß Till Krüger, und Siebels hatte schnell dessen Potential erkannt. Die beiden entwickelten sich zu einem perfekten Team und lösten einige spektakuläre Fälle bei der Frankfurter Mordkommission. Bis heute waren sie gute Freunde geblieben und auch beruflich kreuzten sich ihre Wege merkwürdigerweise immer wieder, nachdem Till Krüger zum LKA nach Wiesbaden gewechselt war und Steffen Siebels sich als Teilzeit-Privatdetektiv und Vollzeit-Papa vom Polizeidienst verabschiedet hatte. Seine Frau Sabine hatte stattdessen wieder ihren Job bei der Milieukriminalität angenommen. Das ging letztendlich aber nicht gut. Siebels erhielt als Privatdetektiv zwar nur wenige Aufträge, aber die, die er bekam, ließen sich nicht mit seiner neuen Rolle als Vollzeit-Papa vereinbaren. Als dann Sabine in Ausübung ihrer Tätigkeit angeschossen wurde, drängte sie darauf, die Rollenverteilung wieder umzukehren. Siebels stimmte ihr schließlich zu und bewarb sich um seinen alten Job. Den würde er nun nach den Sommerferien wieder antreten. Ein ehemaliger Kollege hatte ihn erst unlängst darüber informiert, dass in seiner alten Abteilung wieder einiges in Bewegung gekommen war. Auf Siebels wartete eine neue, junge Partnerin. Lena Leisig war gerade erst zur Hauptkommissarin ernannt worden und noch ein völlig unbeschriebenes Blatt bei der Mordkommission.

    Siebels schob seine Papiere beiseite und nahm noch einmal die Karte in die Hand, die der Briefträger heute Vormittag vorbeigebracht hatte. Die Einladung von Anna Lehmkuhl und Till Krüger zu deren Hochzeit. Siebels freute sich aufrichtig für die beiden, die diesen Tag immer wieder vor sich hergeschoben hatten. Nun war es bald so weit. Noch zwei Wochen.

    *

    Lena Leisig saß mit Gerold Haferstein im Büro des Hoteldirektors. Den Direktor hatte sie rausgeschickt.

    »Worum geht es denn?«, fragte Haferstein etwas unwirsch. Anscheinend hatte ihn noch niemand über die Leiche in seiner Suite aufgeklärt. »Ich hatte einen anstrengenden Tag und möchte in mein Zimmer und mich frisch machen. Mein nächster Termin steht bald an.«

    »Sie sind geschäftlich in Frankfurt?« Lena Leisig versuchte sich zunächst ein Bild von diesem Mann zu machen. Er war Mitte fünfzig, schlank und etwa 1,80 m groß. Hatte hellgraue, zurückgekämmte Haare, markante Gesichtszüge und das selbstbewusste Auftreten eines Geschäftsmanns, der viel in der Welt herumkam. Das sah man ihm an. Er machte einen weltläufigen Eindruck.

    »Ja, bin ich. Warum interessiert Sie das? Sie sind von der Mordkommission, haben Sie gesagt. Wurde jemand umgebracht, den ich kenne?«

    Lena Leisig schob ihm ihr Handy vor die Nase. Damit hatte sie die Tote fotografiert. »Kennen Sie diese Frau?«

    Haferstein sah sich das Bild an. Er griff in seine Jackentasche, zog eine Brille hervor, die er sich auf die Nase setzte, und betrachtete erneut das Foto. »Nein, diese Frau kenne ich nicht. Sollte ich?« Er gab seiner Gesprächspartnerin das Handy zurück.

    »Ja, Sie sollten. Sie starb nämlich in Ihrer Suite. Sie wurde brutal vergewaltigt und ermordet.«

    Haferstein schaute Lena Leisig ungläubig an und schüttelte bedächtig den Kopf. »Sie wurde in meiner Suite umgebracht? Da will mir jemand etwas anhängen. Das ist eine intrigante Falle.«

    »Wer könnte Ihnen denn etwas anhängen wollen?«

    »Ich weiß es nicht. Aber ich war den ganzen Tag über in einem Meeting. Vielleicht war es ja auch jemand vom Personal. Haben Sie das überprüft?« Haferstein schaute die Kommissarin herausfordernd an. Er suchte nach einer Erklärung und gleichzeitig wollte er etwas verbergen. Das entging Lena nicht.

    »Die Frau gehörte nicht zum Personal. Möglicherweise arbeitete sie für einen Escort-Service. Das klären wir noch.«

    Haferstein zuckte fast unmerklich zusammen. »Für einen Escort-Service? Aber wie ist sie dann in meine Suite gelangt?«

    Lena bemerkte, wie es im Kopf von Haferstein arbeitete. Er schien sich selbst eine Erklärung zusammenreimen zu wollen, ohne dabei zu viel preisgeben zu müssen. Als wäre er in einem Dilemma gefangen, was er zweifelsohne ja auch war. »Also nochmal fürs Protokoll: Sie kennen die tote Frau nicht, Sie haben sie nie zuvor gesehen und haben sie auch nicht umgebracht. Habe ich das richtig verstanden?«

    »Das haben Sie richtig verstanden, Frau …?«

    »Leisig, Hauptkommissarin Lena Leisig. Wo haben Sie sich heute aufgehalten?«

    »Ich hatte einen geschäftlichen Termin in der Stadt.«

    »Was machen Sie beruflich?«

    »Ich bin Berater und koordiniere geschäftliche Abwicklungen.«

    »Das klingt ja sehr interessant. Wo ist Ihr Büro angesiedelt?«

    »In Wien.«

    »Gut. Dann benötige ich nun noch ein paar Namen und Telefonnummern von Leuten, die bestätigen können, wo Sie sich heute aufgehalten haben.«

    »Ich stehe also tatsächlich unter Mordverdacht?« Haferstein schüttelte verärgert den Kopf.

    »In Ihrem Hotelzimmer, zu dem außer Ihnen und dem Personal eigentlich niemand Zutritt haben sollte, liegt eine tote Frau, und Sie fragen mich jetzt ernsthaft, ob Sie als Tatverdächtiger gelten?«

    Lena konnte förmlich sehen, wie es im Kopf von Haferstein arbeitete. Wenn er zur Tatzeit bei der Deutschen Bank wegen der Finanzierung eines Geschäfts im Waffenhandel einen mehrstündigen Termin wahrgenommen hatte, hatte er nun ein Problem. Bei seinen Gesprächspartnern, die ihm ein Alibi geben konnten, waren Ermittlungen in einem Mordfall ein Unding. Die wahren Hintergründe seiner Geschäftstätigkeiten waren dort wohl auch eher nicht thematisiert worden, vermutete Lena. Haferstein kam mit der Toten in seiner Suite nun also an mehreren Fronten in Bedrängnis.

    »Hans-Joachim von Treutlingen«, sagte Haferstein schließlich. »Er kann Ihnen den Termin bestätigen.«

    Lena notierte sich den Namen und ließ sich auch eine Handynummer von dem genannten Mann geben.

    »Wer ist das?«

    »Er ist mein Ansprechpartner bei der Deutschen Bank und war mit mir zwischen 11:00 und 15:00 zusammen.«

    »Sonst gibt es niemanden, der das noch bestätigen könnte?«

    »Das sollte reichen«, antwortete Haferstein zerknirscht. »Herr von Treutlingen ist ein renommierter Banker.«

    Einer, den Haferstein in der Hand hatte, vermutete Lena. »Sie verlassen die Stadt nicht ohne meine Einwilligung«, ermahnte sie Haferstein zum Abschluss dieser ersten Befragung. »Anderenfalls lasse ich Sie international zur Fahndung ausschreiben. Alles klar?«

    Haferstein hatte schon Luft geholt, um der jungen Frau eine angemessene Antwort zu geben. Doch er hielt sich zurück und besann sich eines Besseren. »In drei Tagen muss ich aber abreisen«, sagte er in höflichem Ton.

    »Wo wollen Sie denn hinreisen?«

    »Nach Beirut. Ich habe dort wichtige geschäftliche Angelegenheiten zu klären.«

    »Morgen Vormittag will ich Sie um zehn Uhr im Präsidium sprechen.« Lena Leisig gab ihm ihre Karte. Die erste, die sie als Hauptkommissarin bei der Mordkommission vergab. »Ihre Suite ist ein Tatort, Sie werden umziehen müssen. Die Spurensicherung ist zwar abgeschlossen, aber ich werde die Räumlichkeiten vorsichtshalber versiegeln lassen.«

    »Ich werde das Hotel wechseln. Hier bleibe ich bestimmt nicht.«

    »Das können Sie gerne tun. Aber ich muss wissen, wo ich Sie finden kann.«

    Haferstein warf einen Blick auf die ausgehändigte Karte. »Ich rufe

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